Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2016, Az. 1 StR 232/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5732

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:080916B1STR232.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 232/16

vom
8. September
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

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2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu 1. auf dessen Antrag

am 8.
September
2016
gemäß §
349 Abs.
4 [X.] beschlossen:

1. Der Beschluss des [X.] vom 6. April 2016, durch den die Revision als unzulässig verworfen wurde, wird aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt

wobei drei Monate als voll-streckt gelten

und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungs-anstalt angeordnet. Mit Beschluss vom 6. April 2016 hat das [X.] die Revision des Angeklagten vom 25. Februar 2016 als unzulässig verworfen, weil eine Revisionsbegründung nicht rechtzeitig eingegangen sei.
Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des [X.] nach § 346 Abs. 2 [X.] und seine mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision haben in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 [X.]).
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3
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I.
Zu
dem
Antrag auf Entscheidung des [X.] nach § 346 Abs.
2 [X.] hat der [X.] ausgeführt:

[X.], so dass der Beschluss des [X.] vom 6. April 2016 aufzuheben ist (vgl.
[X.]/Gericke, 7. Auflage, Rn. 22 zu § 346 [X.]). Die [X.] lief bis zum 16. April 2016. Die Begründung der Re-vision durch den am 6. April 2016 bei dem [X.] eingegangenen Schrift-satz erfolgte mithin rechtzeitig.
Bei mehrfacher Zustellung des Urteils richtet sich die Berechnung der [X.] nach der zuletzt bewirkten Zustellung (§ 37 Abs. 2 [X.]). Dies gilt auch dann, wenn die mehreren Zustellungen nicht auf dersel-ben Anordnung beruhen, soweit eine Zustellung nicht erst nach Fristablauf be-wirkt wird ([X.], Beschluss vom 30. Juli 1968

1 [X.], [X.]St 22, 221
ff.). Im vorliegenden Fall war zunächst die Zustellung des Urteils an den Angeklagten und dessen damalige Verteidigerin angeordnet worden (Verfü-gung vom
26. Februar 2016, [X.]. 335 d.A.); die Zustellungen erfolgten am 1.
März 2016 (vgl. [X.]. 347 f. d.A.). Am 9. März 2016 bestellten sich die Rechts-anwälte

S.

und Sc.

aus

M.

als Verteidiger ([X.].
351 d.A.). Hierbei legten sie zwar, was einen Verstoß gegen
§ 137 Abs. 1 S. 2 [X.] nahelegen könnte, eine auf alle Mitglieder ihrer Sozietät (insgesamt fünf Rechtsanwälte) lautende schriftliche Vollmacht vor ([X.]. 352 d.A.). [X.] war in dem zugehörigen Anschreiben
klargestellt, dass lediglich die Rechtsanwälte

S.

und Sc.

bevollmächtigt sein sollten, auf die sich die schriftliche Vollmacht (auch) bezog. Jedenfalls mit [X.]ick auf § 146a Abs. 2 [X.] (vgl. hierzu [X.]/[X.], [X.], 59. Auflage, Rn. 3 zu 3
4
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4
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§
145a [X.]) war die alsdann unter dem 9. März 2016 verfügte (vgl. [X.]. 351 d.A.) und am 16. März 2016 bewirkte (vgl. [X.]. 363 d.A.) erneute Zustellung des Urteils wirksam, so dass

die durch die Zustellung vom 1. März 2016 zunächst in Gang
gesetzte [X.] war noch nicht abgelaufen

sich

Dem schließt sich der [X.] an.

II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 [X.]).
1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:
Der Angeklagte bestellte im [X.] aufgrund jeweils neu gefassten Ta-tentschlusses synthetische Cannabinoide mit einem Reinheitsgehalt von min-destens 85%, die aufgrund seiner Bestellung aus [X.] versandt, in das [X.] eingeführt und an die Wohnanschrift des Angeklagten geliefert [X.].
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:
a) Bestellung vom 23. Februar 2014 über 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids [X.] zum Preis von 346,05 [X.]. Die nicht geringe Menge von [X.] liegt bei höchstens zwei Gramm.
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b) Bestellung Ende Februar 2014 über 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids [X.] zum Preis von mindestens 300 [X.]. Die nicht geringe Menge von [X.] liegt bei höchstens sechs Gramm.
2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Die Annahme tä-terschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zwar
erfordert der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäu-bungsmitteln keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein [X.] sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Es müssen jedoch die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeln nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts vorliegen. Hierzu ist eine wer-tende Gesamtbetrachtung erforderlich ([X.], Beschlüsse
vom 31. März 2015

3 [X.], [X.], 632 und vom 2. Juni 2015

4 [X.], [X.]R BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden [X.]. Entscheidender Bezugspunkt ist der Einfuhrvorgang selbst. Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine [X.] oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (statt vieler:
[X.], [X.] vom 2. Juni 2016

1 [X.]). Eine Person, die den [X.] zwar veranlasst, aber keinen Einfluss auf dessen Durchführung hat, kann weder Mittäter noch Gehilfe der Einfuhr sein ([X.], Beschlüsse
vom 31. März 2015

3 [X.], [X.], 632 und vom 16. Februar 2012

3 [X.], [X.], 158).
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Nach diesen Grundsätzen kann die Verurteilung wegen täterschaftlicher Einfuhr keinen Bestand haben. Die Feststellungen des [X.] beschrän-ken sich darauf, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel über das [X.] in [X.] bestellte, ohne irgendeinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang zu
haben.
Ob eine Strafbarkeit wegen Anstiftung (oder Beihilfe) zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in Betracht kommt, kann der [X.] anhand der vorliegenden [X.] nicht beurteilen. Hierzu hätte es insbesondere näherer Feststellungen zu den Bestellvorgängen bedurft.
Im Übrigen könnte der [X.] nicht ausschließen, dass der Angeklagte sich gegen den Vorwurf der Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln [X.] hätte verteidigen können, so dass eine Umstellung des Schuldspruchs auch aus diesem Grund ausscheidet.
Damit entfallen auch die tateinheitlichen Verurteilungen wegen Besitzes
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Juli 2015

1 StR 16/15, NStZ
2016, 339, 340). Eine Prüfung des vom [X.] geltend gemachten Irrtums (§§ 16, 17 StGB) ist deshalb entbehrlich.
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3. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermög-lichen, hebt der [X.] auch die zugrunde liegenden Feststellungen auf.

Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist im

Urlaub und deshalb an der

Unterschriftsleistung gehindert.

Raum Graf

Raum

Cirener

Fischer
19

Meta

1 StR 232/16

08.09.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2016, Az. 1 StR 232/16 (REWIS RS 2016, 5732)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5732

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1 StR 232/16

3 StR 630/14

4 StR 144/15

1 StR 161/16

3 StR 470/11

1 StR 16/15

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