Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2016, Az. VI ZR 678/15

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 3409

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:251016UVIZR678.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

25. Oktober 2016

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
GVG § 20; Europäisches Übereinkommen über [X.] vom 16. Mai 1972 Art. 27; [X.] Art. 5
a)
Die Berichterstattung einer mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag ihres Staates beliehenen ausländischen Rundfunkanstalt erfolgt im [X.] zu dem von dieser Berichterstattung in seinem Persönlichkeitsrecht be-troffenen Bürger nicht iure imperii im Sinne von Art. 27 Abs. 2 des [X.] über [X.] vom 16.
Mai 1972.
b)
Die [X.] Gerichte sind nach Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ent-scheidungen in Zivil-
und Handelssachen vom
30. Oktober 2007 ([X.], [X.]) international zuständig für eine auf das [X.] beschränkte Unterlassungsklage we-gen Verletzung von Persönlichkeitsrechten gegen die Berichterstattung auf der [X.]seite einer ausländischen Rundfunkanstalt ([X.], Ur-teil vom 8. Mai 2012 -
VI [X.], [X.], 372 Rn. 17).
[X.], Urteil vom 25. Oktober 2016 -
VI [X.] -
O[X.]

LG Köln
-

2

-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterinnen von [X.] und [X.] und [X.] [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Köln vom 10. November 2015 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die
Beklagte
für das Gebiet der [X.] auf Unterlassung einer [X.]-Bildberichterstattung in Anspruch.

Die Klägerin ist die Ehefrau des ehemaligen Rennfahrers [X.]. Sie ist [X.] Staatsangehörige mit Wohnsitz in der [X.]. Die Beklagte ist eine [X.]
Rundfunkanstalt. Die von der Beklagten auf ihrer [X.]seite www.srf.ch zum Abruf bereitgehaltenen, von der Klägerin un-ter Berufung auf ihr Recht am eigenen Bild angegriffenen
Bildnisse und das Video zeigen -
im Rahmen der Berichterstattung der Beklagten über die Folgen des Skiunfalles von [X.] und den Umgang der Medien mit die-sem Thema -
die Klägerin beim Besuch ihres Ehemannes im Krankenhaus.
1
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-

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-

Das [X.] hat seine internationale Zuständigkeit angenom-men und die Klage mit Zwischenurteil für zulässig erklärt.
Die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klagabweisung wegen Unzulässigkeit
weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt, dass sich die internationale Zuständigkeit [X.]r Ge-richte
aus dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die [X.] und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen vom 30. Oktober
2007 ([X.], im Folgenden: [X.]) [X.]. Es bestehe der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 iVm Art. 3 Abs.

1 [X.]. Nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteile
vom 7. März 1995
-
C-68/93, [X.]. 1995, [X.] = NJW 1995, 1881 -
Shevill; und vom 25. Oktober 2011
-
[X.]/09
u.a., [X.]. 2011, [X.] = GRUR 2012, 300 -
eDate Advertising) habe der Geschädigte eines sog. "Streudelikts", wie es eine unerlaubte Veröffentlichung im [X.] sei, die Möglichkeit einer national begrenzten Teilschadensklage. Der [X.] könne anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des Gesamtschadens am Niederlassungsort des Urhebers oder am Ort des [X.] seiner Interessen auch Klage vor den Gerichten eines jeden Mitgliedstaates erheben, in dessen Hoheitsgebiet der im [X.] veröffentlichte Inhalt zugänglich gewesen oder noch
zugänglich
sei. Die Gerichte der Mitgliedstaaten seien dann nur zur Ent-3
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-

scheidung über denjenigen Schaden befugt, der im Hoheitsgebiet des [X.] entstanden sei
("Teilerfolgsortzuständigkeit"). Da die Kläge-rin ihr Unterlassungsbegehren ausdrücklich auf das Hoheitsgebiet der [X.] begrenzt habe, fänden diese Grundsätze Anwendung. Die Beklagte könne den Zugriff auf bereitgehaltene Inhalte durch den Einsatz von sog. Geoblockern in ihr zumutbarer Weise auf bestimmte nationale Bereiche beschränken.

Des Weiteren könne sich die Beklagte auch als [X.] Rund-funkanstalt und unter Berücksichtigung des von ihr in Anspruch genommenen staatlichen [X.] nicht auf den Grundsatz der [X.] berufen. Die
von der Klägerin angegriffene Bildberichterstattung
betreffe kein hoheitliches Handeln
(acta iure imperii). Nach zugrunde
zu
legendem [X.] Recht
handele es sich bei Klagen von Bürgern gegen Medienanstalten, die die Zulässigkeit einer Rundfunk-
oder Fernsehsendung
unter dem Ge-sichtspunkt des Persönlichkeitsrechts, also den Widerstreit von Persönlichkeits-recht
und Rundfunk-/Informationsfreiheit zum Gegenstand haben, um privat-rechtliche Auseinandersetzungen.

II.

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. [X.] hat das Berufungsgericht das Bestehen [X.]r Gerichtsbarkeit und die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte
für den von der Klägerin nur betreffend das Hoheitsgebiet der [X.] geltend ge-machten Unterlassungsanspruch bejaht. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf das Verfahrenshindernis der [X.] berufen. Die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte folgt aus Art. 5 Nr.
3 [X.].
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5

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1. Die [X.] Gerichtsbarkeit ist eröffnet. Der Klage steht der von Amts wegen zu prüfende ([X.] 46, 342, 359) Grundsatz der [X.]immu-nität nicht entgegen (§ 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG).

a) Die Frage der [X.] bestimmt sich vorliegend nach dem [X.] über [X.] vom 16. Mai 1972 (im Folgenden: Übereinkommen), das seit dem 7. Oktober 1982 in der [X.] und seit dem 16. August 1990 in der [X.] in [X.] ist
([X.]l.
1990 II
S. 1400
und
1402). Nach Art.
27 Abs. 1 dieses Europarats-Übereinkommens ist die Beklagte als vom Vertragsstaat [X.] zu unter-scheidender Rechtsträger, der die Fähigkeit hat, vor Gericht aufzutreten,
für die Zwecke des Übereinkommens grundsätzlich
nicht mit dem Vertragsstaat in eins zu setzen, selbst wenn sie mit öffentlichen Aufgaben betraut ist.
Nach Art.
27 Abs. 2 des Übereinkommens kann die Beklagte vor den Gerichten eines ande-ren Vertragsstaates wie eine Privatperson in Anspruch genommen werden, so-weit nicht über in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommene Handlungen (acta iure imperii) des Rechtsträgers zu entscheiden ist.

b) Die Voraussetzungen für eine solche funktionale, sachbezogene
Teil-Immunität (ratione materiae) der Beklagten liegen nicht vor.

aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlichem und nicht-hoheitlichem [X.] richtet sich bei der von der Immunität seines Staates abgeleiteten Teil-Immunität eines nichtstaatlichen Rechtsträgers gemäß Art. 27 Abs. 2, 2. Halb-satz
des Übereinkommens nicht anders als bei der originären [X.] nicht nach Motiv oder Zweck
der Tätigkeit. Sie kann auch nicht danach vorge-nommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit ho-7
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heitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit ei-nes Staates, wenn auch nicht insgesamt, so
doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat -
oder der von diesem beauftragte [X.] -
in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson
und damit privatrechtlich tätig geworden ist ([X.]
16,
27, 61 f.;
Senatsurteile vom 26.
September 1978
-
VI ZR 267/76, NJW 1979,
1101; vom 8.
März 2016 -
VI
[X.], [X.], 1659
Rn. 14;
BAGE 144, 244
Rn. 14 f.),
ob also ein für die öffentliche Gewalt kennzeichnen-der Akt vorliegt oder ein Rechtsverhältnis, wie es in gleicher oder ähnlicher Form auch zwischen Privaten eingegangen werden könnte (BGE 104 Ia 367, 374).

bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgren-zung grundsätzlich nach der nationalen
Rechtsordnung
des Gerichtsstaates
(lex fori) vorzunehmen
([X.]
16,
27, 62; [X.], NJW 2014, 1723
Rn. 21; Senatsurteil vom 8. März 2016 -
VI [X.], [X.], 1659
Rn. 15; [X.], Urteil vom 24. März 2016 -
VII ZR 150/15, [X.], 903 Rn. 19; [X.], [X.] im Erkenntnis-
und im Vollstreckungsverfahren nach [X.]m Recht, 1998, [X.] ff.).
Die Heranziehung nationaler Rege-lungen zur Unterscheidung hoheitlichen Handelns von nicht-hoheitlichem [X.] findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den [X.] allgemein anerkann-te Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege. Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeiten
eines 11
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ausländischen Staates gleichwohl als der [X.] unterfallende
acta
iure
imperii zu qualifizieren, wenn diese zum Kernbereich völkerrechtlich aner-kannter Staatsgewalt zu rechnen sind
(vgl. [X.]
16, 27, 63 f.; [X.]
46, 342, 394; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 21).

Die allgemein für den Grundsatz der [X.] geltende Regel, hoheitliches und nicht hoheitliches Handeln nach der
Rechtsordnung
des Ge-richtsstaates abzugrenzen, wird auch durch das Übereinkommen selbst nicht in Frage gestellt
(Denkschrift zu dem Übereinkommen, [X.]. 11/4307, [X.]; [X.], [X.] 1991,
141, 142, 147).
Art. 27 Abs. 2 des
Übereinkommens
bietet keine Grundlage für eine autonome Auslegung, sondern weist die Entscheidung über die Eröffnung der Gerichtsbarkeit des Gerichtsstaates originär dem ange-rufenen nationalen Gericht des Gerichtsstaates
zu
(Art. 20 des [X.], vgl. hierzu Denkschrift,
aaO, S. 35). Eine Vorlage an den [X.] durch einen der Vertragsstaaten ist bis zum rechtskräftigen [X.] des nationalen gerichtlichen Verfahrens (Art.
34 Abs. 2 Buchst. a) des Übereinkommens) ausgeschlossen. Eine prozedurale Sicherung der Hoheits-rechte des beklagten Vertragsstaates vor einer zu weitgehenden Anwendung der lex fori durch die nationalen Gerichte des Gerichtsstaates liegt -
neben der nachträglichen Anrufung des [X.]s -
in der Eröffnung eines nachgeordneten Feststellungsverfahrens vor dem hierfür zuständigen nationalen Gericht des verurteilten Staates (Art. 21 des Übereinkommens) oder -
nach dem von der [X.], nicht aber von [X.] ratifizierten Zusatz-protokoll
zum [X.]
über [X.]
-
wahlwei-se (Art. 1 Abs. 1 Zusatzprotokoll) in der Möglichkeit, das beim [X.] anzurufen. Materiell sind die Vertragsstaaten durch den -
der [X.]
-

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urteilung nach dem Recht des Gerichtsstaates entzogenen -
Kernbereich völ-kerrechtlich anerkannter Staatsgewalt geschützt
([X.], aaO).

cc) Nach diesen Grundsätzen steht der Klage der Grundsatz der Staa-tenimmunität nicht entgegen. Der völkerrechtlich anerkannte Kernbereich der hoheitlichen Tätigkeit eines Staates ist ersichtlich nicht berührt. Das Unterlas-sungsbegehren der Klägerin als einer
durch eine Bildberichterstattung
in ihrem
Persönlichkeitsrecht betroffenen
Bürgerin
richtet sich gegen eine Handlung der Beklagten, die nach maßgeblichem [X.] Recht im Rahmen des [X.]ses von Bürger und Rundfunkanstalt als privatrechtlich zu qualifizieren
ist
(vgl. Senatsurteil vom 6. April 1976 -
VI [X.], [X.]Z 66, 182, 185
f.
mwN; so
auch [X.], NJW 1994, 2500). Dies gilt unabhängig davon, ob
die [X.] als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet und zu hoheitlichen Akten ermächtigt ist, sie bei ihrer Nachrichtengebung im weitesten Sinne also öffentliche Aufgaben wahrnimmt.
Zumindest jene der Sache nach [X.] Beziehungen, bei denen es um die Abwägung der Interessen der Sendean-stalten an freier Programmgestaltung gegenüber dem Schutz der [X.] geht, sind auf [X.] privatrechtlichen Miteinanders geordnet (Senat, aaO; vgl. [X.] 7, 99, 104; 12, 205, 244). Nach diesen Grundsätzen wird eine
Rundfunkanstalt insoweit nicht in Ausübung der Ho-heitsgewalt
des sie beauftragenden Staates tätig (vgl. [X.], Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn.
626b). Nichts anderes gilt für die Beklagte, die nach dem mangels abweichender
Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Vortrag der Revision von der [X.] mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag beliehen ist
und die die ange-griffene Berichterstattung zum Abruf durch den Nutzer
auf ihrer
[X.]seite
vorhält.

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Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass die Inanspruchnahme der Beklagten durch Privatpersonen wegen behaupteter Verletzung privater Inte-ressen durch die Ausstrahlung einer Rundfunksendung auch nach [X.] [X.]m Recht dem Zivilrecht und damit der nichthoheitlichen Ebene zugewiesen
wird (BGE 109 II
353; 117 II 1; 119 [X.], 169).

2. Zutreffend geht das Berufungsgericht zudem davon aus, dass eine
-
auch nach §
545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu prüfende -
internationa-le Zuständigkeit der [X.] Gerichte
nach Art. 5 Nr. 3 [X.] besteht.

a) Für die Auslegung der Vorschriften des [X.] gelten im [X.] dieselben Grundsätze wie für die Auslegung des [X.] [X.] über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen vom 27.
September 1968 (EuG-VÜ)
und der dieses in Gemeinschaftsrecht überführenden
Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 vom 22. Dezember 2000 ([X.] aF)
und des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entschei-dungen in Zivil-
und Handelssachen vom 16. September 1988
([X.]), da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst einheitlichen Auslegung
der Best-immungen verpflichtet haben (vgl. Art.
1 Protokoll 2 nach Art.
75 [X.]; vgl. zum [X.]:
Senatsurteil vom 5.
Oktober 2010 -
VI [X.], [X.]Z 187, 156
Rn. 10; zum [X.]:
Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 -
VI [X.], [X.], 852 Rn.
17). Dabei ist zu beachten, dass die in den Übereinkommen verwendeten
Begriffe grundsätzlich autonom, d.h. ohne Rückgriff auf die lex fori oder lex causae
(Recht des in Anspruch genommenen Staates)
auszulegen sind. In erster Linie sind Systematik und Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten (Senatsurteile vom 27. Mai 2008 -
VI ZR 14
15
16
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10

-

69/07, [X.]Z 176, 342 Rn.
11; vom 20. Dezember 2011 -
VI [X.], [X.], 852 Rn. 17; vom 8.
Mai 2012 -
VI [X.], [X.], 372
Rn. 13; zum EuGVÜ: [X.], Urteile vom 11. Juli 2002
-
C-96/00, [X.]. 2002, [X.] = NJW 2002, 2697
Rn. 37; vom 20.
Januar 2005
-
C-27/02, [X.]. 2005, I-481
= NJW 2005, 811 Rn.
33; zur [X.]
aF: [X.], Urteile
vom 7. Dezember 2010
-
C-585/08
u.a., [X.]. 2010, [X.] =
NJW 2011, 505 Rn.
55; vom 25. Oktober 2011
-
[X.]/09 u.a., [X.]. 2011, [X.] = GRUR 2012, 300 Rn. 38 f.).

b) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (künftig: Gerichtshof) sind die Begriffe "unerlaubte Handlung"
und "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist"
in Art. 5 Nr. 3 [X.] / Art. 5 Nr. 3 [X.] aF / Art. 7 Nr. 2 [X.] dahin auszulegen, dass
in diesem Gerichtsstand alle Klagen zulässig
sind, mit denen eine Scha-denshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag anknüpft (vgl. zu : [X.], Urteil vom 1. Oktober 2002 -
C-167/00, [X.]. 2002 [X.]
= NJW 2002, 3617 Rn. 36).
Unter den Begriff der unerlaubten Handlung fallen auch Persönlichkeits-
oder Ehrverletzungen ([X.], Urteile vom [X.] -
[X.]/09 u.a., [X.]. 2011, [X.] = GRUR 2012, 300 Rn.
42 ff.
-
eDate
Advertising; vom 7. März 1995 -
C-68/93, [X.]. 1995, [X.] = NJW 1995, 1881
Rn. 23 ff.
-
Shevill). Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch Unterlassungsansprüche. Auf den Eintritt eines Schadens kommt es nicht an. Ausweislich des Wortlauts des Art. 5 Nr. 3 [X.] fallen selbst
vorbeugen-de ([X.] in den Anwendungsbereich der Bestimmung.

c) Die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal "Ort, an dem das [X.] Ereignis einzutreten droht"
bei (drohenden) Persönlichkeitsrechtsverletzun-gen durch Inhalte auf einer [X.]seite auszulegen ist, hat der Senat
für die [X.]. 5 Nr. 3 [X.] aF dem Gerichtshof
bereits zur Vor-17
18
-

11

-

abentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt (Senatsbeschluss
vom 10.
November 2009
-
VI
[X.],
AfP 2010, 150). Der Gerichtshof
hat die Vorlagef[X.]/09 u.a., [X.]. 2011,
[X.] = GRUR 2012, 300 Rn.
52 -
eDate-Advertising) so beantwortet, dass

"

ist, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht worden sind, die Person, die sich in ihren Rech-ten verletzt fühlt, die Möglichkeit hat, entweder bei den Gerichten des Mitglied-staats, in dem der Urheber dieser Inhalte niedergelassen ist, oder bei den [X.], in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erhe-ben. Anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens kann diese Person ihre Klage auch vor den Gerichten jedes Mitglied-staats erheben, in dessen Hoheitsgebiet ein im [X.] veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Diese sind nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts verursacht worden ist."

Diese nach der ausgeführten Regel der einheitlichen Auslegung auch auf Art. 5 Nr.
3 [X.] anzuwendenden Grundsätze gelten auch für [X.] ([X.],
aaO, Rn. 35; Senatsurteil
vom 8. Mai 2012 -
VI [X.], [X.], 372 Rn.
17; [X.], Urteil vom 12.
Dezember 2013 -
I
ZR 131/12, NJW 2014, 2504 Rn. 21; Härting, [X.]recht, 5. Aufl., Rn. 2397, 2413; [X.], Internationales Zivilprozessrecht, 7.
Aufl., Rn. 1515c ff.; [X.], in: [X.]/Voit, ZPO, 13.
Aufl., Art. 7 [X.]
nF
Rn. 20; [X.], in: [X.]/[X.], ZPO, 37. Aufl., Art. 7 [X.] Rn. 30; [X.]/[X.], ZPO, 19
-

12

-

31.
Aufl., Art. 7 [X.] Rn.
93a; vgl. zuvor bereits [X.], Urteil vom 1. Okto-ber 2002 -
C-167/00, [X.]. 2002, [X.] Rn.
48 f. = NJW 2002, 3617 Rn. 48 f.).

Da
die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch ausdrücklich auf das Ho-heitsgebiet der [X.] beschränkt
hat
und ihrem Klagan-trag keine weitergehende Kognitionsbefugnis der [X.] Gerichte unterlegt, ist nach der dritten Variante der oben wiedergegebenen Entscheidung des [X.] die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte
gegeben.

d) Keiner abschließenden Entscheidung bedarf im Rahmen des [X.] [X.] die Frage, ob die begehrte Unterlassung tatsächlich auf das Hoheitsgebiet der [X.] beschränkt werden kann
(zweifelnd etwa [X.]/Leible, Europäisches Zivilprozess-
und Kollisi-onsrecht, 2011, Art. 5 [X.] I-VO Rn. 92 [X.]; [X.], MR
2013, 116, 118).
Das Berufungsgericht hat dies unter Bezugnahme auf den Klagvortrag über die technische Möglichkeit des sog. "[X.]"
angenommen. Bei diesem Verfahren kann der Zugriff auf einen im [X.] zum Abruf bereitgestell-ten Inhalt anhand bestimmter technischer Merkmale
der [X.], u.a.
der IP-Adresse des [X.], der Datenübertragungswege und der Daten-übertragungsgeschwindigkeiten,
verweigert werden (vgl.
[X.], Urteil vom 25. Februar 2014 -
13 [X.], juris Rn.
106; [X.], ZfWG 2008, 229 ff., 311
ff.; [X.], ZUM 2015, 929).

Ob dies tatsächlich so ist oder ob gegebenenfalls ein beim [X.] nicht zu vermeidender
"Streuverlust"
(vgl. hierzu [X.], Urteil vom 28. April 2016 -
I [X.], [X.], 1100 Rn. 32 zum umgekehrten Fall des "[X.]"
aus lauterkeitsrechtlicher Sicht) der Beklagten die Befolgung der von der Klägerin begehrten, auf das Hoheitsgebiet der [X.] 20
21
22
-

13

-

beschränkten Teilunterlassung unmöglich machte, ohne die Beklagte unter Überschreitung der beschränkten Kognitionsbefugnis der [X.] Gerichts-barkeit faktisch auf eine Löschung der angegriffenen Berichterstattung auf ihrer [X.]seite insgesamt zu verpflichten, ist abschließend erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung
zu
klären. Der dahingehende
Vortrag der Revision ent-spricht dem materiell-rechtlichen Einwand der Unmöglichkeit der begehrten Un-terlassung aus tatsächlichen Gründen
(s. hierzu nur [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., § 1004 Rn. 43). Bei der Frage der tatsächlichen Begrenzbarkeit der begehrten Unterlassungsverpflichtung auf [X.]s Hoheitsgebiet handelt es sich damit um eine solche nach einer Tatsache, die gleichzeitig zuständigkeits-begründend nach Art. 5
Nr. 3 [X.] als auch notwendiges Tatbestandsmerk-mal des geltend gemachten
materiellen Unterlassungsanspruchs ist, weil die Bejahung des materiellen Anspruchs begrifflich diejenige der Zuständigkeit in sich [X.] (doppelrelevante Tatsache). Die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen bedürfen insoweit im Rahmen des [X.] keines Be-weises, für die Zuständigkeitsfrage ist vielmehr die Richtigkeit des -
schlüssigen
-
Klagvortrags zu unterstellen ([X.], Beschlüsse
vom 21. Oktober 2015 -
VII
ZB 8/15, [X.], 316 Rn. 25; vom 27. Oktober 2009 -
VIII
ZB 42/08, [X.]Z 183, 49 Rn. 14
mwN).

Das Landgericht wird jedoch im Rahmen der Sachprüfung -
das Vorlie-gen der Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen unterstellt -
auf den Einwand der Beklagten zu klären haben, ob dieser die Umsetzung einer auf [X.]s Hoheitsgebiet beschränkten Unterlassungsverpflichtung tatsächlich möglich ist. Etwaigen
tatsächlichen
Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer
allgemeinen Unterlassungsverpflichtung wird
unter Umständen
mit einer Konkretisierung des
Unterlassungsbegehrens Rechnung getragen werden können
(vgl. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2003 -
V [X.], [X.], 1035, 1037).
23
-

14

-

e)
Entgegen der Auffassung der Revision hat der Senat keine Veranlas-sung, den [X.] gemäß Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Die im Streitfall maßgebliche unionsrechtliche Frage war wie ausgeführt bereits Gegenstand der Entschei-dung des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2011 ([X.]/09 u.a. -
eDate Adverti-sing) und ist damit acte [X.]
(vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 -
C-283/81, [X.]. 1982, 3415 Rn.
13
-
CILFIT).

Galke
[X.]
von [X.]

Oehler
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.06.2015 -
28 O 322/14 -

O[X.], Entscheidung vom 10.11.2015 -
15 [X.] -

24

Meta

VI ZR 678/15

25.10.2016

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2016, Az. VI ZR 678/15 (REWIS RS 2016, 3409)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3409

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 150/15

VI ZR 14/11

I ZR 23/15

15 U 121/15

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