Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.06.2021, Az. 3 StR 138/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 4943

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Freiheitsberaubung auf andere Weise als durch Einsperren: Erfordernis einer qualifizierten Nötigungshandlung; Konkurrenzen mit Bedrohung und Nötigung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Dezember 2020 im Schuldspruch dahin geändert, dass er in Fall 4 der Urteilsgründe wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Erschleichens von Leistungen unter Einbeziehung mehrerer früher gegen ihn verhängter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es den Angeklagten der Körperverletzung in zwei Fällen, der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Bedrohung, der gefährlichen Körperverletzung, des vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe, des Besitzes von Betäubungsmitteln und des Erschleichens von Leistungen in neun Fällen schuldig gesprochen und auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der [X.] ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den zu Fall 4 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen forderte der Angeklagte die Geschädigte mit einem Küchenmesser in der Hand auf, sich auf den Fußboden des Wohnzimmers zu setzen. Dem kam sie aus Angst vor Angriffen mit dem Messer nach. Sodann hielt der Angeklagte ihrem Hund und anschließend ihr die Klinge mit den Worten an den Hals, er werde ihr die Kehle durchschneiden, was die Geschädigte in Todesangst versetzte. Der Angeklagte erlaubte ihr für etwa eine halbe Stunde nicht, ihren Sitzplatz auf dem Boden zu verlassen. Danach zog er sie an den Haaren in das Schlafzimmer und boxte sie in die Magengegend, wodurch sie für kurze Zeit unter Bauchschmerzen und Atembeschwerden litt.

3

Das [X.] hat die Tat rechtlich als Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit Bedrohung gewürdigt. Dem Halten des Messers an den Hals verbunden mit der Äußerung, ihr die Kehle durchzuschneiden, komme ein eigener, über die Freiheitsberaubung hinausgehender Unrechtsgehalt zu.

4

2. Soweit das [X.] Tateinheit zwischen Freiheitsberaubung und Bedrohung angenommen hat, hält diese konkurrenzrechtliche Bewertung der Überprüfung nicht stand. Denn der Bedrohung kommt vorliegend kein eigenständiger Unrechtsgehalt zu, weil sie ausschließlich der Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung diente.

5

Der Angeklagte beging den objektiven Tatbestand der Freiheitsberaubung auf andere Weise als durch Einsperren. Hierfür genügt aber nicht bereits jede Drohung mit einem empfindlichen Übel; das angedrohte Übel muss vielmehr den Grad einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erreichen (vgl. [X.], Urteile vom 25. Februar 1993 - 1 [X.], [X.]R StGB § 239 Abs. 1 Freiheitsberaubung 2; vom 22. Januar 2015 - 3 [X.], [X.], 338, 339 mwN). Das Erfordernis einer qualifizierten Nötigungshandlung ist nicht schon durch das Halten des Messers an den Hals des Hundes, sondern erst durch die entsprechende Handlung und Äußerung gegenüber der Geschädigten selbst erfüllt.

6

Diese Todesdrohung gegenüber der Geschädigten diente ausschließlich dem Zweck, ihr die Möglichkeit der Fortbewegung zu nehmen, indem sie etwa eine halbe Stunde auf dem Fußboden sitzen bleiben musste. Da der Angeklagte gerade hierdurch die Geschädigte der Freiheit beraubte, wird vorliegend § 241 StGB durch § 240 StGB und dieser von § 239 Abs. 1 StGB verdrängt (vgl. [X.], Beschluss vom 24. September 1997 - 2 [X.], [X.]R StGB § 239 Abs. 3 Behandlung 1).

7

3. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer hätte verteidigen können. Die in diesem Fall verhängte [X.] bleibt angesichts des unveränderten Unrechts- und [X.] der Tat von der Änderung des Schuldspruchs unberührt.

8

4. Wegen des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

[X.]   

        

Riʼin[X.] [X.] befindet sich   
im Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unterschreiben.

        

Paul   

                 

[X.]     

                 
        

Ri[X.] Dr. Anstötz befindet     
sich im Urlaub und ist
deshalb gehindert zu
unterschreiben.

                          
        

[X.]   

        

   [X.]   

        

Meta

3 StR 138/21

16.06.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 8. Dezember 2020, Az: 8 KLs 10/20

§ 239 Abs 1 StGB, § 240 StGB, § 241 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.06.2021, Az. 3 StR 138/21 (REWIS RS 2021, 4943)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4943

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 14/19 (Bundesgerichtshof)

Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen: Freiheitsberaubung als tatbestandsmäßiges Mittel zur Begehung eines anderen Delikts


2 StR 134/15 (Bundesgerichtshof)

Schwerer Raub: Verknüpfung zwischen eingesetztem Nötigungsmittel und Wegnahme


1 StR 171/18 (Bundesgerichtshof)

Begründungsanforderungen für die Ablehnung einer Bewährung


2 StR 400/10 (Bundesgerichtshof)

Körperverletzung durch Festhalten im "Schwitzkasten"


2 StR 400/10 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 486/22

1 StR 286/21

Zitiert

3 StR 410/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.