Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.07.2003, Az. 5 StR 221/03

5. Strafsenat | REWIS RS 2003, 2036

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

Nachschlagewerk: jaBGHSt: [X.] : jaStGB § 266a Abs. 1;GmbHG § 64Unterläßt der Verantwortliche während des Laufs der Insolvenz-antragsfrist nach § 64 Abs. 1 GmbHG die Abführung von [X.] an die Sozialversicherung, macht er sichnicht nach § 266a Abs.1 StGB strafbar.Die Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 StGB verlangt auch danndie vorrangige Abführung von [X.], [X.] Zahlung möglicherweise im Insolvenzverfahren später ange-fochten werden kann (im Anschluß an BGHSt 47, 318).BGH, Beschluß vom 30. Juli 2003 - 5 StR 221/03 [X.] -5 StR 221/03BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSvom 30. Juli 2003in der Strafsachegegenwegen vorsätzlicher Konkursverschleppung u.a.- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 30. Juli 2003beschlossen:1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das [X.] [X.] vom 14. Januar 2003, so-weit es ihn betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPOa) aufgehoben bezüglich der Fälle 3, 4, 6, 7, 9, 10, 12und 13 der Urteilsgründe; hinsichtlich dieser Fällewird der Angeklagte freigesprochen; insoweit trägtdie Staatskasse die Kosten des Verfahrens und dienotwendigen Auslagen des [X.]) im übrigen dahin abgeändert, daß der Angeklagte[X.]wegen vorsätzlicher Konkursverschleppungund Vorenthaltens von [X.] invier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von [X.] verurteilt wird, deren Vollstreckungzur Bewährung ausgesetzt ist.2. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verwor-fen. Der Angeklagte trägt die verbleibenden [X.] Revisionsverfahrens.[X.][X.] hat den allein revidierenden Angeklagten [X.]we-gen vorsätzlicher Konkursverschleppung und Vorenthaltens von [X.] in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun [X.] 3 -ten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausge-setzt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Sachrüge. Die [X.] in dem aus dem [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigenist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.I.Nach den Feststellungen des [X.] war der [X.] ebenso wie der Mitangeklagte O [X.] [X.]er und Mitge-schäftsführer der [X.]& [X.]G , die im Jahre 1993 gegründet wur-de und deren Geschäftsgegenstand die Durchführung von Zimmerer- [X.] war. Im Zuge der allgemeinen Wirtschaftskrise im [X.] geriet das Unternehmen im Jahr 1997 in wirtschaftliche Schwierig-keiten; es war spätestens mit Ablauf des 30. September 1997 zahlungsunfä-hig und erheblich überschuldet. Obwohl der Angeklagte die Zahlungsunfä-higkeit erkannte, stellten er und der Mitangeklagte [X.]keinen Insol-venzantrag. Sie veräußerten im Notartermin vom 5. Dezember 1997 ihre Ge-schäftsanteile an die [X.], die von einem sogenannten —Firmen-beerdigerfi beherrscht wurde. Dessen Funktion bestand im wesentlichendarin, durch Sitz- und Firmenänderungen die Gläubiger der [X.] fak-tisch abzuschütteln und sie zur Aufgabe der Verfolgung ihrer Ansprüche zuveranlassen. Im Notartermin wurden der Angeklagte und der Mitangeklagte [X.]als Geschäftsführer abberufen und durch den [X.]ersetzt.Der Angeklagte unterließ es ebenso wie der Mitangeklagte O , die Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherungsträger abzuführen.Dies betraf gegenüber jeweils unterschiedlichen gesetzlichen Krankenkassendie Beiträge für Oktober 1997 (Fälle 2, 5, 8 und 11 der Urteilsgründe), [X.] 1997 (Fälle 3, 6, 9 und 12) und für Dezember 1997 (Fälle 4, 7, 10und 13). Die O & [X.]G hat dadurch Beitragsrückstände in [X.] etwa 23.000 DM auflaufen lassen. Nach den Feststellungen des [X.] -richts verfügte sie jedenfalls bis 17. Dezember 1997 auf ihrem Ge-schäftskonto über einen Betrag in Höhe von 18.000 DM, bevor der Mitange-klagte [X.]diese Summe auf das Konto eines anderen, von ihm be-herrschten Unternehmens überwies.II.Die Revision des Angeklagten führt zu einem [X.] hinsicht-lich des Vorwurfs der Nichtabführung von [X.] an die [X.] und Dezember 1997 und folglichzu einer Herabsetzung der Gesamtstrafe.1. Ohne Rechtsfehler hat das [X.] den Angeklagten wegenvierer tatmehrheitlich begangener Vergehen des Vorenthaltens von Sozial-versicherungsbeiträgen nach § 266a Abs. 1 StGB verurteilt, soweit er [X.] für Oktober 1997 nicht an die jeweiligen Sozialversi-cherungsträger abgeführt hat.a) Einer Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB steht nicht entgegen,daß nach den Feststellungen des [X.] die O & [X.] G bereits seit 30. September 1997 zahlungsunfähig [X.]) Allerdings bedeutet der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, den [X.] nach den [X.] Feststellungen des [X.] er-kannt hat, daß der Geschäftsführer nach § 64 Abs. 1 GmbHG unverzüglich,spätestens aber nach drei Wochen, die Eröffnung des [X.] beantragen müssen. Diese [X.] des § 64 Abs. 1 GmbHGist eine Höchstfrist, die mit der Kenntnis des Organs beginnt (BGHZ 75, [X.] f.). Sie dient dazu, den Organen der [X.] noch die Möglichkeitzu geben, Sanierungsversuche durchzuführen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], GmbHG 4. Aufl. § 64 [X.]. 12 ff.; [X.]/[X.], GmbHG 17. Aufl. § 64 [X.]. 44). Deshalb ist der [X.] 5 -venzantrag dann früher zu stellen, wenn sich bereits vor Ablauf der [X.] ersehen läßt, daß mit einer fristgerechten Sanierung nichternstlich zu rechnen ist.bb) Während des Laufs der [X.] des§ 64 Abs. 1 GmbHG ist [X.] wie sich aus dem besonderen Zweck der [X.] des § 64 Abs. 2 GmbHG ergibt [X.] die verteilungsfähige [X.] einer [X.] GmbH im Interesse der Gesamtheit [X.] zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Be-friedigung einzelner Gläubiger zu verhindern ([X.], 184, 188 f.; 146,264, 274 f.). Dementsprechend hat der Gesetzgeber, um den Schutz [X.] zu verstärken, in § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eine persönli-che Haftung der Geschäftsführer für den Fall angeordnet, daß nach [X.] Insolvenzreife Zahlungen der [X.] geleistet werden.Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers hat Auswirkungen auf die Aus-legung des § 266a Abs. 1 StGB. Der Gedanke der Sicherung der Masse istim Rahmen der den Geschäftsführern eingeräumten zeitlichen Zwischenpha-se für Sanierungsbemühungen im Hinblick auf [X.] beachten. Da die Sozialversicherungsbeiträge im hier in Betracht [X.] (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 3b [X.]) nichtdenselben absoluten Vorrang [X.] wie außerhalb des Gesamtvollstreckungs-verfahrens durch § 266a Abs. 1 StGB [X.] genießen, würde eine Zahlung [X.] letztlich die Masse schmälern. Dieses Ergebnis wäremit dem Schutzzweck des § 64 Abs. 2 GmbHG nicht vereinbar, der die Mas-sesicherung und -erhaltung gewährleisten soll (vgl. [X.] [X.] 2003, 604m.w.[X.]). Dazu stünde aber die strafbewehrte Pflicht zur Zahlung von [X.] in Widerspruch. Dieser ist nach dem auch hier [X.] der Einheitlichkeit der Rechtsordnung dadurch aufzulösen, daßdie Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG während des Laufs der [X.] die Nichtabführung der Arbeitnehmerbeiträge [X.] ist die Bestimmung des § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG als [X.] gegen den Geschäftsführer ausgestaltet. Jedoch setzt dies voraus[X.] um im Wege einer zivilrechtlichen Sanktion zu einem entsprechenden [X.] zu kommen [X.], daß es einen Normbefehl gibt, dessen Verlet-zung in Form eines [X.] kompensiert wird. Auch wenn [X.] der Massesicherung und -erhaltung nur in der negativen Form, [X.] für den Verletzungsfall formuliert ist, steht dies deshalbder Annahme einer Rechtfertigung auch in strafrechtlicher Hinsicht nicht ent-gegen. Da der Geschäftsführer sich nach § 266a Abs. 1 StGB im Falle einerNichtzahlung deshalb weder strafbar macht noch zivilrechtlich für die Nicht-abführung der Beiträge in Anspruch genommen werden kann [X.] es entstehenkeine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a Abs. 1 StGB [X.], [X.] er sich in keiner Pflichtenkollision, wenn er die [X.] nicht abführt. Dementsprechend kann der Geschäftsführer, wenn [X.] zahlt, sich nicht ohne weiteres darauf berufen, mit der Sorgfalt einesordentlichen Kaufmanns im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG gehandeltzu haben ([X.], 264, 275).cc) Läßt der Geschäftsführer die Frist für die Stellung des [X.] verstreichen, fällt diese sich aus § 64 Abs. 2 GmbHG ergebendeRechtfertigung weg. Dies gilt namentlich dann, wenn die Insolvenzreife [X.] fortbesteht. Die aus § 64 Abs. 2 GmbHG hergeleitete Recht-fertigung knüpft nämlich nicht an der Insolvenzreife des Unternehmens ansich an, sondern sie privilegiert lediglich die noch aussichtsreichen [X.] nach Eintritt der Krise, und zwar beschränkt auf einen Zeit-raum von höchstens drei Wochen. Daraus folgt, daß die Nichtbeachtung derstrafbewehrten Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge nach [X.] Frist nicht mehr gerechtfertigt ist. Soweit noch verfügbare Mittel des [X.] zur Verfügung stehen, sind diese dann in erster Linie für die [X.] im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB einzu-setzen. Der [X.] hält an seiner Rechtsprechung fest, daß sich aus der- 7 -Strafbewehrung der Nichtabführung von [X.] nach§ 266a Abs. 1 StGB deren Vorrang ergibt (BGHSt 47, 318, 321).(1) Soweit in der Literatur ([X.] NStZ 2003, 154, 156; [X.] 2002,521, 522) diese Vorrangrechtsprechung kritisiert wird, vermögen die vorge-brachten Einwände nicht zu überzeugen. Weshalb ein Vorrangverhältnis nurdurch außerstrafrechtliche Normen (insbesondere des Zivilrechts oder desöffentlichen Rechts) begründet werden kann (so aber [X.] aaO), ist nichtnachvollziehbar. Vielmehr gebietet gerade die strafrechtliche Beurteilung ei-ne Prüfung, ob trotz tatbestandlicher Verwirklichung eines Strafgesetzes (hier§ 266a Abs. 1 StGB) die Strafbarkeit entfallen kann. In Betracht käme [X.] vonschuldbeseitigenden Gesichtspunkten abgesehen [X.] nur der Rechtfertigungs-grund einer Pflichtenkollision. Hierfür wäre aber erforderlich, daß die [X.] gleichgewichtig sind (vgl. [X.] in [X.]/[X.], StGB 26. Aufl.[X.]. §§ 32 ff. [X.]. 71 ff. m.w.[X.]). Daran fehlt es indes, wenn die Nicht-erfüllung der alternativen Verbindlichkeiten nicht strafbewehrt ist.Entgegen der Auffassung von Tag (aaO) stützt weiterhin die [X.] § 266a Abs. 6 (früher Abs. 5) StGB dieses Ergebnis. Ersichtlich regeltnämlich Satz 1 Nr. 2 dieses Absatzes nicht den (tatbestandsausschließenden[X.] vgl. BGHSt 47, 318, 320) Fall, daß überhaupt keine finanziellen Mittel mehrvorhanden sind, sondern den Sachverhalt, daß diese in für den [X.] notwendige Zahlungen geflossen sind (vgl. [X.]/[X.] in[X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 266a [X.]. 23). Da der Gesetzgeber fürdiese Fallkonstellation nur einen fakultativen Strafbefreiungsgrund normierthat, erlaubt dies wiederum den Schluß, daß er in der Begleichung andererVerbindlichkeiten weder einen Tatbestandsausschluß noch eine Rechtferti-gung gesehen hat, mithin diese Verbindlichkeiten ungeachtet ihrer wirtschaft-lichen Bedeutung für den Betrieb als rangniedriger eingestuft hat. Aus derBeschränkung der Strafbewehrung allein auf die Arbeitnehmerbeiträge läßtsich ebenfalls kein Argument gegen die Vorrangrechtsprechung des [X.]sherleiten.- 8 -(2) Es besteht auch kein Wertungswiderspruch zur [X.]. Zivilsenats des [X.] (BGHZ 149, 100 ff.; [X.] 2003,1666 ff.). Das entspricht im übrigen auch der eigenen Auffassung dieses Se-nats (kritisch hierzu [X.] [X.] 2003, 360, 364). Der [X.]. [X.] selbst darauf hin, daß die Vorrangrechtsprechung des [X.] Zeitraum betreffe, der dem Insolvenzverfahren vorgelagert sei; für [X.] komme der Regelung des § 266a Abs. 1 StGB aber nichtdie Bedeutung zu, daß der Sozialversicherungsträger die [X.] bevorzugt behalten dürfe (BGH [X.] 2003, 1666, 1668).Dieser Auffassung tritt der [X.] bei. Zum Vorfeld des [X.] hat der Gesetzgeber für die Erfüllung der Pflicht zur Abführung [X.] den besonderen strafrechtlichen Schutz nach§ 266a Abs. 1 StGB vorgesehen, wobei der Arbeitgeber einer Strafbarkeitnur unter den engen Voraussetzungen des § 266a Abs. 6 StGB entgehenkann. Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber die Zahlung sicherstellen,weil erfahrungsgemäß in der sich abzeichnenden oder eingetretenen [X.] anderenfalls gerade die Ansprüche der Sozialkassen häufig nichtbedient würden. Der Arbeitgeber hat gerade an derartigen Zahlungen regel-mäßig kein Eigeninteresse. Dies würde zu einem ganz erheblichen Ausfallbei den Sozialkassen führen. Anders ist dagegen die Situation im Insolvenz-verfahren, das innerhalb eines förmlichen Rahmens abzuwickeln und das aufeine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger unter Wahrung [X.] gerichtet ist (vgl. [X.]/[X.] [X.] 2003, 353,355 m.w.[X.]). Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt [X.] von den inzwischenauslaufenden Vorschriften des § 59 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 und§ 61 Abs. 1 KO sowie § 13 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 und § 17 Abs. 3 [X.]abgesehen [X.] gleichermaßen für private wie hoheitliche Gläubiger(BGH [X.] 2003, 1666, 1668).Abgesehen davon, daß der Insolvenzverwalter nur unter [X.] anfechten kann (vgl. § 129 Abs. 1 [X.]), besteht im [X.] 9 -venzverfahren eine hinreichende Gewähr dafür, daß die vorhandene Masseunter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verteilt wird. Die Vertei-lung der Masse bestimmt sich dementsprechend abschließend nach den [X.] (bzw. für den hier vorliegenden Altfall nachder Gesamtvollstreckungsordnung). Da aber die Interessenlage bei [X.] im Vorfeld einer Krise oder auch in der Krise eine andere ist, abhängigdavon, ob es überhaupt zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens kommt,ist auch eine unterschiedliche gesetzliche Regelung für beide Sachverhalts-konstellationen kein Wertungswiderspruch. Diese unterschiedliche Interes-senlage stellt im übrigen auch den Grund dafür dar, daß eine vorrangigeZahlungspflicht außerhalb der Insolvenz nicht notwendig zu einem Behalten-dürfen der Leistungen im Insolvenzverfahren führt.In dem hier zu entscheidenden Fall wurde nach den [X.] weder ein Insolvenzverfahren durchgeführt noch die Durchführungeines solchen irgendwann beantragt. Auch aus diesem Grund ist eineKollision mit der Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.]hier ausgeschlossen.b) Da der Angeklagte das Unternehmen über die [X.]hinaus weiterbetrieb, mußte er die Arbeitnehmerbeiträge aus den noch vor-handenen Mitteln abführen. Der Umstand, daß die O & [X.]G ab30. September 1997 zahlungsunfähig war und der Angeklagte dies wußte,führt hier lediglich zu einer Unterbrechung der Zahlungspflicht nach§ 64 Abs. 1 GmbHG von längstens drei Wochen. Die [X.], [X.] spätestens 15. November 1997 fällig waren (vgl. § 23 [X.]), hätte [X.] bis zu diesem Zeitpunkt an die jeweiligen [X.] müssen.aa) Ausreichende Gelder waren trotz Zahlungsunfähigkeit und Über-schuldung noch vorhanden. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nämlich, daßauf dem [X.] der O & [X.]G noch 18.000 DM verfüg-- 10 -bar waren, die hier vorrangig für die Begleichung der Sozialverbindlichkeitenhätten verwendet werden müssen.bb) Der Angeklagte [X.] war als Geschäftsführer strafrechtlich ver-antwortlich (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) für die Erfüllung der [X.] Pflichten. Allein der Umstand, daß er mehr den technischenBereich des Unternehmens betreut hat, berührt [X.] wie das [X.] zu-treffend erkannt hat [X.] hier seine Verantwortlichkeit nicht. Er hatte [X.] den Feststellungen des [X.] durch betriebswirtschaftlicheAuswertungen Kenntnis über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens.Ihm war damit auch die Krisensituation des Unternehmens klar. Der Ange-klagte durfte deshalb die Regelung der finanziellen Belange nicht mehr sei-nem Mitgeschäftsführer [X.]überlassen (vgl. BGHSt 37, 106, 125;BGH NStZ 1997, 125, 126 f.).c) Zutreffend ist das [X.] hinsichtlich der Beitragsvorenthaltunggegenüber mehreren Kassen von jeweils selbständigen Taten im Sinne des§ 53 Abs. 1 StGB ausgegangen. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge(§ 28d [X.]) sind an die jeweiligen gesetzlichen Krankenkassen abzufüh-ren, die nach § 28h [X.] die [X.] für den Gesamtsozialversiche-rungsbeitrag bilden. Im vorliegenden Fall waren die Mitarbeiter der [X.]& [X.]G bei vier unterschiedlichen Krankenkassen versichert.Dies bedeutet, daß die Zahlungen gegenüber vier verschiedenen Kranken-kassen jeweils durch eine eigenständige Handlung vorzunehmen waren. [X.] der Umstand, daß die Zahlungen zum selben Termin fällig werden undauf demselben Rechtsgrund beruhen, verbindet die Verletzung gegenüberunterschiedlichen Adressaten vorzunehmender [X.] nicht zueiner tateinheitlichen Handlung (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.],StGB 26. Aufl. § 266a [X.]. 28).2. Hinsichtlich der weiteren Fälle der Nichtabführung von [X.] in den Monaten November 1997 und Dezember 1997- 11 -(Fälle 3, 4, 6, 7, 9, 10, 12 und 13 der Urteilsgründe) war der Angeklagtefreizusprechen. Insoweit läßt sich nicht ausschließen, daß der Ange-klagte zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten (15. Dezember 1997 [X.] Januar 1998) zumindest subjektiv davon ausging, nicht mehr [X.] der [X.]& [X.]G gewesen zu sein.a) Das [X.] leitet eine fortdauernde Verantwortlichkeit des [X.] daraus ab, daß die Geschäftsanteilsveräußerung entsprechend§ 241 Nr. 4 AktG nichtig und damit auch seine darauf gestützte [X.] Geschäftsführer unwirksam gewesen sei.b) Der [X.] kann dahinstehen lassen, ob die Auffassung des Land-gerichts zutrifft. Selbst wenn nämlich der rechtliche Ansatzpunkt des Landge-richts richtig wäre, daß die Geschäftsanteilsabtretung ungeachtet ihresneutralen Charakters wegen der hier konkret beabsichtigten Gläubigerbe-nachteiligung mit Wirkung inter omnes (vgl. zu den Anforderungen [X.],[X.]. § 241 [X.]. 24) nichtig wäre, dann hätte dies nicht zwangsläufigdie Folge, daß der Angeklagte seine Geschäftsführerstellung beibehaltenhätte. In den Verhandlungen um die einvernehmliche Abberufung der [X.] könnte hier nämlich zugleich eine Niederlegung dieses Amtsdurch den Angeklagten selbst gesehen werden. Ersichtlich erfolgte die Auf-gabe seiner organschaftlichen Funktion mit dem Willen des Angeklagten. [X.] derartigen Fallkonstellation liegt es deshalb nahe, aus dem [X.] eine jedenfalls auch einseitige Niederlegung der [X.] in Betracht zu ziehen (vgl. [X.], 183; [X.] 2003, 602mit Anm. [X.]). Dies entspräche auch dem Interesse des Angeklagten,das gerade darauf gerichtet war, sich der [X.] als Geschäftsfüh-rer der O & [X.]G zu entledigen.Eine entsprechende einseitige Niederlegung ist grundsätzlich wirksam([X.], 257). Eine Ausnahme hat der [X.] allenfalls dannangenommen, wenn durch die einseitige Niederlegung die insolvenzrechtli-- 12 -chen Pflichten beeinträchtigt werden, insbesondere die notwendige Stellungeines Insolvenzantrages dadurch umgangen werden könnte (vgl. BGHSt 2,53, 54). Zwar war die O & [X.]G hier konkursreif. Es ist aberfraglich, ob die von der Rechtsprechung gemachte Ausnahme auch dannanzuerkennen wäre, wenn die GmbH durch einen anderen [X.] wird und damit eine Leitungsverantwortung gewährleistet ist(vgl. zum Streitstand [X.] in [X.]/[X.], GmbHG17. Aufl. § 64 [X.]. 41; [X.] in [X.]/[X.],GmbHG 64. Aufl. [X.]. 21). Maßgebliche Erwägung ist hierbei nämlich, daßin der wirtschaftlichen Krisensituation die [X.] nicht ohne organ-schaftlich Verantwortlichen bleiben darf, weil dann die Einhaltung der in [X.] maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Pflichten nicht gewährleistet wer-den könnte. Ob diese Ausgangslage auch bei einer [X.] gegeben sein kann, in der ein mit der wirtschaftlichen Situation der [X.] Vertrauter als neuer Geschäftsführer bestellt wird, kann [X.] offenbleiben.c) Im vorliegenden Fall sind die subjektiven Voraussetzungen vom[X.] nicht näher belegt. Selbst wenn nämlich bei dem [X.] fortdauernde [X.] gegeben wäre, führte dies nur dann zueiner Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB, wenn der Angeklagte trotz [X.] Abberufung seine Stellung als nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB Verantwortli-cher erkannt hätte. Dies versteht sich nicht von selbst. Eine solche Annahmewürde nämlich voraussetzen, daß der Angeklagte eine juristische Wertungvorgenommen hat, die einem juristischen Laien nicht ohne weiteres unter-stellt werden kann (vgl. BGHSt 48, 108, 117 f.; BGHR AÜG § 9 [X.] 1).Ausgehend von der Auffassung des [X.], das hier die [X.] im Hinblick auf § 241 Nr. 4 AktG und sämtlichedarauf aufbauende Folgegeschäfte als unwirksam angesehen hat, hätte [X.] nämlich das Wissen nicht nur um die tatsächlichen Grundlagen- 13 -haben, sondern zugleich damit rechnen müssen, daß die in Anwesenheit derAlt- und Neugesellschafter geführten Verhandlungen im Notartermin vom5. Dezember 1997 nicht zu einem Verlust seiner Geschäftsführerfunktiongeführt hätten. Da die Fortdauer der [X.] als [X.] der Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 i. V. m. § 14Abs. 1 Nr. 1 StGB ist, unterlag der Angeklagte nach § 16 Abs. 1 StGB einemTatbestandsirrtum, wenn er davon ausging, daß die im Notartermin erfolgteAbberufung auch rechtlich seine Verantwortlichkeit erlöschen ließ (vgl.BGHR StGB § 16 Abs. 1 Umstand 1, 2). Eine nur vorsätzlich zu begehendeBeitragsvorenthaltung nach § 266a Abs. 1 StGB hätte deshalb vorausge-setzt, daß der Angeklagte die Unwirksamkeit seiner [X.] Geschäftsführer erkannt hätte, weil er überhaupt nur dann [X.] strafbewehrten [X.] hätte ausgehen müssen (vgl.BGHSt 48, 108, 117 f.; BGHR AÜG § 9 Unerlaubte Arbeitnehmerüberlas-sung 1). Diese hier gebotene Prüfung hat das [X.] unterlassen.d) Dieser Mangel führt hier zu einem Freispruch hinsichtlich der [X.] acht Fälle, bei denen der Fälligkeitszeitpunkt für die Abführungder Sozialversicherungsbeiträge nach dem 5. Dezember 1997 lag. Dies [X.] die Verletzung der Abführungspflichten für die Monate November [X.] 1997, weil deren Fälligkeit jeweils am 15. des Folgemonats ein-trat.Das [X.] hat zur Kenntnis des Angeklagten über die [X.] der Abberufung keine Feststellungen getroffen. Dies nötigt im vorliegen-den Fall nicht zur Aufhebung der Sache und zur Zurückverweisung, weil der[X.] ausschließen kann, daß ein neuer Tatrichter noch zureichende Fest-stellungen treffen könnte, die eine Verurteilung wegen vorsätzlicher [X.] nach § 266a Abs. 1 StGB für diese Monate tragen könnten.Die Tatbegehung liegt bereits nahezu sechs Jahre zurück, weshalb eine Re-konstruktion des [X.] des Angeklagten nicht mehr zu erwartenist. Im übrigen ist es gerade im Hinblick auf den Angeklagten, der als ge-- 14 -lernter Bautischler hauptsächlich für den technischen Bereich des Unterneh-mens verantwortlich war, eher fernliegend, daß dieser die in einem Notarter-min erfolgte Abberufung als Geschäftsführer für unwirksam angesehen ha-ben sollte. Da auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß [X.] sich in der Folgezeit weiter um die Belange des [X.] hat, sprechen die Gesamtumstände dafür, daß der Angeklagtevon der Wirksamkeit seiner Abberufung ausgegangen ist.3. Der [X.] führt zu einer Änderung der Gesamtstrafe. Diesesetzt der [X.] hier selbst auf sieben Monate Gesamtfreiheitsstrafe fest. [X.] auf die rechtskräftige Einsatzstrafe von sechs Monaten Freiheits-strafe (wegen vorsätzlicher Konkursverschleppung) sowie die vier Einzel-geldstrafen in Höhe von jeweils 30 Tagessätzen erscheint dem [X.] auf [X.] der [X.] Strafzumessungserwägungen des Landge-richts die Verhängung einer anderen Gesamtfreiheitsstrafe ausgeschlossen.III.Eine Erstreckung der Aufhebung auf den Mitangeklagten O gemäß § 357 StPO kam bei der hier gegebenen Fallgestaltung nicht in [X.]. Soweit der Mitangeklagte [X.]ebenfalls wegen Nichtabfüh-rung von [X.] zur Sozialversicherung verurteilt wurde, lagdem ein anderer Sachverhalt zugrunde. Der Mitangeklagte [X.] hatte- 15 -nämlich ausweislich der Urteilsgründe eine von dem Mitangeklagten [X.]erteilte [X.]. Da der Mitangeklagte O damit nach§ 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB als Arbeitgeber im strafrechtlichen Sinne für [X.] der Beiträge haftet, scheidet hier schon aus diesem Grundeeine die Angeklagten [X.]und [X.]gleichermaßen betreffende Ge-setzesverletzung aus.[X.]

Meta

5 StR 221/03

30.07.2003

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.07.2003, Az. 5 StR 221/03 (REWIS RS 2003, 2036)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2036

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II ZR 61/03 (Bundesgerichtshof)


5 StR 67/05 (Bundesgerichtshof)


13 U 191/97 (Oberlandesgericht Köln)


5 StR 314/03 (Bundesgerichtshof)


II ZR 196/09 (Bundesgerichtshof)

Haftung des GmbH-Geschäftsführers: Zahlung rückständiger Umsatz- und Lohnsteuern an das Finanzamt und rückständiger Arbeitnehmeranteile zur …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.