Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.05.2020, Az. 8 C 5/19

8. Senat | REWIS RS 2020, 3960

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Gegenstand

Verfahrensbeteiligung von Kirchen bei der Bewilligung von Sonntagsarbeit


Leitsatz

Zu Verwaltungsverfahren über die Bewilligung von Sonntagsarbeit nach § 13 Abs. 5, § 15 Abs. 2 ArbZG sind die Kirchen nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hinzuzuziehen.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die klagende [X.] ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nachdem ihr bekannt geworden war, dass im [X.] Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Callcentern aufgrund von Ausnahmebewilligungen nach dem [X.] beschäftigt werden, beantragte sie ihre Beteiligung an entsprechenden Bewilligungsverfahren sowie die Vorlage bereits erteilter Bewilligungsbescheide. Die [X.] lehnte die Anträge ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie zurück.

2

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet gewesen ist, die Klägerin an Genehmigungsverfahren zur Gestattung von Sonntagsarbeit in Callcentern zu beteiligen und den Beklagten verurteilt, der Klägerin alle bereits erteilten Genehmigungen zur Gestattung von Sonntagsarbeit in Callcentern vorzulegen, soweit diese noch fortwirkten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Klage sei mit beiden Anträgen zulässig. § 44a VwGO stehe der Zulässigkeit des [X.] nicht entgegen. Dieser sei auch begründet. Der Anspruch der Kirchen, sie zu Verwaltungsverfahren über die Bewilligung von Sonntagsarbeit in Callcentern hinzuzuziehen, folge aus § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Den Bewilligungsverfahren komme gegenüber den Kirchen rechtsgestaltende Wirkung zu. Die Vorschriften des [X.]es, die im Einzelfall Ausnahmen von dem grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen zuließen, seien gegenüber den Kirchen drittschützend. Sie konkretisierten auf [X.] des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 [X.] ergebe. Dieser Schutzauftrag richte sich auch an die Exekutive. Der auf Vorlage der erteilten Bewilligungen gerichtete Leistungsantrag sei ebenfalls begründet.

3

Zur Begründung der Revision macht der Beklagte geltend, der [X.] sei nach § 44a VwGO unzulässig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Hinzuziehung zu den in Rede stehenden Verwaltungsverfahren. Deren Ausgang habe für sie keine rechtsgestaltende Wirkung im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Aus der verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsgarantie folge ein objektiv-rechtlicher Schutzauftrag, den der Gesetzgeber im [X.] in hinreichender Weise umgesetzt habe. Solange das verfassungsrechtlich gebotene Niveau des [X.] nicht unterschritten sei, könne die Klägerin keine subjektiv-rechtlichen Belange geltend machen. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in einem Teil der [X.] Callcenter sei in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar und taste das verfassungsrechtlich gebotene [X.] nicht an. Auch der Leistungsantrag sei unbegründet. Die erteilten Bewilligungen berührten keine rechtlich geschützten Interessen der Klägerin.

4

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des [X.] vom 11. April 2019 und das Urteil des [X.] vom 12. April 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des [X.]erufungsgerichts verletzt kein [X.] Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

8

1. Das [X.]erufungsgericht hat den [X.] ohne Verstoß gegen [X.]undesrecht für zulässig (a) und begründet (b) gehalten.

9

a) Der Antrag ist entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, nachdem sich das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren der Klägerin, sie zu den Verwaltungsverfahren über die [X.]ewilligung von Sonntagsarbeit hinzuzuziehen, mit Abschluss der [X.]ewilligungsverfahren erledigt hat (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2000 - 3 [X.] 2.00 - [X.] 316 § 13 [X.] Nr. 2 S. 3). Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, da eine Wiederholungsgefahr besteht. Dazu genügt die hinreichende Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut mit einer gleichlautenden Entscheidung der [X.]ehörde gegenüber der Klägerin zu rechnen ist (vgl. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2019 - 8 [X.] 3.19 - NVwZ-RR 2020, 533 Rn. 15). Das ist hier der Fall. Der [X.]eklagte hat deutlich gemacht, dass er beabsichtige, auch zukünftig die Klägerin nicht zu den in Rede stehenden [X.]ewilligungsverfahren hinzuzuziehen.

§ 44a Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Das gilt nach Satz 2 der Vorschrift jedoch nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen [X.]n ergehen. Das [X.]erufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Ablehnung der Hinzuziehung nach § 13 Abs. 2 [X.] zwar eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO darstellt, die Klägerin als [X.] im Sinne des Satzes 2 der Vorschrift aber nicht auf die gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfe verwiesen werden kann.

Der [X.]egriff der Verfahrenshandlung erfasst jede behördliche Maßnahme, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren steht und die der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dient. Hierunter fällt auch die behördliche Verweigerung einer erstrebten Verfahrenshandlung ([X.], Urteil vom 22. September 2016 - 2 [X.] 16.15 - [X.] 310 § 44a VwGO Nr. 13 Rn. 19), hier der Hinzuziehung.

Die Klägerin ist [X.] im Sinne des § 44a Satz 2 VwGO. Dieser [X.]egriff ist im Einklang mit § 13 [X.] auszulegen. [X.]eteiligte im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts sind die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 [X.] [X.]ezeichneten sowie diejenigen, die nach § 13 Abs. 2 [X.] von der [X.]ehörde hinzugezogen worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 [X.]). Die Hinzuziehung wirkt konstitutiv. Erst durch sie erlangt der [X.] die Stellung eines am Verwaltungsverfahren [X.]eteiligten. Personen, die erfolglos ihre Hinzuziehung zum Verfahren gemäß § 13 Abs. 2 [X.] beantragt haben, behalten hingegen ihre Stellung als [X.]. Auf sie findet die Ausnahmeregelung des § 44a Satz 2 VwGO Anwendung. Dem steht der Zweck des § 44a Satz 1 VwGO nicht entgegen. Die Vorschrift dient dem Ziel der Prozessökonomie und soll verhindern, dass die sachliche Entscheidung durch die Anfechtung von Verfahrenshandlungen verzögert wird. Nur das Ergebnis behördlichen Handelns, nicht aber die Vorbereitung der Sachentscheidung soll Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle sein ([X.], Urteil vom 22. September 2016 - 2 [X.] 16.15 - [X.] 310 § 44a VwGO Nr. 13 Rn. 17; [X.]. 7/910 S. 97). Doch ist bei der Anwendung von § 44a VwGO die grundrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 [X.] zu berücksichtigen mit der Folge, dass der Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung von Verfahrenshandlungen für die Rechtsuchenden nicht zu unzumutbaren Nachteilen führen darf (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 14. Juli 2004 - 6 [X.] 30.04 - juris Rn. 12 m.w.[X.]). Würde der entgegen seinem Antrag nicht Hinzugezogene auf ein gerichtliches Vorgehen gegen die - ihm möglicherweise gar nicht bekanntwerdende - Sachentscheidung verwiesen, wäre sein Rechtsschutz nicht ausreichend sichergestellt, so dass sein Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Hinzuziehung zulässig ist.

b) Die Annahme des [X.]erufungsgerichts, die Klägerin könne die Hinzuziehung zu Verwaltungsverfahren zur [X.]ewilligung von Sonntagsarbeit in [X.]allcentern auf der Grundlage des § 1 Sächs[X.] i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 2 [X.] beanspruchen, steht mit [X.]undesrecht in Einklang.

Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 [X.] hat die [X.]ehörde einen [X.], für den der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, auf dessen Antrag als [X.]eteiligten zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Eine rechtsgestaltende Wirkung liegt vor, wenn durch den möglicherweise ergehenden Verwaltungsakt zugleich und unmittelbar Rechte des [X.] begründet, aufgehoben oder geändert werden ([X.], [X.]eschluss vom 29. Juni 2018 - 7 [X.] 14.17 - juris Rn. 9). Auch bewilligende Verwaltungsakte können rechtsgestaltende Wirkung haben (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]onk/Sachs, [X.], 9. Aufl. 2018, § 13 Rn. 40). Da der Ausgang des Verfahrens offen ist, genügt die Möglichkeit, dass die rechtsgestaltende Wirkung bei einem bestimmten Verfahrensausgang eintreten wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Je nach Ausgang der in Rede stehenden [X.]ewilligungsverfahren nach dem [X.] können Rechte der Klägerin aus Art. 4 Abs. 1 und 2 [X.] und Art. 140 [X.] i.V.m. Art. 139 [X.] beeinträchtigt werden.

Die Klägerin als Religionsgemeinschaft kann das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 und 2 [X.] für sich in Anspruch nehmen. Die Religionsfreiheit beschränkt sich nicht auf die Funktion eines Abwehrrechts, sondern gebietet auch, Raum für die aktive [X.]etätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern. Die Schutzpflicht für dieses Rechtsgut trifft den Staat auch gegenüber den als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften. Die aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit abzuleitende Schutzpflicht wird durch die Sonn- und Feiertagsgarantie nach Art. 140 [X.] i.V.m. Art. 139 [X.] konkretisiert. Nach Art. 139 [X.] bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist auch darauf ausgerichtet, den Grundrechtsschutz zu stärken; sie konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten ([X.]VerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 [X.]vR 2857, 2858/07 - [X.]VerfGE 125, 39 <80 f.>). Der zeitliche Gleichklang einer für alle [X.]ereiche regelmäßigen Arbeitsruhe ist ein grundlegendes Element für die Wahrnehmung der verschiedenen Formen [X.] Lebens. Der objektivrechtliche Schutzauftrag, der in der Sonn- und Feiertagsgarantie begründet ist, ist mithin auf die Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind. Mit der Gewährleistung rhythmisch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe fördert und schützt die Sonn- und Feiertagsgarantie neben anderen Grundrechten auch die Ausübung der Religionsfreiheit ([X.]VerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 [X.]vR 2857, 2858/07 - [X.]VerfGE 125, 39 <82,84>; [X.], Urteil vom 26. November 2014 - 6 [X.]N 1.13 - [X.]E 150, 327 Rn. 15).

§ 9 Abs. 1 [X.] verbietet die [X.]eschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen. § 13 Abs. 5 und § 15 Abs. 2 [X.] definieren die Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen gleichwohl ausnahmsweise beschäftigt werden dürfen. Sie konkretisieren auf [X.] des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 4 Abs. 1 und 2 [X.]. Der Erlass von [X.]ewilligungen nach dem [X.], die das Verbot der [X.]eschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen im Einzelfall durchbrechen, wirkt auf das Recht der Religionsgemeinschaften aus Art. 4 Abs. 1 und 2 [X.] und Art. 140 [X.] i.V.m. Art. 139 [X.] unmittelbar rechtsgestaltend ein, weil dadurch der gesetzlich gewährleistete Schutz von Sonn- und Feiertagen jeweils gemindert wird.

Entgegen der Auffassung des [X.]eklagten richtet sich der verfassungsrechtliche Schutzauftrag für den Sonn- und Feiertagsschutz nicht nur an den Gesetzgeber, sondern an alle staatlichen Organe (vgl. [X.]VerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 [X.]vR 2857, 2858/07 - [X.]VerfGE 125, 39 <78 f., 84>). Der Gesetzgeber hat zwar das verfassungsrechtlich gebotene Mindestniveau des [X.] einfachrechtlich zu gewährleisten. Auch [X.]ehörden haben jedoch die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Sonntagsschutz bei der Anwendung der gesetzlichen Normen einschließlich des Verfahrensrechts im Einzelfall zu beachten.

Der Einwand des [X.]eklagten, die Sonntagsarbeit in [X.]allcentern sei für die Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar und berühre deshalb das für den Sonntagsschutz geltende [X.] nicht, rechtfertigt keine andere [X.]ewertung und steht der Hinzuziehung der Klägerin zu [X.]ewilligungsverfahren nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat mit dem generellen sonntäglichen [X.]eschäftigungsverbot des § 9 Abs. 1 [X.] und den dazu ergangenen [X.] der §§ 13, 15 [X.] das Schutzniveau des [X.] gesetzlich ausgestaltet, ohne auf die öffentliche Wahrnehmbarkeit der Sonntagsarbeit abzustellen. Eine Verringerung des Schutzniveaus der Sonn- und Feiertagsgarantie bei der Erteilung von Einzelbewilligungen lässt sich aus der fehlenden öffentlichen Wahrnehmung der Sonntagsarbeit in [X.]allcentern nicht ableiten.

2. Das [X.]erufungsgericht hat ohne Verstoß gegen [X.] Recht den auf [X.]ekanntgabe der noch fortwirkenden [X.]ewilligungsbescheide gerichteten Leistungsantrag für zulässig und begründet gehalten. Die Klägerin kann die [X.]ekanntgabe dieser [X.]ewilligungsbescheide nach § 41 Abs. 1 Satz 1 [X.] beanspruchen. Sie ist zwar nicht [X.]eteiligte im Sinne dieser Vorschrift. Das vom [X.]eklagten bei der Entscheidung über die [X.]ekanntgabe [X.] ist der Klägerin gegenüber jedoch auf Null reduziert.

§ 41 Abs. 1 Satz 1 [X.] verpflichtet die [X.]ehörde zur [X.]ekanntgabe eines Verwaltungsakts an den betroffenen [X.]eteiligten und vermittelt diesem zugleich einen Anspruch hierauf. Die [X.]ekanntgabepflicht ist Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 [X.] (vgl. [X.]VerfG, Urteil vom 24. April 1991 - 1 [X.]vR 1341/90 - [X.]VerfGE 84, 133 <159>). Erst die Kenntnis des Verwaltungsakts schafft die Voraussetzung für dessen von Art. 19 Abs. 4 [X.] gebotene effektive Kontrolle. Ob eine Person von dem Verwaltungsakt betroffen wird, folgt aus dem materiellen Recht (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]onk/Sachs, [X.], 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 32). Für die Klägerin ergibt sich die [X.]etroffenheit im Sinne dieser Vorschrift aus ihrer dargestellten verfassungsrechtlichen Rechtsposition. Die Stellung als [X.]eteiligter bestimmt sich indessen nach § 13 Abs. 1 [X.]. Dabei kann hier offenbleiben, ob auch demjenigen ein Anspruch auf [X.]ekanntgabe nach § 41 Abs. 1 Satz 1 [X.] zukommt, der von dem Verwaltungsakt zwar betroffen wird, eine [X.]eteiligtenstellung im Sinne des § 13 Abs. 1 [X.] aber nicht erlangt hat. Denn jedenfalls hat die [X.]ehörde über die [X.]ekanntgabe des Verwaltungsakts an den zwar betroffenen, aber nicht beteiligten [X.] nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]onk/Sachs, [X.], 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 34). Dieses Verständnis der Vorschrift steht in systematischer Hinsicht mit den zu § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.] entwickelten Grundsätzen zur Akteneinsicht am Verfahren nicht beteiligter Dritter im Einklang. Auch insoweit besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. [X.], Urteile vom 16. September 1980 - 1 [X.] 52.75 - [X.]E 61, 15 <22> und vom 5. Juni 1984 - 5 [X.] 73.82 - [X.]E 69, 278 <279 f.>). Zudem wird hierdurch dem Interesse des [X.], Kenntnis von dem ihn betreffenden Verwaltungsakt zu erlangen und gegebenenfalls den Rechtsweg zu beschreiten, Rechnung getragen.

Auf dieser Grundlage ist eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten der Klägerin anzunehmen. Sie ist unter Verletzung von § 13 Abs. 2 Satz 2 [X.] an den vom [X.]eklagten durchgeführten [X.]ewilligungsverfahren zur Sonntagsarbeit nicht beteiligt worden. Im Hinblick auf die rechtsstaatliche Funktion der [X.]ekanntgabe kann ihr die nachträgliche Kenntnisnahme der bereits ergangenen, noch wirksamen [X.]ewilligungsbescheide im Ermessenswege nicht versagt werden, weil sie anderenfalls entgegen Art. 19 Abs. 4 [X.] an der sachgerechten Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

8 C 5/19

06.05.2020

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 11. April 2019, Az: 3 A 505/17, Urteil

§ 9 Abs 1 ArbZG, § 13 Abs 5 ArbZG, § 15 Abs 2 ArbZG, Art 4 Abs 1 GG, Art 4 Abs 2 GG, Art 140 GG, Art 139 WRV, § 44a VwGO, § 13 Abs 2 S 2 VwVfG, § 41 Abs 1 S 1 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.05.2020, Az. 8 C 5/19 (REWIS RS 2020, 3960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3960

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Wird zitiert von

3 Kart 447/18

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1 BvR 1341/90

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