Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2011, Az. XI ZR 114/09

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 10644

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 114/09 Verkündet am: 11. Januar 2011 [X.], [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2011 durch [X.] [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Ellenberger und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 10. März 2009 aufge-hoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem von der Beklagtenseite finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung durch die [X.]. 1 Die Klägerseite erwarb im Jahre 1999 zu [X.] eine Eigen-tumswohnung in dem Objekt [X.]

in [X.] . Der [X.] zuzüglich Sanierungskosten betrug 140.450 DM. Zur Finanzierung des 2 - 3 - Kaufs schloss die Klägerseite mit der Beklagten zu 2., die hierbei von der [X.] zu 1. vertreten wurde, einen Darlehensvertrag über ein tilgungsfreies Vorausdarlehen in Höhe von 173.000 DM sowie zwei Bausparverträge. Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der Finanzierung erfolgte durch die [X.]GmbH (im Folgenden: [X.] ) und die [X.]

mbH (im [X.]: B. ), zwei Unternehmen der H.

Gruppe (im Folgenden: [X.]), die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die Beklagtenseite finanzierte. Insoweit unterzeichnete die Klägerseite nach den Feststellungen der Instanzgerichte, die auf dem unstreitigen Vortrag der [X.] beruhen, unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauf-trag. In von den Parteien vorgelegten Mustern eines solchen Auftrages heißt es: Ich erteile hiermit den Auftrag [X.] das o. g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4. und 5. der nachfolgenden Auf-stellung benannten Firma zu den dort genannten [X.] ausgeführt werden. Ausweislich Punkt 4. der Aufstellung sollte die jeweilige [X.] eine Finanzierungsvermittlungsgebühr und ausweislich Punkt 5. die jeweilige Immobilienvermittlungsgesellschaft eine Courtage erhal-ten, die nach der unbestrittenen Behauptung der Klägerseite 2% des [X.] bzw. 3,48% des Kaufpreises zuzüglich Sanierungskosten betru-gen. Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt. Mit der Klage verlangt die Klägerseite - gestützt auf einen [X.] wegen vorvertraglicher [X.] - die Rück-abwicklung des kreditfinanzierten Kaufs der Eigentumswohnung. Sie begehrt insbesondere die Rückzahlung geleisteter Zinsen und die Feststellung, dass aus dem Darlehensvertrag ihr gegenüber keine Zahlungsansprüche bestehen, Zug um Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils, sowie die Feststellung, dass die Beklagtenseite ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der im [X.] - 4 - sammenhang mit dem finanzierten Erwerb der Eigentumswohnung steht. Ihre Ansprüche stützt die Klägerseite unter anderem darauf, dass sie durch den [X.] und Finanzierungsvermittlungsauftrag arglistig über die Höhe der [X.] getäuscht worden sei. Außerdem habe die Beklagtenseite das Risiko ihres Not leidenden Kreditengagements bei der [X.] im Rahmen des finanzierten Geschäfts auf die Klägerseite abgewälzt. Die Beklagtenseite ist dem entgegen getreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit der vom erken-nenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerseite ihr Klagebegeh-ren weiter. 4 Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 5 [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt, ein vorvertragliches Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite liege nicht vor, und zwar insbeson-dere auch kein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung über die Höhe der Ver-triebsprovisionen. Die Beklagtenseite sei nicht verpflichtet gewesen, die Kläger-seite auf die Höhe der Vertriebsprovisionen hinzuweisen, solange diese - wie hier - nicht zu einer sittenwidrigen Überhöhung des Kaufpreises führten. Auch eine Aufklärungspflicht wegen eines schwerwiegenden Interessenkonflikts der 6 - 5 - Beklagtenseite habe nicht bestanden. Zwar habe bei Vertragsabschluss im Juni 1999 die Insolvenz der [X.] gedroht. Allein hieraus ergebe sich jedoch kein Interessenkonflikt der Beklagtenseite, denn der Erwerb der [X.] durch die Klägerseite sei nicht gefährdet gewesen, da die Verkäuferin nicht insolvent gewesen sei und auch eine Insolvenz der Vermittlungsfirmen oder der Mietpoolverwalterin den Verkauf der Wohnung nicht gefährdet habe. I[X.] Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheiden-den Punkt nicht stand. 7 1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.], dass das einen Immobilienerwerb finanzierende Kreditinstitut den Darlehensnehmer grundsätzlich nicht von sich aus auf eine im Kaufpreis enthaltene und an den Vertrieb gezahlte Provision hinweisen muss, sofern diese nicht zu einer so [X.] Verschiebung des Verhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrs-wert der Immobilie beiträgt, dass das Kreditinstitut von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen musste (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - [X.] ZR 104/08, [X.], 1451 Rn. 17 mwN, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Rechtlich nicht zu [X.] ist auch, dass das Berufungsgericht eine solche sittenwidrige Übervortei-lung hier nicht festgestellt hat. 8 2. Mit diesen Ausführungen lässt sich eine Haftung der Beklagtenseite für ein Aufklärungsverschulden im Zusammenhang mit den Vertriebsprovisio-nen aber nicht abschließend verneinen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] liegt ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der [X.] - 6 - nanzierungsbank auch dann vor, wenn die Bank Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - [X.] ZR 104/08, [X.], 1451 Rn. 20 mwN). Wie der erken-nende Senat bereits mehrfach zu ebenfalls die Beklagtenseite betreffenden vergleichbaren Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens entschieden hat (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - [X.] ZR 414/04, [X.], 876 Rn. 56 und vom 27. Mai 2008 - [X.] ZR 132/07, [X.], 1260 Rn. 26 mwN), wird die Kenntnis der Beklagtenseite von einer solchen arglistigen Täuschung der [X.] durch den Vertrieb widerleglich vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Anga-ben zum Anlageobjekt objektiv evident ist. Ein solcher Fall ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt im Hinblick auf die Vertriebsprovisionen gegeben. Die Klägerseite hat sich zur Begründung eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite nämlich unter Beweisantritt auch darauf berufen, durch den Objekt- und [X.] sei bei ihr gezielt der unrichtige Eindruck erweckt worden, dass für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der [X.] lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren Vertriebsprovisionen zu zahlen seien, obwohl tatsächlich im Einvernehmen zwi-schen Vertrieb und Beklagtenseite wesentlich höhere Vertriebsprovisionen an die Vermittler geflossen seien. 10 a) Danach ist eine arglistige Täuschung der Klägerseite über die Höhe der Vertriebsprovisionen dargetan, über die die Beklagtenseite sie hätte [X.] müssen. Wie der erkennende Senat in seinem nach Erlass des [X.] ergangenen Urteil vom 29. Juni 2010 ([X.] ZR 104/08, [X.], 1451 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der formularmäßige Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, der gemäß den nachstehenden [X.] - 7 - rungen unter b) entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch im [X.] zum Einsatz gekommen ist, angesichts des darin enthaltenen formularmä-ßigen Hinweises, der Auftrag solle durch die in Punkt 4. und 5. der nachfolgen-den Aufstellung benannten [X.] zu den dort im Einzelnen genannten [X.] ausgeführt werden, unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 5 [X.] (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) dahin auszulegen, dass es sich bei den als Finanzierungsvermittlungsgebühr und [X.] Provisionen um die [X.] handelt, zu denen die jewei-lige Vermittlungsgesellschaft den Auftrag insgesamt ausführen sollte (Senatsur-teil vom 29. Juni 2010 - [X.] ZR 104/08, [X.], 1451 Rn. 28 ff.). Dies war aber nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerseite eine be-wusste Fehlinformation, da tatsächlich wesentlich höhere Provisionen an die Vermittler gezahlt werden sollten und wurden. Das Berufungsgericht, das die nach dem Senatsurteil vom 29. Juni 2010 gebotene Auslegung des formularmäßigen Objekt- und Finanzierungsvermitt-lungsauftrages und das sich daraus möglicherweise ergebende Aufklärungs-verschulden der Beklagtenseite bei Abfassung seines Urteils noch nicht be-rücksichtigen konnte, hat den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt noch nicht geprüft und die für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch erfor-derlichen weiteren Feststellungen noch nicht getroffen. 12 b) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, ein Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, wie er Gegenstand des [X.] vom 29. Juni 2010 gewesen ist, liege im Streitfall nicht vor. 13 Nach dem vom Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in [X.] genommenen unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unter-zeichnete die Klägerseite am 25. Mai 1999 unter anderem auch einen "Objekt- 14 - 8 - und Finanzierungsvermittlungsauftrag". Diese tatbestandliche Feststellung kann nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO bzw. mit einer [X.] verfahrensrechtlichen Gegenrüge des [X.] angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf [X.] nach § 320 ZPO beseitigt werden ([X.], Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11 mwN). Einen solchen Antrag hat die Beklagtenseite nicht gestellt. In den von der Klägerseite vorgelegten Mustern des Objekt- und [X.]es gemäß Anlagen [X.]/1 bis [X.]/3 heißt es wie in dem Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, der Gegenstand des [X.] vom 29. Juni 2010 gewesen ist: "Ich erteile hiermit den Auftrag, [X.] das o. g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4. und 5. der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten [X.] ausgeführt werden." Nach Punkt 4. der Aufstellung sollte die jeweilige [X.] eine Finanzierungs-vermittlungsgebühr, nach Punkt 5. die jeweilige Immobilienvermittlungsgesell-schaft eine Courtage erhalten. Soweit die von der Klägerseite zu den Akten ge-reichte Anlage [X.]/4 einen anderen Inhalt aufweist, handelt es sich nicht um den vom [X.] festgestellten "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauf-trag", sondern um eine Zahlungsanweisung. Dass die Klägerseite einen "[X.] und Finanzierungsvermittlungsauftrag" mit dem vorgenannten Inhalt erteilt hat, hat die Beklagtenseite bereits in der Klageerwiderung zugestanden (§ 288 ZPO), indem sie als Anlage [X.] selbst ein entsprechendes Muster vorgelegt hat. Die Voraussetzungen des § 290 ZPO für einen Widerruf dieses Geständ-nisses sind nicht dargetan. Soweit die Revisionserwiderung behauptet, die [X.] habe statt des Objekt- und [X.] einen Immobilienvermittlungsauftrag unterzeichnet, der keine Formulierungen wie der 15 - 9 - Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag enthalte, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der nach § 559 ZPO in der Revisionsinstanz unzulässig ist. II[X.] 16 Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sach-vortrag erhalten haben, nach Maßgabe des [X.] vom 29. Juni 2010 ([X.] ZR 104/08, [X.], 1451 ff.) die erforderlichen Feststellungen zum [X.] eines etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen [X.] im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Klägerseite durch den bindend festgestellten Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag zu treffen haben. 17 - 10 - Zugleich wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, das Bestehen eines Schadensersatzanspruches wegen einer [X.] im Zusammenhang mit einem schwerwiegenden Interessenkonflikt der Beklagten-seite unter Berücksichtigung der Ausführungen der Parteien in der [X.] erneut zu prüfen (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - [X.] ZR 414/04, [X.], 876 Rn. 50 mwN und vom 25. September 2007 - [X.] ZR 274/05, [X.], 119 Rn. 30). 18 [X.] Joeres [X.] [X.]: [X.], Entscheidung vom [X.], Entscheidung vom 10.03.2009 - 4 U 241/06 -

Meta

XI ZR 114/09

11.01.2011

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2011, Az. XI ZR 114/09 (REWIS RS 2011, 10644)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10644

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