Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 4 StR 575/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9386

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Gegenstand

Strafzumessung: Berücksichtigung einer möglichen Rufschädigung der Polizei durch die Eigenschaft des Täters als Polizeibeamter zur Tatzeit


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Juli 2016 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der [X.] hat keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

3

Soweit der Angeklagte geltend macht, das [X.] habe sich bei der Ablehnung seines Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Unrecht auf eigene Sachkunde berufen und dadurch gegen § 244 Abs. 4 Satz 1 [X.] verstoßen, vermag er keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Der Antrag wurde zum Beweis der Tatsache gestellt, dass in der tatrelevanten [X.] aktiv telefoniert und aktiv Internetverkehr betrieben worden sei. Das [X.] hat sich die Überzeugung davon, dass im Tatzeitraum vom Mobiltelefon des Angeklagten weder eine [X.] versandt, noch ein herausgehender Anrufversuch unternommen wurde, anhand des in die Hauptverhandlung eingeführten schriftlichen Berichts über die Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten (sog. [X.]) verschafft. Dass die darin enthaltenen Einträge ohne besondere Sachkunde verstanden werden konnten, stellt auch die Revision nicht in Frage. Bei dieser Sachlage wäre die Vernehmung eines Sachverständigen unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht (vgl. [X.] in: [X.], [X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 322 und 68 ff.) nur dann veranlasst gewesen, wenn sie bei verständiger Würdigung möglicherweise zur Aufdeckung weiteren bisher unbekannten Tatsachenstoffs geführt hätte, durch den der Schuldvorwurf widerlegt, in Frage gestellt oder als begründet hätte erwiesen werden können (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 1993 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 2 Umfang 1 [insoweit in [X.]St 40, 3 nicht abgedruckt]). Hieran fehlt es. Dafür, dass bei der Erstellung des „[X.]“ im Mobiltelefon des Angeklagten gespeicherte Daten nicht erfasst worden sein könnten, gibt es keinen Anhaltspunkt. Das Vorbringen der Revision hierzu erschöpft sich darin, die Verlässlichkeit des „[X.]“ pauschal in Frage zu stellen.

4

2. Der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand, soweit das [X.] dem zum Tatzeitpunkt im Polizeidienst tätigen Angeklagten angelastet hat, „durch die Tat“ dem Ruf der Polizei geschadet zu haben.

5

a) Diese Erwägung ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Eintritt eines derartigen Rufschadens nicht ausreichend belegt ist.

6

Strafzumessungserhebliche Tatsachen sind in der gleichen Weise bestimmt festzustellen und zu belegen wie die Tatsachen, die für die Schuldfrage von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 2. Juli 2009 - 3 StR 251/09, [X.], 306; Beschluss vom 29. April 1987 - 2 StR 500/86, [X.], 405; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1274). Dem werden die schriftlichen Urteilsgründe nicht gerecht. Soweit die [X.] darauf abhebt, dass das „öffentlich wahrgenommene Berufsbild der Polizei“ zu einem wesentlichen Teil darauf beruhe, dass sich Polizeibeamte gesetzestreu verhalten, wird eine tatsächlich eingetretene Rufschädigung nicht aufgezeigt. Angesichts der Tatsache, dass sich der Angeklagte noch in der Probezeit befand, die verfahrensgegenständliche Tat außerhalb des Dienstes aus privaten Gründen beging und zum 30. September 2015 aus dem Polizeidienst entlassen wurde, hätte es dazu näherer Darlegungen bedurft.

7

b) Die straferschwerende Heranziehung einer (möglichen) Rufschädigung der Polizei begegnet aber auch mit Blick auf § 46 Abs. 2 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

8

aa) Mit dieser Erwägung knüpft die [X.] ersichtlich an die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB aufgeführten verschuldeten Auswirkungen der Tat an. Zwar können als strafzumessungserheblich grundsätzlich auch solche für den Täter voraussehbare Tatfolgen Berücksichtigung finden, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem strafbaren Verhalten stehen und außerhalb des eigentlichen Tatbereichs liegen (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juli 2002 - 3 [X.], [X.], 645; Beschluss vom 16. März 1993 - 4 [X.], [X.], 337, mwN; siehe dazu auch [X.], Beschluss vom 29. August 2006 - 1 [X.], [X.], 372). Da aber die Schwere der Tat und der Grad der persönlichen Schuld des [X.] die Grundlage der Strafzumessung bilden (vgl. [X.], Urteil vom 30. September 1952 - 2 StR 675/51, [X.]St 3, 179; Urteil vom 4. August 1965 - 2 StR 282/65, [X.]St 20, 264, 266), muss in diesen Fällen als weitere Voraussetzung hinzutreten, dass diese Auswirkungen geeignet sind, das [X.] zu prägen und die Bewertung der Schuldschwere zu beeinflussen (vgl. [X.], Beschluss vom 16. März 1993 - 4 [X.], [X.], 337 mwN). Der [X.] kann offen lassen, ob es sich zudem auch um Folgen handeln muss, die in den Schutzbereich der strafrechtlichen Norm fallen, deren Verletzung dem Täter vorgeworfen wird (vgl. [X.], Beschluss vom 16. März 1993 - 4 [X.], [X.], 337 mwN; [X.], StGB, 64. Aufl., § 46 Rn. 34; [X.] in: [X.], 3. Aufl., § 46 Rn. 105; [X.]/[X.] in: [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 46 Rn. 26a; hinsichtlich des Schutzzweckzusammenhangs anders [nicht tragend] [X.], Beschluss vom 4. Juli 2002 - 3 [X.], [X.], 645 [Voraussehbarkeit reicht aus] m. abl. [X.]. [X.], [X.], 443; kritisch dazu auch [X.] in: [X.] Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 156).

9

Eine derartige Prägung der Tat durch die Zugehörigkeit des Angeklagten zur Polizei ist hier nicht dargetan. Die dem Angeklagten zugeschriebenen negativen Folgen für den Ruf der Polizei berühren weder das Gewicht seiner Tat in ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung, noch lassen sie Rückschlüsse auf den Grad seiner persönlichen Schuld zu.

bb) Schließlich lässt diese Wendung auch besorgen, die [X.] habe den Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit Polizeibeamter war, straferschwerend berücksichtigt. Dies wäre ebenfalls rechtsfehlerhaft. Unter dem Gesichtspunkt des Maßes der Pflichtwidrigkeit (§ 46 Abs. 2 StGB) kann die berufliche Stellung eines Angeklagten nur dann strafschärfend herangezogen werden, wenn sich aus ihr besondere Pflichten ergeben, deren Verletzung gerade im Hinblick auf die abzuurteilende Tat Bedeutung hat (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juli 1999 - 1 [X.]; [X.], 154, 157; Beschluss vom 29. April 1987 - 2 StR 500/86, [X.], 405, 406; siehe auch [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2016 - 2 StR 386/16, [X.], 1491; Beschluss vom 6. Februar 2002 - 2 StR 489/01, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 19; Urteil vom 28. Januar 1998 - 3 [X.], NJW 1998, 1234, 1237 [insoweit in [X.]St 44, 4 nicht abgedruckt]). Dies ist hier aber ersichtlich nicht der Fall.

Der [X.] vermag nicht gänzlich auszuschließen, dass das [X.] ohne die beanstandete Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

Sost-Scheible     

       

Cierniak     

       

[X.]

       

Bender     

       

Quentin     

       

Meta

4 StR 575/16

20.06.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kaiserslautern, 28. Juli 2016, Az: 6006 Js 3806/15 - 4 KLs

§ 46 Abs 2 StGB, § 250 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 4 StR 575/16 (REWIS RS 2017, 9386)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3317 REWIS RS 2017, 9386

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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