Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.05.2020, Az. 7 AZR 83/19

7. Senat | REWIS RS 2020, 393

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Gegenstand

Auflösende Bedingung - Flugdienstuntauglichkeit - betriebliches Eingliederungsmanagement


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. Februar 2019 - 11 [X.]/18 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2018 - 16 [X.] - zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung am 31. [X.]ezember 2017 geendet hat.

2

[X.]ie Klägerin ist seit dem 15. August 1998 bei der [X.], einem [X.]uftfahrtunternehmen, als Flugbegleiterin beschäftigt. [X.]em Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 28. Juli 1998 zugrunde. [X.]er Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

        

1. Beginn, Art und Ort der Beschäftigung

        

(1)     

Frau W wird ab dem 15.08.1998 als Flugbegleiterin im Bereich [X.] in [X.] beschäftigt. [X.]er Einsatzort [X.] umfasst einen Einsatz von und zu allen Flughäfen der Region.

        

(2)     

[X.] kann Frau W an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen.“

3

Aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal in der Fassung vom 1. Jan[X.]r 2013 (im Folgenden [X.]) Anwendung. In diesem Tarifvertrag ist [X.]. Folgendes geregelt:

        

§     

19    

Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze

        

…       

        
        

(3)     

Kabinenmitarbeiter können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und solange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der [X.] weiterbeschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Bordmitarbeiter kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf Seiten der [X.] noch auf Seiten des Kabinenmitarbeiters.

                                   
        

§       

20    

Verlust der Flugdiensttauglichkeit, Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

(1)     

a)    

Wird durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt, dass ein Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, so endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der [X.] an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 frühestens zulässig gewesen wäre.

                          

[X.] im Sinne dieser Bestimmungen ist das auf einem unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach unbehebbaren körperlichen Mangel beruhende Unvermögen, eine fliegerische Tätigkeit nach den einschlägigen Vorschriften weiter auszuüben.

                          

…       

        

(3)     

[X.]ie Bestimmungen des § 19 Abs. (3) gelten für den Fall einer Weiterbeschäftigung als Angestellter mit einer anderen nicht fliegerischen Tätigkeit entsprechend.

        

…       

                 
                                   
        

§       

22    

Kündigung

        

…       

        
        

(2)     

Im Übrigen beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigung

                          

…       

        
                          

-       

von mehr als 12 Jahren

                                   

6 Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres.

                 

Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ist eine ordentliche Kündigung einschließlich der ordentlichen Änderungskündigung durch die [X.] ausgeschlossen.“

4

[X.]ie Klägerin war seit dem 20. Juni 2016 arbeitsunfähig erkrankt. Am 28. Juni 2017 wurde durch einen flugmedizinischen Sachverständigen die dauerhafte [X.] festgestellt.

5

Mit Schreiben vom 7. Juli 2017, der Klägerin zugegangen am 14. Juli 2017, unterrichtete die Beklagte die Klägerin über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 20 Abs. 1 [X.] Nr. 2 aufgrund der [X.] zum 31. [X.]ezember 2017. In dem Schreiben heißt es [X.].:

        

„Bitte informieren Sie uns mit dem beiliegenden Formblatt bis zum 04. August 2017, ob Sie an einer Tätigkeit am Boden interessiert sind. Falls Interesse besteht, werden wir Ihnen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz am Boden behilflich sein.

        

Für den Fall, dass wir von Ihnen bis zum o. g. Zeitpunkt keine Antwort erhalten haben, gehen wir davon aus, dass Sie an einem Arbeitsplatz am Boden NICHT interessiert sind.

        

Eine Tätigkeit am Boden ist selbstverständlich davon abhängig, ob eine - Ihren Anforderungen und Q[X.]lifikationen - entsprechende Stelle zu besetzen ist und Sie hierfür entsprechend den Regeln für interne Stellenausschreibungen für Bodenarbeitsplätze ausgewählt werden. Außerdem muss die Besetzung der freien Stelle für einen Zeitpunkt vorgesehen sein, der vor Beendigung Ihres Bordarbeitsverhältnisses liegt, wenn Sie als interne Bewerberin berücksichtigt werden wollen.“

6

[X.]em Schreiben vom 7. Juli 2017 war zudem ein Informationsblatt „Informationen zu einem Wechsel vom [X.] auf einen Bodenarbeitsplatz (Stand 01/11)“ beigefügt.

7

[X.]ie Klägerin übersandte das Formblatt zur Interessenbekundung an einer Bodentätigkeit nicht bis zum 4. August 2017 an die Beklagte, sondern erst mit Schreiben vom 4. Jan[X.]r 2018, der [X.] zugegangen am 25. Jan[X.]r 2018. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) wurde von der [X.] nicht durchgeführt.

8

Mit ihrer am 3. August 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der [X.] am 11. August 2017 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. [X.]ezember 2017 gewandt. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr Arbeitsverhältnis habe nicht kraft auflösender Bedingung gemäß § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] geendet. [X.]ie auflösende Bedingung trete nicht allein aufgrund der festgestellten [X.] ein, sondern nur dann, wenn keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auf einem Bodenarbeitsplatz bestehe. Zur Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, noch vor der Unterrichtung über den Bedingungseintritt ein bEM durchzuführen. [X.]a sie, die Klägerin, zu keinem Zeitpunkt ein bEM oder eine Weiterbeschäftigung im Bodendienst abgelehnt habe, habe die Beklagte auch nicht von der Entbehrlichkeit eines bEM ausgehen dürfen. Ein mangelndes Interesse an einem Bodenarbeitsplatz könne insbesondere nicht aus der zunächst unterbliebenen Rücksendung des ihr mit Unterrichtung vom 7. Juli 2017 übersandten Formblatts abgeleitet werden. Ihrem Schweigen komme kein solcher Erklärungswert zu. [X.]a die Beklagte entgegen den gesetzlichen Vorgaben kein bEM durchgeführt habe, treffe sie eine erweiterte [X.]arlegungslast in Bezug auf das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Bodendienst. [X.]ieser erweiterten [X.]arlegungslast sei die Beklagte nicht nachgekommen. Geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten im Bodendienst seien vorhanden. Außerdem sei die Personalvertretung hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht beteiligt worden.

9

[X.]ie Klägerin hat - soweit in der Revision noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund § 20 [X.] Nr. 2 zum 31. [X.]ezember 2017 beendet ist.

[X.]ie Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe gemäß § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] aufgrund der dauerhaften [X.] der Klägerin am 31. [X.]ezember 2017 geendet. Eine Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin auf einem Bodenarbeitsplatz habe nicht bestanden. Sie sei nicht zur Suche nach einem freien Bodenarbeitsplatz verpflichtet gewesen, nachdem die Klägerin ihr Interesse hieran nicht bis zum 31. [X.]ezember 2017 bekundet habe. [X.]ie Zuweisung eines Bodenarbeitsplatzes könne nicht im Wege des [X.]irektionsrechts erfolgen, sondern erfordere eine Änderung des Arbeitsvertrags. Hieran müsse der betroffene Arbeitnehmer mitwirken. [X.]ie Klägerin habe die erforderliche Zustimmung hierzu nicht erteilt. Sie habe vielmehr zum Ausdruck gebracht, kein Interesse an einem Bodenarbeitsplatz zu haben, da sie trotz gesetzter Erklärungsfrist das ihr zu diesem Zweck übersandte Formular erst nach Ablauf der Auslauffrist nach § 20 Abs. 1 Buchst. a iVm. § 22 Abs. 2 [X.] übersandt habe. Vor diesem Hintergrund habe das unterbliebene bEM keine Auswirkung auf die Verteilung der [X.]arlegungs- und Beweislast im Rahmen des Bedingungskontrollverfahrens.

[X.]as Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie in der Revision anhängig ist, stattgegeben. [X.]as [X.]andesarbeitsgericht hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte insoweit die Aufhebung des Urteils des [X.]andesarbeitsgerichts und die Abweisung der Klage. [X.]ie Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist begründet. Soweit das [X.] die Berufung der [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen hat, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache insoweit an das [X.] zurückzuverweisen. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das [X.] der Bedingungskontrollklage nicht stattgeben. Der [X.] kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Eintritt der auflösenden Bedingung in § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] Nr. 2 beendet wurde.

I. Die auflösende Bedingung gemäß § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] Nr. 2 gilt nicht nach §§ 21, 17 Satz 2 [X.] iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als eingetreten. Die Klägerin hat rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist nach §§ 21, 17 Satz 1 und Satz 3, § 15 Abs. 2 [X.] Bedingungskontrollklage erhoben.

1. Nach §§ 21, 17 Satz 2 [X.] iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG gilt eine auflösende Bedingung als zu dem in der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber angegebenen Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung eingetreten, wenn der Arbeitnehmer den [X.] der auflösenden Bedingung nicht innerhalb der Dreiwochenfrist nach §§ 21, 17 Satz 1 und Satz 3, § 15 Abs. 2 [X.] gerichtlich geltend gemacht hat ([X.] 17. April 2019 - 7 [X.] - Rn. 16 [X.]).

Die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 [X.] beginnt bei [X.] grundsätzlich mit dem Tag, an dem die auflösende Bedingung eingetreten ist. Allerdings endet der auflösend bedingte Arbeitsvertrag nach §§ 21, 15 Abs. 2 [X.] frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der Bedingung. Deshalb wird gemäß §§ 21, 17 Satz 1 und Satz 3, § 15 Abs. 2 [X.] die Klagefrist erst mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Eintritts der Bedingung beendet, in Lauf gesetzt, wenn die Bedingung bereits vor Ablauf der [X.] eingetreten ist (st. Rspr., vgl. [X.] 20. Juni 2018 - 7 [X.] - Rn. 39 [X.]). Ist streitig, ob die auflösende Bedingung eingetreten ist, beginnt die Dreiwochenfrist grundsätzlich zu dem vom Arbeitgeber in dem Unterrichtungsschreiben angegebenen Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu laufen ([X.] 26. Februar 2020 - 7 [X.] - Rn. 15; 17. April 2019 - 7 [X.] - Rn. 17 [X.]).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin fristgemäß Bedingungskontrollklage erhoben. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 7. Juli 2017 darüber unterrichtet, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Eintritts der auflösenden Bedingung gemäß § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] Nr. 2 am 31. Dezember 2017 enden werde. Die dreiwöchige Klagefrist endete damit nach § 193 BGB am 22. Januar 2018. Die Klägerin hat die Bedingungskontrollklage bereits nach dem Zugang des [X.] der [X.] vom 7. Juli 2017 mit der am 3. August 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der [X.] am 11. August 2017 zugestellten Klageschrift erhoben. In der Klageschrift war zwar noch nicht der jetzt allein anhängige Bedingungskontrollantrag angekündigt. Die Klageschrift enthielt jedoch - neben zwei weiteren Feststellungsanträgen - einen allgemeinen Feststellungsantrag („festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist“). Außerdem hat die Klägerin mit der der [X.] am 21. September 2017 zugestellten [X.] vom 18. September 2017 noch vor Ablauf der Klagefrist den jetzt noch streitgegenständlichen Antrag gestellt.

II. Auf der Grundlage der bislang festgestellten Tatsachen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die in § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] Nr. 2 geregelte auflösende Bedingung eingetreten ist.

1. Nach § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] Nr. 2 endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der [X.] an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 [X.] Nr. 2 frühestens zulässig gewesen wäre, wenn durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt wird, dass der Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Diese Bestimmung gilt auch für nach § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.] Nr. 2 ordentlich unkündbare Arbeitnehmer, die - wie die Klägerin - über eine Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren verfügen (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung in § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] Nr. 3 [X.] 14. Mai 1987 - 2 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe). Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die [X.] unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der tariflichen Regelungen sowie ihres Zwecks gesetzeskonform dahin einschränkend auszulegen ist, dass das Arbeitsverhältnis nicht endet, wenn für den flugdienstuntauglichen Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Bodendienst besteht. Das [X.] hat aber verkannt, dass eine mögliche Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Bodendienst der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des flugdienstuntauglichen Arbeitnehmers aufgrund der auflösenden Bedingung nur dann entgegensteht, wenn der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung im Bodendienst spätestens bis zum Ablauf der nach §§ 20, 22 [X.] Nr. 2 geltenden Auslauffrist vom Arbeitgeber verlangt ([X.] 11. Dezember 2019 - 7 [X.] - Rn. 49; 17. April 2019 - 7 [X.] - Rn. 26 ff. [X.]). Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom [X.] auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann ([X.] 19. November 2019 - 7 [X.] - Rn. 19; 1. August 2018 - 7 [X.] - Rn. 26 [X.]). Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. [X.] 20. Juni 2018 - 4 [X.] - Rn. 19 [X.]).

b) Zwar ist ein Weiterbeschäftigungsverlangen durch den flugdienstuntauglichen Mitarbeiter im [X.] Nr. 2 - anders als etwa in § 33 Abs. 3 [X.] für erwerbsgeminderte Arbeitnehmer - nicht ausdrücklich vorgesehen. Ein solches Erfordernis ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Tarifnorm und aus ihrem Sinn und Zweck. So kann eine Weiterbeschäftigung des bisher im fliegerischen Dienst beschäftigten flugdienstuntauglichen Kabinenmitarbeiters im Bodendienst - wie § 20 Abs. 3 iVm. § 19 Abs. 3 Satz 2 [X.] Nr. 2 zeigt - nicht zu unveränderten Arbeitsbedingungen erfolgen. Vielmehr setzt die Weiterbeschäftigung des flugdienstuntauglichen Arbeitnehmers neben einem freien und leistungsgerechten Arbeitsplatz im Bodendienst die Bereitschaft des Arbeitnehmers voraus, im Bodendienst zu geänderten Arbeitsbedingungen tätig zu werden. Der Arbeitgeber kann von einer solchen Bereitschaft aufgrund der erforderlichen Vertragsänderung nicht ohne weiteres ausgehen. Daher obliegt es dem Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber sein Interesse an der Weiterbeschäftigung im Bodendienst mitzuteilen ([X.] 17. April 2019 - 7 [X.] - Rn. 27; vgl. zum Weiterbeschäftigungsverlangen im Fall einer auflösenden Bedingung bei der Bewilligung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente: [X.] 31. Juli 2002 - 7 [X.] - zu I 2 c der Gründe, [X.]E 102, 114; 9. August 2000 - 7 [X.] 749/98 - zu [X.] 2 c aa der Gründe).

c) Die Mitteilung muss dem Arbeitgeber vor dem nach §§ 20, 22 [X.] Nr. 2 vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der auflösenden Bedingung zugehen ([X.] 11. Dezember 2019 - 7 [X.] - Rn. 51). Die [X.] über die auflösende Bedingung dient nicht nur dem Schutz des Arbeitnehmers vor Überbeanspruchung. Sie will auch dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer trennen zu können, der dauerhaft gesundheitsbedingt nicht in der Lage ist, seine vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Der Arbeitgeber muss, um entsprechende Personaldispositionen, zB durch Neueinstellungen, vornehmen zu können, die Möglichkeit haben zu prüfen, ob das Arbeitsverhältnis infolge der [X.] endet oder wegen Bestehens einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit fortbesteht. Dies erfordert, dass der Arbeitnehmer ihm noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der auflösenden Bedingung und damit vor Ablauf der in §§ 20, 22 [X.] Nr. 2 genannten Frist mitteilt, ob er zu einer Beschäftigung im Bodendienst bereit ist ([X.] 17. April 2019 - 7 [X.] - Rn. 27 f.). Für den ihm günstigen Umstand des Zugangs der Erklärung ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet ([X.] 11. Dezember 2019 - 7 [X.] - Rn. 51). Hat der Arbeitnehmer seine Bereitschaft zu einer Tätigkeit im Bodendienst nicht fristgerecht gegenüber dem Arbeitgeber bekundet, kommt es für den Eintritt der auflösenden Bedingung auf derartige [X.] nicht an.

In einem solchen Fall ist es für den Eintritt der auflösenden Bedingung unerheblich, ob der Arbeitgeber ein nach § 167 Abs. 2 SGB IX (bis zum 31. Dezember 2017 § 84 Abs. 2 SGB IX) gebotenes bEM pflichtwidrig unterlassen hat. Ein bEM ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] Nr. 2. Es hat lediglich Auswirkungen auf den Umfang der Darlegungslast des Arbeitgebers hinsichtlich des Fehlens von [X.] für den Arbeitnehmer im Bodendienst ([X.] 17. April 2019 - 7 [X.] - Rn. 32), auf die es aber nicht ankommt, wenn der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung im Bodendienst nicht - rechtzeitig - vom Arbeitgeber verlangt.

Ein pflichtwidrig unterlassenes bEM führt auch nicht dazu, dass den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass der Arbeitnehmer nicht zu einer Tätigkeit im Bodendienst bereit war ([X.] 11. Dezember 2019 - 7 [X.] - Rn. 63). Zwar ist es denkbar, dass ein Arbeitnehmer seine Bereitschaftserklärung im Rahmen eines bEM abgibt. Diese Erklärung kann aber auch außerhalb eines bEM erfolgen und kann idR erwartet werden, wenn dem Arbeitnehmer mitgeteilt wird, dass er flugdienstuntauglich ist, sein Arbeitsverhältnis aus diesem Grund nach der tariflichen Regelung in § 20 [X.] Nr. 2 enden wird und er überdies - wie im vorliegenden Fall die Klägerin - aufgefordert wird mitzuteilen, ob er an einer Tätigkeit im Bodendienst interessiert ist.

d) Danach ist die Annahme des [X.]s, die auflösende Bedingung sei nicht eingetreten, da die Beklagte der ihr obliegenden - wegen eines unterbliebenen bEM erweiterten - Darlegungslast zum Fehlen von [X.] für die Klägerin im Bodendienst nicht ausreichend nachgekommen sei, nicht frei von [X.]. Das [X.] hat zu Unrecht nicht geprüft, ob die flugdienstuntaugliche Klägerin ihre Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen im Bodendienst innerhalb der Auslauffrist nach § 20 Abs. 1 Buchst. a, § 22 Abs. 2 [X.] Nr. 2 von der [X.] verlangt hat.

2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung über die Bedingungskontrollklage. Der [X.] kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen, ob die Klägerin ihre Bereitschaft zu einer Tätigkeit im Bodendienst rechtzeitig gegenüber der [X.] erklärt hat. Nach den Feststellungen des [X.]s hat die Klägerin ihre Bereitschaft zu einer Tätigkeit im Bodendienst durch das Schreiben vom 4. Januar 2018, der [X.] zugegangen am 25. Januar 2018, angezeigt. Ob dies innerhalb der nach §§ 20, 22 [X.] Nr. 2 vorgesehenen Auslauffrist lag, hängt davon ab, wann der Klägerin die [X.] bekanntgegeben wurde. Hierzu hat das [X.] bislang keine Feststellungen getroffen.

a) Das Arbeitsverhältnis endet nach § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] Nr. 2, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der [X.] an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 [X.] Nr. 2 frühestens zulässig gewesen wäre. Da die Klägerin mehr als zwölf Jahre bei der [X.] beschäftigt war, betrug die Kündigungsfrist nach § 22 Abs. 2 [X.] Nr. 2 sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Die [X.] der Klägerin wurde am 28. Juni 2017 festgestellt. Es fehlen jedoch Feststellungen des [X.]s dazu, wann der Klägerin ihre [X.] bekanntgegeben worden ist. Nach den vom [X.] in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsgerichts hat der externe flugmedizinische Sachverständige Dr. A die dauernde [X.] mit Schreiben „vom 28. Juni 2016“ (gemeint ist offensichtlich der 28. Juni 2017) festgestellt. Es ist jedoch weder ersichtlich, wann die Klägerin dieses Schreiben erhalten hat, noch, ob ihr das Ergebnis der flugmedizinischen Untersuchung bereits vor dem Zugang des Schreibens mündlich bekanntgegeben worden war. Sollte die Bekanntgabe noch vor dem 1. Juli 2017 erfolgt sein, hätte die Auslauffrist mit Ablauf des 31. Dezember 2017 geendet. Sollte die Bekanntgabe erst Anfang Juli 2017 erfolgt sein, wäre die Auslauffrist erst am 31. März 2018 abgelaufen. Nur im letztgenannten Fall hätte die Klägerin ihr Interesse an einer Beschäftigung im Bodendienst mit ihrem Schreiben vom 4. Januar 2018 rechtzeitig bekundet.

b) Neben dem Schreiben der Klägerin vom 4. Januar 2018 sind keine Umstände festgestellt oder vorgetragen, aus denen die Beklagte bis zum 31. Dezember 2017 schließen musste, dass die Klägerin zu einer Tätigkeit im Bodendienst bereit gewesen wäre. Insbesondere enthält die Klageschrift vom 3. August 2017 keine entsprechende Erklärung. Ausweislich ihrer Ausführungen unter [X.] der Klagebegründung war die Klägerin der Auffassung, die Beklagte könne sie im Hinblick auf den „weiten arbeitsvertraglichen Versetzungsvorbehalt“ überall im Unternehmen einsetzen. Damit hat die Klägerin gerade nicht zum Ausdruck gebracht, ggf. bereit zu sein, den Arbeitsvertrag zu ändern.

c) Es kann offenbleiben, ob die Beklagte nach den tariflichen Regelungen verpflichtet ist, einen flugdienstuntauglichen Arbeitnehmer aufzufordern, sich dazu zu erklären, ob er bereit ist, auf einem Arbeitsplatz am Boden tätig zu werden. Die Beklagte ist einer etwaigen Verpflichtung mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2017 in ausreichender Weise nachgekommen, indem sie die Klägerin aufgefordert hat, mit dem beiliegenden Formblatt bis zum 4. August 2017 mitzuteilen, ob sie an einer Tätigkeit am Boden interessiert ist (ebenso zu einem vergleichbaren Schreiben der [X.] [X.] 11. Dezember 2019 - 7 [X.] - Rn. 60). Ob die Beklagte in ihrem Schreiben vom 7. Juli 2017 und in dem beigefügten Formblatt ihre Pflichten, die durch die Anzeige der Bereitschaft des Arbeitnehmers, eine Tätigkeit am Boden auszuüben, ausgelöst werden, zutreffend dargestellt hat, bedarf vor diesem Hintergrund ebenfalls keiner Entscheidung (vgl. bereits [X.] 11. Dezember 2019 - 7 [X.] - Rn. 60).

d) Das [X.] wird daher zu prüfen haben, ob der Klägerin die [X.] vor oder nach dem 30. Juni 2017 bekanntgegeben wurde. Davon hängt ab, ob die im Januar 2018 erfolgte Bereitschaftserklärung der Klägerin zu einer Tätigkeit im Bodendienst innerhalb der Auslauffrist lag. Sollte die Klägerin ihre Bereitschaft zu einer Bodentätigkeit nicht rechtzeitig angezeigt haben, wäre die auflösende Bedingung eingetreten. Wenn die Klägerin hingegen ihre Bereitschaft noch innerhalb der Auslauffrist nach §§ 20, 22 [X.] Nr. 2 angezeigt haben sollte, wäre die auflösende Bedingung nicht eingetreten. Da die Beklagte nach den Feststellungen des [X.]s gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX in der hier maßgeblichen bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (seit dem 1. Januar 2018 § 167 Abs. 2 SGB IX) verpflichtet war, ein bEM durchzuführen und ein solches unterblieben ist, bestünde eine erweiterte Darlegungslast der [X.] zum Fehlen von [X.] im Bodendienst (vgl. dazu zuletzt [X.] 26. Februar 2020 - 7 [X.] - Rn. 30 [X.]), der die Beklagte nicht ausreichend nachgekommen ist.

[X.] Die Entscheidung des [X.]s stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Eintritt der auflösenden Bedingung hängt insbesondere nicht von einer Beteiligung der bei der [X.] nach § 117 Abs. 2 [X.] gebildeten Personalvertretung ab. Hierfür fehlt es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Eine solche findet sich nicht im Gesetz. Insbesondere ist § 102 [X.] nicht entsprechend auf die Mitteilung des Bedingungseintritts iSv. § 21 iVm. § 15 Abs. 2 [X.] anzuwenden. Auch die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren tarifvertraglichen Regelungen im [X.] Nr. 2 und dem [X.] sehen eine Beteiligung der Personalvertretung im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung nicht vor ([X.] 26. Februar 2020 - 7 [X.] - Rn. 42; 11. Dezember 2019 - 7 [X.] - Rn. 64).

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Klose    

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Meißner    

                 

Meta

7 AZR 83/19

20.05.2020

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 30. Januar 2018, Az: 16 Ca 5440/17, Urteil

§ 1 TVG, § 21 TzBfG, § 17 TzBfG, § 15 Abs 2 TzBfG, § 167 Abs 2 SGB 9, § 84 Abs 2 SGB 9 vom 31.12.2017, § 117 Abs 2 BetrVG, § 102 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.05.2020, Az. 7 AZR 83/19 (REWIS RS 2020, 393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 393

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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