Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2008, Az. II ZR 27/07

II. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 3670

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 2. Juni 2008 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja GmbHG § 64 Abs. 2; BGB § 823 Abs. 2 Be; StGB § 266 a Abs. 1 Mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist es ver-einbar, wenn er zur Vermeidung strafrechtlicher Verfolgung fällige Leistungen an die Sozialkassen erbringt (vgl. [X.], [X.]. v. 14. Mai 2007 - [X.], [X.], 1265; vgl. auch [X.]. v. 5. Mai 2008 - [X.] z.[X.].). [X.], [X.]eil vom 2. Juni 2008 - [X.] - [X.] [X.]
- 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 2. Juni 2008 durch [X.], [X.], [X.] und Dr. Drescher für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das [X.]eil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 10. Januar 2007 in der Fassung des [X.] vom 16. Februar 2007 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das [X.]eil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 16. Dezember 2005 wird [X.]. Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Beklagte war Geschäftsführer der I.

GmbH (im folgenden [X.]), die seit November 2000 zahlungsunfähig war und über deren Vermögen auf ihren am 22. Februar 2001 gestellten Antrag hin am 1. März 2001 das Insol-venzverfahren eröffnet wurde. Die an die Klägerin zu leistenden [X.] - 3 - versicherungsbeiträge für Dezember 2000 und Januar 2001 in Höhe von 26.111,19 DM und 36.266,63 DM wurden nicht abgeführt. 2 Auf Antrag der Klägerin erging am 6. Februar 2004 gegen den Beklagten wegen der Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile an den [X.] ein Vollstreckungsbescheid über 15.946,64 •, in dem der [X.] als Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB bezeichnet war. Am selben Tag wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete den Anspruch in diesem Verfahren als Forderung aus "vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" an. Der Insolvenzverwalter stellte den Anspruch gegen den Widerspruch des Beklagten entsprechend fest. Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin festzustel-len, dass die Forderung mit dem Rechtsgrund "Schadensersatz aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" zu bezeichnen sei. Das [X.] gab der Klage statt, das [X.] wies sie ab. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter. Entscheidungsgründe: Die Revision der Klägerin ist begründet und führt unter Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts zur Zurückweisung der Berufung des [X.]. 3 I. Das Berufungsgericht ([X.], 724) meint, der Beklagte könne nicht wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in Anspruch ge-nommen werden, weil er sich nach der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenz-schuldnerin im November 2000 in einer Pflichtenkollision befunden habe. Er habe die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr abführen dürfen, ohne im Ver-4 - 4 - hältnis zur Insolvenzschuldnerin nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG zahlungs-pflichtig zu werden. 5 II. Das [X.]eil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 6 1. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, das schon im Ansatz verkannt hat, dass von einer Pflichtenkollision schon dann keine Rede sein kann, wenn der Geschäftsführer in der durch § 64 GmbHG bezeichneten [X.] Zahlungen an Gläubiger bewirkt oder bewirken lässt, steht die [X.] nach § 64 Abs. 2 GmbHG einer Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB nicht entgegen. Wie der [X.]at nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, ist es mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn er zur Vermeidung straf-rechtlicher Verfolgung fällige Leistungen an die Sozialkassen erbringt ([X.].[X.]. v. 14. Mai 2007 - [X.], [X.], 1265; ebenso zu § 266 StGB [X.].[X.]. v. 5. Mai 2008 - [X.], z.[X.].). Mit Rücksicht auf die Einheit der Rechts-ordnung kann es dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden, die [X.] nach § 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkassen nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch straf-rechtlicher Verfolgung aussetzt. 2. Der [X.]at kann in der Sache selbst entscheiden und das [X.] wieder herstellen, weil keine weiteren Feststellungen zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). 7 a) Die Feststellungsklage ist - wie in der Rechtsprechung des [X.] geklärt ist (vgl. [X.], [X.]. v. 18. Januar 2007 - [X.], [X.], 541; [X.]. v. 18. Mai 2006 - [X.], [X.], 1347) - zulässig. 8 - 5 - b) Rechtsgrund des Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten ist eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung. Der Beklagte haftet nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB. 9 10 aa) Er hat als Geschäftsführer die Beiträge der Arbeitnehmer zur [X.] vorenthalten. Dass er nicht Alleingeschäftsführer war, entlastet ihn nicht. Als Geschäftsführer ist er für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten der Gesellschaft, zu denen die Abführung der [X.] gehört, unabhängig von der internen Zuständigkeitsverteilung oder einer Delegation auf andere Personen verantwortlich ([X.] 133, 370, 376; [X.], [X.]. v. 9. Januar 2001 - [X.], [X.], 422). Die Erfüllung dieser Pflicht war der [X.]GmbH möglich, wie sich aus dem Umstand er-gibt, dass die Gesellschaft am 22. Januar und 20. Februar 2001 noch Zahlun-gen für Miete in einer die Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung übersteigenden Höhe geleistet hat (vgl. dazu [X.].[X.]. v. 18. April 2005 - [X.], [X.], 1026; [X.]. v. 25. September 2006 - [X.], [X.], 2127). [X.]) Der Beklagte handelte vorsätzlich. Bewusstsein und Wille, von der gebotenen Abführung der Beiträge bei Fälligkeit abzusehen, sind nach den für den bedingten Vorsatz geltenden Regeln vorhanden, wenn der Geschäftsführer eine für möglich gehaltene Beitragsvorenthaltung billigt und nicht auf die Erfül-lung der Ansprüche der Sozialversicherungsträger [X.] ([X.] 134, 304, 314; [X.], [X.]. v. 9. Januar 2001 - [X.], [X.], 422). Wenn die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung dem Ressort eines anderen Geschäftsführers zugewiesen oder auf Angestellte übertragen ist, muss der Geschäftsführer im Rahmen der ihm verbliebenen Überwachungs-pflicht tätig werden, sobald Anhaltspunkte bestehen, dass die Erfüllung der [X.] durch den intern zuständigen Geschäftsführer oder den mit der [X.] - 6 - gung beauftragten Angestellten nicht mehr gewährleistet ist, und durch geeig-nete Maßnahmen die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge sicherstellen sowie die Einhaltung der Pflicht überwachen ([X.] 133, 370, 378; [X.], [X.]. v. 9. Januar 2001 - [X.], [X.], 422). Anlass für konkrete Überwa-chungsmaßnahmen bieten insbesondere eine finanzielle Krisensituation ([X.] 133, 370, 379) oder ungeordnete Verhältnisse im Geschäftsablauf in-nerhalb der Gesellschaft (vgl. [X.] 134, 304, 315). Eine solche Krisensituati-on, bei der sich der Beklagte nicht mehr darauf verlassen konnte, dass die [X.] pünktlich abgeführt wurden, lag bei der [X.] vor. Dem Beklagten war jedenfalls seit November 2000 bekannt, dass sich die allgemeine Finanzlage der [X.] GmbH verschlechtert hatte. Außerdem war die Buchhaltung nicht auf einem aktuellen, geordneten Stand, und die dafür zuständige Mitarbeiterin wurde ausgewechselt. [X.]) Die Forderung beruht auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung im Sinne von § 302 Abs. 1 InsO. Dafür genügt es nicht, dass der [X.] vorsätzlich handelt, vielmehr muss auch die Schadensfolge vom Vorsatz umfasst sein ([X.], [X.]. v. 21. Juni 2007 - [X.], [X.], 2854). Wer - wie der Beklagte - vorsätzlich der [X.] Beiträge zur [X.] - 7 - vorenthält, nimmt auch die Schädigung der Sozialversicherungsträger in Kauf und hat damit auch Vorsatz hinsichtlich der Schadensfolge ([X.] aaO). [X.][X.][X.]

[X.]

Drescher Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 16.12.2005 - 3 O 345/04 - [X.], Entscheidung vom 10.01.2007 - 7 U 20/06 -

Meta

II ZR 27/07

02.06.2008

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2008, Az. II ZR 27/07 (REWIS RS 2008, 3670)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3670

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