Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2014, Az. VI ZR 299/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7594

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/13
Verkündet am:

25. Februar 2014

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 823 Abs. 1 Dc, [X.]; [X.] § 45 Abs. 2, Abs. 6; Richtlinie für die Sicherung von Arbeitsstellen an [X.]n-[X.] 95
Zur Frage, ob es aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht erforderlich ist, trotz eines auf der gegenüberliegenden Seite vorhandenen Gehwegs in einem Baustellenbereich zusätzlich einen Notweg für Fußgänger offen zu halten, um diesen bei winterlichen Verhältnissen an dieser Stelle ein Überqueren der [X.] zu ersparen.
[X.], Urteil vom 25. Februar 2014 -
VI [X.]/13 -
OLG [X.]

LG Itzehoe

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
25. Februar 2014
durch den Vorsitzenden [X.], die
Richter

Wellner und [X.], die Richterin von [X.] und den Richter Offenloch
für Recht erkannt:
Die Revisionen
der [X.]
gegen das Urteil des [X.] vom 25.
Juni 2013 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
die Klägerin zu 1 72 % und
die Klägerin zu 2 28 % der Kosten des Rechtstreits
trägt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.] -
ein gesetzlicher Krankenversicherer
(Klägerin zu 1)
und ein
gesetzlicher Pflegeversicherer (Klägerin zu 2)
-
verlangen von den bei-den [X.], einer Tief-
und [X.]nbaugesellschaft
(Beklagte zu 1)
und ei-ner Stadt (Beklagte zu 2),
aus übergegangenem Recht ihres geschädigten Ver-sicherten Schadensersatz wegen eines Glatteisunfalls
am 5.
Februar 2010 in [X.]
Der Geschädigte ging an diesem Tag gegen 15.00
Uhr bei winterlichen Verhältnissen von seiner Wohnung in der [X.] in [X.] kommend durch die [X.] [X.],
um nach rechts
in die Feldstraße abzubiegen, durch die er seinen Weg
in Richtung Bahnhofstraße fortsetzen wollte. In der Feldstra-1
2
-

3

-

ße führte die Beklagte zu
1 im Auftrag der [X.]
zu
2 seit Mitte September 2009 Tiefbauarbeiten durch, die am 19.
Dezember 2009 wegen winterlicher Verhältnisse bis Mitte März 2010 unterbrochen wurden. Die Feldstraße war [X.] halbseitig gesperrt und nur für den Anliegerverkehr freigegeben. Die Absperrung umfasste auch den im Bau befindlichen Gehweg von der Ein-mündung der [X.] [X.] aus gesehen rechts in Richtung [X.]. Der gegenüberliegende Gehweg auf der linken Seite in Richtung [X.] war jedoch bereits fertiggestellt, gestreut und für Fußgänger begeh-bar.
Der Geschädigte
kam bei dem Versuch,
in Höhe der Einmündung [X.] die
Feldstraße
zu überqueren, um auf den gegenüberliegenden [X.] zu gelangen, infolge einer unter dem Schnee verborgenen starken [X.] zu Fall und schlug dabei mit dem Hinterkopf auf. Die zunächst einsetzen-den Kopfschmerzen verstärkten sich und es traten erste [X.] auf. Der Geschädigte wurde am
Folgetag wegen eines Schädelhirntraumas
stationär ins Krankenhaus aufgenommen
und neurochirurgisch versorgt. Er
ist inzwischen ein Pflegefall.
Die [X.]
verlangen aus übergegangenem Recht ihres Versicher-ten Schadensersatz
wegen der von ihnen erbrachten Aufwendungen und haben zuletzt beantragt, die [X.] gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin zu
1
einen Betrag von
53.203,13

nebst Zinsen, an die Klägerin zu
2
einen Betrag von 19.830,33

sowie 2.800

gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, an die [X.] alle ihnen infolge des Unfalls ihres Versicherten noch entstehenden übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen.
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4
-

4

-

Das Landgericht hat der Zahlungsklage unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 30
% dem Grunde nach stattgegeben und
festge-stellt, dass die [X.] verpflichtet sind, den [X.] 70
% der noch [X.] übergangsfähigen unfallbedingten Aufwendungen ihres Versicherten zu ersetzen. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage unter Zurückweisung der [X.] der [X.] insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen
verfolgen die [X.] ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die
Beklagte zu
1 habe keine ge-genüber dem Geschädigten bestehende Verkehrssicherungspflicht verletzt. [X.] solche folge insbesondere nicht aus §
45 Abs.
2, Abs.
6 [X.] i.V.m. Teil
A Abschn.
1.3 Abs.
11 der Richtlinie für Sicherheit von Arbeitsstellen ([X.]). So-weit die Beklagte zu
1 der Verpflichtung, einen 1
m breiten Gehweg für [X.] zur Verfügung zu stellen, nicht nachgekommen sei, stelle dies keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar, weil gegenüber ein gestreuter Bürgersteig vorhanden gewesen
sei. Die [X.] diene vorrangig der Sicherung des Verkehrs vor Gefahren, die von der Arbeitsstelle selbst und den direkt an-grenzenden Verkehrsflächen ausgingen, wie aus der Vorbemerkung Ziffer
1.1 Abs.
2 folge. Danach dienten die Sicherungsmaßnahmen unter anderem dem Schutz der Verkehrsteilnehmer. Fußgänger sollten mithin
vor den Gefahren der Baustelle selbst und davor geschützt werden, dass sie aufgrund des Umfangs der Baustelle die [X.] benutzen müssten und dort den von Fahrzeugen und Radfahrern ausgehenden Gefahren ausgesetzt seien. Hier habe für den Ge-5
6
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5

-

schädigten aber die Möglichkeit bestanden, den der Baustelle gegenüberlie-genden, gestreuten Bürgersteig in der Feldstraße zu benutzen, so dass es zur Verkehrssicherung nicht erforderlich gewesen sei, daneben einen Notweg auf der anderen [X.]nseite außerhalb des eigentlichen Verkehrsbereichs [X.]. Aus dem Bauvertrag ergebe sich nichts Gegenteiliges. Danach habe der Fußgängerverkehr während der Bauarbeiten in beschränktem Maße [X.] werden sollen. Zwar sei der Geschädigte durch die Sperrung des rechten Gehwegs beim Überqueren der Feldstraße wegen der dort reduzierten Anforderungen an die Räum-
und Streupflicht einem erhöhten Sturzrisiko aus-gesetzt gewesen. Diesem Risiko seien aber auch die Fußgänger ausgesetzt gewesen, die nach links hätten abbiegen wollen. Zudem bestehe beim [X.] einer
Kreuzung stets ein erhöhtes Sturzrisiko infolge einer im Fahrbahnbe-reich herabgesetzten Räum-
und Streupflicht. [X.] man eine Pflichtverlet-zung der
[X.] zu
1, fehle es jedenfalls an der Kausalität für den eingetre-tenen Schaden, denn dem Geschädigten habe eine sichere Alternativroute zur Verfügung gestanden. Er hätte den 200
m längeren Weg über den geräumten [X.] nehmen können. Dies sei für einen im 67. Lebensjahr befindlichen Geschädigten zumutbar, zumal Menschen in diesem Alter heutzutage deutlich mobiler und rüstiger seien als noch vor 30 bis 40 Jahren. Eine Obergrenze sei in den von den [X.] genannten Entscheidungen des [X.] nicht festgelegt. Ein höheres Sturzrisiko aufgrund des längeren Wegs [X.] nicht. Eine Haftung der [X.] zu
2 entfalle, da bereits eine [X.] der [X.] zu
1 nicht vorliege. Ob ein Anspruch der [X.]
nicht ohnehin wegen des Mitverschuldens ihres Versicherten zu versagen sei, könne dahinstehen.

-

6

-

II.
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das [X.]sgericht hat ohne Rechtsfehler eine Verletzung der Verkehrssicherungs-pflicht durch die [X.] verneint.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist derjeni-ge, der eine Gefahrenlage -
gleich welcher Art
-
schafft, grundsätzlich verpflich-tet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schä-digung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssiche-rung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. Senatsurteile vom 6.
März 1990
-
VI
ZR 246/89, [X.], 796, 797; vom 8.
November 2005 -
VI
ZR 332/04, [X.], 233 Rn.
9; vom 6.
Februar 2007 -
VI
ZR 274/05, [X.], 659 Rn.
14; vom 3.
Juni 2008 -
VI
ZR 223/07, [X.], 1083 Rn.
9; vom 9.
Sep-tember 2008 -
VI
ZR 279/06, [X.], 1551 Rn.
10; vom 2.
März 2010
-
VI
ZR 223/09, [X.], 544 Rn.
5; vom 15.
Februar 2011 -
VI
ZR 176/10, [X.], 546 Rn.
8; vom 2.
Oktober 2012 -
VI
ZR 311/11, [X.]Z 195, 30 Rn.
6,
und vom 1.
Oktober 2013 -
VI
ZR 369/12, [X.], 78
Rn. 13;
jeweils mwN). [X.] ist auch derjenige, der in seinem Verantwor-tungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (vgl. Senatsurteile
vom 12.
Februar 1985 -
VI
ZR 193/83, NJW 1985, 1773, 1774; vom 2.
Oktober 2012 -
VI
ZR 311/11, aaO; vom 1.
Oktober 2013 -
VI
ZR 369/12, aaO; [X.], Urteile vom 2.
Februar 2006 -
III
ZR 159/05, [X.], 803 Rn.
12,
und vom 16.
Februar 2006 -
III
ZR 68/05, [X.], 665 Rn.
13).
2. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vor-beugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu ge-7
8
9
-

7

-

fährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung [X.], ist im praktischen Leben nicht erreichbar. [X.] wird eine
Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getrof-fen werden. Es sind vielmehr
nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr [X.] ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicher-heitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die den Um-ständen nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 6.
März 1990 -
VI
ZR 246/89, aaO; vom 8.
November 2005 -
VI
ZR 332/04, aaO Rn.
10; vom 6.
Fe-bruar 2007 -
VI
ZR 274/05, aaO Rn.
15; vom 3.
Juni 2008 -
VI
ZR 223/07, aaO; vom 9.
September 2008 -
VI
ZR 279/06, aaO; vom 2.
März 2010 -
VI
ZR 223/09, aaO Rn.
6; vom 15.
Februar 2011 -
VI
ZR 176/10, aaO Rn.
9; vom 2.
Oktober 2012 -
VI
ZR 311/11, aaO Rn.
7,
und vom 1.
Oktober 2013 -
VI
ZR 369/12, aaO
Rn. 14).
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaß-nahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu ei-nem Schaden, so muss der Geschädigte -
so hart
dies im Einzelfall sein mag
-
den Schaden selbst tragen (vgl. Senatsurteile vom 2.
Oktober 2012 -
VI
ZR 311/11, aaO Rn.
8,
und Urteil vom 1.
Oktober 2013 -
VI
ZR 369/12, aaO
Rn.
15). Er hat ein "Unglück"
erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht"
vorhalten (vgl. Senatsurteile vom 15.
April 1975 -
VI
ZR 19/74, [X.], -

8

-

812; vom 15. Juli 2003 -
VI
ZR 155/02, [X.], 1319; vom 8. November 2005 -
VI
ZR 332/04, aaO Rn.
11; vom 16. Mai 2006 -
VI
ZR 189/05, [X.], 1083 Rn.
8, und vom 1. Oktober 2013 -
VI
ZR 369/12, aaO).
3. Von einer Fallgestaltung
im letzteren Sinne
ist das Berufungsgericht im vorliegenden Fall ohne Rechtsfehler ausgegangen.
a) Im Streitfall hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Gefahr verwirklicht, die von der Baustelle als solcher ausgegangen ist, denn diese war durch Absperrgitter für Fußgänger vollständig gesperrt. Es hat sich vielmehr eine Sturzgefahr verwirklicht, die von der nicht geräumten und gestreuten Feldstraße ausging. Hieraus leitet die Revision aber keine Verlet-zung der
Verkehrssicherungspflicht
her. Eine solche hätte
in diesem Zusam-menhang
allenfalls der [X.] zu
2 oblegen und bestand wegen der unter-geordneten Bedeutung der
wegen der Baumaßnahme
nur für den Anliegerver-kehr zugänglichen Feldstraße
offensichtlich nicht. Die Revision macht hingegen
geltend, die [X.] hätten ihre Verkehrssicherungspflicht deshalb verletzt, weil
auf der rechten Seite
der Feldstraße
im Bereich der Baustelle kein Notweg für Fußgänger vorhanden gewesen sei
und deshalb Fußgänger bei winterlichen Verhältnissen die Feldstraße überqueren mussten,
um zu dem auf der anderen Seite befindlichen
Bürgersteig zu gelangen. Eine Verletzung der Verkehrssiche-rungspflicht
aus diesem Gesichtspunkt
hat das Berufungsgericht jedoch mit Recht verneint.
b) Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen des fehlenden [X.] lässt sich
entgegen der Auffassung der Revision
nicht aus §
45 Abs.
2, Abs.
6 [X.] i.V.m. der Richtlinie für Sicherheit an Arbeitsstellen ([X.]) und den in diesem Zusammenhang ergangenen Anordnungen der [X.] zu
2 herleiten.
10
11
12
-

9

-

aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob überhaupt im Verhältnis zur [X.] zu 2 eine Verpflichtung der [X.] zu
1 bestand, im maßgeblichen [X.] einen 1
m breiten Gehweg für Fußgänger
offen zu halten.
Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich dies nicht aus den Vorgaben des Regel-plans B
I/5 herleiten. Die Revisionserwiderungen weisen insoweit zutreffend darauf hin, dass entsprechende [X.] nicht Arbeitsstellen auf Gehwegen, sondern auf Fahrbahnen betreffen. Der Regelplan B
I/5 bestimmt dabei für zweistreifige Fahrbahnen mit halbseitiger Sperrung und geringer [X.] die einzurichtende Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen. Da sich der Regelplan mithin auf die Fahrbahn bezieht, war
der auf der in Bezug genom-menen Skizze vorhandene Fußweg von der [X.]nbaumaßnahme selbst nicht betroffen
und blieb daher offen. Die Einbeziehung
der Gehwege ergab
sich hin-gegen
aus dem Bauvertrag. Nach dessen
Vereinbarungen sollten auch die Gehwege in die Baumaßnahme einbezogen und der Fußgängerverkehr
dabei
in einem beschränkten Maße während der Bauarbeiten aufrechterhalten wer-den, wobei die notwendigen Sicherungen wie Absperrungen und Bauzaun von der [X.] zu
1 zu stellen waren. Das Berufungsgericht ist ohne [X.] davon ausgegangen, dass dieser vertraglichen Vorgabe mit dem Offenhal-ten
eines Gehwegs
auf einer [X.]nseite Rechnung getragen war und es nicht zusätzlich der Vorhaltung eines [X.] im Bereich der Baustelle bedurfte.
bb) Auch im Übrigen sehen die [X.] nicht vor, dass ein in den Bereich einer Baustelle fallender
Gehweg unter allen Umständen offen
gehalten werden muss. In Teil
A
10 Verkehrsführung und -regelung heißt es unter 10.0 [X.] Abs.
1 Satz
1:
"In welcher Form (z.B. Teilsperrung, Überleitung) und in welchem [X.] Kraftfahrzeug-, Rad-
und Fußgängerverkehr im Bereich einer [X.] geführt werden kann, ist aufgrund der örtlich verfügbaren [X.] zu entscheiden."
13
14
-

10

-

Ein Anspruch auf unveränderte Nutzungsmöglichkeit der [X.] im Rahmen des Gemeingebrauchs besteht nicht (Teil
A 1.3.3 Abs.
2 [X.]).
Den Fußgängern kann zugemutet werden, während einer Baumaßnahme
die [X.]nseite zu wechseln und den gegenüberliegenden Gehweg zu benutzen. Dies gilt grundsätzlich auch bei winterlichen Verhältnissen.
c) Selbst wenn man mit dem Berufungsgericht und der Revision davon ausgehen wollte, die behördliche
Anordnung vom 15.
Dezember 2009 in [X.] mit der [X.]
hätte
die Einrichtung eines [X.] für Fußgänger im Bereich der [X.] auf der rechten Seite der Feldstraße vorgesehen, könnte aus dessen Fehlen keine Haftung der [X.]
wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hergeleitet werden.
aa) Die Sicherungspflichten bei [X.]nbaustellen richten sich nach dem
allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Gefah-renquelle für den Verkehr schafft, alles ihm Zumutbare zu tun hat, um
eine Verwirklichung dieser Gefahr zu verhindern (vgl. etwa Senatsurteil vom 8.
Fe-bruar 1977 -
VI
ZR 217/74, [X.], 543, 544). Ein Bauunternehmer, der auf öffentlichen [X.]n Arbeiten durchführt, hat die Baustelle kenntlich zu ma-chen und abzusichern, wobei jeweils die konkreten örtlichen Verhältnisse, die Art und Weise der Benutzung des betroffenen [X.] und die durch diese Umstände bedingte Gefahrenlage im Einzelfall für den Inhalt und Umfang der zu treffenden Maßnahmen ausschlaggebend sind (vgl. [X.],
[X.], 855
f.). Die [X.] bieten zwar Anhaltspunkte für die [X.] in Baustellenbereichen
und können in Einzelfällen auch Anhaltspunkte für die Verkehrsanschauung über Absicherungsmaßnahmen enthalten (vgl. etwa [X.],
[X.], 666, 667). Nach allgemeinen Grundsätzen stel-len sie jedoch als untergesetzliche Norm keine verbindliche Regelung der Sorg-faltsanforderungen des [X.] dar. Die [X.] (vgl. Ziffer [X.] 15
16
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-

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-

Abs. 1 [X.]) weisen ausdrücklich
darauf
hin, dass neben den speziellen Vor-schriften des [X.]nverkehrsrechts bei der Einrichtung und Absicherung von Arbeitsstellen auf [X.]n eine Reihe verwaltungsrechtlicher und zivilrechtlicher Vorschriften, insbesondere die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
zu beachten sind. Dementsprechend
bleibt nach wie vor die Gefahrensituation vor Ort maßgebend, wie sie sich für einen verständigen Beobachter darstellt (vgl. [X.], aaO, 857; [X.], 6.
Aufl., §
823 Rn.
496). Stellt sich die konkrete Gefahrenlage an der betreffenden Baustelle so dar, dass die Absicherung dem entspricht, was ein umsichtiger und verstän-diger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausrei-chend hält, um andere vor Gefahren zu bewahren (vgl. Senatsurteil vom 3.
Februar 2004 -
VI
ZR 95/03, NJW 2004, 1449, 1450), muss
sich ein Verstoß gegen eine Vorschrift der [X.] unter [X.] nicht notwendigerweise haftungsbegründend auswirken (vgl. [X.], Urteil vom 16. Februar
2012 -
1
U 3409/11, juris Rn. 40).
bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht ohne [X.] in der vollständigen Absperrung des im Bau befindlichen Gehwegs im Baustellenbereich keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklag-ten zu
1 gesehen, weil auf der gegenüberliegenden Seite ein Gehweg zur [X.] stand. Die [X.] waren -
selbst wenn
die Anordnung der [X.] zu
2 und der Bauvertrag dies vorgesehen hätten
-
aus Gründen der [X.] nicht gehalten, trotz des auf der gegenüberliegenden Seite
vor-handenen Gehwegs im Baustellenbereich zusätzlich einen Notweg für [X.] zur Verfügung zu stellen, um diesen bei winterlichen Verhältnissen
an die-ser Stelle
ein Überqueren der Feldstraße zu ersparen. Dass eine
nicht der Räum-
und Streupflicht unterfallende [X.]
bei winterlichen Verhältnis-sen
überquert werden muss, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko eines [X.]s.
18
-

12

-

d) Da das Berufungsgericht bereits ohne Rechtsfehler eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen des fehlenden [X.] im Baustellenbe-reich verneint hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob -
wie das Berufungsge-richt mit seiner Hilfsbegründung angenommen hat
-
eine Haftung der [X.] auch deshalb zu verneinen wäre, weil dem Geschädigten eine
um 200 m [X.], aber
sichere und deshalb zumutbare Alternativroute -
ohne gesperrten Gehweg
-
außerhalb des [X.] zur Verfügung gestanden hätte.

Galke
Wellner
[X.]

von [X.]
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.12.2012 -
2 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 25.06.2013 -
11 [X.] -

19

Meta

VI ZR 299/13

25.02.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2014, Az. VI ZR 299/13 (REWIS RS 2014, 7594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7594

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 299/13

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