Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2012, Az. 5 StR 535/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 9897

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5 StR 535/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 24. Januar
2012
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schweren Raubes
-
2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am
24. Januar 2012
beschlossen:

Auf die Revision des
Angeklagten wird
das Urteil des Land-gerichts Berlin
vom 15. Juli 2011 gemäß § 349 Abs. 4
StPO im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach §
349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unter-bringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Ange-klagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des [X.]s. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:

a) Am Tatnachmittag begab sich der vielfach

auch einschlägig

vorbestrafte, alkoholisierte Angeklagte (Blutalkoholkonzentration ca. 2,5 ) aufgrund eines spontanen Tatentschlusses in eine Drogeriefiliale, um sich dort unter Einsatz eines mitgeführten Küchenmessers Geld zu verschaffen. 1
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Er
trat von hinten dicht an die einzige im Laden befindliche, mit der Auffüllung der [X.] beschäftigte Verkäuferin heran, fasste sie um die Taille und hielt ihr mit der anderen Hand das Küchenmesser vor das Gesicht. Auf seine Aufforderung öffnete die Zeugin die Kasse,
der der Angeklagte Geldscheine und -münzen im Wert von insgesamt 74

entnahm. Von Passanten, die auf das Geschehen aufmerksam geworden waren, wurde er am Verlassen des Geschäfts gehindert und wenig später festgenommen.

b) [X.] beraten ist
die Strafkammer davon ausgegangen, dass der 47-jährige Angeklagte, der seit 30 Jahren erheblichen [X.] betreibt, unter einer Polytoxikomanie leidet und zur Tatzeit aufgrund seiner Alkoholisierung vermindert schuldfähig war
(§ 21 [X.]). Die dem Strafrahmen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entnommene Strafe hat sie
des-halb gemildert. Eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsan-stalt hat sie mangels hinreichend konkreter Erfolgsaussicht abgelehnt; seine Alkohol-
und Drogensucht
ist
in der Vergangenheit bereits mehrfach, unter anderem auch im Rahmen einer Unterbringung nach § 64 [X.] erfolglos behandelt worden. Die Anordnung seiner
Unterbringung in der Sicherungs-verwahrung hat die Strafkammer auf § 66 Abs.
1 [X.] (idF vom [X.] 2010) gestützt, dessen formelle Voraussetzungen sie

rechtsfehlerfrei

bejaht hat. Auch die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Si-cherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 [X.] und deren Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Entscheidung des [X.] vom 4.
Mai
2011 (NJW 2011, 1931
Rn. 172) hat sie angenommen.

2. Während Schuld-
und Strafausspruch
frei von Rechtsfehlern sind, hält der [X.] sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Ur-teilsbegründung genügt nicht den Anforderungen an die strikte Verhältnis-mäßigkeitsprüfung, die im Hinblick auf die durch das [X.] festgestellte Verfassungswidrigkeit des Rechts der Sicherungsverwah-rung für die Übergangszeit geboten ist. Danach muss in der Regel eine Ge-fahr schwerer Gewalt-
oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in 4
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der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sein ([X.] aaO).

a) Das [X.] orientiert seine Verhältnismäßigkeitsprüfung (in Anlehnung an [X.], [X.] 2011, 229, 231) alleine an der [X.] vorgenommenen Abstufung der Anlassdelikte nach §§
66 ff. [X.]. [X.] seien [X.]. 3 [X.] zumindest alle Verbrechen zu verstehen, die sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und in schwerwiegender Weise gegen dgericht insbesonde--
und Erpressungsdelikte
nach § 249, 250, 253, 255 [X.],
die von dem Angeklagten nach dessen bisheriger [X.] Vorgeschichte weiterhin zu erwarten seien
([X.]).

b) Ob es sich bei prognostizierten Taten um schwere Gewalttaten
im Sinne der
vom Bundesverfassungsgericht
gesetzten Maßstäbe
handelt, ist nicht alleine anhand der gesetzgeberischen
Abstufung der Anlassdelikte der Sicherungsverwahrung (vgl. die Kataloge in § 66 Abs. 1 Nr. 1, § 66 Abs. 3 Satz 1 und § 66a
Abs. 2 Nr. 1 [X.]
nF)
zu entscheiden. Diese bietet
allen-falls eine erste Orientierung. Während vorsätzliche Tötungsdelikte und [X.] mit qualifizierender Todesfolge grundsätzlich als schwere Gewalt-straftaten anzusehen sind, gilt dies für die von der Strafkammer erwarteten Raubdelikte ungeachtet der in den Fällen der §§ 249, 250, 255 [X.] hohen Strafdrohungen und der für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen nicht ohne Weiteres
(vgl. [X.], Urteil vom 19. Oktober 2011

2 [X.]). Sie können nur in Abhängigkeit von ihren

auf der [X.] konkreter Umstände in der Person oder dem Verhalten des Betroffe-nen

vorhersehbaren
individuellen Umständen als schwere Gewalttaten ge-wertet werden (vgl. auch [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2011

5 StR 267/11, [X.], 9 Rn. 8). Dabei spielt naturgemäß vor allem das Ausmaß der eingesetzten oder angedrohten Gewalt bei den zu [X.] Straftaten eine mitbestimmende Rolle.

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c) [X.] hat ferner nicht berücksichtigt,
dass die vom [X.] geforderte strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung dahin zu verstehen ist, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit, das heißt, nicht nur der Erheblichkeit weiterer Straftaten, sondern auch der Wahrschein-lichkeit ihrer Begehung, ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl. [X.], Urteil vom 4. August 2011

3
StR 175/11, [X.], 692; Beschlüsse vom 13. September 2011

5 [X.], Rn. 21
und vom 26. Oktober 2011, aaO, Rn. 7).
Die

ge-genüber bisherigen Maßstäben

erhöhte Gefährlichkeit muss im Übrigen e-vom Gesetz als Beurteilungsgrundlage für die Gefährlichkeitsprognose ge-
4.
August 2011, aaO). Diese konkreten Umstände (wie etwa Anzahl und Fre-quenz der Vorstrafen, Tatbilder der Vor-
und Anlasstaten, psychische [X.] des Angeklagten) sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu benennen.

d) Der Senat hebt die [X.] mit den Feststellungen auf, um eine umfassende Prüfung der materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 [X.] durch das neue Tatgericht zu ermöglichen.

Raum

Brause Schaal

Schneider Bellay

8
9

Meta

5 StR 535/11

24.01.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2012, Az. 5 StR 535/11 (REWIS RS 2012, 9897)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9897

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2 StR 305/11

5 StR 267/11

5 StR 189/11

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