Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2015, Az. VI ZR 464/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8264

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
VI ZR 464/14

Verkündet am:

14. Juli 2015

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2015 durch den Vorsitzenden [X.], den Richter [X.] und die Richterinnen [X.], [X.] und Dr. Roloff
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] des
[X.]s [X.] vom 10. Oktober 2014 aufgeho-ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Tatbestand:
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der E.
S.
AG
(im Folgenden auch:
"[X.]"), einer nicht börsennotierten [X.] Aktiengesellschaft mit Sitz in der [X.].

Der Beklagte zu 1 war seit der Gründung der [X.]
am 8. Novem-ber 2004 bis zum 18. Februar 2010 Mitglied des Verwaltungsrates und [X.]. Der Beklagte zu 2 war vom 8. November 2004 bis jedenfalls zum 27. November 2008 Präsident des Verwaltungsrates. Geschäftsgegenstand der [X.], die 22 Millionen vinkulierte Namensaktien zu einem Nennwert von 0,01 [X.] Franken ausgegeben hatte, war das Factoring. Den
Großteil ihrer Umsätze erzielte sie indes durch den Verkauf ihrer eigenen Aktien sowie 1
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der Aktien einiger ihrer Altaktionäre, u. a. der [X.] mit Sitz auf den [X.]. Die Aktien wurden von bei der [X.] un-ter anderem in [X.] über eine Zweigniederlassung in [X.] an Privatanleger veräußert. Auf der Internetseite der [X.] war ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gebilligter
und dort hinterlegter
Wertpapierprospekt veröffentlicht.
In gedruckter Form wurde der Prospekt po-tentiellen Anlegern nur auf Anforderung übersandt.
Der Zedent erwarb
-
jeweils nach Telefonaten mit einem in der Zweignie-derlassung tätigen Mitarbeiter der [X.] -
mit am
30. Mai und 28. Okto-ber 2008
unterzeichneten sogenannten "Kaufabsichtserklärungen"
2.000 [X.] zu Stückpreisen
in Höhe von 3,25

und , insgesamt zu ei-nem Preis in Höhe von 7.050

in [X.] geführten Konto auf ein ebenfalls in [X.] geführtes Kon-to der [X.]. Am 18. Juni 2010 wurde über das Vermögen der [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet. Die von dem Zedenten erworbenen
Ak-tien sind inzwischen wertlos.
Die Klägerin macht geltend, die [X.]
habe ihr operatives Ge-schäft -
bei dem es sich um ein Minimalgeschäft mit Alibifunktion gehandelt ha-be -
nicht ernsthaft betrieben. Es habe lediglich dazu gedient, den Anlegern ein florierendes Unternehmen vorzutäuschen und sie damit zum Kauf von Aktien zu bewegen.
Die Beklagten hätten diese Information den Anlegern in sittenwidri-gem Missbrauch ihrer geschäftlichen Überlegenheit vorenthalten, und sie durch unrichtige und verharmlosende Angaben in den Veröffentlichungen der [X.] systematisch getäuscht.
Das [X.] hat den Beklagten zu 1 antragsgemäß verurteilt und die Klage gegen den Beklagten zu 2
abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte 3
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keinen Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 hat das [X.] auch die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte folge aus Art. 5 Nr. 3 [X.], weil der Erfolgsort in [X.] liege. Die örtliche Zuständigkeit könne in der Berufungsinstanz gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht geprüft werden. Deut-sches Recht sei gemäß Art. 40 Abs. 1 [X.]BGB anwendbar.
Der Klägerin stehe kein Anspruch aus § 826 BGB aus abgetretenem Recht zu. Eine Haftung des Beklagten zu 1 ergebe sich nicht daraus, dass er ein von vornherein chancenloses Geschäftsmodell zum ausschließlich eigenen Vorteil hätte vertreiben wollen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne nicht davon ausgegangen werden, dass die [X.] von vornherein aus-schließlich dazu bestimmt gewesen sei, ihre eigenen Aktien oder die Aktien des verbundenen Großaktionärs an Anleger zu vermitteln, ohne das satzungsge-mäß vorgesehene Geschäft des [X.] zu betreiben. Ausweislich der [X.] seien tatsächlich Einnahmen aus Factoring erzielt worden. Die [X.] lasse sich damit erklären, dass die [X.] noch am Beginn ihrer Geschäftstätigkeit gestanden habe und das Eintreiben von abgetretenen Forderungen eine gewisse Zeit beanspruche.
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Eine Haftung ergebe sich auch nicht aus einem Unterlassen der gebote-nen Aufklärung. Bei dem Erwerb der Aktien der [X.] habe es sich nicht um ein hochspekulatives Geschäft gehandelt. Auf die mit dem Geschäft ver-bundenen Risiken sei in dem von der [X.] auf ihrer Internetseite veröf-fentlichten Wertpapierprospekt umfassend hingewiesen worden. Dass der [X.] zu 1 nicht dafür gesorgt habe, dass der Prospekt den Anlageinteressen-ten unaufgefordert in Papierform zur Verfügung gestellt worden sei, stelle
keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar.
Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liege nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht darin, dass der Beklagte zu 1 auf die [X.] direkt oder indirekt über den Leiter der örtlichen
Niederlassung oder über die für das Marketing zuständigen Mitarbeiter eingewirkt habe, um die Anleger zu täuschen. Ob das von der Klägerin behauptete Handeln oder Unterlassen des Beklagten zu 1 im konkreten Fall für den Anlageentschluss des Zedenten kausal gewesen sei, brauche daher nicht aufgeklärt zu werden.
Der Beklagte zu 2 hafte nicht für eigenes Handeln. Auch könne nicht festgestellt werden, dass er in sittenwidriger Weise vorsätzlich durch [X.] eine Pflicht verletzt habe, die aus seiner Oberaufsicht über die mit der Ge-schäftsführung betrauten Personen oder aus seiner Gesamtverantwortung für die Marketing-
und Verkaufspolitik folge. Wenn dies nicht einmal für den [X.]n zu 1 als geschäftsführendem Mitglied des Verwaltungsrats bewiesen sei, gelte das für den Beklagten zu 2 erst recht.
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II.
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Über sie ist
antragsgemäß
durch Versäumnisurteil zu entscheiden; inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der
Beklagten, sondern auf einer
Sachprüfung
(vgl.
[X.], Urteil vom 4. April 1962 -
V [X.], [X.]Z 37, 79, 81 f.).
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die internationale [X.] [X.] Gerichte bejaht, die auch im [X.] von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsurteil vom 17. März 2015 -
VI
ZR 11/14, [X.], 819 Rn. 14 mwN). Diese Zuständigkeit besteht nach Art. 5 Nr. 3 in [X.] mit Art. 63 Abs. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zustän-digkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen, geschlossen in [X.] am 30. Oktober 2007
(ABl. [X.] L 339 S. 3, nachfolgend [X.] II).
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (nachfolgend Gerichtshof) zu Art. 5 Nr. 3 EuG-VVO a.
F.
ist die Wendung
"Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", so zu verstehen, dass sie sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs ([X.]) meint (zuletzt [X.], NJW
2015, 1581
Rn. 45 mwN; zu Art. 5 Nr. 3 [X.] II vgl. Senatsurteile
vom 24. Juni 2014 -
VI
ZR 315/13, [X.], 1614 Rn. 29 mwN
und vom 17. März 2015 -
VI
ZR 11/14, [X.], 819 Rn. 14).

Nach dem schlüssigen Vortrag der Klägerin liegt jedenfalls der Erfolgsort in [X.].
Der Vermögensschaden des Zedenten, den sie mit der Klage ersetzt verlangt, ist an dem Guthaben auf dessen Girokonto bei einem Kreditin-stitut in [X.] eingetreten, von dem er das angelegte Kapital auf ein Kon-to der [X.] bei einem Kreditinstitut in [X.] überwiesen hat (vgl.
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Senatsurteil vom 17. März 2015 -
VI
ZR 11/14, [X.], 819 Rn. 15; [X.],
Urteil vom 12. Oktober 2010 -
XI
ZR 394/08, [X.], 2214 Rn. 30).
2. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass ihm die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 513 Abs. 2 ZPO verwehrt ist.

a) Nach § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung nicht darauf gestützt wer-den, dass das Gericht des ersten [X.] seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Ob dies vorliegend der Fall ist, ist einer revisionsrechtlichen Überprüfung entzogen, denn gemäß § 545 Abs. 2 ZPO kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten [X.] seine [X.] zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Demgemäß findet in der Revisionsinstanz eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des [X.]s grundsätzlich auch dann nicht statt, wenn die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte vom Revisionsgericht zu prüfen ist (Senatsurteile vom 17.
März 2015 -
VI
ZR 11/14, [X.], 819 Rn. 17 f. und [X.], juris Rn. 17 f.,
jeweils mwN).
Zu der insoweit entsprechenden Regelung in § 549 Abs. 2 ZPO a.F. hat der [X.] allerdings entschieden, dass diese Vorschrift bezüglich der örtlichen Zuständigkeit nicht anzuwenden ist, soweit daneben die internati-onale Zuständigkeit im Streit ist und beide Zuständigkeiten von denselben Vo-raussetzungen abhängen ([X.], Urteil vom 21. November 1996 -
IX
ZR 264/95, [X.]Z 134, 127, 130). Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben, denn der Erfolgsort lag nach dem Vortrag der Klägerin, wie dargelegt, in [X.]. Während sich die Frage, ob das [X.] örtlich zuständig war, danach rich-tet, ob der Erfolgsort in seinem Bezirk liegt, kommt es für die internationale [X.] [X.] Gerichte nur darauf an, ob sich das geschädigte Gutha-15
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ben des Zedenten an irgendeinem Ort in [X.] befand. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit hängt vorliegend mithin nicht von denselben Vorausset-zungen ab, die für die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte maßge-bend sind.
b) Ob die örtliche Zuständigkeit entgegen § 513 Abs. 2, § 545 Abs. 2 ZPO dann in den [X.] überprüfbar ist, wenn das erstinstanzli-che Gericht oder das Berufungsgericht sie willkürlich angenommen und damit den Beklagten [X.] entzogen haben (so [X.], NJW-RR 1999, 865; Gerken
in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 513
Rn. 33; [X.] in [X.], ZPO, 22. Aufl., § 513 Rn. 11; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 513 Rn. 19; [X.]/[X.], [X.]O, §
545 Rn. 17; [X.] ZPO/[X.], § 545 Rn. 18 [Stand: 1. März
2015]; bezüglich der Zuständigkeitsabgrenzung von Zivil-
und Handelskammer auch [X.], NJW-RR 2013, 437, 439; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., §
513 Rn. 10; [X.] ZPO/[X.], § 513 Rn. 10 [Stand: 1. März
2015]; [X.] in [X.]/Gehrlein, ZPO, 7. Aufl., § 513 Rn. 16; [X.], 6. Aufl., §
513 Rn. 3), kann dahinstehen.
[X.]) Zwar begegnet die Auffassung des [X.]s Bedenken, es sei, obwohl die Beklagten die örtliche Zuständigkeit in der Klageerwiderung gerügt haben, infolge rügeloser Verhandlung örtlich zuständig geworden, zumal es unzutreffend auf § 39 ZPO statt auf Art. 24 [X.] II (zur Geltung für die örtliche Zuständigkeit Wagner in [X.], ZPO, 22. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 1; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 1; [X.]/Schütze, [X.] Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 32) abgestellt hat. Da die Beklagten ausweislich des erstinstanzlichen Protokolls zur Sache verhan-delt haben, ohne dort die Zuständigkeitsrüge zu wiederholen, ist die Beurteilung des [X.]s indessen noch nicht willkürlich. Objektiv willkürlich ist ein 18
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Richterspruch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen be-ruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung jedoch nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offen-sichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in [X.] missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird, so dass die Entscheidung auf schweren Rechtsanwendungs-fehlern beruht
([X.], [X.], 25; NJW 2014, 3147 Rn. 13; jeweils mwN).
[X.]) Hier ist das [X.], das die schriftsätzliche Zuständigkeitsrüge ausweislich seines [X.] gesehen hat, offenbar davon ausgegan-gen, die Beklagten hätten die Rüge stillschweigend fallengelassen, nachdem das Gericht, wie sich aus seinem Beschluss vom 15. Dezember 2011 über den Tatbestandsberichtigungsantrag des Beklagten zu 1 ergibt, in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt hatte, warum es seine örtliche Zuständigkeit für gegeben erachtet und die Beklagten dazu keine weiteren Erklärungen abge-geben hatten. Zwar muss die bereits schriftsätzlich vorgetragene Zuständig-keitsrüge sowohl im Anwendungsbereich des § 39 ZPO als auch des Art. 24 [X.] II in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt werden, sofern auf sie stillschweigend Bezug genommen wird (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 2006 -
IX
ZR 15/05, [X.], 1806 Rn. 9). Möglich ist aber ein nachträglicher -
auch stillschweigender
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Rügeverzicht (vgl. zu § 39 ZPO [X.], Urteil vom 2. März 2006 -
IX
ZR 15/05, [X.]O; [X.], [X.] 1998, 429, 430) oder eine Rücknahme der Zuständigkeitsrüge (zu § 39 ZPO [X.], [X.] 1991, 757; [X.]/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 39 Rn. 5; [X.] [X.]/Gehrlein, ZPO, 7. Aufl., § 12 Rn. 9; zu Art. 24 EuGVVO a.F. Hk-ZPO/[X.], 5. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 8; [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. 20
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Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 52). Ob die Beklagten hier nachträglich auf
die [X.]srüge verzichtet oder sie zurückgenommen haben, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn dies nicht der Fall wäre, läge hier ein bloßer Rechtsanwendungsfehler vor, der nicht den Schluss darauf zuließe, die Beja-hung der örtlichen Zuständigkeit beruhe auf sachfremden Erwägungen und sei willkürlich
(vgl. Senatsurteile vom 17. März 2015 -
VI
ZR 11/14, [X.], 819 Rn. 19 ff. und [X.], juris Rn. 19 ff.).

3. Die angefochtene Entscheidung hält jedoch in der Sache revisions-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Zu Recht -
und von den Parteien nicht angegriffen -
hat das Berufungs-gericht seiner Beurteilung zwar [X.] Deliktsrecht zugrunde gelegt, Art. 40 Abs. 1 Satz 2 [X.]BGB, Art. 31, 32 der Verordnung ([X.]) Nr. 864/2007 des [X.] und des Rates über das auf außervertragliche Schuld-verhältnisse anzuwendende Recht ([X.]; ABl. [X.] S. 40).

Mit Erfolg wendet sich die Revision aber dagegen, dass das Berufungs-gericht auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen einen Scha-densersatzanspruch gemäß § 826 BGB verneint hat.
a) Nach der Rechtsprechung des [X.] haften [X.], (faktische) Geschäftsleiter oder Vorstandsmitglieder einer [X.] nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der [X.] von vornherein auf Täuschung und Schädi-gung der Kunden angelegt ist, es sich mithin um ein "Schwindelunternehmen"
handelt ([X.], Urteil vom 28. Februar 1989 -
XI
ZR 70/88, [X.],
1047, 1048 f. unter [X.]; Senat, Urteile vom 17. März 2015 -
VI
ZR 11/14, [X.], 819 Rn. 26 ff. und [X.], juris Rn. 26 ff.).
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b) Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des [X.], ein solcher Fall liege hier nicht vor. Zwar ist die Würdigung der Beweise grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Dieses kann le-diglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und [X.] auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze ver-stößt (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 16. April 2013 -
VI
ZR 44/12, [X.], 1045 Rn. 13; vom 11. November 2014 -
VI
ZR 76/13, [X.], 327 Rn. 13 und vom 17. März 2015 -
VI
ZR 11/14, [X.], 819 Rn. 28; [X.], Ur-teil vom 5. Oktober 2004 -
XI
ZR 210/03, [X.]Z 160, 308, 316 f. mwN).
Solche Fehler sind im Streitfall gegeben. Das Berufungsgericht hat [X.] Sachvortrag der Klägerin unbeachtet gelassen. Zutreffend weist die Revision auf eine Reihe von Umständen hin, die -
wenn sie in die Beweiswürdi-gung einbezogen werden
-
bei der
gebotenen tatrichterlichen Gesamtschau zu der Beurteilung führen könnten, dass das von dem Beklagten zu 1 als Mitglied des Verwaltungsrats und Geschäftsführer sowie dem Beklagten zu 2 als Präsi-dent des Verwaltungsrats ins Werk gesetzte Geschäfts-
und Vertriebsmodell der [X.] auf eine sittenwidrige Schädigung und Täuschung der Anleger angelegt war.
[X.]) Zu Recht macht die Revision geltend, die von dem Berufungsgericht bei seiner Würdigung außer [X.] gelassenen Umstände legten den Schluss nahe, dass das operative Geschäft der [X.] von den Beklagten nicht ernsthaft betrieben wurde, sondern nur dazu diente, den Anlegern ein florieren-des Unternehmen vorzutäuschen und sie damit zum Kauf von Aktien zu [X.].
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(1) Die [X.] hat 22 Millionen Namensaktien zu einem Nennwert von je 0,01 [X.] ausgegeben. Diese sind den Anlegern unstreitig zu Preisen Aktien deren Nennwert um das 160-
bis 520-fache. Umstände, die ein Aufgeld in dieser Höhe bei einem jungen Unternehmen als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, waren und sind nicht ansatzweise erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die -
von der [X.] selbst aufgrund einer rein zu-kunftsgerichteten Bewertung festgelegten -
hohen Ausgabepreise mit aus dem Factoring zu erwartenden Erträgen korrespondierten oder eine Grundlage für die Erwartung bestand, der Unternehmenswert werde sich zukünftig derart er-höhen.
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erzielte die [X.] aus dem Factoring nämlich nur geringe Einnahmen, denen [X.] gegenüber standen. Nach dem Vortrag der Klägerin betrug der Umsatz aus dem operativen Geschäft im Geschäftsjahr 2007/2008 1,6 % und im [X.] 3,1 % des gesamten Umsatzes der [X.]. Der Ertragsanteil aus dem Verkauf eigener Aktien betrug dagegen 98,4 % bzw. 96,9 %. Auch wenn der Geschäftszweck der [X.] nicht ausschließlich in dem Verkauf eigener Aktien bestand, so können diese Umsatzzahlen doch darauf hindeuten, dass in Wahrheit darin der Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit lag und das Factoring von ihr nicht ernsthaft und eher nur am Rande betrieben wurde.
(2) Das wird auch durch den von der Revision als übergangen gerügten Vortrag der Klägerin zu der Aussage des im Bereich [X.] tätigen Zeugen M. vor der St[X.]tsanwaltschaft [X.] gestützt. Danach verfügte die [X.] nicht über ein professionelles Inkassoprogramm. Sie bilanzierte zudem den gesamten ihr zur Einziehung übertragenen Forderungsbestand, 28
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obwohl ersichtlich nur ein Bruchteil des Bestandes zu realisieren war, so dass es in der Folge mehrfach zu erheblichen bilanziellen Wertberichtigungen kam.
(3) Zu Recht weist die Revision ferner darauf hin, dass es sich bei dem Beteiligungsangebot laut dem Wertpapierprospekt nicht um eine Neuemission, sondern um eine Wiederveräußerung aus dem Bestand der Altaktionäre, unter anderem der [X.], handelte. Neben den Emissionskosten in Höhe von 30 % des [X.] flossen daher weitere 5 % an die Altaktionäre, was in den von den Erwerbern zu unterzeichnenden Kaufabsichtserklärungen nicht offen-gelegt wurde. Von der Revision genannte Umstände könnten weiter
nahelegen, dass die [X.] aus den
Aktienverkäufen nicht für das operative Ge-Aufwendungen u.
a. für Beraterverträge sowie hohe Zahlungen an die Hauptak-tionärin der [X.], die [X.].
[X.]) Es ist ferner nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei
-
gebotener
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Berücksichtigung des von der Revision als nicht beachtet gerüg-ten Parteivortrags zu dem Schluss kommen könnte, die Beklagten hätten einen auf systematische Täuschung der Anleger angelegten Vertrieb der Aktien
zu verantworten.
(1) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung außer [X.] gelassen, dass die [X.] nach dem Vortrag der Klägerin trotz der oben genannten Umstände in ihrer Anfang des Jahres 2008 herausgegebenen und zu Werbe-zwecken versandten Broschüre sowie auf ihrer Internetseite -
mithin in [X.], über deren Inhalte typischerweise auf der Vorstandsebene ent-schieden wird (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juni 2014 -
I
ZR 242/12, [X.]Z 201, 344 Rn. 19; [X.], Urteil vom 28. Februar 1989 -
XI
ZR 70/88, [X.], 1047, 1048 f. unter [X.]) -
mitteilte, die Investition biete eine außergewöhnliche Si-31
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cherheit und die Bonität der [X.] sei besser als diejenige mancher [X.] Banken. Sie hob dort zudem hervor, die im Zeitraum von 2004 bis 2006 erzielten [X.] seien von [X.] 17.400 auf 1.800.000, mithin um das Hundertfache gestiegen. Die im Wertpapierprospekt angenom-menen [X.] seien im Geschäftsjahr 2006/2007 um 30 % überschritten worden. Dadurch konnte bei den Anlegern die unrichtige Vorstel-lung entstehen, die Erträge stammten aus dem operativen Geschäft der [X.], während es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Wesentlichen um Erträge aus dem Verkauf eigener Aktien handelte.
Diese und ähnliche Informationen finden sich auch in den nach den Feststellungen des Berufungsgerichts an die Anleger versandten Mitteilungen, den sogenannten "Newsletter", mithin ebenfalls in Veröffentlichungen, über de-ren Inhalte typischerweise auf der Vorstandsebene entschieden wird (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juni 2014, [X.]O; [X.], Urteil vom 28. Februar 1989, [X.]O). In ei-nem im Juli 2009 versandten "Newsletter"
heißt es, der Ertrag habe sich von auch für das Geschäftsjahr 2008/2009 eine deutliche Steigerung verzeichnen.

(2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielten die Anleger den Wertpapierprospekt der [X.] grundsätzlich nicht übersandt. Die Tele-fonverkäufer machten in den Verkaufsgesprächen -
nach dem Vortrag der Klä-gerin auch gegenüber dem Zedenten
-
unrichtige, nämlich zu günstige
Angaben in Bezug auf die Umsatzzuwächse.
Diese festgestellten und die von der Revision angeführten, nicht berück-sichtigten Umstände könnten in einer Gesamtbetrachtung geeignet erscheinen, darauf hinzudeuten, der nach
dem Vortrag der Klägerin von dem Beklagten initi-34
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ierte Vertrieb der Aktien der [X.] sei auf Täuschung der Anlageinteressen-ten ausgerichtet gewesen.

III.
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist auf-zuheben und mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses erhält damit Gelegenheit, gegebenenfalls auch auf die weiteren [X.] der Revision einzugehen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils
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bei dem [X.], Herrenstraße
45 a, [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Galke
[X.]
[X.]

Oehler
Roloff

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 29.09.2011 -
8 O 637/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 10.10.2014 -
I-7 [X.] -

Meta

VI ZR 464/14

14.07.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2015, Az. VI ZR 464/14 (REWIS RS 2015, 8264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8264

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VI ZR 12/14

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