Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2008, Az. IX ZR 130/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 725

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 20. November 2008 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] §§ 129, 143, 131 Abs. 1 Nr. 1 Verfügt der Schuldner nach Aussetzung der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Finanzverwaltung über das gepfändete Konto, wer-den die Insolvenzgläubiger dadurch benachteiligt. [X.], Urteil vom 20. November 2008 - [X.]/07 - [X.]

AG Hamburg-St. [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren auf-grund der bis zum 15. Oktober 2008 eingereichten Schriftsätze durch den [X.] [X.] Ganter, den Richter [X.], die Richterin [X.] und die [X.] [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 29. Juni 2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 4.001,99 • festgesetzt. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem am 6. Dezember 2004 beantragten und am 12. April 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A.

GmbH (fortan: Schuldnerin). Er verlangt von der beklag-ten [X.] Rückgewähr von insgesamt 4.001,99 • nach Anfechtung einer Scheckzahlung. 1 Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 20. August 2004 pfände-te das Zentralfinanzamt [X.]
die Ansprüche der Schuldnerin gegen die –bank [X.]

(fortan: [X.]) aus dem dort geführten [X.]. Diese Pfändungs- und Einziehungsverfügung setzte es am 1. September 2 - 3 - 2004 gegen Zahlung von 16.000 • bis auf weiteres aus. Am 28. Oktober 2004 ließ sich der Vollstreckungsbeamte der Beklagten von der Schuldnerin einen Scheck aushändigen, den die Beklagte sodann bei der [X.] zur Einlösung ein-reichte. Zu dieser Zeit standen gegen die Schuldnerin gerichteten Forderungen in Höhe von insgesamt 132.940,20 • liquide Mittel in Höhe von 2.605,50 • ge-genüber. Nachdem auf dem Konto der Schuldnerin ein Zahlungseingang in [X.] von 39.797 • erfolgt war, zahlte die [X.] am 8. November 2004 den Betrag von 4.001,99 • an die für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Beklagten zu-ständige Stelle aus.
Die Klage auf Rückgewähr der 4.001,99 • hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision bleibt ohne Erfolg. 4 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Rückgewähr aus §§ 143, 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. [X.] der Schuldnerin am 8. November 2004 habe deren Gläubiger benachteiligt. Das Pfändungspfandrecht des Zentralfinanzamts M.

stehe der Benachteiligung nicht entgegen. Durch die Aussetzung sei eine Einschrän-kung des [X.] nach § 309 Abs. 1 Satz 1 [X.] eingetreten, in deren Folge das Kontoguthaben wieder für Verfügungen der Schuldnerin und dem Zugriff der Gläubiger offen gestanden habe. 5 - 4 - 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand. 6 7 Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückgewähr von 4.001,99 • aus §§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 1, § 143 Abs. 1 [X.]. 8 a) Die Belastung des [X.] der Schuldnerin am 8. November 2004 hat die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt. Die Zahlung ist ungeach-tet des Bestehenbleibens des Pfandrechts des Zentralfinanzamts [X.] aus dem Vermögen der Schuldnerin erfolgt. Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 [X.] liegt vor, wenn eine Rechtshandlung entweder die [X.] vermehrt oder die [X.] verkürzt und dadurch der Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt oder verzögert, d.h. wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenz-gläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten ([X.] 124, 76, 78 f; [X.], Urt. v. 19. Juli 2001 - [X.] ZR 36/99, [X.], 1641, 1643; Urt. v. 26. Juni 2008 - [X.] ZR 144/05, [X.], 1435, 1437 Rn. 26; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 129 Rn. 36). 9 Von einer solchen Benachteiligung ist auszugehen. Die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung (§ 361 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]) hat bewirkt, dass der materielle Regelungsinhalt der Pfän-dungsverfügung bis auf weiteres nicht mehr verwirklicht werden konnte und rechtliche und tatsächliche Folgerungen aus der Pfändungsverfügung nicht mehr gezogen werden durften ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] 10. Aufl. § 309 Rn. 104; vgl. auch [X.], 11, 15). Für die Dauer der [X.] der Vollziehung der Pfändungsverfügung waren das Zahlungsverbot für den Drittschuldner und das Verfügungsverbot für den Vollstreckungsschuldner 10 - 5 - unbeachtlich ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO; vgl. [X.]/[X.], [X.] 9. Aufl. § 361 Rn. 19). Solange die Aussetzung der Voll-ziehung wirkte, konnte die Schuldnerin - auch gegenüber dem [X.] - wieder über das Kontoguthaben verfügen. Auch hatten die Gläubiger Zugriff auf das Konto. Zwar war das Pfändungspfandrecht als solches nicht ent-fallen (vgl. [X.] 162, 143, 156; [X.] InVo 1999, 57, 58; [X.]/[X.], aaO). Indes hatte die Pfandgläubigerin durch die Aussetzung der Vollziehung das Konto - wenn auch nur vorübergehend - "freigegeben". Es war ihr unbenommen, durch Einwilligung oder Genehmigung einer bestimmten ihr nachteiligen Verfügung - oder bis zur Beendigung der Aussetzung allen Ver-fügungen - zuzustimmen. Von einer solchen Zustimmung ist hier auszugehen. Nur aufgrund dieser "Freigabe" konnte die Schuldnerin wirksam an die Beklagte zahlen. Dass das Finanzamt die Zahlung über das gepfändete Konto - wegen der nach wie vor bestehenden Verstrickung - nicht gegen sich habe gelten [X.] wollen, ist nicht vorgetragen.
Die von der Beklagten für ihre gegenteilige Auffassung herangezogene Entscheidung des Senats vom 10. Februar 2005 ([X.] 162, 143) steht dem nicht entgegen. Gegenstand dieser Entscheidung war weder eine Verfügung des Schuldners noch der Zugriff eines Gläubigers auf das gepfändete Konto nach Aussetzung der Vollziehung. Vielmehr ist dort eine Zahlung an den Pfandgläubiger angefochten worden, von deren Erhalt dieser die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung abhängig [X.] hatte. Dazu hat der Senat ausgeführt, die Zahlung sei durch das Pfand-recht gedeckt gewesen; sie sei auf dieses Pfandrecht - auf dessen Bestand die Aussetzung der Vollziehung keinen Einfluss gehabt habe - aus der gepfändeten Forderung geleistet worden (aaO [X.]). Im Fall des Urteils vom 10. Februar 2005 wurde die Aussetzung der Vollziehung erst mit dem Zahlungseingang 11 - 6 - wirksam. Deshalb konnte der Zahlungseingang nicht unter Hinweis auf die [X.] der Vollziehung angefochten werden. Dritte, die vom [X.] nach Aussetzung der Vollziehung eine Leistung erhalten, können daraus nichts für sich herleiten. Insbesondere enthält jene Entscheidung keine Aussage zu der Frage, ob und inwieweit der Schuldner nach Aussetzung der Vollziehung über das Konto wieder frei verfügen darf und inwieweit es dem Zugriff anderer Gläubiger offen steht. b) Auch die sonstigen Voraussetzungen einer inkongruenten Deckung - dies wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen - liegen vor. 12 Leistungen im Sinne des § 131 Abs. 1 [X.], die innerhalb des Dreimo-natszeitraums auf hoheitlichem Zwang beruhen, hat der [X.] re-gelmäßig auch dann als inkongruent angesehen, wenn die Zwangsvollstre-ckung im verfahrensrechtlichen Sinne noch nicht begonnen hatte, sondern le-diglich unmittelbar bevorstand (vgl. [X.], Urt. v. 11. April 2002 - [X.] ZR 211/01, [X.], 1159, 1161; v. 15. Mai 2003 - [X.] ZR 194/02, [X.], 1278 f; v. 8. Dezember 2005 - [X.] ZR 182/01, Z[X.] 2006, 94, 95). Die Schuldnerin hat den Scheck über 4.001,99 • dem [X.] der Klägerin am 28. Oktober 2004 ausweislich des Protokolls zur Abwendung der [X.] übergeben. Eine Leistung, die unter hoheitlichem Zwang erfolgt ist, liegt vor. 13 3. Auf die von der Revisionsbegründung weiter für grundsätzlich gehalte-ne Frage, ob die [X.] des § 88 [X.] auch bei einer öffentlich-rechtlichen Verstrickung eingreift, kommt es nicht an. Das Kontoguthaben [X.] auch ohne diese Sperre zum Vermögen des Schuldners, solange die 14 - 7 - Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht beendet war. 15 4. Die Vorschrift des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und ande-rer Gesetze vom 19. Dezember 2007 ([X.] I S. 3024) greift nicht ein. Der [X.] hat bereits entschieden, dass diese Regelung keine Anwendung auf Fälle findet, in denen das Insolvenzverfahren vor dem 1. Januar 2008 eröffnet [X.] ist ([X.], [X.]. v. 27. März 2008 - [X.] ZR 210/07, [X.], 747, 748 Rn. 7 ff). Auf die dortige Begründung wird Bezug genommen. Anlass von dieser Entscheidung abzuweichen besteht nicht. Ganter [X.] [X.]

[X.] Pape

Vorinstanzen: [X.]. [X.], Entscheidung vom 10.03.2006 - 915 [X.]/05 - [X.], Entscheidung vom 29.06.2007 - 303 S 8/06 -

Meta

IX ZR 130/07

20.11.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2008, Az. IX ZR 130/07 (REWIS RS 2008, 725)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 725

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