Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2012, Az. VI ZR 382/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2903

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI ZR 382/11
Verkündet am:

25. September 2012

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
25.
September 2012
durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und Wellner und die Richterinnen [X.] und von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] zu 1 wird das Urteil des 9.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 7.
Dezember 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der [X.] zu 1 (künftig: Beklagte) und dem [X.] zu 2, gegen den das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, als Gesamtschuldner Schadensersatz wegen einer Kapitalanlage.
Nach Eingang der Klage hat der Vorsitzende der mit der Sache befass-ten Zivilkammer des [X.] in Zusammenhang mit der Zustellung nach §
183 ZPO durch Beschluss vom 6. April 2009 angeordnet, dass der [X.] im Hinblick auf das angeordnete schriftliche Vorverfahren eine Notfrist von zwei 1
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Wochen zur Anzeige der [X.] gesetzt werde und dass sie innerhalb von vier Wochen gemäß §
184 Abs.
1 Satz
1 ZPO einen im Inland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen habe. Auf die [X.] eintretenden rechtlichen Folgen der Zustellung von Schriftstücken durch Aufgabe zur Post im Inland unter der Anschrift der [X.] hat der [X.] hingewiesen. Diese Verfügung und die Klageschrift sind der [X.] am 15. Juli 2009 nach Maßgabe des [X.] über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil-
und [X.] vom 15.
November 1965 ([X.] 1977 II S.
1452, 1453; im Folgen-den [X.]) zugestellt worden. Nach dem Ablauf der Frist zur Anzeige der Vertei-digungsbereitschaft hat die zuständige Zivilkammer des [X.] am 10.
September 2009 die Beklagte durch [X.] antragsgemäß verurteilt. Das Urteil ist nach dem Vermerk des damit beauftragten [X.] am 17. September 2009 unter der Anschrift der [X.] zur Post aufgegeben worden. Am 2. Oktober 2009 hat die Kammer des Landge-richts das [X.] durch Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzt. Eine Ausfertigung des Versäumnisurteils nebst Ergänzung ist wiede-rum nach dem Vermerk des beauftragten [X.] am 16.
Oktober 2009 unter der Anschrift der [X.] zur Post aufgegeben worden. Auf [X.] ist das Versäumnisurteil der [X.] nach Festsetzung einer Einspruchsfrist von vier Wochen förmlich nach Maßgabe des [X.] am 12. Ja-nuar 2011 zugestellt worden. Am 24. Januar 2011 hat die Beklagte Einspruch dagegen eingelegt. Mit Urteil vom 4.
März 2011 hat das [X.] als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, das Berufungsurteil und das Urteil des [X.] vom 4.
März 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur [X.] und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das [X.] habe den [X.] gegen das Versäumnisurteil zu Recht gemäß §
341 Abs.
1 Satz
2 ZPO als unzulässig verworfen, weil er nicht fristgemäß eingelegt worden sei.
Bei der Zustellung des Versäumnisurteils handle es sich nicht um eine Auslandszustellung, so dass kein Verstoß gegen Art.
25 GG vorliege. Die [X.], wann eine Zustellung im Ausland erforderlich und wann eine Inlandszustel-lung an eine ausländische Partei zulässig sei, regle sich nach den [X.] der jeweiligen Beitrittsländer zum [X.]. Nach dem maßgeblichen deut-schen Recht werde die Zustellung nach
§
184 ZPO im Inland bewirkt. Der ho-heitliche Akt sei mit der Übergabe an die Post beendet, sodass damit eine Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse im Ausland nicht verbunden sei. Der Widerspruch der [X.] gegen Art.
10 [X.] sei unbeachtlich, weil sich diese
Regelung nicht auf die Wirksamkeit der Zustellung nach [X.] Zivilpro-zessrecht auswirke. Die Beklagte könne auch keine Rechtsfolge aus Art.
15 Abs.
1 [X.] herleiten; diese Schutzvorschrift beziehe sich auf die Zustellung von Schriftsätzen, die das Verfahren eröffneten, und nicht auf weitere Zustel-lungen im Laufe des Verfahrens. Die Regelungen des [X.] seine insofern lü-ckenhaft, als es nicht bestimme, unter welchen Umständen eine Auslandszu-stellung zu erfolgen habe, und wann eine Inlandszustellung an eine
im Ausland befindliche Person stattfinden dürfe. Soweit die völkerrechtlichen Bestimmun-gen Raum für anderweitige Regelungen durch nationale Gerichte ließen, werde nicht gegen das Völkerrecht verstoßen, wenn der Gesetzgeber hiervon Ge-brauch mache und diese
Lücken mit entsprechenden Vorschriften fülle.
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5

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Durch die gemäß §
184 ZPO erfolgte Zustellung sei die Beklagte nicht in ihren elementaren Rechten verletzt oder unverhältnismäßig eingeschränkt. Zum Schutz des Betroffenen sehe §
184 ZPO die gerichtliche Anordnung vor, dass ein Zustellungsbevollmächtigter zu benennen sei; daneben trete die Belehrung über die Folge der Unterlassung. Diese Anordnung des Gerichts sei gemäß §
183 ZPO zuzustellen. Insgesamt seien damit die Voraussetzungen für ein faires Verfahren
gewahrt. Die Beklagte habe nach Zustellung der verfahrenser-öffnenden Schriftsätze gemäß § 183 ZPO nachvollziehen können, worum es gehe und welche Folgen ihr drohten. Sie hätte eine rechtzeitige Kenntnisnahme der [X.] Entscheidungen und Rechtsbehelfsmöglichkeiten sicher-stellen können. Da sie sich darum nicht gekümmert habe, lägen die negativen Folgen in ihrem Verantwortungsbereich. Im Rahmen des §
184 ZPO genüge die Anordnung des Vorsitzenden. Im Hinblick auf die nicht hinnehmbare Zeitverzö-gerung durch die Zustellung gemäß §
183 ZPO an die Beklagte im Ausland, sei die Anordnung nicht ermessensfehlerhaft getroffen worden. Aus dem [X.] des [X.]n der Geschäftsstelle ergebe sich, dass das Urteil mit dem Ergänzungsbeschluss am 16.
Oktober 2009 unter der Anschrift der [X.] zur Post gegeben worden sei. Es gelte zwei Wochen später, also am 30. Oktober 2009, als zugegangen. Der Einspruch sei aber erst am 26. Januar 2011 beim [X.] eingegangen. Nach der lediglich zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erfolgten Zustellung sei der [X.] nicht erneut eine Verteidigungsmöglichkeit einzuräumen.
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II.
Die Revision hat Erfolg. Sie rügt mit Recht, dass die Zustellung des [X.] an die Beklagte durch Aufgabe zur Post am 16. Oktober 2009 durch die in den Akten niedergelegten Vermerke nicht nachgewiesen ist.
1. Allerdings ist die Regelung des §
184 Abs.
1 Satz 2 ZPO, die eine Zu-stellung durch Aufgabe zur Post unter der Anschrift des außerhalb des Bundes-gebiets und außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung ([X.]) Nr. 1393/2007 des [X.] und des Rates vom 13.
November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-
oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ("Zustellung von Schriftstü-cken") und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1348/2000 ([X.]. 2007 L 327, S.
79; im Folgenden: [X.]) ansässigen Zustellungsadressaten erlaubt, im Streitfall weder durch völkerrechtliche Vereinbarungen ausgeschlossen noch verletzt sie Verfahrensgrundrechte der [X.] oder verstößt gegen Art.
6 Abs.
1 [X.]. Rechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsge-richt die Zustellung des Versäumnisurteils im Inland durch Aufgabe zur Post für wirksam erachtet hat, obwohl der Vorsitzende und
nicht der Spruchkörper der zuständigen Zivilkammer die Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, getroffen hat. Zu den rechtlichen Bedenken der Revision hat sich der erkennende Senat zwischenzeitlich in mehreren Urteilen gegen die Beklag-te
umfassend geäußert (vgl. Urteile vom 26. Juni 2012 -
VI
ZR 241/11, [X.], 1499; vom 3. Juli 2012 -
VI
ZR 227/11 und -
VI [X.] sowie vom 17.
Juli 2012 -
VI
ZR 222/11, -
VI
ZR 226/11 und -
VI
ZR 288/11). Insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen in den jeweiligen Urteilsgründen (so -
VI
ZR 226/11, juris Rn.
14 bis 27 und -
VI
ZR 288/11, juris Rn.
18 bis 27, vom 6
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18. September 2012 -
VI
ZR 223/11 und -
VI
ZR 230/11) zur Vermeidung gleichlautender Wiederholungen Bezug genommen.
2. Nach den Umständen des Streitfalls ist jedoch die für den Eintritt der [X.] erforderliche Aufgabe zur Post unter der Anschrift der [X.] aufgrund der Vermerke des [X.]n der Geschäftsstelle vom 15. Oktober 2009 und des [X.] vom 16. Oktober 2009 nicht nachgewie-sen, weil die Urkundsbeamtin den Vermerk des [X.], dass die von der Geschäftsstelle erhaltene Briefsendung beim Postamt aufgegeben worden ist, nicht durch ihre Unterschrift beurkundet hat. Der [X.] muss das Schriftstück zwar nicht selbst zur Post aufgeben; es reicht aus, wenn er auf-grund einer Erklärung des [X.] oder eines sonstigen Gehilfen, der das Schriftstück zur Post aufgegeben hat, das Datum der Aufgabe und die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks beurkundet (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Januar 1953 -
IV
ZR 180/52, [X.]Z 8, 314, 315; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 3.
Aufl., §
184 Rn.
47; [X.] in [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
184 Rn.
18). Jedoch muss der [X.] den Vermerk unterzeichnen, auch wenn dieser -
ebenso wie die Zustellungsurkunde
-
keine Wirksamkeitsvo-raussetzung für die Zustellung ist, sondern lediglich deren Nachweis dient (vgl. [X.], Urteil vom 26.
September 2011 -
5
U 166/10, juris Rn.
54; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 3.
Aufl., §
184 Rn.
45; [X.] in [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
184 Rn.
17; [X.]/Stöber, ZPO, 29.
Aufl., §
184 Rn.
9). Nur der vom [X.]n unterzeichnete Vermerk ersetzt die Zustellungsurkunde ge-mäß §
182 ZPO (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Juni 2001 -
V
ZB 20/01, VersR 2003,
345).
3. Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Tatsache der Aufgabe zur Post, an welche die [X.] geknüpft ist, nicht bewiesen. Der [X.] kann bei der Ausstellung des Aktenvermerks, dass er die be-8
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zeichnete Briefsendung von der Geschäftsstelle erhalten und beim Postamt hier aufgegeben hat, nicht als [X.]r tätig gewesen sein. Er ist nur Hilfs-person und nicht [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 15. Januar 1953 -
IV
ZR 180/52, [X.]Z
8, 314,
317). Allerdings kann der [X.] auf der [X.] der aktenmäßigen Niederlegung des Gangs der Zustellung den [X.] jederzeit nachholen, womit die Zustellung nachgewiesen wäre. Er darf den Vermerk auch nachträglich anfertigen,
sofern er dabei die [X.] übernimmt. Unerheblich ist, ob zwischenzeitlich ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, dessen Erfolg durch den Vermerk berührt wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14.
Oktober 1982 -
III
ZB 23/82, [X.], 60; vom 24.
Juli 2000 -
II
ZB 20/99, [X.], 1050; [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
184 Rn.
14; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 3.
Aufl., §
184 Rn.
49; [X.] in [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
184 Rn.
18; Zöl-ler/Stöber, ZPO, 29.
Aufl., §
184 Rn.
12).
Auch der Ablauf einer Fünf-Monatsfrist setzt der Nachholung keine zeitliche Grenze (vgl. zu Unterschrifts-nachholung des Richters [X.], Urteil vom 27. Januar 2006 -
V
ZR 243/04, [X.], 1861
Rn.
14). Der Fall der Anfertigung eines Vermerks, für dessen Inhalt sich der [X.] auf aktenmäßig niedergelegte tatsächliche Umstände stützt, ist nicht vergleichbar mit dem durch die richterliche Unterschrift gedeck-ten Inhalt von Urteilsgründen. Jedenfalls lässt die Anordnung der förmlichen Zustellung die Wirkung einer zuvor erfolgten wirksamen Zustellung gemäß §
184 Abs.
2 ZPO unberührt; sie würde die Einspruchsfrist nicht nochmals in Lauf setzen (vgl. Senat, Urteile vom 26. Juni 2012 -
VI
ZR 241/11, [X.], 1499
Rn.
31; vom 3. Juli 2012 -
VI
ZR 227/11
juris Rn.
31
und -
VI
[X.] juris Rn.
30 sowie vom 17.
Juli 2012 -
VI
ZR 222/11
juris Rn.
23, -
VI
ZR 226/11 juris Rn.
30 und -
VI
ZR 288/11
juris Rn.
31; [X.], Beschlüsse vom 20.
Oktober 2005 -
IX
ZB 147/01, NJW-RR 2006, 563, 564; vom 20.
November 2006 -
NotZ
35/06, juris Rn.
7; Urteil vom 15.
Dezember 2010 -
XII
ZR 27/09, NJW -

9

-

2011, 522 Rn.
20; [X.], Beschluss vom 11.
Mai 2011 -
5
W 8/11, NJW-RR 2011, 1631, 1632; [X.], Urteile vom 10.
August 2011 -
I-8
U 3/11, juris Rn.
40 und -
8
U 31/11, NJW-RR 2012, 62, 64).
III.
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Klä-rung der Frage, ob das Urteil der [X.] wirksam durch Aufgabe zur Post zugestellt worden ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Galke
Zoll
Wellner

[X.]
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.03.2011 -
13 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 07.12.2011 -
9 [X.] -

10

Meta

VI ZR 382/11

25.09.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2012, Az. VI ZR 382/11 (REWIS RS 2012, 2903)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2903

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