Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2010, Az. 1 StR 497/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1747

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 497/10 vom 3. November 2010 in der Strafsache gegen [X.]St: nein [X.]R: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja StPO § 244 Abs. 3 Bedarf es der Darlegung der [X.], so hat der [X.] die Tatsachen, die diese begründen sollen, be-stimmt zu behaupten. [X.], Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10 - [X.] - 2 - wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. - 3 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 3. November 2010 beschlos-sen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2010 wird als unbegründet [X.]. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer [X.] in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 2. September 2010 darge-legten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der ergänzenden Erörte-rung bedarf allein die neben der ausgeführten Sachrüge erhobene Verfahrens-rüge, das [X.] habe § 244 Abs. 3 StPO verletzt. 1 1. Dieses hat aufgrund der eintägigen Hauptverhandlung festgestellt, der inhaftierte Angeklagte habe den Mitinsassen [X.]durch mehrere Schläge gegen die Brust und durch die Drohung, ihm anderenfalls mit einer Billardkugel auf den Kopf zu schlagen, dazu gebracht, ihm einen Teil der von diesem [X.] Lebensmittel auszuhändigen, ohne dass der Angeklagte hierauf einen Anspruch gehabt hätte. Seine diesbezügliche Überzeugung hat es [X.] auf die Angaben des als Zeugen gehörten [X.] sowie auf den Inhalt eines von diesem an seine Eltern gerichteten, im Rahmen der Postkontrolle sicherge-stellten Briefes gestützt, in dem er die Tat schildert. 2 - 4 - 2. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Im Rahmen seines Plädoyers stellte der Verteidiger —für den Fall, dass das Gericht den [X.] wegen – schwerer räuberischer Erpressung verurteilen [X.], den Antrag, S. s Mutter als Zeugin zu hören zum Beweis der Tatsache, dass dieser ihr gegenüber —nach Abfassen des Briefes geschildert hat, dass er dem Angeklagten die Sachen freiwillig gegeben hat als Gegenleistung für [X.] und von anderen ´abgezockt` wurdefi. In der Antragsbegründung heißt es, es sei —davon auszugehen, dass der Zeugefi [X.] —von seiner Mutter bei dem nächsten Besuch nach dem Brief auf die Vorgänge angesprochen wurde und diese wiefi - nach den Feststellungen des [X.]s zunächst durch den [X.] eingeschüchtert - —in der Hauptverhandlung [X.], d.h. sinn-gemäß angegeben hat, er hätte dem Angeklagten die Lebensmittel auch ohne Auseinandersetzung, also freiwillig gegeben. Die dem Verteidiger seitens der [X.] daraufhin gestellte Frage, ob ihm —nähere Informationen vorliegen, dass ein derartiges Gespräch zwischen dem Geschädigten und seiner Mutter stattgefunden [X.], wurde von diesem verneint. Diesbezüglich wurde - von der Revision nicht vorgetragen - im [X.] folgendes protokol-liert: —Auf Frage erklärte der Verteidiger, er wisse nicht, ob und was der Zeuge [X.] mit seiner Mutter gesprochen habe. Sein Hilfsbeweisantrag beruhe insoweit allein auf einer [X.] Das [X.] hat in seinem Urteil aus-geführt, —die [X.] sei —demnach aufs Geratewohl behauptet, so dass nur ein Beweisermittlungsantrag vorliegt, dem nachzukommen die [X.] nicht geboten [X.]. 3 3. Der Verfahrensrüge bleibt der Erfolg versagt. 4 a) Der [X.] hat bereits erhebliche Bedenken, ob die Rüge den [X.] des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Denn nach dieser Bestimmung 5 - 5 - sind die Verfahrenstatsachen so vollständig und aus sich heraus verständlich anzugeben, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber - unter der Voraussetzung der Erweisbarkeit - endgültig zu entscheiden ([X.], Urteil vom 30. April 1999 - 3 [X.], [X.], 396, 399 mwN). Hierzu hätte vorliegend die - wie dargelegt unterbliebene - Mitteilung gehört, dass das zwischen der [X.] und dem Verteidiger geführte Gespräch über dessen mögliche Erkenntnisse hinsichtlich der [X.] Angaben des Zeugen [X.] seiner Mutter gegenüber einen - wie sich dem [X.] entnehmen lässt - weitergehenden Inhalt gehabt hat, als ihn die Revision vorgetragen hat. Dieser lässt sich auch den ergänzend heranzuziehenden Urteilsgründen nicht vollständig entnehmen. Die Frage der Zulässigkeit kann jedoch offen bleiben, da die Verfahrensrüge [X.] unbegründet ist. b) Denn die Verfahrensweise des [X.]s hält rechtlicher [X.] stand, weil es den Antrag im Ergebnis zutreffend nicht als Beweisantrag angesehen hat. Der [X.] lässt allerdings offen, ob das [X.] den Antrag zu Recht als —aufs Geratewohlfi gestellt bewertet hat ([X.]). Denn jedenfalls han-delte es sich deshalb lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, weil die für einen Beweisantrag notwendige [X.] zwischen [X.] und [X.] nicht hinreichend bestimmt behauptet worden ist ([X.]). 6 [X.]) Allerdings muss einem Beweisbegehren nach bisheriger Rechtspre-chung nicht (oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht) nachgegangen werden, wenn die [X.] ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl, d.h. —ins [X.] aufgestellt wird, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernst gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Ob es sich um 7 - 6 - einen solchen handelt, ist aus der Sicht eines "verständigen" Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen zu beur-teilen (zusammenfassend [X.], Beschluss vom 12. März 2008 - 2 [X.], [X.], 474 mwN; s. auch [X.], Urteil vom 12. Juni 1997 - 5 StR 58/97, NJW 1997, 2762, 2764; [X.], Beschluss vom 5. März 2003 - 2 [X.], [X.], 497). Was den insofern geltenden Maßstab angeht, soll einerseits von einer "ins Blaue hinein" aufgestellten [X.] nicht schon dann gespro-chen werden können, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv unge-wöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder andere Möglichkeiten näher ge-legen hätten ([X.], Beschluss vom 12. März 2008 - 2 [X.], [X.], 474). Andererseits soll bei Sachverhalten, in denen keine sachlichen Anhalts-punkte dafür bestehen, eine sich aufdrängende Tatsache in Frage zu stellen, auf eine strenge Einhaltung der Anforderungen an einen Beweisantrag zum Zweck der Abgrenzung von sog. Pseudobehauptungen oder von —ins [X.] bzw. aufs Geratewohl angestellten Vermutungen nicht verzichtet werden können ([X.], Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684). 8 Hieran gemessen hat der [X.] Zweifel, ob den von der Revision ([X.] mit ihrer Begründungsschrift) vorgebrachten, nach ihrer Auffassung für die aufgestellte Vermutung —ausreichenden [X.] ein hinreichendes Ge-wicht zukommt, nämlich der Mitinhaftierte [X.] sei zum Zeitpunkt des [X.] des [X.] gewesen, aus diesem ergebe sich ein gutes Verhältnis zu der als Zeugin benannten Mutter, diese wohne ca. 180 Straßenki-lometer von der Justizvollzugsanstalt entfernt und es sei schließlich die Regel, dass Gefangene von ihren Eltern besucht würden. Er braucht dies aber - wie ausgeführt - nicht zu entscheiden. 9 - 7 - Ebenso braucht er sich nicht zu der vom 3. Strafsenat aufgeworfenen Frage zu äußern, ob überhaupt an der Rechtsprechung festzuhalten sei, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten [X.] ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines [X.] fehlt, wenn es sich bei der [X.] um eine ohne jede tat-sächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl aufgestellte Behaup-tung handelt ([X.], Beschluss vom 19. September 2007 - 3 [X.], [X.], 9; [X.], Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 [X.]). 10 [X.]) Ein Beweisantrag i.S.d. § 244 StPO setzt als erstes Erfordernis die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus. Zweitens ist ein bestimmtes Beweismittel zu benennen, mit dem der Nachweis der Tatsache geführt werden soll. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, kann je nach der Fallgestaltung eine dritte hinzutreten, die sog. [X.] zwischen [X.] und [X.]. Darunter ist im Falle des Zeugenbeweises zu verstehen, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll ([X.], Beschluss vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09), etwa weil er am [X.] war, in der Nachbarschaft wohnt, eine Akte gelesen hat usw. ([X.], Urteil vom 28. Novem-ber 1997 - 3 [X.], [X.]St 43, 321, 329 f. mwN). 11 Dieser Zusammenhang zwischen [X.] und Beweismittel wird sich in vielen Fällen von selbst verstehen. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen - vergleichbar gerade den in der Rechtsprechung unter den Begriffen der aufs Geratewohl aufgestellten, aus der Luft gegriffenen Behaup-tung abgehandelten Fällen - zwar konkrete und bestimmte Behauptungen auf-gestellt werden, denen eigene Wahrnehmungen eines Zeugen zugrundeliegen sollen, der Antrag jedoch nicht erkennen lässt, weshalb der Zeuge seine Wahr-12 - 8 - nehmung hat machen können. Verhält es sich so, bedarf es der näheren [X.] des erforderlichen Zusammenhangs, der [X.] zwischen Beweistat-sache und Beweismittel ([X.], Urteil vom 28. November 1997 - 3 [X.], [X.]St 43, 321, 330). Ebenso wie die [X.] - auch wenn sie ggf. vom Antragsteller lediglich als möglicherweise geschehen erachtet werden darf ([X.], Beschluss vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, [X.], 143; [X.], Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 [X.], [X.], 383; [X.], Urteil vom [X.] 2005 - 3 [X.], [X.], 585, 586; [X.], Beschluss vom 4. April 2006 - 4 StR 30/06, [X.], 405) - und das Beweismittel bestimmt bezeich-net werden müssen, hat der Antragsteller auch die Tatsachen bestimmt zu be-haupten, aus denen sich die [X.] ergibt. Denn es muss dem Tatgericht plausibel gemacht werden, dass der benannte Zeuge in der Lage gewesen ist, die [X.] wahrzunehmen ([X.], Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, [X.]St 52, 284, 287). In der Antragsbegründung ist daher insoweit ein nachvollziehbarer Grund anzugeben ([X.], Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 [X.], [X.], 585, 586), zumal dann, wenn - wie hier - keine [X.] dafür erkennbar sind, weshalb der Zeuge [X.] gegenüber seiner Mutter das Gegenteil dessen gesagt haben soll, was er zuvor in seinem eben-falls an diese gerichteten Brief bekundet hatte (zur vergleichbaren Konstellation bei einer Aufklärungsrüge [X.], Beschluss vom 3. Juli 2007 - 1 [X.], [X.], 165). 13 Diesem Erfordernis wird der vorliegend gestellte Antrag nicht gerecht. Denn er bezeichnet - worauf schon der [X.] in seiner An-tragsschrift zutreffend hingewiesen hat - die [X.] nicht be-stimmt genug. Vielmehr lässt bereits der Antrag in seiner Gesamtheit erkennen, 14 - 9 - dass ihm lediglich die Vermutung zugrunde liegt, es habe ein - im Übrigen vor allem zeitlich nicht näher [X.] - Gespräch mit dem behaupteten Inhalt gegeben. Der infolge dessen seitens des Gerichts mit dem Antragsteller aus Gründen der Fairness (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, [X.]St 52, 284, 288) und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. [X.], [X.] vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08, [X.], 155) gesuchte [X.] hat dann dementsprechend eindeutig bestätigt, der —[X.] – allein auf einer [X.] c) Angesichts der gesamten Sach- und Beweislage brauchte sich das [X.] auch nicht zu der in Rede stehenden weiteren Aufklärung gemäß § 244 Abs. 2 StPO gedrängt zu sehen. 15 VRi[X.] Nack ist wegen Wahl Graf Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl Jäger [X.]

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1 StR 497/10

03.11.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2010, Az. 1 StR 497/10 (REWIS RS 2010, 1747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1747

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