Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2016, Az. I ZR 168/15

I. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13389

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:070416BIZR168.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 168/15
vom
7. April 2016
in dem Rechtsstreit

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Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 7. April 2016 durch
die
Richter Prof.
Dr.
Koch,
Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und den Richter Feddersen

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Teilur-teil des 18.
Zivilsenats des [X.] vom 16.
Juli 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Nichtzulassungsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen.
Der Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 80.000

festgesetzt.

Gründe:
[X.] Die Klägerin hat die Beklagte -
soweit noch von Bedeutung -
im Wege der Stufenklage auf deren
erster
Stufe auf Auskunftserteilung über sämtliche von der Beklagten zwischen dem
16.
Mai 2008 und
dem 31.
Dezember 2009 erteilten Aufträge in Anspruch genommen.
Das Berufungsgericht hat diesen Klageantrag mit rechtskräftig gewordenem Teilurteil vom 24.
April 2014
abge-wiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf [X.] sei -
soweit er ursprünglich bestanden habe
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von der Beklagten jedenfalls in der Zwischenzeit erfüllt worden.
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Die Klägerin hat sodann auf der zweiten Stufe ihrer
Stufenklage [X.], die Beklagte zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer in den Schriftsätzen vom 23.
November 2011 und 24.
Februar 2012 erteilten Auskunft über die ihr
in der
Zeit vom 15.
Mai 2008 bis zum 31.
Dezember 2009 erteilten Umzugs-
und Transportaufträge an Eides Statt zu versichern. Sie hat geltend gemacht, es bestehe
begründeter
Anlass zu der Sorge, dass die Auskunft nicht mit der nötigen Sorgfalt erteilt worden sei.
Das Berufungsgericht hat die Verhandlung am 1.
Juni 2015 geschlossen und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den
16. Juli 2015 um 11.00 Uhr bestimmt. Die Klägerin hat mit [X.] vom 15.
Juli 2015 die Wiederer-öffnung der Verhandlung beantragt. Der [X.] ist am 16. Juli 2015 um 6.17 Uhr per Fax beim Berufungsgericht eingegangen.
Das Berufungsgericht hat den auf der zweiten Stufe der Stufenklage ge-stellten Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen
Versicherung mit seinem am 16. Juli 2015 verkündeten Teilurteil abgewiesen
und die Revision nicht zugelas-sen.
Den Streitwert für die zweite Stufe der Stufenklage hat das Berufungsge-richt auf 80.000

Die berichterstattende Richterin des Berufungsgerichts hat in einem [X.] festgehalten, sie habe den [X.]
der Klägerin vom 15.
Juli 2015 erst nach der Verkündung des [X.] in ihrem Fach vorgefunden.
Die Klägerin hat mit [X.] vom 10. August 2015 gegen das Teilurteil Anhörungsrüge erhoben. Sie hat geltend gemacht, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches
Gehör in entscheidungserheblicher Weise ver-letzt, weil es die Verhandlung nicht aufgrund ihres [X.]es vom 15. Juli 2015 wiedereröffnet habe, um ihren neuen Sachvortrag zum Verdacht der [X.] bei seiner Entscheidung mitverwerten zu können.
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Das Berufungsgericht hat die Anhörungsrüge durch Beschluss vom 17. August 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausge-führt,
eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin sei jedenfalls nicht entscheidungserheblich,
weil der neue Sachvortrag der Klägerin, auch wenn er den Senat noch rechtzeitig vor dem [X.] erreicht hätte, in der Sache keine andere Entscheidung gerechtfertigt hätte.
Die Klägerin möchte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision
erreichen. Sie macht geltend, das Berufungsgericht habe mit der Abweisung des Antrags auf Abgabe einer Versicherung an Eides statt ihren Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt. Nach Zulassung der Revision will die Klägerin
ihren abgewiesenen Klageantrag weiterverfolgen.
I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das
Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch
der Klägerin
auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es den zeitlich vor der Verkündung des
[X.]
am 16.
Juli 2015 bei ihm eingegangenen [X.] der Klägerin vom 15. Juli 2015 nicht vor der Verkündung seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen und geprüft hat, ob Gründe für eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach §
156 ZPO vorliegen. Das Berufungsgericht konnte die von ihm versäumte Prü-fung
nicht im Verfahren der Anhörungsrüge gemäß §
321a ZPO nachholen
und die Gehörsverletzung damit heilen. Die von der Klägerin gegen das Teilurteil erhobene Anhörungsrüge war im Hinblick auf die gegen dieses Urteil eröffnete Nichtzulassungsbeschwerde nach §
321a Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO unstatthaft und hätte daher ohne sachliche Prüfung verworfen werden müssen.
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2. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin ist entscheidungs-erheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht die Verhand-lung
wiedereröffnet und unter Berücksichtigung des neuen Sachvortrags der Klägerin letztlich eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn es den Antrag der Klägerin auf Wiedereröffnung der Verhandlung vor der Verkündung seines [X.] zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte.
a) Es kann offenbleiben, ob -
wie die Nichtzulassungsbeschwerde gel-tend macht -
aufgrund des Vortrags der Klägerin im [X.] vom 15. Juli 2015 eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach §
156 Abs. 2 Nr.
1 ZPO zwingend geboten war. Das Berufungsgericht hätte jedenfalls prüfen müssen, ob es im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in diesem [X.] von der ihm durch §
156 Abs.
1 ZPO eröffneten Möglichkeit zur Wiedereröffnung der Verhandlung Gebrauch macht (Smid
in [X.]/[X.], ZPO, 4.
Aufl., §
156 Rn.
14a). Es hätte daher, da kein Fall des §
296 Abs.
1 ZPO vorlag, an-hand des konkreten Falls nach pflichtgemäßem Ermessen abwägen müssen, welche Gründe für eine weitere Sachverhaltsaufklärung und welche Gründe
für den sofortigen Abschluss des Rechtsstreits sprechen (MünchKomm.ZPO/Wagner, 4.
Aufl., §
156 Rn.
11).
Die danach vom Berufungsgericht nicht ge-troffene und in dem Beschluss vom 17.
August 2015 nicht
nachzuholende Er-messensentscheidung kann vom Senat nicht nachgeholt werden. Damit
ist zu-gunsten der Klägerin zu unterstellen, dass das Berufungsgericht die [X.] Ausübung seines Ermessens wiedereröffnet hätte.
b) Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO wäre aller-dings
nicht in Betracht gekommen, wenn das Vorbringen der Klägerin im [X.] vom 15.
Juli 2015 nicht entscheidungserheblich gewesen wäre.
Mit der Begründung, die das Berufungsgericht in seinem die Anhörungsrüge der Klägerin zurückweisenden Beschluss
vom 17.
August 2015 gegeben hat, kann 11
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die Entscheidungserheblichkeit ihres
Vorbringens aber nicht verneint werden. Es ist daher für die rechtliche Nachprüfung im Rechtsmittelverfahren zugunsten der Klägerin von der Entscheidungserheblichkeit ihres Vorbringens auszuge-hen.
aa) Das Berufungsgericht hat in dem Beschluss vom 17.
August 2015 ausgeführt, der in dem [X.] der Klägervertreter vom 15.
Juli 2015 enthal-tene neue Sachvortrag hätte in der Sache keine andere Entscheidung gerecht-fertigt, weil die dort in
das Wissen des [X.].

gestellte pauschale Be-
hauptung, allein im Zeitraum 2008/2009 seien mit der Firma N.

2.750.000

Umsatz erzielt worden, im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten um-fangreichen Unterlagen jeder Substanz entbehrt habe.
[X.]) Mit dieser Begründung kann dem Vorbringen der Klägerin nicht die Entscheidungserheblichkeit abgesprochen werden. Das Berufungsgericht hat an die Substantiierung des Vorbringens der Klägerin bei dem Beweisantritt ge-mäß §
373 ZPO im [X.] vom 15.
Juli 2015 zu hohe Anforderungen ge-stellt.

(1) [X.] genügt ihrer Darlegungslast bei einem Beweisantritt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese [X.] für die Rechtsfolgen ohne
Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des [X.] zu ent-scheiden,
ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Wenn das Parteivorbringen diesen Anforderun-gen genügt, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. [X.] muss der Tatrichter dann in die Beweisaufnahme eintreten, um dort ge-14
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gebenenfalls weitere Einzelheiten zu ermitteln (st.
Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 17.
September 2015
I
ZR
212/13, [X.] 2015, 433 Rn.
39 mwN).
(2)
Nach diesen Maßstäben konnte im Streitfall von einem unzulässigen Ausforschungsbeweisantritt oder Beweisermittlungsantrag (vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.] aaO §
373 Rn.
13 bis 15) keine Rede sein. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die in das Wissen des [X.].
gestellte Behaup-
tung habe im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten umfangreichen Unterlagen jeder Substanz entbehrt, stellte eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar; zumindest aber hätte das Berufungsgericht im Einzelnen darlegen müssen, dass sich der Beweisantritt der Klägerin im Hinblick auf diese Unterlagen als aus der Luft gegriffen und damit als rechtsmissbräuchlich dar-stellte (vgl. [X.] aaO Rn.
14 mwN).
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II[X.] Danach ist gemäß §
544 Abs.
7 ZPO das
Teilurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen.
Koch
Schaffert
Löffler

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.02.2009 -
9 [X.]/08 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 16.07.2015 -
I-18 [X.]/09 -

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Meta

I ZR 168/15

07.04.2016

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2016, Az. I ZR 168/15 (REWIS RS 2016, 13389)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13389

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 168/15

18 U 57/09

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