Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.05.2022, Az. 5 AZR 474/21

5. Senat | REWIS RS 2022, 4438

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) ARBEITSZEIT ARBEITSVERTRAG

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Gegenstand

Überstundenvergütungsprozess - Darlegungslast


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 3. August 2021 - 16 [X.] 875/20 - aufgehoben, soweit es die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] (Oder) vom 4. Juni 2020 - 8 [X.]/19 - auch hinsichtlich des Streitgegenstands Vergütung von Überstunden im Umfang von 202 Stunden und 16 Minuten zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die [X.]che zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung von Überstunden und dabei insbesondere über die Veranlassung der Überstundenleistung durch die Beklagte.

2

Der Kläger war - nachdem er bereits in den Jahren 2006 bis 2009 eine Ausbildung zum Automobilkaufmann bei der [X.] absolviert hatte - bei dieser vom 2. Mai 2016 bis zu seinem Ausscheiden aufgrund Eigenkündigung zum 30. November 2018 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden, das Bruttomonatsgehalt 3.500,00 Euro. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der [X.] vom 7./20. März 2016, in dem die Parteien ua. vereinbarten:

        

„…    

         Abbildung
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…“    

3

Die Beklagte verkauft, vermietet, wartet und repariert Geräte, Maschinen und Fahrzeuge, die rund um die Garten- und Außenanlagenpflege sowie zur Sauberhaltung von Wegen benötigt werden. Neben dem Kläger waren im Innendienst drei weitere Beschäftigte tätig. Das von der [X.] erteilte Arbeitszeugnis beschreibt die Aufgaben des [X.] wie folgt: „Verkauf von Motorgeräten im Innendienst, Führung des Ladengeschäftes, Urlaubs- und Krankheitsvertretung leitender Mitarbeiter der Bereiche Ersatzteilbeschaffung und Werkstattservice bei deren Abwesenheit, Abwicklung von Garantieansprüchen, Führen von sonstiger Korrespondenz mit Kunden und verschiedenen Lieferanten im Auftrag der Geschäftsleitung“.

4

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung im August 2019 hat der Kläger mit der am 26. September 2019 anhängig gemachten Klage Vergütung für 251,92 Überstunden, die er im Beschäftigungszeitraum geleistet haben will, verlangt. Dazu hat er für jeden Arbeitstag die Arbeitszeit tabellarisch aufgelistet und unter Schilderung seines regulären Tagesablaufs vorgebracht, die behaupteten Überstunden seien zur Erledigung der ihm obliegenden Aufgaben erforderlich gewesen. Sie seien im Wesentlichen aus zusätzlicher Arbeit aufgrund von Vertretungen im Falle von Urlaub und Krankheit anderer Mitarbeiter des [X.] entstanden. Auch habe er immer wieder außerhalb der regulären Arbeitszeit Fahrten unternehmen müssen, etwa um Fahrzeuge abzuholen oder bei Kunden defekte Maschinen auszutauschen. Weiter hat der Kläger behauptet, die damaligen Geschäftsführer der [X.] hätten Kenntnis von seiner Überstundenleistung gehabt und ihn mittels der im Verkaufsraum angebrachten Videokamera überwachen können. Die Mitarbeiter seien angewiesen gewesen, während der Öffnungszeiten den Verkaufsraum immer besetzt zu halten und die Vertretung während Urlaub und Krankheit selbst zu organisieren.

5

Nachdem das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgab, hat der Kläger - nach [X.] in der Berufungsinstanz - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 4.479,08 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

6

Die Beklagte hat gegen das Ersturteil keine Berufung eingelegt und im Übrigen Klageabweisung beantragt. Sie hat gemeint, der Kläger könne als Angestellter in leitender Funktion keine Überstundenvergütung beanspruchen. Die im Arbeitsvertrag vorgesehene Pauschalabgeltung sei aufgrund des für das [X.] Umland hohen Gehalts des [X.] zulässig. Auch sei die vertragliche Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Ansprüchen nicht eingehalten worden. Darüber hinaus hat die Beklagte eine Überstundenleistung des [X.] bestritten. [X.] sei nicht gleich Arbeitszeit. Letztere habe der Kläger im Rahmen der Öffnungszeiten der [X.] frei einteilen können. Sollten tatsächlich Überstunden angefallen sein, so sei dies seiner eigenen mangelnden Arbeitsorganisation zuzuschreiben. Jedenfalls seien die dem Kläger obliegenden Aufgaben nach Art und Umfang innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zu erledigen gewesen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 1.054,56 Euro brutto nebst Zinsen - rechtskräftig - stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das [X.] hat dem Kläger weitere 147,97 Euro brutto nebst Zinsen zugesprochen und im Übrigen seine Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision hält der Kläger im Umfang der Zulassung an seinem weitergehenden Klageantrag fest und beantragt, die Beklagte zur Zahlung weiterer 4.083,76 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 3. Dezember 2018 zu verurteilen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist begründet. Seine [X.]erufung gegen den die Klage abweisenden Teil des [X.] kann mit der vom [X.] gegebenen [X.]egründung nicht zurückgewiesen werden. Dies gilt unabhängig von der von der Revision in den Vordergrund ihrer [X.]egründung gestellten Frage, ob wegen der Rechtsprechung des Gericht[X.]ofs der [X.] zur Pflicht des Arbeitgebers zur Einrichtung eines Systems zur Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit ([X.] 14. Mai 2019 - [X.]/18 - [[X.]]) die bi[X.]erige Rechtsprechung des [X.]s zur Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess modifiziert werden muss. Zu Recht rügt die Revision in ihrer weiteren [X.]egründung, das [X.] habe - schon ausgehend von der bi[X.]erigen Rechtsprechung des [X.]s - die Darlegungslast des Arbeitnehmers für die arbeitgeberseitige Veranlassung der Überstundenleistung überspannt.

9

I. Ohne Rechtsfehler hat das [X.] angenommen, dass Klauseln des Arbeitsvertrags der Vergütung von Überstunden nicht entgegenstehen.

1. Ein möglicher Anspruch auf Überstundenvergütung ist nicht nach der vertraglichen Ausschlussfristenregelung verfallen. [X.]ei dieser Klausel handelt es sich schon nach dem äußeren Erscheinungsbild des formularmäßigen Arbeitsvertrags um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 [X.]G[X.]). Davon sind auch beide Vorinstanzen ausgegangen, ohne dass die [X.]en dem entgegengetreten wären.

a) [X.] ist überraschend iSd. § 305c Abs. 1 [X.]G[X.] und damit nicht Vertragsbestandteil geworden.

aa) Nach dieser Vorschrift werden [X.]estimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht. Dies setzt objektiv eine ungewöhnliche Klausel voraus, mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte ([X.] 24. Februar 2016 - 5 [X.] - Rn. 32, [X.]E 154, 178). Dabei kann auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt der Klausel, wie ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle, die [X.]estimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen ([X.] 31. August 2005 - 5 [X.] - zu I 5 b bb (1) der Gründe mwN, [X.]E 115, 372).

bb) Gemessen an diesen Anforderungen ist die streitgegenständliche Ausschlussfristenregelung überraschend iSd. § 305c Abs. 1 [X.]G[X.]. Zwar entspricht die Vereinbarung von Ausschlussfristen einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben. [X.] befindet sich aber ohne besondere Hervorhebung in einem längeren, mit „Tätigkeit/Probezeit/Kündigung“ überschriebenen Paragraphen und dort im unmittelbaren Zusammenhang mit der Regelung der Kündigungsfristen und damit an „versteckter Stelle“ im Arbeitsvertrag (vgl. [X.] 16. Dezember 2020 - 5 [X.] - Rn. 13; 19. März 2014 - 5 [X.] ([X.]) - Rn. 61, [X.]E 147, 342; [X.]/Preis 22. Aufl. [X.]G[X.] §§ 305-310 Rn. 29; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 305c [X.]G[X.] Rn. 4 - jeweils mwN).

b) Zudem hielte die Klausel - wäre sie Vertragsbestandteil geworden - einer Inhaltskontrolle nicht Stand. Die [X.] in dem nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen Arbeitsvertrag nimmt den gesetzlichen Mindestlohn nicht aus, obwohl dessen Geltendmachung nach § 3 Satz 1 [X.] nicht beschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Damit verstößt die Klausel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]G[X.] und ist insgesamt unwirksam ([X.] 18. September 2018 - 9 [X.] - Rn. 35 ff., [X.]E 163, 282, seither gefestigte Rspr.).

2. [X.] zur Pauschalvergütung von Überstunden in § 3 Arbeitsvertrag ist unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.]G[X.]. Sie schließt daher den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Vergütung geleisteter Überstunden nicht aus.

a) [X.] wurde zwar handschriftlich in das vorgedruckte Arbeitsvertragsformular eingefügt. Der Kläger hat jedoch schon erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, die Klausel sei nicht zwischen den [X.]en ausgehandelt (§ 305 Abs. 1 Satz 3 [X.]G[X.]; zu den Anforderungen [X.]. [X.] 19. August 2015 - 5 [X.] - Rn. 16 ff., [X.]E 152, 228), sondern von der [X.]eklagten gestellt worden, ohne ihm die Möglichkeit zur Einflussnahme einzuräumen. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 [X.]G[X.] gelten § 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 [X.]G[X.] auch dann, wenn diese Klausel nur zur einmaligen Verwendung bestimmt war.

b) [X.] genügt nicht dem Transparenzgebot und ist de[X.]alb unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.]G[X.]), weil der Arbeitnehmer mit der Formulierung „in vertretbaren Rahmen anfallende Überstunden“ nicht weiß, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er in zeitlicher Hinsicht maximal für die vereinbarte Vergütung erbringen muss (st. Rspr., vgl. [X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 21 mwN, [X.]E 141, 324; 18. November 2015 - 5 [X.] 751/13 - Rn. 23).

c) [X.] wäre aber auch als Individualabrede nicht hinreichend bestimmt und damit unwirksam. Ebenso wie als Vergütung für die regelmäßige Arbeitszeit nicht wirksam ein „circa-Geldbetrag“ vereinbart werden kann ([X.] 20. April 2011 - 5 [X.] 171/10 - Rn. 15, [X.]E 137, 375), muss der zeitliche Umfang der für einen konkreten Geldbetrag geschuldeten Arbeitsleistung zumindest bestimmbar sein. Das ist bei der gewählten Formulierung nicht der Fall mit der Folge, dass es bei der vereinbarten Normalarbeitszeit bleibt.

II. Ist somit die Vergütung von Überstunden arbeitsvertraglich weder positiv noch negativ geregelt, richtet sich der Anspruch auf Überstundenvergütung nach § 612 Abs. 1 [X.]G[X.] (st. Rspr., vgl. z[X.] [X.] 26. Juni 2019 - 5 [X.] 452/18 - Rn. 37 mwN, [X.]E 167, 158).

1. Nach § 612 Abs. 1 [X.]G[X.] gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Norm bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der [X.] erfasst (st. Rspr., vgl. z[X.] [X.] 25. März 2015 - 5 [X.] 602/13 - Rn. 17 mwN, [X.]E 151, 180). Die nach § 612 Abs. 1 [X.]G[X.] erforderliche objektive Vergütungserwartung ([X.] 17. August 2011 - 5 [X.] 406/10 - Rn. 20, [X.]E 139, 44) besteht regelmäßig insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer keine Dienste höherer Art schuldet und keine deutlich herausgehobene, über der [X.]eitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liegende Vergütung erhält ([X.] 21. Dezember 2016 - 5 [X.] 362/16 - Rn. 15, [X.]E 157, 347).

2. Davon ausgehend besteht im Streitfall die erforderliche objektive Vergütungserwartung für die [X.]ezahlung von Überstunden. Das hat das [X.] zutreffend angenommen. Auch wenn die Tätigkeit des [X.] arbeitsvertraglich als Leiter Innendienst und Assistent der Geschäftsleitung bezeichnet ist, bestätigt seine Aufgabenbeschreibung in dem von der [X.]eklagten erteilten Zeugnis, dass er keine - im Rechtssinne - Dienste höherer Art schuldete. Selbst wenn das vereinbarte Gehalt, wie die [X.]eklagte vorbringt, für das „[X.]erliner Umland“ herausgehoben sein sollte, so liegt es doch sehr deutlich - nämlich fast zur Hälfte - unter der [X.]eitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in den streitbefangenen Jahren.

III. Neben der objektiven Vergütungserwartung setzt der Anspruch auf Überstundenvergütung voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeit in einem die vereinbarte Normalarbeitszeit - hier: 40 Wochenstunden - übersteigenden Umfang erbracht und der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist ([X.] 10. April 2013 - 5 [X.] 122/12 - Rn. 9, 13 ff.; 21. Dezember 2016 - 5 [X.] 362/16 - Rn. 21, [X.]E 157, 347 - jeweils mwN). Für beides trägt der Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s entsprechend allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und im Streitfall die [X.]eweislast.

1. Der Kläger hat die Leistung von Überstunden ausreichend substantiiert vorgetragen.

a) Für die Darlegung der Leistung von Überstunden gelten dieselben Grundsätze wie für die [X.]ehauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete Normalarbeit verrichtet zu haben ([X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] 347/11 - Rn. 25 f., [X.]E 141, 330). Wie im Prozess auf Vergütung tatsächlich geleisteter Arbeit in der Normalarbeitszeit genügt der Arbeitnehmer seiner [X.] zur Leistung von Überstunden, indem er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Das ist für die erste Stufe der Darlegung ausreichend (vgl. [X.] 10. April 2013 - 5 [X.] 122/12 - Rn. 10). Sodann ist es Sache des Arbeitgebers, im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert zu erwidern und im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (st. Rspr., vgl. z[X.] [X.] 26. Juni 2019 - 5 [X.] 452/18 - Rn. 39, [X.]E 167, 158; 21. Dezember 2016 - 5 [X.] 362/16 - Rn. 23, [X.]E 157, 347 - jeweils mwN).

b) Davon ausgehend hat das [X.] - ohne dass es auf die Frage einer Modifikation der Darlegungslast zur Leistung von Überstunden entscheidungserheblich ankäme - zutreffend angenommen, der Kläger habe seiner diesbezüglichen [X.] genügt.

aa) Der Kläger hat geradezu akribisch aufgelistet, an welchen Tagen er im Streitzeitraum von wann bis wann - unter Abzug von Pausen - gearbeitet haben will. Weil es insoweit (nur) auf den Leistungsumfang ankommt, ist auf dieser Stufe der Darlegung die genaue Lage der Pausen unerheblich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Arbeitnehmer den jeweiligen zeitlichen Umfang der genommenen Pausen, also deren Dauer, angibt. Es ist sodann Sache des Arbeitgebers, sich konkret zur Dauer der grundsätzlich von ihm nach § 4 [X.] festzulegenden Pausen zu äußern.

bb) Mit seinem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, hat der Kläger zugleich behauptet, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Darüber hinaus hat er die Ursachen für das Überschreiten der Normalarbeitszeit spezifiziert, indem er vorbringt, neben seiner „üblichen“ Tätigkeit seien zusätzliche Arbeiten angefallen bei Urlaub und Krankheit der anderen im Innendienst [X.]eschäftigten oder wenn außerplanmäßige Fahrten zu Kunden unternommen werden mussten.

2. Zu Unrecht hat das [X.] aber angenommen, der Kläger habe die Veranlassung der Überstundenleistung durch die [X.]eklagte nicht substantiiert dargelegt.

a) Entgegen der Auffassung der Revision ist an der bi[X.]erigen Rechtsprechung des [X.]s zur Darlegungslast des Arbeitnehmers (auch) für diese Voraussetzung der Überstundenvergütung festzuhalten.

aa) Im nationalen Zivilprozessrecht gilt seit jeher der Grundsatz, dass derjenige, der von einem anderen etwas fordert, die seinen Anspruch begründenden Tatsachen darlegen und im Streitfall beweisen muss. De[X.]alb kann es für Arbeitnehmer schwierig sein, Überstundenvergütung gerichtlich durchzusetzen. Dem hat der [X.] im Rahmen des prozessrechtlich Möglichen durch eine abgestufte Darlegungs- und [X.]eweislast Rechnung getragen. Das Unterliegen von Arbeitnehmern in [X.] findet seine Ursache nicht selten darin, dass diese bis zur gerichtlichen Geltendmachung von Überstunden über einen längeren Zeitraum abwarten und keine aussagekräftigen Unterlagen (mehr) zur [X.]egründung ihres Anspruchs in Händen haben. Stellt ein Arbeitnehmer aber fest, dass er unbezahlte Überstunden leisten muss, gebietet es schon die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, sich - wie im Streitfall - Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitszeiten zu machen. Der Arbeitnehmer kann aus eigener Wahrnehmung vortragen, auf welche Art und Weise der Arbeitgeber die entstandenen Überstunden veranlasst hat. Es besteht kein sachlicher Grund, dem Arbeitgeber insoweit eine sekundäre Darlegungslast zuzuweisen. Dies kommt nur in [X.]etracht, wenn der darlegungs- und beweispflichtigen [X.] die nähere Darlegung der erforderlichen Tatsachen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der [X.]estreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (st. Rspr., vgl. nur [X.]GH 18. Januar 2018 - I ZR 150/15 - Rn. 30; [X.] 27. Mai 2015 - 5 [X.] 88/14 - Rn. 31, [X.]E 152, 1). Die darlegungspflichtige [X.] müsste also, obwohl sie alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat, ihrer primären Darlegungslast - objektiv - nicht nachkommen können. Nur dann genügt nach den Grundsätzen der sekundären [X.]ehauptungslast das einfache [X.]estreiten des Gegners der primär darlegungspflichtigen [X.] nicht. In einer solchen Situation befindet sich der Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit über die Vergütung von Überstunden jedoch nicht.

bb) Der Gericht[X.]of der [X.] hat nur im [X.]ereich des unionsrechtlichen Arbeitszeitschutzrechts eine - nicht ausdrücklich normierte - Pflicht des Arbeitgebers angenommen, ein „objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“ ([X.] 14. Mai 2019 - [X.]/18 - [[X.]] Rn. 60). Diese Entscheidung gibt aber weder Anlass noch Legitimation, entgegen nationalen prozessrechtlichen Grundsätzen die Rechtsprechung des [X.]s zur Darlegungslast im Überstundenvergütungprozess zu ändern. Das hat der [X.] mit Urteil vom heutigen Tag, auf dessen Gründe [X.]ezug genommen wird, entschieden und im Einzelnen begründet ([X.] 4. Mai 2022 - 5 [X.] 359/21 - Rn. 22 ff.).

b) Das [X.] ist de[X.]alb bei seiner Entscheidung zu Recht von den vom [X.] zur Darlegungslast des Arbeitnehmers für die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung der Überstundenleistung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen ([X.] 10. April 2013 - 5 [X.] 122/12 - Rn. 15 ff.; [X.]. speziell zur Duldung von Überstunden auch [X.] 28. Juli 2020 - 1 A[X.]R 18/19 - Rn. 18 f., [X.]E 171, 378). Es hat diese jedoch ohne ausreichende Rücksicht auf die konkreten Umstände des Streitfalls angewendet und für einen Fall wie den vorliegenden die Anforderungen überspannt. Für die Darlegungslast zur Überstundenleistung hat der [X.] bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, die von ihm entwickelten Grundsätze dürften nicht gleichsam schematisch ohne Rücksicht auf die im jeweiligen Streitfall zu verrichtende Tätigkeit und die konkreten betrieblichen Abläufe angewandt werden ([X.] 21. Dezember 2016 - 5 [X.] 362/16 - Rn. 23, [X.]E 157, 347; darauf weist auch [X.] AuR 2018, 335, 338 zu Recht hin). Nichts Anderes gilt für die - abgestufte - Darlegungslast zur arbeitgeberseitigen Veranlassung der Überstundenleistung.

c) Die Darlegung einer Überstundenleistung und die Darlegung ihrer arbeitgeberseitigen Veranlassung können nicht stets strikt voneinander getrennt betrachtet werden, sie können sich im Einzelfall auch „überlappen“ und gegenseitig bedingen. Hat der Arbeitnehmer - wie hier der Kläger - die Leistung von Überstunden substantiiert vorgetragen und die in den betrieblichen Verhältnissen liegenden Ursachen des Überschreitens der Normalarbeitszeit im Einzelnen geschildert, macht er zugleich - und im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast zunächst ausreichend - geltend, die Überstundenleistung sei zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeiten erforderlich und damit zumindest konkludent angeordnet gewesen. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, konkret darzulegen, aus welchen Gründen die vom Arbeitnehmer vorgebrachten Ursachen für die Überstundenleistung nicht vorgelegen hätten oder aus welchen Gründen der Arbeitnehmer gleichwohl die ihm obliegenden Arbeiten in der Normalarbeitszeit hätte verrichten können. Dementsprechend hat der [X.] z[X.] im Fall eines Kraftfahrers für die arbeitgeberseitige Veranlassung von Überstunden den Vortrag des Arbeitnehmers, die angewiesenen Touren seien nur unter Leistung von Überstunden auszuführen gewesen, auf der ersten Stufe der Darlegung ausreichen lassen. Es müsse dann der Arbeitgeber darlegen, dass die dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter [X.]eachtung der Rechtsordnung innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden konnte ([X.] 21. Dezember 2016 - 5 [X.] 362/16 - Rn. 32, [X.]E 157, 347). Auch insoweit kommt es jedoch auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Hat ein Auslieferungsfahrer an einem Tag mehrere Touren innerhalb eines engen räumlichen [X.]ereichs zu erledigen und muss das Fahrzeug immer wieder neu beladen werden, hat er zur Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung zu den einzelnen Arbeitsaufgaben näher vorzutragen, wenn er behauptet, er habe den ganzen Tag ohne Pause gearbeitet, weil er nur so alle Kunden habe beliefern können (dazu [X.] 4. Mai 2022 - 5 [X.] 359/21 - Rn. 37).

d) Nach diesen Grundsätzen musste der Kläger zur Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung der Überstundenleistung nicht - wie vom [X.] verlangt - für die behaupteten Transport- und Abholfahrten jeweils gesondert vortragen, wer ihn in jedem Einzelfall dazu angewiesen oder wer für Abwesenheit wegen Urlaub oder Krankheit die Vertretung der Mitarbeiter im Innendienst organisiert habe, welche Arbeiten er im jeweiligen konkreten Vertretungsfall ausgeführt und wer explizit für die Erledigung „alltäglicher Aufgaben“ Überstunden angeordnet habe. Maßgeblich und ausreichend ist vielmehr zunächst allein die [X.]ehauptung des [X.], die nach seiner substantiierten Schilderung von ihm zu erledigenden Arbeiten seien nur unter Leistung von Überstunden auszuführen gewesen. Im Rahmen der abgestuften Darlegungslast obliegt es der [X.]eklagten als Arbeitgeberin, sich dazu substantiiert einzulassen und konkret aufzuzeigen, dass die vorgebrachten Ursachen für die Überstundenleistung nicht vorgelegen hätten - etwa, weil der Kläger bei Krankheit und Urlaub von Mitarbeitern des [X.] gar nicht miterledigen musste oder eigene Aufgaben hintanstellen durfte, weil er die behaupteten Transport- und Abholfahrten nicht habe durchführen müssen oder weil und warum alle vom Kläger geschilderten Arbeiten in der vereinbarten Normalarbeitszeit hätten erledigt werden können.

e) Hinzu kommt im Streitfall eine weitere [X.]esonderheit, die das [X.] außer [X.]etracht gelassen hat. Die [X.]eklagte wollte sich mit einer - wenngleich unwirksamen - arbeitsvertraglichen Regelung dagegen absichern, Überstunden „extra“ vergüten zu müssen. Dies deutet darauf hin, dass sie bei den dem Kläger obliegenden Arbeiten mit dem Anfall von Überstunden durchaus rechnete und „bei [X.]edarf“ die Leistung von Überstunden auch erwartete. Damit war die Klausel geeignet, beim Kläger den Eindruck zu erwecken, die [X.]eklagte billige grundsätzlich die Leistung von Überstunden bei einer Position wie derjenigen, die der Kläger innehatte. Dass sie den mit der Klausel verfolgten Zweck, Überstunden nicht gesondert vergüten zu müssen, nicht erreichte, liegt im Risikobereich der [X.]eklagten als Verwenderin der Klausel.

IV. Auf der Grundlage der bi[X.]erigen tatsächlichen Feststellungen des [X.]s kann der [X.] nicht endentscheiden. Das führt zur Aufhebung des [X.]erufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.]erufungsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

1. Im fortgesetzten [X.]erufungsverfahren muss sich das [X.] als Tatsachengericht zunächst nach § 286 Abs. 1 ZPO eine Überzeugung darüber bilden, ob die vom Kläger substantiiert behauptete Überstundenleistung für wahr oder unwahr zu erachten sei, und den zeitlichen Umfang der im Streitzeitraum tatsächlich geleisteten Überstunden feststellen. Dabei wird es auch den Sachvortrag der [X.]eklagten zur Überstundenleistung in den [X.]lick zu nehmen und zu prüfen haben, ob diese auf den Vortrag des [X.] überhaupt bzw. zu welchen Teilbereichen substantiiert erwidert hat und in welchem Umfang der Vortrag des [X.] ggf. als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO) anzusehen ist.

2. Gelangt das [X.] zu der Überzeugung, der Kläger habe Überstunden geleistet, ist für die arbeitgeberseitige Veranlassung der Überstundenleistung das bi[X.]erige, im Pauschalen gebliebene Vorbringen der [X.]eklagten unbehelflich. Sie müsste vielmehr konkret die Gründe dafür darlegen, warum der Kläger die ihm obliegenden Arbeiten in der vereinbarten Normalarbeitszeit hätte erledigen können. Sofern der Verkaufsraum ständig besetzt sein musste, kann zudem auch das bloße Warten auf Kundschaft geschuldete Arbeitsleistung sein.

3. Steht fest (§ 286 ZPO), dass Überstunden auf Veranlassung der [X.]eklagten geleistet worden sind, kann aber der Kläger seiner Darlegungs- oder [X.]eweislast für jede einzelne Überstunde nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht den Umfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen (vgl. [X.] 25. März 2015 - 5 [X.] 602/13 - Rn. 18, [X.]E 151, 180).

4. Nachdem beide Vorinstanzen angenommen haben, der Kläger sei schon auf der ersten Stufe seiner Darlegungslast zur arbeitgeberseitigen Veranlassung der behaupteten Überstundenleistung nicht nachgekommen, gebietet es das Gebot eines fairen Verfahrens, der [X.]eklagten im fortgesetzten [X.]erufungsverfahren die Möglichkeit zu eröffnen, zu diesem Gesichtspunkt substantiiert vorzutragen (vgl. [X.] 12. Oktober 2021 - 9 [X.] 133/21 - Rn. 24; generell zum verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Verfahrens [X.]VerfG 17. Januar 2006 - 1 [X.]vR 2558/05 - Rn. 7 ff.; [X.] 14. September 2020 - 5 AZ[X.] 23/20 - Rn. 27, [X.]E 172, 186). Sofern dies geschieht, ist dem Kläger die Möglichkeit einzuräumen, dazu Stellung zu nehmen.

V. Im fortgesetzten [X.]erufungsverfahren wird das [X.] auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

        

    Linck    

        

    [X.]ubach    

        

    [X.]iebl    

        

        

        

    Mandrossa    

        

    [X.]ormann    

                 

Meta

5 AZR 474/21

04.05.2022

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt (Oder), 4. Juni 2020, Az: 8 Ca 990/19, Urteil

§ 305c Abs 1 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 612 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.05.2022, Az. 5 AZR 474/21 (REWIS RS 2022, 4438)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4438 NJW 2022, 3305 REWIS RS 2022, 4438

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 AZR 122/12 (Bundesarbeitsgericht)

Überstundenvergütung - Anordnung, Billigung und Duldung von Überstunden - Darlegungslast


5 AZR 452/18 (Bundesarbeitsgericht)

Überstundenprozess - Darlegungslast - Arbeitszeiterfassung


5 AZR 363/16 (Bundesarbeitsgericht)


5 AZR 362/16 (Bundesarbeitsgericht)

Überstundenprozess - Darlegungs- und Beweislast


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