Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2014, Az. 1 StR 302/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 8739

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 302/13

vom
15. Januar
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht

geringer Menge u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 15. Januar
2014
beschlos-sen:

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Januar 2013, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:

[X.] von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaub-tem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehr-heit mit Beihilfe zum Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel in Tateinheit mit Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung in [X.] mit [X.] von 200 Tagessätzen zu je 35 Euro verurteilt. Hiergegen wendet
sich die Angeklagte mit ihrer Revision, die sie auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge stützt. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Verfahrensrüge Erfolg.
1. Die Angeklagte erhebt die Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO.
a) [X.] liegt folgendes Geschehen zugrunde:
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Dem Urteil des [X.] ging eine Verständigung gemäß §
257c StPO voraus. Darin sicherte das [X.] der Angeklagten zu, für den Fall verhängen (vgl. hingegen zur Verpflichtung des Gerichts zur
Offenlegung des gesamten Umfangs der Rechtsfolgenerwartung vor Zustandekommen der Ver-ständigung, [X.], Beschluss vom 29.
Januar 2014

4 [X.]). Daraufhin erklärte die Angeklagte, dass sie die angeklagten Taten einräume. Eine Beleh-rung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte zu keinem Zeitpunkt. Das [X.] erachtete das Geständnis der Angeklagten für glaubhaft und hielt sich an die Verständigung, indem es eine Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen ver-hängte.
b) Die Angeklagte beanstandet, dass eine Verständigung erfolgt sei, ob-wohl ihr rechtsfehlerhaft keine Belehrung über die Voraussetzungen und Fol-gen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis der Verständigung nach § 257c Abs. 5 StPO erteilt worden sei. Ohne die Ver-ständigung hätte sie kein Geständnis abgelegt.
c) Die Rüge ist zulässig erhoben. Die Angeklagte hat einen Sachverhalt vorgetragen, der es dem Revisionsgericht ohne weiteres ermöglicht, allein auf-grund ihres Vortrags zu überprüfen, ob der gerügte Rechtsfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. nur [X.], Beschluss vom 25.
Januar 2012

1 StR 45/11; Beschluss vom 12. März 2013

2 StR 34/13, [X.], 222) und damit die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz
2 StPO erfüllt.
Soweit der [X.] den Vortrag vermisst, dass
der Ange-klagten vor ihrem Geständnis der Inhalt der vom Gesetz vorgeschriebenen Be-lehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO nicht bekannt gewesen sei, kann die Fra-4
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ge, ob ein Rechtsfehler vorliegt, im vorliegenden Fall auch ohne dies beantwor-tet werden.
aa) Unter
dem Gesichtspunkt der ausnahmsweise bestehenden [X.] zu sog. Negativtatsachen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. August 1999

3 [X.], [X.], 49, 50) lässt sich jedenfalls im vorliegenden Fall keine diesbezügliche Vortragspflicht statuieren. Dafür, dass der bisher nur einmal, nämlich im Jahre 2008, mithin vor Inkrafttreten des § 257c StPO be-straften Angeklagten der Inhalt dieser Belehrung anderweitig bekannt gewor-den sein könnte, liegen keine Anhaltspunkte vor (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom
11. April 2013

1 [X.]), so dass eine dem geltend gemachten Feh-ler möglicherweise entgegenstehende Verfahrenslage nach der konkreten Fall-gestaltung (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 25. Januar 2005

2 [X.], 657/99 und 683/99, [X.], 1999, 2003) nicht ernsthaft in Betracht kommt und schon deswegen nicht mit dem [X.] ausgeschlossen werden muss.
[X.]) Zwar wird das Beruhen des Urteils auf der fehlenden Belehrung ver-neint werden können, wenn sich feststellen lässt, dass der Angeklagte das [X.] auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte ([X.], Ur-teil vom 19. März 2013

2 BvR 2883/10
u.a., Rn. 99, [X.], 1058, 1067). Es kann offen bleiben, ob allein das Wissen um den Inhalt der Belehrung aus §
257c Abs. 5 StPO zu
belegen geeignet ist, dass das Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung durch das Gericht abgegeben worden wäre. Denn anders als beim Verstoß gegen die Belehrung über das Schweigerecht nach § 136 StPO trifft die Belehrungspflicht das Gericht. Es könnte daher für die Wahrung der Autonomie des Angeklagten durchaus von Gewicht sein, dass das hierfür zuständige Gericht die erforderliche Belehrung trotz der Verpflich-8
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tung hierzu nicht erteilt, selbst wenn er den Inhalt derselben in einem anderen Zusammenhang erfahren haben sollte.
Jedenfalls aber ist die Prüfung, ob das angefochtene Urteil auf dem gel-tend gemachten Verfahrensfehler beruht, grundsätzlich Aufgabe des [X.] von besonderen Fallkonstellationen (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 23. September 2003

1 [X.], [X.]R StPO § 338 Nr. 8, [X.] mwN; Urteil vom 20. Dezember 2012

3 [X.], [X.], 1827, 1831) abgesehen, braucht der Revisionsführer den ursächlichen Zusammen-hang zwischen dem behaupteten Rechtsverstoß und dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich darzulegen. Ein solches Erfordernis besteht auch hier nicht. Denn im Revisionsverfahren braucht der Angeklagte nicht zu behaupten und zu beweisen, dass er bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht ausgesagt hätte, er braucht sich nicht mit dem Einwand auseinanderzusetzen, dass nach der [X.] das Schweigen ein ungeeignetes Verteidigungsmittel gewesen wä-re ([X.], Beschluss vom 27. Februar 1992

5 [X.], [X.]St 38, 214, 226 f., nur insoweit verweist auch [X.] aaO).
d) Die Rüge ist auch begründet. Der von der Angeklagten gerügte Rechtsfehler liegt vor. Im Hinblick auf die negative Beweiskraft des Protokolls steht fest, dass die Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO nicht erfolgt ist. [X.] Umstand tritt die Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung nicht entge-gen. Die Angeklagte wurde daher vom Gericht nicht in die Lage versetzt, eine autonome Entscheidung über ihre Mitwirkung an der Verständigung zu treffen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 19. März 2013

2 BvR 2883/10
u.a., Rn. 99, [X.], 1058, 1067).
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Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des [X.] ausnahms-weise ein Beruhen des Urteils auf der Verletzung der
Belehrungspflicht
aus §
257c Abs. 5 StPO ausgeschlossen werden kann, liegen nicht vor (vgl. oben zu [X.]). Zudem ergibt sich aus dem Verfahrensablauf, dass das Geständnis der Angeklagten auf die Verständigung hin erfolgte, was sich auch mit ihrem Vortrag deckt. Vor diesem Hintergrund kann eine Ursächlichkeit der fehlenden Belehrung für das Prozessverhalten der Angeklagten und mithin für das Urteil, das sich auf das Geständnis der Angeklagten stützt, nicht ausgeschlossen werden.
2. Der Senat weist darauf
hin, dass auch
ein verständigungsbasiertes Geständnis der freien richterlichen Beweiswürdigung unterliegt, die in den [X.] nachvollziehbar darzustellen ist. Es ist deshalb stets zu untersu-chen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu [X.] ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr. vgl. u.a.
[X.], Beschluss vom 15. April 2013

3 StR 35/13). Im Urteil 12
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ist aber schon nicht dargestellt, was die Angeklagte zu den [X.] hat. Der
pauschale Verweis auf das Geständnis der Angeklagten ist nicht ohne weiteres
geeignet, zwei prozessual selbständige Beihilfetaten zu belegen.
Raum [X.] Jäger

Cirener Radtke

Meta

1 StR 302/13

15.01.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2014, Az. 1 StR 302/13 (REWIS RS 2014, 8739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8739

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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