Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. IX ZR 2/01

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2774

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 17. Juni 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 10 Abs. 1 Nr. 4

Die Verrechnung von Zahlungseingängen, die eine Bank nach Stellung eines [X.] auf Eröffnung eines [X.]s über das Vermögen ihres Kunden auf dessen Kontokorrentkonto zum Ausgleich von nur geduldeten Überziehungen vornimmt, ist nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.] anfechtbar, wenn der [X.] laufend erweitert wird, weil die Bank fremdnützige, nach eigenem Ermessen des Kunden vorgenommene Verfügungen zuläßt.

[X.], [X.]eil vom 17. Juni 2004 - [X.] - OLG Brandenburg

LG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2004 durch [X.] Kreft und [X.] Ganter, [X.], [X.] und Neıkovi

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das [X.]eil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 28. November 2000 im Kostenpunkt und insoweit, als es die [X.] beschwert, sowie das [X.]eil der 4. Zivilkammer des Land-gerichts [X.] vom 1. April 1999 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem [X.] über das Vermögen des [X.] -D. [X.](fortan: Schuldner). Dieser unterhielt bei der verklagten Sparkasse ein Kontokorrentkonto. Auf diesem Konto räumte die Beklagte dem Schuldner einen Kreditrahmen von 150.000 [X.] ein. Ab Oktober 1997 genehmigte sie dem Schuldner - jeweils befristet - die Überziehung des eingeräumten Kredits um zunächst 30.000 [X.], später um 60.000 [X.]. Am - 3 - 4. Mai 1998 gestattete die Beklagte dem Schuldner die Überziehung um 87.500 [X.] bis zum 30. Juni 1998 und um 77.500 [X.] bis 30. Juli 1998. Das Kontokorrentverhältnis und der Kredit wurden nicht vor dem 5. Juni 1999 ge-kündigt.

Auf dem Kontokorrentkonto wickelte der Schuldner seinen [X.] ab. Am 13. März 1998 stand das Konto in Höhe von 166.395,01 [X.] im Soll. Bis zum 5. Juni 1998 hatte sich der [X.] auf 240.681,54 [X.] er-höht. In dem genannten [X.]raum betrugen die von der Beklagten verrechneten Gutschriften 316.843,95 [X.]. Die Summe der Belastungsbuchungen zugunsten anderer Gläubiger des Schuldners lag höher.

Am 28. Januar 1998 wurde gegen den Schuldner Antrag auf Eröffnung eines [X.]s gestellt, am 2. Februar 1998 ein allge-meines Veräußerungsverbot erlassen und am 3. Juni 1998 die Sequestration des [X.] angeordnet. Am 1. Juli 1998 wurde das [X.] eröffnet. Von dem Eröffnungsantrag und den sich an-schließenden gerichtlichen Maßnahmen erfuhr die Beklagte nicht vor dem 5. Juni 1998.

Der Kläger hat die Verrechnungen angefochten und die Beklagte auf Zahlung von 435.267,55 [X.] in Anspruch genommen. Das [X.] hat der Klage in voller Höhe stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] dieses [X.]eil - unter Abweisung im übrigen - in Höhe von 316.843,95 [X.] (Verrechnungen in der [X.] vom 13. März bis 5. Juni 1998) [X.]. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. - 4 -

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel der Beklagten hat Erfolg; die Klage ist unbegründet.

[X.]

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger könne die von der [X.]n nach dem 13. März 1998 vorgenommenen Verrechnungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.] anfechten und infolgedessen von der Beklagten die Zahlung von 316.843,95 [X.] verlangen. In dieser Höhe seien Verrechnungen erfolgt, nachdem der Antrag auf Eröffnung des [X.]s ge-stellt worden und der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners [X.] gewesen sei oder nach den Umständen habe bekannt sein müssen. Die Verrechnungen stellten sich nicht als der Anfechtung entzogene Bardeckung dar. Mit der Duldung der Überziehungen durch die Beklagte habe der Schuld-ner keinen Anspruch auf Gewährung oder Belassung von Kredit erworben. Vielmehr habe die Beklagte jenseits des vereinbarten Kreditrahmens von 150.000 [X.] die sofortige Rückführung der Überziehungen verlangen können. Am 13. März 1998 habe die Beklagte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erhalten.

I[X.] - 5 - Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Die Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.] greift nicht durch, weil die hierfür in Betracht kommende Rechtshandlung des Schuldners sich als Bargeschäft darstellt.

a) Ein Geschäft, bei dem gleichwertige Leistungen zeitnah ausgetauscht werden, bei dem also dem Vermögen des Schuldners für seine Leistung sofort - oder jedenfalls in engem zeitlichem Zusammenhang - ein entsprechender Gegenwert zufließt, kann keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung zur Fol-ge haben. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung scheidet hingegen nicht aus. In diesen Fällen ist somit - nur - eine Anfechtung nach § 30 Nr. 2 und § 31 Nr. 1 KO (§§ 131, 133 Abs. 1 [X.]) möglich ([X.] 123, 320, 322 ff; 150, 122, 129 ff; [X.], [X.]. v. 25. Februar 1999 - [X.] ZR 353/98, NJW 1999, 3264, 3265). Insofern ist auch für eine Anfechtung nach § 10 Abs. 1 [X.] entscheidend, ob eine Leistung an den [X.] erfolgt und ob diese kongruent ist - gegebenenfalls liegt ein der Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.] entzo-genes Bargeschäft vor - oder nicht.

Stellt eine Bank Zahlungseingänge für ihren Kunden in das Kontokorrent ein und läßt sie den Kunden zeitnah in demselben Umfang vereinbarungsge-mäß wieder über den Gegenwert verfügen, kann ein nicht anfechtbares Barge-schäft vorliegen. Jedenfalls ein [X.]raum von zwei Wochen zwischen den Ein- und Auszahlungen übersteigt noch nicht den Rahmen des engen zeitlichen Zusammenhangs ([X.] 150, 122, 131; [X.], [X.]. v. 25. Januar 2001 - [X.] ZR - 6 - 6/00, NJW 2001, 1650, 1651; v. 1. Oktober 2002 - [X.] ZR 360/99, NJW 2003, 360, 362).

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraus-setzungen im Streitfall erfüllt.

[X.]) Die Beklagte gewährte in Unkenntnis des Antrags auf Eröffnung des [X.]s Überziehungskredite und stellte sich dem Schuldner als Zahlstelle zur Verfügung. Was dieser an Gutschriften erhielt, wurde für Auszahlungen benötigt. Die Auszahlungen überstiegen sogar die Zahlungseingänge. Soll- und [X.] haben sich fast täglich abge-wechselt.

[X.]) Die Verrechnungen waren, wovon auch das Berufungsgericht aus-gegangen ist, kongruent.

(1) Aufgrund der [X.] ist das Kreditinstitut berechtigt und ver-pflichtet, für den Kunden bestimmte Geldeingänge entgegenzunehmen und gutzuschreiben. Umgekehrt ist das Kreditinstitut verpflichtet, Überweisungsauf-träge des Kunden zu Lasten seines Girokontos auszuführen, sofern es eine ausreichende Deckung aufweist oder eine Kreditlinie nicht ausgeschöpft ist. Indem das Kreditinstitut diese Absprachen einhält und den Giroverkehr fort-setzt, handelt es vertragsgemäß, also kongruent ([X.] 150, 122, 129; [X.], [X.]. v. 1. Oktober 2002 - [X.] ZR 360/00, [X.], 2369, 2372). Verrechnungen werden erst dann inkongruent, wenn das Kreditinstitut Verfügungen des Kun-den nicht mehr in der vereinbarten Weise zuläßt und dadurch im Ergebnis die - 7 - [X.] vor deren Fälligkeit durch die saldierten Gutschriften zurückgeführt werden.

(2) Wenn eine Kreditlinie überzogen ist, hängt es grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab, ob in der Duldung des Kreditinstituts eine still-schweigende Erweiterung der Kreditlinie liegt oder ob es einen sofortigen [X.] auf Rückführung hat. Im ersten Fall ist die Rückführung des [X.]s ohne vorherige Kündigung inkongruent, im zweiten Fall ist sie kongruent ([X.] 138, 40, 47; 150, 122, 127; [X.], [X.]. v. 17. Juni 1999 - [X.] ZR 62/98, NJW 1999, 3780, 3781).

Auf diese Unterscheidung kommt es jedoch nicht an, wenn der [X.] nicht zurückgeführt, sondern im Gegenteil laufend weiter ausgedehnt wird. Dann hat das Kreditinstitut durch die saldierten Gutschriften von dem Schuld-ner keine Leistung erhalten, und es stellt sich nicht die Frage, ob etwa eine Leistung in anderer Art als vereinbart oder vor Fälligkeit gewährt worden ist ([X.] 150, 122, 129). Das Kriterium der Inkongruenz ist insofern bedeutungs-los, solange und soweit die Annahme der Leistung nicht einer Deckung wegen eigener Forderungen des Empfängers dient, sondern der fremdnützigen Erfül-lung von Vertragspflichten gegenüber dritten Auftraggebern ([X.] 150, 122, 128).

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Beklagte hat die Kreditlinie offengehalten und darüber hinaus laufend neue Kredite gewährt, um das Un-ternehmen des Schuldners zu "sanieren". Durch die von ihr vorgenommenen Verrechnungen hat sie ganz überwiegend Ausgaben des Schuldners ermög-licht, welche dieser nach eigenem Ermessen zugunsten Dritter vornahm. [X.] 8 - fern hat die Beklagte ihre Pflichten aus dem [X.] erfüllt. Soweit eine [X.] von 38.000 [X.] zum Ausgleich von eigenen Zinsforderungen der Beklagten erfolgt ist, worauf die Revisionserwiderung hinweist, fällt dieser Umstand in Anbetracht der Höhe der Kreditausweitung nicht ins Gewicht.

c) Auch auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zum [X.]punkt der Kenntnis der Beklagten von der Zahlungseinstellung des Schuldners kommt es nicht an. Allerdings kann - worauf die Revisionserwiderung, im Ansatz zutref-fend, hinweist - eine Bank, die in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ihres Kun-den nicht den gebotenen Insolvenzantrag stellt, sondern durch Weitergewäh-ren eines Kredits die Agonie des Kunden verlängert, um in rücksichtsloser und eigensüchtiger Weise ihre Stellung bei dem in Kürze erwarteten Zusammen-bruch auf Kosten anderer Gläubiger zu verbessern, sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB handeln ([X.] 10, 228, 233; [X.], [X.]. v. 9. Dezember 1969 - [X.], NJW 1970, 657, 658). Die Revisionserwiderung hat zwar in der [X.] geltend gemacht, diese Voraussetzungen seien im vorlie-genden Fall erfüllt gewesen. Der von ihr in Bezug genommene Vortrag in der [X.] reicht dafür jedoch nicht aus. Gegen ein ausschließlich eigensüchtiges Handeln der Beklagten spricht vor allem deren Sanierungsab-sicht. Daß sie hoffte, mit dem [X.] werde auch ihre [X.] "gerettet", steht dem nicht entgegen. Die Beklagte, die ab April 1998 so-gar auf die zuvor geforderten Überziehungszinsen verzichtet hatte, ist durch die Kreditgewährung an den Schuldner ein finanzielles Risiko eingegangen, das sich auch realisiert hat. Es geht nicht an, ihr deswegen das Risiko der [X.] wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners in noch höherem Maße - durch Versagung des Ausgleichs für die Belastungsbuchungen Œ aufzuerlegen. - 9 - d) Das vom [X.] am 2. Februar 1998 verhängte allgemeine Veräußerungsverbot (§ 2 Abs. 3 [X.]) ist für die Anfechtbarkeit der von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen ohne Bedeutung. Es betrifft nur die Wirksamkeit der Verfügungen des Schuldners.

2. Die Voraussetzungen einer Absichtsanfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] hat das Berufungsgericht verneint. Dies wird in der [X.] nicht in Frage gestellt und trifft im Ergebnis zu.

3. Das [X.] nach § 2 Abs. 4 [X.] in Verbindung mit § 394 BGB hat das Berufungsgericht mit Recht nicht durchgreifen lassen. Eine Bank kann Gutschriften vertragsgemäß mit ihren [X.] verrechnen, wenn sie nach der Stellung eines Drittantrags auf Eröffnung eines [X.]s gegen den Bankkunden, aber vor Be-kanntwerden eines Verfügungsverbots, Verfügungen des Kunden über sein debitorisch geführtes Bankkonto weiter zuläßt ([X.], [X.]. v. 25. Februar 1999 - [X.] ZR 353/98, NJW 1999, 3264, 3265; v. 6. Februar 2003 - [X.] ZR 449/99, [X.], 580 f). Soweit die Gutschriften dem Ausgleich der vom Schuldner vorgenommenen Verfügungen zugunsten Dritter dienen, handelt es sich bei den Verrechnungen nicht um "Zwangsvollstreckungen" im Sinne des § 2 Abs. 4 [X.]. Vielmehr wird dadurch dem Schuldner der finanzielle Spielraum ver-schafft, um die nächsten Auszahlungen verfügen zu können. Zu einer Tilgung der eigenen Kreditforderungen der Bank gegen den Schuldner kommt es nicht. - 10 - II[X.]

Da im Tatsächlichen nichts mehr aufzuklären ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage abweisen.

Kreft Ganter

[X.]

[X.] am [X.] ist wegen Ortsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizu- fügen.

[X.]

Kreft

Meta

IX ZR 2/01

17.06.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. IX ZR 2/01 (REWIS RS 2004, 2774)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2774

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