Bundessozialgericht, Urteil vom 27.02.2019, Az. B 7 AY 1/17 R

7. Senat | REWIS RS 2019, 9858

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Einhaltung der Revisionsfrist - Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision an eine Behörde gegen Empfangsbekenntnis - Asylbewerberleistung - Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung - Neubestimmung der unabweisbar gebotenen Leistung - Anspruchseinschränkung - Folgeantragstellung - selbst zu vertretende Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen - Beachtlichkeit ausländerrechtlicher Entscheidungen - Verzicht auf Abschiebung


Leitsatz

1. Das fortgesetzt rechtsmissbräuchliche Verhalten eines Leistungsempfängers nach dem Asylbewerberleistungsgesetz stellt keine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse dar, die zu einer Neubestimmung des im Einzelfall "unabweisbar Gebotenen" berechtigt.

2. Entscheidungen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Abschiebungshindernisses, die im Verhältnis zu den für den Vollzug der Ausreise zuständigen Behörden bindend sind, sind auch bei der Prüfung der notwendigen Kausalität eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens für die Absenkung der Leistung beachtlich.

3. An der notwendigen Kausalität fehlt es, wenn die für den Vollzug der Ausreise zuständige Behörde im Einzelfall zu erkennen gibt, dass sie trotz vollziehbarer Ausreisepflicht auf Maßnahmen der Abschiebung verzichtet.

4. Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an Behörden ist bewirkt, wenn der hierfür zuständige Bedienstete von dem Zugang des Schriftstücks Kenntnis erhält und den Empfang bestätigt; die Auswahl dieses Bediensteten steht allein der Behörde zu.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist im Revisionsverfahren noch die Höhe von Leistungen nach dem [X.] ([X.]) im [X.]raum vom [X.] bis zum 31.12.2007.

2

Die Kläger sind miteinander verheiratet und leben mit ihren 1997 und 2000 geborenen Söhnen, den früheren Klägern zu 3 und 4, seit 2003 im [X.]. Sie sind aserbaidschanische Staatsangehörige und wurden im Oktober 2004 der [X.] im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zugewiesen; im streitigen [X.]raum waren sie Inhaber von [X.] (vgl § 60a Abs 2 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von [X.] im [X.] - [X.] <[X.]>). Ihre Identität haben sie erst 2012 durch Vorlage von Ausweispapieren nachgewiesen; zuvor hatten sie falsche Angaben zu ihrer Person (Geburtsdaten und Namen) gemacht. Der Kläger verbüßte vom 19.3. bis 3.12.2007 eine Freiheitsstrafe.

3

Ihre Anträge auf Asyl lehnte das [X.] (als Rechtsvorgänger des [X.] <[X.]>) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass keine [X.] nach (dem bis 31.12.2004 geltenden, durch das [X.] ersetzten) § 53 des Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von [X.] im [X.] (Ausländergesetz - [X.]) vorliegen (Bescheid vom 15.5.2003; Urteil des Verwaltungsgerichts <[X.]> Osnabrück vom [X.]); ein Folgeantrag blieb ebenfalls ohne Erfolg (Bescheid vom 23.8.2004). Im Febr[X.]r 2005 beantragte der Kläger beim [X.] unter Änderung des Bescheids vom 15.5.2003 die Feststellung eines [X.]s nach § 60 Abs 7 [X.], da er unter Hepatitis C leide, die in [X.] nicht behandelt werden könne, und er hiervon seit November 2004 Kenntnis habe. Dieser Antrag blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 7.3.2005; Urteil des [X.] vom 12.9.2005). Ein weiterer Antrag mit dieser Begründung vom 13.11.2006, den das [X.] erneut ablehnte (Bescheid vom 23.11.2006), hatte im Ergebnis eines Klageverfahrens Erfolg (Urteil des [X.] vom 3.7.2008).

4

Seit Oktober 2004 erhielten die Kläger und ihre Söhne Leistungen nach dem [X.]. Unter anderem für die [X.] ab dem 1.1.2006 bewilligte die [X.] nur eingeschränkte Leistungen nach § 1a [X.] [X.] in der bis zum 28.2.2015 geltenden Fassung (im Folgenden: alte Fassung ), und zwar ohne den Anteil, der auf den sog Barbetrag (Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens in Höhe von jeweils 40,90 Euro) für den Kläger und die Klägerin entfiel (Bescheid vom 15.12.2005). Nach Anhörung gewährte der Beklagte sämtlichen Familienmitgliedern ab dem [X.] weitergehend eingeschränkte Leistungen (Zahlbetrag 932,87 Euro) ohne die Anteile für den Barbetrag und dem Kläger und der Klägerin zudem ohne die Anteile an Wertgutscheinen für Bekleidung (in Höhe von je 15,34 Euro), weil der Kläger keine Bemühungen zur [X.] nachgewiesen und keine Identitätsnachweise vorgelegt habe (Bescheide vom 10.8.2006, vom 16.10.2006, vom [X.], vom [X.] und vom 19.3.2007; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Über Einkommen und Vermögen verfügten die Kläger in der [X.] vom [X.] bis zum 31.12.2007 nicht.

5

Das Sozialgericht ([X.]) Hildesheim hat den Beklagten auf die auf höhere Leistungen für die [X.] von September 2006 bis Oktober 2008 gerichteten Klagen verurteilt, an den Kläger 1357,26 Euro (Bekleidungspauschale sowie ab 13.11.2006 - [X.]punkt des Antrags nach § 60 Abs 7 [X.] - Barbetrag) und an die Klägerin 398,84 Euro (Bekleidungspauschale) zu zahlen und die Klagen der Klägerin und der Kinder wegen der Absenkung der Leistungen um den Barbetrag abgewiesen (Urteil vom 23.10.2012). Das [X.] ([X.]) [X.] hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des [X.] geändert, die Verurteilung zu weiteren Leistungen an den Kläger teilweise - soweit sie auf die [X.] der Inhaftierung entfiel - aufgehoben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es [X.] ausgeführt, die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen beruhe nicht auf (allein) vom Kläger zu vertretenden Gründen. Es fehle an der für § 1a [X.] [X.] aF erforderlichen konkreten Kausalität, weil der Kläger zur Überzeugung des Gerichts ohnehin wegen seines Gesundheitszustands nicht habe ausreisen können. Dieser Schutz bestehe wegen Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) auch zugunsten der Klägerin. Dabei sei nicht der [X.]punkt entscheidend, zu dem das [X.] nach § 60 Abs 7 [X.] behördlich oder durch das [X.] anerkannt worden sei, weil eine [X.] aufenthaltsrechtlicher Entscheidung nur wegen der aufenthaltsrechtlichen Tatbestände bestehe, an die die [X.] nach § 1 [X.] geknüpft sei.

6

Der Beklagte rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 1a [X.] aF. Zielstaatsbezogene [X.] iS des § 60 Abs 7 [X.] seien von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu überprüfen. Diese Kompetenz stehe vielmehr ausschließlich den Ausländerbehörden und den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu. Deren bestandskräftigen Entscheidungen komme Bindungswirkung zu. Der Barbetrag und die Bekleidungspauschale gehörten auch nicht zu dem unabweisbar Gebotenen.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s [X.] vom 8. Dezember 2016 und das Urteil des [X.] vom 23. Oktober 2012 zu ändern und die Klagen insgesamt abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie sind der Auffassung, dass die [X.] nicht rechtzeitig erfolgt sei, und halten die Entscheidung des [X.] in der Sache für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist zulässig. Sie ist mit dem (im Übrigen formgerechten) Schriftsatz am 6.11.2017 (einem Montag) insbesondere fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision durch den Senat (vom 21.9.2017) eingelegt worden (vgl § 164 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>). Das von der zum Empfang berechtigten Person unterzeichnete [X.], das bei der hier vom Gericht gewählten Zustellung gegen [X.] (vgl § 63 Abs 2 Satz 1 [X.] iVm § 174 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung ) als Nachweis der Zustellung genügt (vgl § 174 Abs 4 Satz 1 ZPO), weist als Zustelldatum zwar den 29.9.2017 aus. Zur Überzeugung des Gerichts ist der Beschluss aber tatsächlich erst am 4.10.2017 in Empfang genommen und die Frist zur Einlegung der Revision für den Beklagten erst an diesem Tag in Lauf gesetzt worden.

Bei Zustellung gegen [X.] an Behörden nach § 63 Abs 2 Satz 1 [X.] iVm § 174 ZPO ist die Zustellung nicht bereits mit dem Zugang des Schriftstücks in der Behörde bewirkt (vgl nur B[X.] vom 10.11.1993 - 11 [X.] - juris 21 mwN; insoweit in [X.], 195 = [X.] 3-4100 § 249e [X.] nicht abgedruckt). Erforderlich ist vielmehr, dass der hierfür zuständige Bedienstete der Behörde von dem Zugang des Schriftstücks Kenntnis erhält und den Empfang bestätigt (Bundesverwaltungsgericht <[X.]> vom 21.12.1979 - 4 ER 500/79 - NJW 1980, 2427). Die Personen innerhalb der Behörde, die zur Entgegennahme von Zustellungen berechtigt sind und also ein entsprechendes [X.] ausstellen, gibt das Gesetz nicht vor; ihre Auswahl steht vielmehr der Behörde selbst zu. Die Organisationsstruktur einer Behörde bietet bereits die ausreichende Gewähr dafür, dort überhaupt gegen [X.] zustellen zu können; maßgeblich für die Möglichkeit der Zustellung in Behörden ist - anders als bei Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern etc - nicht die Zuverlässigkeit einer bestimmten natürlichen Person, die ihrerseits den Empfang von zustellungsbedürftigen Schriftstücken gegen [X.] nicht übertragen darf (vgl dazu B[X.] vom [X.] [X.]/08 B - [X.] 4-1750 § 174 [X.] Rd[X.]0 ff). Die Entgegennahme nur durch den Leiter der Behörde oder nur durch Personen mit Befähigung zum Richteramt ist damit nicht Voraussetzung für die ordnungsgemäße Zustellung eines Beschlusses nach § 160a [X.] (vgl [X.] vom 14.12.1994 - 5 [X.] - NJW 1995, 1916; Häublein in [X.] zur ZPO, 5. Aufl 2016, § 174 Rd[X.]1; [X.] in [X.], ZPO, 32. Aufl 2018, § 174 Rd[X.]7). Dass die Unterzeichnung eines [X.]ses über den Beschluss nach § 160a [X.] nicht dem Vertretungszwang nach § 73 Abs 4 [X.] unterliegt, wird im Übrigen schon daraus deutlich, dass die Zustellung nach § 174 Abs 1 Satz 1 ZPO an eine Behörde nicht voraussetzt, dass dort ein Bediensteter die Befähigung zum Richteramt besitzt.

Zuständig für die Entgegennahme des Beschlusses nach § 160a [X.] und die Unterzeichnung des [X.]ses war nach den vom Beklagten im Einzelnen aufgezeigten organisatorischen Entscheidungen die Verwaltungsangestellte [X.]. Das von ihr unterzeichnete [X.], das auf den 29.9.2017 datiert ist, erbringt als öffentliche Urkunde iS von § 418 ZPO vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch dafür, dass der genannte Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht. Die Richtigkeit des aus dem [X.] ersichtlichen [X.] ist hier aber widerlegt. Die Verwaltungsangestellte [X.] war am 29.9.2017 nicht im Büro anwesend; vielmehr ist nachgewiesen, dass sie am 29.9. (Freitag) und am 2.10.2017 (Montag) Erholungsurlaub in Anspruch genommen hat und für diese beiden Tage ihre Vertretung nicht geregelt war. Unerheblich ist damit, dass sie nach Rückkehr an ihren Arbeitsplatz am 4.10.2017 bei Unterzeichnung des [X.]ses unzutreffend davon ausgegangen ist, das Datum des Posteingangs am 29.9.2017 sei maßgeblich für den Empfang gewesen. Die Verzögerung von lediglich zwei Arbeitstagen zwischen Eingang und Empfang durch die zuständige Person ist schließlich nicht als verschuldet anzusehen; an sog [X.] (wie hier am Freitag und am Montag vor einem Feiertag am Dienstag) ist eine Behörde jedenfalls nicht verpflichtet entsprechende Vorkehrungen für die Zustellung zu treffen.

Die Revision des Beklagten ist aber unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]). Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen unter Aufhebung der streitbefangenen Bescheide (dazu gleich) entschieden, dass den Klägern in den noch streitigen [X.]räumen höhere Leistungen zustanden, als sie der Beklagte bewilligt hat.

Gegenstand des Rechtsstreits sind (noch) die Bescheide des Beklagten vom 10.8.2006, vom 16.10.2006, vom [X.], vom [X.] und vom 19.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]). Den Streitgegenstand haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] zunächst auf höhere Leistungen für die [X.] bis 31.10.2008 begrenzt; im Revisionsverfahren ist durch den Abschluss eines sog [X.] eine weitergehende Einschränkung auf die [X.] bis zum 31.12.2007 erfolgt. Über die Rechtmäßigkeit der im laufenden Klageverfahren ergangenen Bescheide vom 29.1.2008 und vom [X.], die ausschließlich [X.] ab dem 1.1.2008 regeln, ist damit eine Entscheidung im Revisionsverfahren nicht zu treffen, unabhängig davon, ob sie ursprünglich Gegenstand des Verfahrens (vgl § 96 Abs 1 [X.]) geworden waren. Damit erfasst der Streitgegenstand höhere Leistungen des [X.] für die [X.] bis zum [X.] der Höhe nach begrenzt auf insgesamt 264,33 Euro (Bekleidungspauschale für den gesamten [X.]raum und für die [X.] ab dem 13.11.2006 zudem den Barbetrag) und für die [X.] vom 4.12.2007 bis zum 31.12.2007 der Höhe nach begrenzt auf 52,49 Euro (anteilige Bekleidungspauschale und anteiliger Barbetrag) sowie Ansprüche der Klägerin für den [X.]raum vom [X.] bis zum 31.12.2007 der Höhe nach begrenzt auf 245,44 Euro (Bekleidungspauschale für den gesamten [X.]raum). Nachdem nur der Beklagte gegen das Urteil des [X.] Berufung eingelegt hat, sind Ansprüche der Kinder nicht mehr streitbefangen und Ansprüche des [X.] und der Klägerin der Höhe nach auf die vom [X.] zugesprochenen Geldbeträge beschränkt. Da die Berufung wegen Leistungen für die [X.] der Inhaftierung des [X.] Erfolg hatte und das L[X.] (klarstellend) zur Zahlung von Leistungen an den Kläger nur für die übrigen [X.]räume verurteilt hat, sind schließlich dessen Ansprüche im Revisionsverfahren auf diese [X.]räume und die entsprechenden Geldbeträge beschränkt; denn er hat sich gegen das Urteil des L[X.] nicht mit einer Revision gewandt.

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 [X.]) erhobenen Klagen sind zulässig. Ihr Klageziel, höhere Leistungen zu erlangen als mit Bescheid vom 15.12.2005 zeitlich unbefristet bewilligt (das auch die Klägerin ursprünglich verfolgt hat), war nicht allein mit der Anfechtung der ab dem 10.8.2006 ergangenen Bescheide zu erreichen. Da mit diesen Bescheiden eine eigenständige und vollständige Überprüfung der Höhe der Leistungen für die [X.] ab [X.] vorgenommen worden ist (die sich an § 48 Zehntes [X.] - <[X.]B X> misst, dazu sogleich), konnten die Kläger diese Festsetzung zulässigerweise auch mit dem Ziel angreifen, ab diesem [X.]punkt höhere als die im Bescheid vom 15.12.2005 festgesetzten Leistungen zu erhalten (zur Zulässigkeit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen im Anwendungsbereich des § 48 [X.]B X unter dem Gesichtspunkt des Art 19 Abs 4 Satz 1 GG vgl im Übrigen auch B[X.] vom 20.9.2012 - [X.] [X.] 4/11 R - B[X.]E 112, 54 = [X.] 4-3500 § 28 [X.], Rd[X.]5 ff). Zulässig ist dabei auch die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Geldleistung, obwohl das [X.] wegen der Leistungen zur Deckung des Existenzminimums vorrangig die Gewährung von Sachleistungen vorsieht. Für die Vergangenheit können Sachleistungen und ihnen zuzuordnende Wertgutscheine nicht mehr erbracht werden, weil mit ihnen das ursprüngliche Ziel der tatsächlichen Bedarfsdeckung in der Vergangenheit nicht mehr erreicht werden kann (vgl B[X.] vom 12.5.2017 - [X.] [X.]16 R - B[X.]E 123, 157 = [X.] 4-3520 § 1a [X.], Rd[X.]0 mwN).

Die Bescheide des Beklagten sind, soweit sie noch streitbefangen sind, rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger haben gegen den Beklagten als sachlich und örtlich zuständigen Leistungsträger zunächst einen Anspruch auf Leistungen in der mit Bescheid vom 15.12.2005 festgesetzten Höhe. Der Beklagte war mangels Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht auf Grundlage von § 48 [X.]B X berechtigt, zu Lasten der Kläger eine (weitere) Minderung der Leistungen um den in den ausgegebenen Wertgutscheinen enthaltenen Betrag für Kleidung ab dem [X.] (in Höhe von 15,34 Euro monatlich) zu verfügen. Für die [X.] ab dem 13.11.2006 (Wiederaufnahmeantrag des [X.] beim [X.], gestützt auf die Hepatitis C-Erkrankung) hat der Kläger aufgrund einer zu seinen Gunsten eingetretenen Änderung der Verhältnisse darüber hinaus einen Anspruch auf höhere (ungeminderte) Leistungen nach dem [X.]. Die Klägerin selbst kann keine weiteren Leistungen (ggf in Höhe des [X.] bzw - während der Inhaftierung ihres Ehemanns - auf Grundleistungen als Haushaltsvorstand) beanspruchen. Sie hat gegen das Urteil des [X.] kein Rechtsmittel eingelegt.

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide misst sich ausschließlich an § 48 Abs 1 [X.]B X. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Er soll mit Wirkung vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse ua aufgehoben werden, soweit die Voraussetzungen des Abs 1 Satz 2 vorliegen.

Die [X.] hatte vor Erlass der streitgegenständlichen Bescheide bereits mit Bescheid vom 15.12.2005 ab dem 1.1.2006 die auf das im Einzelfall unabweisbar Gebotene abgesenkten Leistungen auf Grundlage von § 1a [X.] [X.] aF (hier in der Fassung, die die Norm mit dem [X.] zur Änderung des [X.] vom 25.8.1998 erhalten hat) zeitlich unbefristet, also auf Dauer, bewilligt (zu den Leistungsvoraussetzungen im Einzelnen später) und die Leistungen dabei (nur) in Höhe des [X.] vermindert. Ob sie damit das "unabweisbar Gebotene" zutreffend bestimmt hat (vgl dazu B[X.] vom 12.5.2017 - [X.] [X.]16 R - B[X.]E 123, 157 = [X.] 4-3520 § 1a [X.], Rd[X.]3 ff), kann offenbleiben; denn der Bescheid ist bestandskräftig geworden.

An einer von § 48 [X.]B X vorausgesetzten Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen zu Lasten der Kläger, die dem bindend gewordenen Bescheid der [X.] vom 15.12.2005 über die Bewilligung von (nur um den Barbetrag abgesenkten) Leistungen zugrunde lagen, fehlt es aber. Der Beklagte durfte das unabweisbar Gebotene nicht neu bestimmen und die Leistungen nach dem [X.] zusätzlich in Höhe der Bekleidungspauschale mindern. Es kann deshalb offenbleiben, ob der Beklagte für die teilweise Aufhebung der Entscheidung der mit der Satzung vom 7.7.1994 zur Durchführung des [X.] herangezogenen [X.] sachlich überhaupt zuständig war, weil die "Satzung über die Heranziehung der Städte, Gemeinden und Samtgemeinden (einschließlich [X.]) zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes" vom 7.7.1994 erst mit Satzung vom 24.11.2008 mit Wirkung vom 1.1.2009 aufgehoben worden ist (§§ 1 und 2 Satzung über die Aufhebung der Satzung zur Heranziehung der Städte, Gemeinden und Samtgemeinden zur Durchführung des [X.]).

Der von dem Beklagten in den angefochtenen Entscheidungen und bei der Anhörung angeführte Grund eines fortgesetzt rechtsmissbräuchlichen Verhaltens stellt keine Änderung iS von § 48 [X.]B X dar. Die Bestimmung von Inhalt und Umfang des zur Existenzsicherung "unabweisbar Gebotenen" erfolgt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls allein bedarfsorientiert (vgl bereits B[X.] vom 12.5.2017 - [X.] [X.]16 R - B[X.]E 123, 157 = [X.] 4-3520 § 1a [X.], Rd[X.]1). Die Bedarfe bestehen dabei unabhängig von der Art und der Dauer des fortgesetzt rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Nur die Änderung der Bedarfslage ist bezogen auf die Höhe der Leistungen relevant; dagegen ändert sich das "unabweisbar Gebotene" nicht schon dadurch, dass die Kläger ihre Abschiebung fortgesetzt über Jahre verhindert haben. Veränderungen auf der [X.] zu Lasten der Kläger gegenüber der bestandskräftigen Bewilligung vom 15.12.2005 sind indes nicht ersichtlich und vom Beklagten nicht einmal behauptet worden. Damit haben die Kläger weiterhin Anspruch auf Leistungen in der mit Bescheid vom 15.12.2005 festgesetzten Höhe.

Für den Kläger besteht vom 13.11.2006 bis zum [X.] und (nach seiner Entlassung aus der Haft) ab dem 5.12.2007 zudem Anspruch auf einen höheren als den im Bescheid vom 15.12.2005 festgesetzten Betrag, wie die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend entschieden haben. Seine Ansprüche waren ab Stellung des erneuten Antrags auf Feststellung eines [X.]ses nach § 60 Abs 7 [X.] am 13.11.2006 nicht auf Grundlage von § 1a [X.] [X.] aF (in der Fassung, die die Norm mit dem [X.] zur Änderung des [X.] vom 25.8.1998 erhalten hat) zu begrenzen, weil es seither an der erforderlichen Kausalität zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und dem [X.] der Abschiebung fehlte. Insoweit sind ab dem 13.11.2006 wegen einer Änderung der Verhältnisse zugunsten des [X.], die zwingend zu einer höheren Leistung führt, entgegenstehende Bescheide nach § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B X aufzuheben und höhere Leistungen zu gewähren.

Das [X.] hat insoweit zu Recht den Beklagten und nicht die [X.] zur Erbringung von höheren Leistungen verurteilt. Die sachliche Zuständigkeit des beklagten [X.] ergibt sich aus § 10 Satz 1 [X.] iVm § 2 Abs 1 des [X.] und zur Durchführung des [X.] (Aufnahmegesetz <[X.]> vom 11.3.2004 ); seine örtliche Zuständigkeit folgt aus § 10a Abs 1 Satz 1 [X.] (in der Fassung des 1. [X.]ÄndG, aaO), weil die Kläger seinem Zuständigkeitsbereich zugewiesen worden sind. Ob die [X.] mit der Satzung vom 7.7.1994 wirksam zur Durchführung des [X.] herangezogen war, obwohl der Inhalt der Satzung den Vorgaben von § 2 Abs 3 [X.] nicht entsprach, kann insoweit offenbleiben. Jedenfalls ist die Satzung zum 1.1.2009 aufgehoben worden (siehe oben), sodass eine Verurteilung der Samtgemeinde zur Erbringung von Leistungen nach dem [X.] nach diesem [X.]punkt nicht mehr in Betracht kommt.

Dem Kläger standen - wovon auch das [X.] im Ergebnis ausgegangen ist - ab 13.11.2006 Leistungen auf Grundlage von § 3 Abs 2 Satz 1 und Satz 2 [X.] und 3 [X.] aF in voller Höhe zu. Er war als Inhaber einer Duldung nach § 60a Abs 2 [X.] leistungsberechtigt nach § 1 Abs 1 [X.] [X.] (insoweit unverändert in der Fassung des [X.] der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern <[X.]> vom 30.7.2004 ) und lebte außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG; nunmehr Asylgesetz <[X.]>). [X.] Einkommen ist bis zum 31.12.2007 nicht zugeflossen; über Vermögen verfügte der Kläger nicht. Wegen der Höhe der Leistungen ist die alte Fassung des § 3 [X.] für [X.] bis zum 31.12.2010 dabei trotz der Verfassungswidrigkeit der Norm anwendbar, wie das [X.] ([X.]) in seinem Urteil vom 18.7.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - [X.], 1715 f = [X.]E 132, 134 = [X.] 4-3520 § 3 [X.]) durch Ziffer 1 des Tenors (dort Satz 2) in Gesetzeskraft angeordnet hat.

Nach § 1a [X.] [X.] aF erhalten ua Leistungsberechtigte nach § 1 Abs 1 [X.] [X.], also Personen mit einer Duldung, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Die Anwendung dieser Norm scheidet - anders als das [X.] meint - für den streitigen [X.]raum nicht schon deshalb aus, weil sich die klägerische [X.] ab Stellung des erneuten Antrags beim [X.] am 13.11.2006 aus § 1 Abs 1 [X.] [X.] ergeben hätte. Nach Wortlaut und Sinn und Zweck des § 1 Abs 1 [X.] [X.] folgt nur aus Folgeanträgen iS des § 71 Abs 1 iVm § 13 [X.] eine gegenüber § 1 Abs 1 [X.] und 5 [X.] eigenständige Anspruchsberechtigung; denn die mit der Einfügung von § 1 Abs 1 [X.] [X.] durch das [X.] bezweckte Gleichstellung mit Asylerstantragstellern (dazu BT-Drucks 15/420, 120) setzt eine (erneute) Prüfung von Asylgründen durch das [X.] voraus. Damit muss es sich bei den in § 1 Abs 1 [X.] [X.] in Bezug genommenen Anträgen um solche handeln, die sich inhaltlich auf die in §§ 3 und 4 [X.] aufgeführten verfassungs- bzw unionsrechtlichen Schutzkonzepte beziehen. Der Kläger hat am 13.11.2006 aber lediglich einen isolierten Antrag auf Wiederaufgreifen der Entscheidung über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs 7 [X.] iVm § 51 Abs 1 [X.] Verwaltungsverfahrensgesetz ([X.]) gestellt. Ein solcher Antrag (sog Folgeschutzantrag; vgl nur Verwaltungsgerichtshof <[X.]H> [X.] vom 29.5.2017 - 11 S 2493/16 - [X.] 2017, 404; [X.] vom 14.12.2006 - 8 Q 2642/06.A - [X.] 2007, 130; [X.] in [X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl 2016, § 71 [X.] RdNr 5 und 13) begründet wegen der alleinigen Entscheidungskompetenz des [X.] (§ 24 Abs 2 [X.]) zwar eine asylrechtliche Streitigkeit (vgl dazu [X.] vom [X.] - 9 C 41/99 - [X.]E 111, 77, 79), setzt aber kein Folgeverfahren iS des § 1 Abs 1 [X.] [X.] in Gang.

Auf Grundlage der Feststellungen des L[X.] lag wegen der Verletzung der Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung eines Passes oder Passersatzes ein vom Kläger zu [X.] Verhalten iS des § 1a [X.] [X.] aF vor, aufgrund dessen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden konnten (im Einzelnen B[X.] vom 12.5.2017 - [X.] [X.]16 R - B[X.]E 123, 157 = [X.] 4-3520 § 1a [X.], Rd[X.]5). Dieses Verhalten war bis zum 13.11.2006 auch allein kausal für den [X.] der Abschiebung (zur erforderlichen Kausalität zwischen vorwerfbarem Verhalten und dem [X.] der Abschiebung bereits B[X.] vom 12.5.2017 - [X.] [X.]16 R - B[X.]E 123, 157 = [X.] 4-3520 § 1a [X.], Rd[X.]8 und B[X.] vom 30.10.2013 - [X.] [X.]12 R - B[X.]E 114, 302 = [X.] 4-3520 § 1a [X.], Rd[X.]5). Dabei waren der Beklagte und die Sozialgerichte an einer eigenständigen Prüfung eines etwaigen [X.]ses wegen der Erkrankung des [X.] als weitere Ursache für den [X.] der Abschiebung gehindert, weil die Entscheidung des [X.] vom 7.3.2005 und das Urteil des [X.] vom 12.9.2005 dem im streitigen [X.]raum entgegenstanden.

Die Frage nach einem Fehlverhalten des Leistungsberechtigten als (alleinige) Ursache für die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist (entgegen der Auffassung des L[X.]) mit bereits vorliegenden ausländerrechtlichen Entscheidungen zwingend verknüpft, soweit deren "[X.]" reicht. Die [X.] in dem so verstandenen Sinne - oder auch die "Beachtlichkeit" eines Verwaltungsakts (vgl [X.] in [X.]/Bonk/[X.], [X.], 8. Aufl 2014, § 43 Rd[X.]40 und 154 mwN; zu den verschiedenen Begrifflichkeiten auch [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl 2013, § 43 Rd[X.]7) - hat zum Inhalt, dass die durch den Verwaltungsakt für einen bestimmten Rechtsbereich getroffene Regelung als gegeben hingenommen werden muss, mithin dass der Bescheid mit dem von ihm in Anspruch genommenen Inhalt von allen rechtsanwendenden Stellen zu beachten und eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen ist (stRspr; vgl etwa [X.] vom 10.10.2006 - 8 C 23/05 - [X.] 428 § 1 Abs 2 VermG [X.]5 = juris Rd[X.]2 mwN). Wenn wegen eines bestimmten Sachverhalts (hier der Krankheit des [X.] und deren Behandelbarkeit in [X.]) durch das [X.] eine negative Feststellung bezogen auf ein daraus resultierendes [X.] getroffen worden ist, die im Verhältnis zu den für den Vollzug der Ausreise zuständigen Behörden bindend ist (vgl § 42 Satz 1 [X.]), darf dies bei Prüfung der Kausalität im Rahmen des § 1a [X.] aF nicht unbeachtet bleiben. Soweit sich der Leistungsempfänger auf die Gefahr für Leib und Leben im Falle seiner Abschiebung in den [X.] beruft, ist bei der Prüfung der Kausalität nämlich mitentscheidend, ob ein solches (behauptetes) [X.] im Verhältnis zu den Behörden, denen die Durchführung der Abschiebung obliegt, tatsächlich durchgreifen kann. So liegt der Fall hier. Das [X.] (Bescheid vom 7.3.2005) und ihm folgend das [X.] (Urteil vom 12.9.2005) haben das Vorliegen eines [X.]ses wegen der Hepatitis C-Erkrankung rechtskräftig verneint. Die Bestandskraft der vorangegangenen Entscheidung des [X.] über das Nichtvorliegen eines [X.]ses wegen dieser Erkrankung war mit Stellung des [X.] am 13.11.2006 (noch) nicht beseitigt und deshalb vom Beklagten bei seiner Entscheidung nach § 1a [X.] zu beachten.

Die Verletzung der Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung eines Passes oder Passersatzes war seit Stellung des [X.] aber nicht mehr kausal für die Nichtdurchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Im Anwendungsbereich des § 1a [X.] [X.] aF ist das Erfordernis der Kausalität nur erfüllt, wenn keine außerhalb des Verantwortungsbereichs des Leistungsberechtigten liegenden Sachverhalte mitursächlich für den [X.] der Abschiebung sind (vgl [X.] in jurisPK-[X.]B XII, § 1a [X.] RdNr 68, Stand [X.]). Nur in den Fällen eines Fehlverhaltens des Leistungsberechtigten, das monokausal für seine Nichtabschiebung ist, ist die Gewährung von auf das unabweisbar Gebotene beschränkter Leistungen verfassungsgemäß und verstößt die damit verbundene Einschränkung im Einzelfall insbesondere nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip (dazu bereits B[X.] vom 12.5.2017 - [X.] [X.]16 R - B[X.]E 123, 157 = [X.] 4-3520 § 1a [X.], Rd[X.]7). Hier hat die Ausländerbehörde des Beklagten in Ansehung des erneuten [X.] Abschiebungsmaßnahmen aber faktisch ausgesetzt. Dies lässt die Kausalität des Verhaltens des [X.] für die Nichtdurchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen unabhängig vom Ausgang des anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über den Folgeschutzantrag entfallen.

Bei der Beurteilung der Kausalität ist die Bedeutung von (bestands- bzw rechtskräftigen) Entscheidungen der für die Durchführung des [X.] und [X.] zuständigen Stellen von der Kompetenz des Trägers der Leistungen nach dem [X.], einen bestimmten Sachverhalt im Rahmen der leistungsrechtlichen Vorschriften eigenständig zu überprüfen, zu unterscheiden. Die "[X.]" oder auch die "Beachtlichkeit" des Verwaltungsakts des [X.] vom 7.3.2005 erstreckt sich ausschließlich auf die Beurteilung der klägerischen Erkrankung als [X.]. Andere Sachverhalte, die neben das Fehlverhalten des Leistungsberechtigten als Ursache für den [X.] aufenthaltsbeendender Maßnahmen treten und die die notwendige Kausalität entfallen lassen, sind dagegen unabhängig von der [X.] bzw Beachtlichkeit des Bescheids vom 7.3.2005 von den Trägern der Leistungen nach dem [X.] und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eigenständig zu überprüfen und setzen nicht voraus, dass das [X.] oder die Gerichte (in Abkehr einer früheren bestandskräftigen Entscheidung) das Vorliegen eines [X.]ses nach § 60 Abs 7 [X.] zunächst positiv feststellen.

Der Tatbestand des § 1a [X.] verlangt weder zugunsten noch zulasten des Leistungsberechtigten, dass über relevante Vorfragen aus dem Asyl- und Ausländerrecht eine Entscheidung von den Asyl- oder Ausländerbehörden getroffen worden ist. Im Gegensatz zur [X.], die das Gesetz auf der Tatbestandsseite ua an den Besitz bestimmter aufenthaltsrechtlicher Titel nach dem [X.] knüpft (dazu B[X.] vom 2.12.2014 - B 14 [X.] R - B[X.]E 117, 297 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]1), ist bei der Frage nach der Kausalität im Tatbestand des § 1a [X.] aF ein Verwaltungsakt der zuständigen Behörde über das Bestehen eines [X.]ses nach § 60 Abs 7 [X.] deshalb nicht Voraussetzung (Tatbestandsmerkmal) für das Absehen von einer Beschränkung von Ansprüchen. Die Frage nach der alleinigen Kausalität eines Fehlverhaltens kann und muss von den Trägern des [X.] und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit also auch dann beantwortet werden, wenn Entscheidungen der für die Durchführung des [X.] und des [X.] zuständigen Behörden in Würdigung eines bestimmten (ggf hinzugetretenen) Sachverhalts (noch) nicht vorliegen.

Ein Sachverhalt, bei dem die (zunächst bestehende) Kausalität des missbilligten Verhaltens des Leistungsberechtigten für die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen entfällt, liegt hier vor; denn nach den vom L[X.] geschilderten Gesamtumständen hat die Ausländerbehörde nach Stellung des [X.] an der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen für die Dauer des Verfahrens nicht mehr festgehalten. Hierzu war sie zwar nicht auf Grundlage eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vom [X.] verpflichtet worden. Auch bei faktischer Aussetzung der Abschiebung - etwa weil ein Bescheid über das Nichtbestehen eines zielstaatsbezogenen Hindernisses angefochten ist oder auch während der Verbüßung einer Strafhaft im Inland - kommt es für die Kausalität iS des § 1a [X.] aF auf die [X.] eines negativen Bescheids über ein [X.] nicht mehr entscheidend an. Das Ziel der Absenkung von Leistungen auf Grundlage von § 1a [X.] [X.] aF beschränkt sich auf die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen im Einzelfall; dem Gesetz ist dagegen nicht die Wertung zu entnehmen, für die gesamte Personengruppe der "nur" geduldeten Ausländer komme per se nur eine abgesenkte Leistung in Betracht (vgl B[X.] vom 12.5.2017 - [X.] [X.]16 R - B[X.]E 123, 157 = [X.] 4-3520 § 1a [X.], Rd[X.]2 f). Deshalb setzt die Absenkung wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung eines Passes oder Passersatzes ein ernsthaftes Bestreben der Ausländerbehörde voraus, den Leistungsberechtigten in sein Heimatland zurückzuführen (vgl zu § 1a Abs 3 Satz 1 [X.] nF [X.], aaO, § 1a [X.] Rd[X.]6). Gibt die Ausländerbehörde aber ihrerseits im Einzelfall zu erkennen, dass sie trotz vollziehbarer Ausreisepflicht in Erwartung einer (erneuten) gerichtlichen Klärung von [X.]sen auf solche Maßnahmen verzichtet, fehlt es an der notwendigen Kausalität für die Leistungsabsenkung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 7 AY 1/17 R

27.02.2019

Bundessozialgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AY

vorgehend SG Hildesheim, 23. Oktober 2012, Az: S 42 AY 48/07, Urteil

§ 164 Abs 1 S 1 SGG, § 63 Abs 2 S 1 SGG, § 174 Abs 1 S 1 ZPO, § 174 Abs 4 S 1 ZPO, § 418 ZPO, § 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 10, § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG, § 1 Abs 1 Nr 7 AsylbLG, § 1a Nr 2 AsylbLG vom 25.08.1998, § 60 Abs 7 AufenthG 2004

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.02.2019, Az. B 7 AY 1/17 R (REWIS RS 2019, 9858)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9858

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