Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.11.2019, Az. V B 44/18

5. Senat | REWIS RS 2019, 1678

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Gegenstand

(Zum Begründungerfordernis des § 119 Nr. 6 FGO)


Leitsatz

1. NV: Ein Urteil ist auch dann nicht i.S. des § 119 Nr. 6 FGO mit Gründen versehen, wenn die Gründe nur zum Teil fehlen und das Gericht ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das für sich allein den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildet, auch als Teil eines eigenständigen Anspruchs übergangen hat .

2. NV: Die ertragssteuerliche Beurteilung eines Sachverhalts ist für die umsatzsteuerrechtliche Bewertung nicht maßgebend .

3. NV: Deshalb können Fragen nach der Unternehmereigenschaft i.S. des § 2 Abs. 1 UStG und nach den Steuerbefreiungen i.S. des § 4 UStG nicht allein mit Hinweis auf ertragsteuerliche Gesichtspunkte beantwortet werden .

Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des [X.] vom 23.01.2017 - 12 K 336/16 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Gründe

1

Die Beschwerde des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] ([X.]). Dessen Urteil leidet an einem vom Kläger zu Recht gerügten Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der [X.]sordnung ([X.]O), da es nicht in ausreichender Weise mit Gründen versehen ist (§ 119 Nr. 6 [X.]O).

2

1. Nach § 119 Nr. 6 [X.]O ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, [X.]n die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. So verhält es sich, [X.]n den Prozessbeteiligten die Grundlage entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Es reicht aus, [X.]n die Gründe nur zum Teil fehlen und das Gericht ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das für sich allein den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildet, auch als Teil eines eigenständigen Anspruchs übergangen hat (z.B. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 07.09.2011 - V B 54/11, [X.], 2091).

3

Zu der umsatzsteuerrechtlich entscheidenden Frage, ob der Kläger Unternehmer [X.] 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gewesen ist und steuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat, führt das [X.] lediglich aus, dass nach seiner Auffassung der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) zutreffend eine gewerbliche Vermietung angenommen habe. Das ist schon deshalb keine hinreichende Begründung, weil die Frage, wer Unternehmer ist und gegen [X.] die im Rahmen eines Unternehmens entstandene Umsatzsteuer festzusetzen ist, unabhängig von der Frage zu beantworten ist, wer einen Gewerbebetrieb führt und deshalb zur Einkommensteuer und Gewerbesteuer zu veranlagen ist ([X.] vom 20.02.2004 - V B 152/03, [X.], 833). Die ertragsteuerliche Beurteilung eines Sachverhalts ist für die umsatzsteuerrechtliche Bewertung nicht maßgebend (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteile vom 15.04.1999 - V R 85/98, [X.] 1999, 1389; vom 13.11.1997 - V R 11/97, [X.], 137, [X.] 1998, 169; vom 22.11.2001 - V R 62/00, [X.] 2002, 680; [X.] vom 11.05.2012 - V B 106/11, [X.] 2012, 1339). Das [X.] hat sich nicht mit der Frage, ob der Kläger umsatzsteuerrechtlich Unternehmer gewesen ist, auseinandergesetzt und auch nicht mit der sich bei [X.] aufdrängenden Frage, ob die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG vorgelegen haben. Die für den Bereich der Umsatzsteuer fragmentarische Begründung versetzt die Beteiligten nicht in die Lage, die Gründe des [X.] nachzuvollziehen und zu prüfen.

4

2. Da von einem nachfolgenden Revisionsverfahren auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist, hält es der erkennende Senat für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 [X.]O zu verfahren. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

5

3. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O abgesehen, der auch für das Verfahren nach § 116 Abs. 6 [X.]O An[X.]dung findet (vgl. [X.] vom 28.02.2018 - V B 145/16, [X.] 2018, 636).

6

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V B 44/18

12.11.2019

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 23. Januar 2017, Az: 12 K 336/16, Urteil

§ 2 Abs 1 UStG 2005, § 119 Nr 6 FGO, § 4 UStG 2005, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, UStG VZ 2011, UStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.11.2019, Az. V B 44/18 (REWIS RS 2019, 1678)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1678

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