Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.05.2019, Az. I ZB 83/18

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 7445

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Gegenstand

Kostenfestsetzung: Erstattungsfähigkeit der Patentanwaltskosten bei nur hilfsweiser Geltendmachung kennzeichenrechtlicher Ansprüche - Kosten des Patentanwalts V


Leitsatz

Kosten des Patentanwalts V

Werden in erster Linie nichtkennzeichenrechtliche Ansprüche (hier: namensrechtliche Ansprüche) und hilfsweise kennzeichenrechtliche Ansprüche (hier: markenrechtliche Ansprüche) geltend gemacht, können die Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts entstanden sind, nach § 104 ZPO in Verbindung mit § 140 Abs. 3 MarkenG gegen den Prozessgegner nur festgesetzt werden, wenn über die kennzeichenrechtlichen Hilfsansprüche eine gerichtliche Entscheidung mit einer entsprechenden Kostengrundentscheidung zugunsten desjenigen ergangen ist, der die Kostenfestsetzung beantragt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des [X.] - 6. Zivilsenat - vom 8. Oktober 2018 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 27. September 2016 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die von dem Beklagten an den Kläger nach dem Urteil des [X.] vom 7. Juni 2016 zu erstattenden Kosten werden auf 7.601,69 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 16. Juni 2016 festgesetzt.

Die Kosten der Rechtsmittel trägt der Kläger.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 4.066,29 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger hat den Beklagten wegen Namensrechtsverletzung und hilfsweise wegen Verletzung einer Unionsmarke auf Unterlassung der Benutzung mehrerer Zeichen, Löschung eines Facebook-Accounts, Auskunftserteilung, Schadensersatzfeststellung sowie Ersatz von Abmahnkosten und immaterieller Schäden in Anspruch genommen. Für ihn hat im Rechtsstreit erster Instanz neben seinem Prozessbevollmächtigten ein in derselben Sozietät tätiger Patentanwalt mitgewirkt. Das [X.] hat der Klage nach dem Hauptantrag weit überwiegend stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt.

2

Das [X.] hat die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten erster Instanz auf insgesamt 11.667,98 € nebst Zinsen festgesetzt; darin sind vom Kläger zur Festsetzung angemeldete Kosten des Patentanwalts in Höhe von 4.066,29 € enthalten. Die gegen die Festsetzung der [X.] gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

3

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter, den angefochtenen [X.]sbeschluss aufzuheben, soweit darin [X.] gegen ihn festgesetzt worden sind.

4

II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, nach § 140 Abs. 3 [X.], der gemäß § 125e Abs. 5 [X.] entsprechend für Streitigkeiten wegen Verletzung einer Unionsmarke gelte, seien die durch die Mitwirkung des Patentanwalts entstandenen Kosten zu erstatten. Der Umstand, dass der Kläger die Klage vorrangig auf eine Verletzung des Namensrechts gestützt und nur hilfsweise Ansprüche wegen einer Verletzung der Unionsmarke geltend gemacht habe, stehe nicht entgegen. Auch bei einer hilfsweisen Klagehäufung würden die markenrechtlichen Ansprüche nicht erst Gegenstand der Klage, sobald das Gericht den vorrangig geltend gemachten Klagegrund nicht für durchgreifend erachte. Die Parteien hätten vielmehr bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils Veranlassung, sich mit den hilfsweise geltend gemachten Ansprüchen zu befassen. Dies gelte auch dann, wenn - wie im Streitfall - über die markenrechtlichen Ansprüche keine Entscheidung ergehe. Bei Vorliegen einer Kennzeichenstreitsache sei im [X.]sverfahren nicht zu prüfen, ob die Mitwirkung eines Patentanwalts im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO erforderlich gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei dies mit Art. 3 Abs. 1 Satz 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/[X.] zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vereinbar. Es bestehe auch keine Veranlassung, zur Frage der Verhältnismäßigkeit des § 140 Abs. 3 [X.] das [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG anzurufen.

5

III. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Dabei bedarf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die Vorschrift des § 140 Abs. 3 [X.] mit dem Verfassungs- und dem Unionsrecht vereinbar ist, keiner Entscheidung. Die Vorschrift gelangt im vorliegenden [X.]sverfahren nicht zur Anwendung.

6

1. Nach § 140 Abs. 3 [X.] (seit 14. Januar 2019: § 140 Abs. 4 [X.]) sind von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Kennzeichenstreitsache entstehen, die Gebühren nach § 13 [X.] und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten. Diese Vorschrift ist gemäß § 125e Abs. 5 [X.] auf Verfahren vor den [X.] entsprechend anzuwenden. [X.] sind im [X.]sverfahren nach § 104 ZPO gegen den Kostenschuldner festzusetzen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. April 2007 - [X.], [X.], 999 Rn. 16 f. = WRP 2007, 1205 - Consulente in marchi).

7

2. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die in der Hauptsache vom Kläger geltend gemachten namensrechtlichen Ansprüche keine [X.] darstellen (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 2006 - I ZR 231/01, [X.], 158 Rn. 15 = [X.], 90 - segnitz.de; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 140 Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 140 [X.] Rn. 15; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 140 Rn. 10). Auf [X.] ist die Vorschrift des § 140 Abs. 3 [X.] deshalb nicht anwendbar.

8

3. Bei den vom Kläger hilfsweise geltend gemachten, auf die Verletzung einer Unionsmarke gestützten Ansprüchen handelt es sich allerdings um [X.]. Davon ist das Beschwerdegericht zu Recht ausgegangen.

9

4. Die dem Kläger im Streitfall entstandenen [X.] sind nicht nach § 140 Abs. 3 [X.] erstattungsfähig.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist hinsichtlich der durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Kennzeichenstreitsache entstandenen Kosten nicht zu prüfen, ob die Mitwirkung des Patentanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig war. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Patentanwalt gegenüber dem Rechtsanwalt eine "Mehrleistung" erbracht hat (vgl. [X.], Beschluss vom 3. April 2003 - [X.], [X.], 639, 640 [juris Rn. 13 und 17] = WRP 2003, 755 - Kosten des Patentanwalts I; Urteil vom 24. Februar 2011 - [X.], [X.], 754 Rn. 17 = [X.], 1057 - Kosten des Patentanwalts II; Urteil vom 21. November 2011 - [X.], [X.], 756 Rn. 20 - Kosten des Patentanwalts III; Urteil vom 10. Mai 2012 - [X.], [X.], 759 Rn. 11 - Kosten des Patentanwalts IV). Es kann im Streitfall offenbleiben, ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann.

b) Die Erstattungsfähigkeit der [X.] nach diesen Maßstäben setzt voraus, dass über die kennzeichenrechtlichen Ansprüche, für die die Vorschrift des § 140 Abs. 3 [X.] gilt, entschieden worden und eine darauf bezogene [X.] zugunsten des Klägers ergangen ist. Daran fehlt es im Streitfall.

aa) Das [X.]sverfahren setzt gemäß § 103 Abs. 1 ZPO eine [X.] voraus, auf deren Grundlage die Höhe der zu erstattenden Kosten festgesetzt wird. Die [X.] rechtfertigt eine [X.] zugunsten des Kostengläubigers nur, soweit ihre formale Reichweite die anwaltliche Tätigkeit erfasst, deren Kosten der Kostengläubiger zur Festsetzung angemeldet hat. So scheidet die Festsetzung von Kosten aus, die von der Kostenentscheidung zeitlich nicht erfasst werden. Deshalb können außergerichtliche Kosten nicht festgesetzt werden, wenn sie nach der die [X.] enthaltenden gerichtlichen Entscheidung entstanden sind (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Februar 2017 - [X.] 43/16, [X.] 2017, 344, 346 Rn. 10). Die [X.] rechtfertigt eine [X.] auch dann nicht, wenn sie die zur Festsetzung angemeldeten Gebühren inhaltlich nicht erfasst (vgl. [X.], [X.] 2017, 344, 345 f. Rn. 8). So liegt der Fall hier.

bb) Entgegen der Ansicht des [X.] kann im Streitfall die [X.] nicht bereits deshalb Grundlage für die beantragte [X.] sein, weil die hilfsweise geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche Gegenstand der Klage waren. Dieser Umstand ist für die Frage unerheblich, ob die [X.] festsetzungsfähig sind. Es ist dafür auch nicht von Bedeutung, dass beide Parteien Veranlassung hatten, zu den hilfsweise geltend gemachten Ansprüchen vorzutragen. Maßgeblich ist allein, dass die [X.] nur diejenigen Ansprüche erfasst, über die eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist. Wird über hilfsweise geltend gemachte Ansprüche nicht entschieden, werden sie von der [X.] nicht erfasst.

(1) Im Falle einer Klagehäufung von [X.] und kennzeichenrechtlichen Streitgegenständen können Patentanwaltsgebühren nur aus dem Teilstreitwert erstattet werden, der auf die Kennzeichenstreitsache entfällt (vgl. [X.], [X.], 79, 80 [juris Rn. 15 f.]; [X.]/[X.] aaO § 140 Rn. 60; Ekey in Ekey/[X.]/Fuchs-Wissemann, Markenrecht, 3. Aufl., § 140 [X.] Rn. 40; [X.]/[X.]/[X.] aaO § 140 [X.] Rn. 27; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 140 Rn. 69). Die Erstattungsfähigkeit der [X.] setzt außerdem voraus, dass hinsichtlich der kennzeichenrechtlichen Ansprüche zugunsten desjenigen entschieden wird, der die Kostenerstattung beansprucht, und dieser Umstand in die Kostenentscheidung einfließt ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 140 Rn. 69).

(2) Danach kann im Fall einer eventuellen Klagehäufung § 140 Abs. 3 [X.] nur zur Anwendung gelangen, wenn über die hilfsweise geltend gemachten kennzeichenrechtlichen Ansprüche entschieden wird. Nur in diesem Fall werden die kennzeichenrechtlichen Ansprüche gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG bei der Streitwertfestsetzung und der Kostenentscheidung berücksichtigt.

(3) Allerdings wird die Ansicht vertreten, dass [X.] auch dann nach § 140 Abs. 3 [X.] erstattungsfähig sind, wenn die Klage auf nichtkennzeichenrechtlicher Grundlage Erfolg hat und über einen hilfsweise geltend gemachten kennzeichenrechtlichen Anspruch nicht entschieden wird ([X.], [X.] 2006, 735, 736 f. [juris Rn. 11]; zu § 52 Abs. 4 [X.]: [X.], [X.], 184 [juris Rn. 3]) oder wenn ein Anspruch nur auf nichtkennzeichenrechtlicher (wettbewerbsrechtlicher), nicht dagegen auf kennzeichenrechtlicher (markenrechtlicher) Grundlage besteht ([X.], [X.] 2006, 735, 737 [juris Rn. 12 und Rn. 19]). Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. Ein solches Ergebnis liefe dem Grundsatz zuwider, dass zur Kostenerstattung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur verpflichtet ist, wer mit seiner Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung keinen Erfolg gehabt hat. Eine Erstattung von [X.] nach § 140 Abs. 3 [X.] kann danach nur beanspruchen, wer bezogen auf kennzeichenrechtliche Ansprüche im Rechtsstreit obsiegt hat.

(4) Das [X.] hat der Klage auf namensrechtlicher Grundlage stattgegeben und über die hilfsweise geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche nicht entschieden. Deshalb war der Streitwert der kennzeichenrechtlichen Ansprüche nicht nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem [X.] zusammenzurechnen. Damit waren allein die namensrechtlichen und nicht die kennzeichenrechtlichen Ansprüche streitwertbestimmend und maßgeblich für die Kostenentscheidung. Danach fehlt es für eine Festsetzung von [X.] gegen den Beklagten an der erforderlichen, auf eine Kennzeichenrechtssache bezogenen [X.].

5. Dass die Kosten der Mitwirkung des Patentanwalts neben seinem Prozessbevollmächtigten unabhängig von § 140 Abs. 3 [X.] für die Rechtsverfolgung hinsichtlich der namensrechtlichen Ansprüchen notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO waren, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

IV. Nach alledem ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, da die Aufhebung der Entscheidung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Dementsprechend ist der [X.]sbeschluss des [X.]s teilweise abzuändern. Die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten erster Instanz sind auf 7.601,69 € nebst Zinsen festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Schaffert     

      

Löffler

      

Schwonke     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZB 83/18

09.05.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 8. Oktober 2018, Az: 6 W 339/18

§ 91 ZPO, § 104 ZPO, § 140 Abs 3 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.05.2019, Az. I ZB 83/18 (REWIS RS 2019, 7445)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1343-1345 REWIS RS 2019, 7445


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 83/18

Bundesgerichtshof, I ZB 83/18, 09.05.2019.


Az. 6 W 339/18

OLG München, 6 W 339/18, 08.10.2018.


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