Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2020, Az. 5 StR 197/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 588

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Beruhen des Ersturteils auf dem Unterlassen der Bescheidung eines Widerspruchs gegen das Selbstleseverfahren


Leitsatz

Auf dem Unterlassen der Bescheidung eines Widerspruchs gegen das Selbstleseverfahren kann ein Urteil regelmäßig nicht beruhen, weil dieses Verfahren eine gleichwertige Alternative zum Verlesen einer Urkunde ist (Aufgabe von BGH, Beschluss vom 28. August 2012 - 5 StR 251/12, BGHSt 57, 306).

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. Oktober 2019 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten ist im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.] unbegründet (vgl. Antragsschrift des [X.]). Der Erörterung bedarf lediglich die Rüge, das [X.] habe einen Wi[X.]pruch gegen die Anordnung des [X.] entgegen § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht beschieden.

2

1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

3

Der Vorsitzende traf am 13. Hauptverhandlungstag eine Anordnung zur Durchführung des [X.] und verteilte Selbstleseordner an die Verfahrensbeteiligten. Inhaltlich ging es dabei um zwei Vermerke eines Kriminalbeamten über die Auswertung von Verkehrsdaten, zwei Vermerke eines weiteren Polizisten über Auswertungen von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung und ein Protokoll eines ins [X.] übersetzten Telefongesprächs. Der Verteidiger beantragte, ihm bis zum nächsten Hauptverhandlungstag Gelegenheit zu geben, „der Selbstleseanordnung eventuell zu wi[X.]prechen“; dies wurde gewährt. Am folgenden Verhandlungstag erklärte der Verteidiger einen Wi[X.]pruch gegen die Einführung von Vermerken, in denen Inhalte von Telefongesprächen zusammengefasst werden, und beantragte, sämtliche in der Selbstlesemappe befindlichen verschrifteten Telefongespräche durch Abspielen in Augenschein zu nehmen. Einige der beanstandeten Telefongespräche waren schon vor Anordnung des [X.] angehört worden. Am 19. Hauptverhandlungstag wurde das Selbstleseverfahren abgeschlossen. Eine Entscheidung über den Wi[X.]pruch erfolgte bis zum Urteil nicht. Dies rügt die Revision unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 28. August 2012 (5 [X.], [X.], 306) als Verstoß gegen § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.].

4

2. Die Rüge kann keinen Erfolg haben, denn auf einem bloßen Verstoß gegen die Bescheidungspflicht nach § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] kann ein Urteil regelmäßig nicht beruhen. An seiner entgegenstehenden Rechtsprechung (Beschluss vom 28. August 2012 - 5 [X.], [X.], 306), der sich kein anderer Senat des [X.] angeschlossen hat, hält der Senat nicht fest.

5

a) Auf einem Verstoß gegen Verfahrensrecht beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 [X.]), wenn nicht auszuschließen ist, dass sich der Verfahrensfehler auf die Entscheidung ausgewirkt hat (ausführlich [X.] NStZ 2015, 489, 493). Die Beruhensprüfung bei Verstößen gegen § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] bezieht sich dabei lediglich auf die Frage, ob bei alternativer Verlesung nach § 249 Abs. 1 [X.] ein abweichendes Ergebnis denkbar wäre, weil der Wi[X.]pruch gegen die Anordnung des [X.] lediglich die Art und Weise der Beweiserhebung - Verlesen oder [X.] - und nicht die Verwertung der Urkunden als solche betrifft ([X.], aaO, S. 309; abweichend [X.], [X.], 114, 117).

6

b) Regelmäßig ist auszuschließen, dass sich die Unterschiede bei der Erhebung des [X.] nach § 249 Abs. 1 oder Abs. 2 [X.] auf das Urteil ausgewirkt haben (vgl. [X.]/[X.], § 249 Rn. 82; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 249 Rn. 111; [X.]., [X.], 199, 201; [X.], 8. Aufl., § 249 Rn. 35; [X.]/[X.]/Schuhr, 4. Aufl., § 249 Rn. 46; [X.], JA 2012, 954, 956; [X.] 2013, 382, 383; unklar [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 249 Rn. 31). Denn nach der gesetzlichen Wertung sind das Verlesen nach § 249 Abs. 1 [X.] und das [X.] nach § 249 Abs. 2 [X.] gleichwertig, das Verlesen von Urkunden also gegenüber dem Selbstleseverfahren keine vorzugswürdige Form der Erhebung des [X.] (vgl. [X.], [X.], 474, 475; [X.], [X.], 114, 118; Schlund, [X.], 2018, S. 50 f.; [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 249 Rn. 17; [X.]/[X.], § 249 Rn. 53; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 249 Rn. 56 ff.; [X.]., [X.], 199, 202; abweichend [X.]/[X.]/Schuhr, 4. Aufl., § 249 Rn. 39).

7

aa) Der Gesetzgeber hat das Selbstleseverfahren nicht als sachliche Ausnahme vom Grundsatz des Verlesens nach § 249 Abs. 1 [X.] konzipiert, sondern als gleichwertige Alternative (vgl. KK-[X.]/Diemer, 8. Aufl., § 249 Rn. 35; [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 249 Rn. 17; Schlund, aaO, [X.] ff.; [X.], [X.], 199, 202).

8

(1) Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Regelung von § 249 Abs. 2 [X.] in der heutigen Form. Dort heißt es: „... die Einführung einer Urkunde in die Hauptverhandlung nach Absatz 2 [bedeutet] gegenüber der Verlesung nach Absatz 1 keinen Verzicht auf ein Beweismittel oder auf eine nach der Vorstellung des Gesetzes höherwertige Art der Beweisaufnahme, sondern lediglich die Wahl zwischen zwei für die Prozessbeteiligten gleichwertigen Arten der Einführung eines Beweismittels in die Hauptverhandlung ... Ebenso wenig kann Absatz 2 sachlich als eine Ausnahmeregelung vom Grundsatz des Absatzes 1 verstanden werden ... Lediglich gesetzestechnisch stellt sich Absatz 2 als Ausnahme vom [X.] dar, sachlich sind beide Alternativen als gleichwertig anzusehen“ ([X.]. 10/1313, [X.]).

9

(2) Aus der Einführung der Wi[X.]pruchsmöglichkeit in § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch den Rechtsausschuss des [X.]n Bundestages ergibt sich nichts anderes.

Ursprünglich hatte der Gesetzgeber die Zulässigkeit des durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5. Oktober 1978 ([X.] 1645) eingeführten [X.] an das Einverständnis der Verfahrensbeteiligten und die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urkunden durch den Vorsitzenden geknüpft. Um die Akzeptanz des [X.] in der Praxis zu fördern, wurde § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 vom 27. Januar 1987 ([X.] 475) in der heutigen Form eingeführt. Der Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zu § 249 Abs. 2 [X.], der Ausgangspunkt der heute geltenden Regelung ist, sah einen Wi[X.]pruch zunächst nicht vor. Die Einführung der Wi[X.]pruchsmöglichkeit in der heute geltenden Form beruht auf einem unverändert übernommenen Vorschlag des Rechtsausschusses (vgl. [X.]. 10/6592, [X.]. Zur Begründung hat der Rechtsausschuss ausgeführt, dass der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger eine formalisierte Einflussnahme auf die Entscheidung, ob von der Verlesung abgesehen werden soll, weiterhin ermöglicht werden sollte ([X.]. 10/6592, [X.]). Weiter heißt es: „Diese Regelung entspricht der des geltenden Rechts in § 273 Abs. 3 Satz 2 [X.] für den Fall, daß der Vorsitzende einen Antrag auf wörtliche Protokollierung ablehnt. Ohne eine solche ausdrückliche Vorschrift könnte es zweifelhaft erscheinen, ob die Anordnung des Vorsitzenden, von der Verlesung abzusehen, sich als eine solche der Sachleitung im Sinne des § 238 Abs. 2 [X.] darstellt und schon aus diesem Grunde die Anrufung des Gerichts zulässig wäre“ ([X.]. 10/6592, S. 23).

Der Gesetzgeber wollte den Verfahrensbeteiligten gegen die Entscheidung des Vorsitzenden, nach § 249 Abs. 2 [X.] zu verfahren, einen förmlichen Zwischenrechtsbehelf an die Hand geben. Wie bei dem Vorbild des § 273 Abs. 3 Satz 2 [X.] handelt es sich bei § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] demnach um eine Sondervorschrift zu dem engeren § 238 Abs. 2 [X.] (vgl. zu § 273 [X.] [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 273 Rn. 30; vgl. auch [X.]/[X.], 27. Aufl., § 273 Rn. 60 mwN), wobei nach § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] an[X.] als nach § 238 Abs. 2 [X.] auch die Unzweckmäßigkeit der Maßnahme beanstandet werden kann (vgl. [X.]/[X.], 27. Aufl., § 249 Rn. 103).

Dass der Gesetzgeber den Wi[X.]pruch nur im Rahmen der Anwendung von § 249 Abs. 2 [X.] vorsieht, findet seinen Grund in der Systematik beider Absätze. Weil § 249 Abs. 2 [X.] gesetzestechnisch als Ausnahme vom Grundsatz der Verlesung nach § 249 Abs. 1 [X.] formuliert worden ist, kann sich der Zwischenrechtsbehelf nur auf die Ausnahme, nicht aber auf den Grundsatz beziehen. Diese systematische Konzeption war dem Gesetzgeber bei der Regelung der Wi[X.]pruchsmöglichkeit bewusst (vgl. [X.]. 10/1313, [X.]).

Der Rechtsausschuss hat in der Begründung seines [X.] die grundsätzlichen Erwägungen des Gesetzgebers zum Verhältnis von § 249 Abs. 1 zu § 249 Abs. 2 [X.] nicht infrage gestellt (vgl. [X.]. 10/6592, [X.] f.). Das wäre aber zu erwarten gewesen, wenn der Rechtsausschuss dieses Verhältnis grundlegend an[X.] gesehen hätte als der Regierungsentwurf. Durch die Beschlussfassung des [X.] auf der Grundlage beider parlamentarischer Drucksachen ist der gesetzgeberische Wille zur Gleichstellung des [X.] mit dem Verlesen von Urkunden klar zum Ausdruck gekommen.

bb) Die Einführung eines [X.] im Wege des [X.] ist gegenüber dem Verlesen weder im Hinblick auf den [X.] noch in Bezug auf die Rechte der Verfahrensbeteiligten defizitär.

(1) Der Inhalt einer Urkunde erschließt sich gerade bei umfangreicheren Schriftstücken durch [X.] regelmäßig besser als durch Zuhören beim Vorlesen (vgl. auch [X.]. 10/1313, [X.]; [X.]/[X.], § 249 Rn. 51). Beim [X.] besteht die Möglichkeit, Pausen einzulegen, vor- und zurückzublättern, Passagen mehrfach zu lesen, diese zu markieren und sinnstiftende Zusammenhänge hervorzuheben (vgl. [X.], [X.], 474, 475). Da der [X.] der Ermittlung des durch Lesen erfassbaren gedanklichen Inhalts eines Schriftstücks, sonstigen Schriftträgers oder einer elektronischen Urkunde dient (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 249 Rn. 1 mwN), ist mit dem Selbstleseverfahren keine Einbuße an Qualität hinsichtlich des [X.]s verbunden.

(2) Ein weiterer Vorteil des [X.] besteht darin, die Verfahrensdauer erheblich zu verkürzen, weil [X.] regelmäßig weniger Zeit in Anspruch nimmt als Vorlesen und zu jeder Zeit außerhalb der Hauptverhandlung vorgenommen werden kann (vgl. [X.], aaO, S. 475; [X.]/[X.], aaO, Rn. 57 mwN; [X.], [X.] 2015, 164). Gerade in [X.] kann die Durchführung des [X.] in besonderer Weise eine der Verfahrensbeschleunigung dienende zusätzliche Konzentration des Prozessstoffs bewirken und deshalb vorzugswürdig sein (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Dezember 2019 - StB 29/19 Rn. 23; vom 17. Juli 2019 - StB 18/19 Rn. 12).

(3) Demgegenüber geht die Durchführung des [X.] im Vergleich zum Verlesen zwar mit Einschränkungen des [X.] einher (vgl. [X.]/[X.], § 249 Rn. 51), lässt aber weitere Verfahrensgrundsätze im Wesentlichen unberührt (näher [X.], aaO, Rn. 58 f. mwN; abweichend [X.]/[X.]/Schuhr, 4. Aufl., § 249 Rn. 39) und ist auch im Hinblick auf Verteidigungsbelange dem Verlesen von Urkunden nicht prinzipiell unterlegen ([X.], [X.], 114, 118; [X.], [X.], 199, 202 f.; [X.], [X.] 2015, 52; Meyer-Lohkamp, [X.], 121, 123; [X.], [X.] 2015, 1, 6; [X.]/Rettenmaier, [X.], 155, 157; [X.] GA 1998, 329). Insbesondere wird das Erklärungsrecht der Beteiligten (§ 257 [X.]) durch das Selbstleseverfahren nicht beschränkt ([X.]/[X.], § 249 Rn. 53), wie der Gesetzgeber bei Neuregelung des § 249 Abs. 2 [X.] festgestellt hat: „Die prozessualen Rechte und Möglichkeiten der Prozeßbeteiligten, namentlich des Angeklagten, werden durch die Anwendung des § 249 Abs. 2 gegenüber der Verlesung nach § 249 Abs. 1 nicht beeinträchtigt. Die Prozeßbeteiligten können sich (vgl. dazu auch die vorgeschlagene Neufassung des § 257 Abs. 1) nach der Mitteilung der Verwertungsabsicht durch das Gericht und in ihren Schlussvorträgen zu dem Inhalt dieser Urkunden erklären“ ([X.]. 10/1313, [X.]). Der Bedeutungsgehalt von § 257 [X.] im Verhältnis zu § 249 Abs. 2 [X.] ist im Lichte dieser Ausführungen des Gesetzgebers zu erschließen (vgl. [X.], [X.], 199, 202).

c) Weil der Wi[X.]pruch gegen die Anordnung des [X.] nach § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] als besondere Form des [X.] gegen eine Entscheidung des Vorsitzenden konzipiert ist, gilt wie bei § 238 Abs. 2 [X.], dass das Unterlassen eines Gerichtsbeschlusses nach Anrufung des Gerichts die Revision regelmäßig nur begründet, wenn die beanstandete Maßnahme des Vorsitzenden gegen das Verfahrensrecht verstoßen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Februar 2019 - 5 StR 623/18; vgl. auch [X.], Urteil vom 23. April 1998 - 4 StR 57/98, [X.]St 44, 82, 91; [X.]/[X.], aaO, § 238 Rn. 25; KK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 238 Rn. 27; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 238 Rn. 49). Dabei muss sich im Fall des § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] dieser Verstoß nicht auf die Einführung des [X.] überhaupt („ob“), sondern auf die Einführung gerade im Wege des [X.] („wie“) beziehen. Ein Rechtsfehler bei dieser Wahl ist nur in seltenen Ausnahmefällen denkbar, weil sich die Unterschiede in der Form der Beweiserhebung regelmäßig nicht in einem anderen [X.] nie[X.]chlagen und die Mitwirkungsrechte der Verfahrensbeteiligten in beiden Fällen gewahrt bleiben.

Anderes kann lediglich gelten, wenn sich gerade die besondere Form der Urkundeneinführung auswirkt, etwa weil der Angeklagte nicht lesen kann, er nicht auf die Kenntnisnahme vom Urkundeninhalt verzichtet hat und dieses Defizit auch nicht (etwa durch einen „Vorleser“, vgl. [X.], Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 [X.], [X.], 300; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 249 Rn. 80a f.) kompensiert worden ist. Derartige besondere Umstände sind vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

d) Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob der „Wi[X.]pruch“ durch die [X.] nicht beschieden werden musste, weil er sich inhaltlich gegen die Beweisaufnahme durch [X.] überhaupt und lediglich vor diesem Hintergrund gegen die Beweiserhebung in Form des [X.] gerichtet haben könnte (ähnlich allerdings der Wi[X.]pruch in der von der Revision angeführten Entscheidung des Senats vom 28. August 2012 - 5 [X.], [X.], 306). Dafür spricht trotz der Ankündigung, gegen die Anordnung des [X.] eventuell Wi[X.]pruch erheben zu wollen, die Formulierung des Wi[X.]pruchs, wonach „... der Einführung und Verwertung nachfolgend im Einzelnen aufgeführter Urkunden durch Verlesung oder Einführung im Selbstleseverfahren wi[X.]prochen ...“ werden soll. Auch in der Sitzungsnie[X.]chrift ist der Wi[X.]pruch als „Verwertungswi[X.]pruch“ bezeichnet worden. Inhaltlich beschäftigt sich der Wi[X.]pruch überwiegend mit der Rüge möglicher Verstöße gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 [X.]).

Ein derartiger Wi[X.]pruch gegen die Verwertung von Beweisen wird vom [X.] regelmäßig zur Geltendmachung gesetzlich nicht geregelter disponibler [X.] verlangt (sogenannte „Wi[X.]pruchslösung“, vgl. dazu aus neuerer Zeit näher [X.], Urteil vom 9. Mai 2018 - 5 StR 17/18, [X.], 737; [X.], [X.] 2018, 327; [X.], [X.] 2018, 336; [X.], [X.], 437). Beschränkt sich der Wi[X.]pruch darauf, die Unverwertbarkeit eines Beweismittels geltend zu machen, bedarf es keiner Bescheidung in der Hauptverhandlung; die Frage der Verwertbarkeit kann der [X.] vorbehalten bleiben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. August 2007 - 1 StR 304/07, [X.], 719; vom 19. Oktober 2010 - 1 StR 462/10; [X.], Beschluss vom 18. März 2009 - 2 BvR 2025/07). An[X.] kann es sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 238 Abs. 2 [X.] die Anordnung des Vorsitzenden, einen Beweis zu erheben, vor Durchführung der Beweisaufnahme unter Verweis auf dessen Unverwertbarkeit beanstandet und der Vorsitzende nicht abhilft (vgl. [X.], [X.] 2018, 327, 334; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 238 Rn. 11, 32 f.; KK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 238 Rn. 13; [X.], [X.], 606, 610; vgl. auch [X.], Urteil vom 24. März 1964 - 3 StR 60/63, [X.]St 19, 273, 280). Da die Rüge, bestimmte [X.] hätten wegen Verstoßes gegen § 250 [X.] nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen, keinen Wi[X.]pruch gegen die Beweisverwertung in der Hauptverhandlung erfordert (vgl. auch [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 3 [X.], [X.], 585), könnte der erhobene „Verwertungswi[X.]pruch“ in erster Linie gegen die Einführung der Urkunden in die Hauptverhandlung gerichtet gewesen sein. Eine Rüge mit der Angriffsrichtung, eine solche Beanstandung sei entgegen § 238 Abs. 2 [X.] nicht beschieden worden, hat der [X.] indes nicht erhoben, so dass es nicht darauf ankommt, dass sie auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.

Cirener     

        

[X.]er     

        

[X.]

        

Köhler      

        

von Häfen      

        

Meta

5 StR 197/20

11.11.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 30. Oktober 2019, Az: 601 Ks 3/19

§ 249 Abs 1 StPO, § 249 Abs 2 S 2 StPO, § 337 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2020, Az. 5 StR 197/20 (REWIS RS 2020, 588)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 588

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