Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2012, Az. I ZB 28/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8871

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 28/11
vom

23. Februar
2012

in der Rechtsbeschwerdesache

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 23. Februar
2012 durch [X.] und die Richter
Pokrant, Dr.
[X.], Dr.
Koch und Dr. Löffler

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.], 3.
Zivilsenat, vom 20.
April 2011 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 1.003,50

Gründe:

[X.] Die Schuldnerin begehrt die Aufhebung eines Ordnungsmittelbeschlus-ses, nachdem auf einseitige Erledigungserklärung des
Gläubigers die Erledi-gung
des diesem Beschluss zugrundeliegenden Titels festgestellt worden
ist.

Der Gläubiger erwirkte am 30.
Mai 2008 gegen die Schuldnerin wegen fehlerhafter Angabe eines Impressums im [X.] eine [X.]. Am 26.
Juni 2008 stellte der
Gläubiger
wegen
eines am Vortag begange-nen Verstoßes der Schuldnerin
Antrag auf Verhängung eines Ordnungsmittels. Mit Schreiben vom 23.
September 2008 gab die Schuldnerin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die der Gläubiger "unter Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung ab dem 23.9.2008" annahm. Am 4.
Februar 2009 verhängte das [X.] gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000

. Nachdem ihre dagegen gerichtete sofortige Beschwerde 1
2
-
3
-
erfolglos
blieb, zahlte die Schuldnerin das Ordnungsgeld. Im September 2010 forderte sie den Gläubiger
erfolglos außergerichtlich auf, vollständig auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten, weil der Anspruch [X.] verjährt sei. Die Schuldnerin erhob
sodann Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] erklärte der
Gläubiger
den Verfügungsantrag für erledigt. Die Schuldnerin schloss sich der Erledigungserklärung nicht an. Mit Urteil vom 21.
Dezember 2010 stellte das [X.] fest, dass der Rechtsstreit
in der Hauptsache erle-digt sei. In der Begründung führte es aus, der Antrag
sei
ursprünglich zulässig und begründet gewesen, jedoch für die [X.] ab dem 23.
September 2008 schon durch die Unterwerfung der Schuldnerin und nach Eintritt der Verjährung auch für den davorliegenden [X.]raum
unbegründet geworden.

Die Schuldnerin hat die Aufhebung des [X.] vom 4.
Februar 2009
begehrt. Ihr Antrag ist
in beiden Vorinstanzen erfolglos
geblie-ben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihren Aufhebungsantrag weiter.

I[X.] Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthafte und auch im Üb-rigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt:

Zwar würden mit Rechtskraft eines nach einseitiger Erledigungserklärung des [X.] oder Antragstellers ergehenden Erledigungsfeststellungsurteils zu-vor ergangene, nicht rechtskräftige Entscheidungen gegenstandslos. Die dem Erledigungsfeststellungsurteil innewohnende Entscheidungswirkung rechtfertige indes, den
vorliegend ergangenen [X.]
aufrechtzuerhal-ten. Bei
einseitiger Erledigungserklärung des [X.] bleibe der Rechtsstreit
mit dem geänderten Klageziel der Feststellung rechtshängig, ob die Klage tatsäch-3
4
5
6
-
4
-
lich erledigt sei. Diese Feststellung setze voraus, dass
der mit der Klage
gel-tend gemachte Anspruch
ursprünglich zulässig und begründet gewesen und
erst infolge des erledigenden Ereignisses unzulässig
oder unbegründet gewor-den sei. Sie erfordere
also eine
sachliche Prüfung des [X.]. Anders als im Fall übereinstimmender
Erledigungserklärungen würden dem Schuldner deshalb in der Konstellation des Streitfalls keine Verteidigungsmöglichkeiten abgeschnitten. Auch sei der [X.] schon vor Erledigung der Hauptsache
ergangen, also noch während des Bestands der einstweiligen Ver-fügung
als
Vollstreckungstitel.

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Nach dem Urteil des [X.]s im Widerspruchsverfahren steht fest, dass die einstweilige Verfügung ursprünglich zulässig und begründet war. Sie konnte daher
bis zur Erledigung
auch Grundlage für die Festsetzung eines Ordnungsmittels
sein
(vgl. [X.] in [X.]/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechts-schutz, 5. Aufl., § 890 Rn. 53).

a) Allerdings hat der [X.] entschieden, dass
im Fall übereinstimmender
und uneingeschränkter
Erledigungserklärungen ein im Verfahren erlassener, noch nicht rechtskräftig gewordener Unterlassungstitel ohne weiteres entfällt
und auch dann keine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen mehr sein kann, wenn die Zuwiderhandlung gegen das
im Titel
ausgesprochene Unterlas-sungsgebot vor
dem [X.]punkt der Erledigung erfolgt
ist ([X.], Beschluss vom 23.
Oktober 2003
I
ZB
45/02, [X.]Z 156, 335, 342
ff.
Euro-Einführungs-rabatt). Die für diese Entscheidung maßgeblichen Gründe
liegen indes nicht vor, wenn allein der Gläubiger die Erledigung der Hauptsache erklärt.

Während bei übereinstimmender Erledigungserklärung die Parteien
be-stimmen können, für welche [X.]spanne die Unterlassungsverpflichtung erledigt sein soll
und daher insbesondere der Gläubiger seine Erledigungserklärung zeitlich beschränken kann, bleibt die Entscheidung dieser Frage im Fall einsei-7
8
9
-
5
-
tiger Erledigung dem Gericht vorbehalten. Anders als bei
übereinstimmender Erledigung wird die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung in dem
dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüft. Es ergeht eine materielle Ent-scheidung über den Streitgegenstand. Dem Schuldner
werden
auch keine [X.] abgeschnitten, wie es insbesondere der Fall wäre, wenn eine ohne Anhörung des Gegners ergangene Beschlussverfügung auch nach übereinstimmenden
und uneingeschränkten
Erledigungserklärungen noch Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen sein könnte (vgl. [X.]Z 156, 335, 343
Euro-Einführungsrabatt).

b) Wird nach einseitiger Erledigungserklärung die Erledigung gerichtlich festgestellt, ist die Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung weder gänzlich aufgehoben noch ohne gerichtliche Entscheidung fortgefallen. Es ist deshalb mit §
775 Nr.
1, §
776 ZPO vereinbar und geboten, dass Vollstreckungsmaß-nahmen, die vor der Erledigung wegen zuvor begangener Verstöße getroffen wurden, aufrechterhalten bleiben.

c) Wegen des vom Fall übereinstimmender Erledigungserklärungen grundlegend abweichenden Verfahrenscharakters nach einseitiger Erledi-gungserklärung kommt es nicht darauf an, ob die Vertreterin des Gläubigers in der mündlichen Verhandlung im
Verfügungsverfahren am 23.
November 2010 das
Verfahren insgesamt oder nur mit Wirkung ab dem 23.
September 2009 für erledigt erklärt hat.
Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung
sind deshalb
auch die dazu angestellten Erwägungen des [X.]s in den [X.] seines Urteils im Verfügungsverfahren unerheblich.

d)
Die Rechtsbeschwerde führt zwar zutreffend aus, dass entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts
im vorliegenden Zusammenhang
weder der Umstand, dass der Schuldner das Ordnungsgeld bereits gezahlt hat
([X.], 1523; [X.] GRUR 1992,
476,
477
f.)
noch der [X.] entscheidungserhebliche Ge-10
11
12
-
6
-
sichtspunkte sind. Auf die entsprechenden Erwägungen des [X.] kommt es jedoch nicht an, weil sich
seine Entscheidung bereits aus den dargelegten Gründen als richtig erweist.

Bornkamm
Pokrant
[X.]

Koch
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.03.2011 -
416 [X.]/08 BV -

O[X.], Entscheidung vom 20.04.2011 -
3 W 30/11 -

Meta

I ZB 28/11

23.02.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2012, Az. I ZB 28/11 (REWIS RS 2012, 8871)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8871

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZB 28/11 (Bundesgerichtshof)

Aufhebung eines Ordnungsmittelbeschlusses: Einseitige Erledigungserklärung des Gläubigers hinsichtlich einer Unterlassungsverfügung


IX ZB 131/07 (Bundesgerichtshof)


I ZB 102/14 (Bundesgerichtshof)

Zwangsvollstreckungsverfahren wegen wettbewerbswidriger Rabattgewährung durch eine niederländische Versandapotheke: Aufhebung von Ordnungsgeldbeschlüssen in Ansehung der Kostenentscheidung …


I ZB 102/14 (Bundesgerichtshof)


I ZB 116/08 (Bundesgerichtshof)

Ordnungsgeldvollstreckung in einem anderen Mitgliedsstaat: Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel; Heilung von Belehrungsmängeln


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

I ZB 28/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.