Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2011, Az. IX ZR 176/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6949

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 176/10

Verkündet am:

5. Mai 2011

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

ZPO §§ 32, 717 Abs. 2, Abs. 3
a)
Der Erstattungsanspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO kann im Gerichtsstand der un-erlaubten Handlung (§ 32 ZPO) geltend gemacht werden.
b)
Der Erstattungsanspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO setzt nicht voraus, dass vor der Zahlung oder
Leistung die Zwangsvollstreckung angedroht worden war.
[X.], Urteil vom 5. Mai 2011 -
IX ZR 176/10 -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
5. Mai
2011
durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, [X.] Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.]

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 14. September
2010
aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.], Zivilkammer 24,
vom 3. April 2009 wird [X.].

Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte, der seinen Wohnsitz in [X.] hat, nahm die Klägerin, deren Sitz in [X.] ist, im Jahr 2003
auf Zahlung einer Lizenzgebühr
von r
Mahnkosten

, jeweils nebst Zin-sen,
in Anspruch.
Die Klägerin wurde in zwei Instanzen
zur Zahlung der Lizenz-gebühr verurteilt. Nach Abschluss der Berufungsinstanz
ließ die Klägerin den Beklagten fragen, ob
sofort gezahlt oder der Ausgang des Revisionsverfahrens abgewartet werden solle.
Der Beklagte ließ antworten, dass er umgehend
Zah-1
-
3
-
lung zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten wünsche. Daraufhin zahlte die Klägerin. Mit Urteil vom 5.
Juni 2008 (I
ZR 96/07, [X.], 1124) hob der [X.] das Berufungsurteil auf, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden war, und
wies die Klage
ab. Der Beklagte weigerte sich, die Lizenzgebühr zurückzuzahlen, weil er Verfassungsbeschwerde gegen das ge-nannte Urteil einlegen wollte.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin
zunächst Rückzahlung der Lizenzgebühr sowie vorgerichtlicher Mahnkosten nebst Zinsen verlangt und
beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 61.253,69

Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 24.
Januar 2004 zu zahlen. Das [X.] hat den Beklagten
unter Abweisung der [X.] Klage zur Zahlung von 60.000

14.
Oktober 2008 verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Beru-fungsgericht
die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Berufungs-gericht zugelassenen Revision will
die Klägerin die Wiederherstellung des erst-instanzlichen Urteils
erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des [X.] und zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten.

2
3
-
4
-
I.

Das Berufungsgericht
hat seine internationale Zuständigkeit verneint. Die Voraussetzungen des §
32 ZPO seien nicht erfüllt, weil
der geltend ge-machte Anspruch aus §
717 Abs.
3 ZPO nicht deliktischer, sondern berei-cherungsrechtlicher
Natur sei. Überdies habe die Klägerin nicht unter dem Druck einer drohenden Zwangsvollstreckung, sondern aus eigener Veran-lassung gezahlt.

II.

Diese Ausführungen halten
einer rechtlichen Prüfung
nicht stand.
Die Klage ist zulässig. Die -
auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prü-fende ([X.], Beschluss vom 14.
Juni 1965 -
GSZ 1/65, [X.]Z 44, 46; Urteil vom 28.
November 2002 -
III
ZR 102/02, [X.]Z 153, 82, 84
ff; vom 28.
Juni 2007 -
I
ZR 49/04, [X.]Z 173, 57 Rn.
21
ff; vom 2.
März 2010 -
VI
ZR 23/09, [X.]Z 184, 313 Rn.
7; vom 29.
Juni 2010 -
VI
ZR 122/09, [X.], 1752 Rn.
10; vom 1.
März 2011 -
XI
ZR 48/10, [X.], 745 Rn. 9, z.V. in [X.]Z bestimmt)
-
internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte folgt aus §
32
ZPO.

1.
Gemäß Art.
4 Abs.
1 der Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (EuGVVO)
bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedsstaates der [X.] nach dessen eigenen Gesetzen, [X.]n der Beklagte kei-nen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat. Das Berufungsge-4
5
6
-
5
-
richt hat festgestellt, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in [X.] hat. Das Fürstentum [X.] ist nicht
Mitglied der [X.].

2.
Die
Vorschriften der
([X.]) Zivilprozessordnung
über die örtliche Zuständigkeit (§§
12
ff ZPO) regeln mittelbar auch die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit [X.] und ausländischer Gerichte ([X.], Urteil vom 2.
März 2010 -
VI
ZR 23/09, [X.]Z 184, 313 Rn.
7).
Soweit nach diesen [X.] ein [X.] Gericht örtlich zuständig ist, ist es
im Verhältnis zu
den
ausländischen Gerichten
auch international
zuständig ([X.], Beschluss vom 14.
Juni 1965 -
GSZ 1/65, [X.]Z 44, 46
f; Urteil vom 28.
Februar 1996 -
XII
ZR 181/93, [X.]Z 132, 105, 107; vom 21.
November 1996 -
IX
ZR 148/95, [X.]Z 134, 116, 117; vom 17.
Dezember 1998 -
IX
ZR 196/97, [X.], 226, 227; vom 2.
März 2010 -
VI
ZR 23/09, aaO).

3.
Der mit der
Klage verfolgte Anspruch aus §
717 Abs.
3
Satz
2 ZPO
ist ein solcher aus unerlaubter Handlung im Sinne von §
32 ZPO.

a) Die Vorschrift des §
32 ZPO gilt für
unerlaubte Handlungen im Sinne der §§
823
ff BGB
(unerlaubte Handlungen im engeren Sinne), für
rechtswidri-ge
Eingriffe
in eine fremde Rechtssphäre ([X.], Urteil vom 20.
März 1956 -
I
ZR 162/55, NJW 1956, 911; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
32 Rn.
18; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3.
Aufl., §
32 Rn.
4)
und für
Ansprüche aus
(verschuldensunabhängiger) Gefährdungshaftung
([X.], Urteil vom 8.
Ja-nuar 1981 -
III
ZR 157/79, [X.]Z 80, 1, 3; [X.], 300, 302
f; [X.]/Jonas/
Roth, aaO; [X.]/Schütze/[X.], aaO; [X.]/[X.], ZPO 3.
Aufl. §
32 Rn.
7; [X.]/Vollkommer, ZPO 28.
Aufl. §
32
Rn.
7; Prüt-ting/[X.]/[X.], ZPO,
3.
Aufl., §
32 Rn.
6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 69.
Aufl., §
32 Rn.
9; [X.]Bendtsen, ZPO 7
8
9
-
6
-
4.
Aufl.
Rn.
6; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 31.
Aufl., §
32 Rn.
2). Der An-[X.]dungsbereich des §
32 ZPO ist schon dem Wortlaut nach nicht auf Scha-densersatzansprüche begrenzt. Er steht daher für verschiedenste andere [X.] offen, die ganz unterschiedliche Rechtsfolgen haben (vgl. u.a. [X.], Urteil vom 20.
März 1956 -
I
ZR 162/55, NJW 1956, 911, 912; [X.]/
Schütze/[X.], aaO §
32 Rn.
5, 25; [X.]/Vollkommer, aaO §
32 Rn.
14; Musielak/[X.], ZPO 8.
Aufl.
§
32 Rn.
14; Prütting/[X.]/[X.], aaO §
32 Rn.
3, 12).

b) Nach einhelliger Ansicht in der Kommentarliteratur unterfällt der (ver-schuldensunabhängige) [X.] aus §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO ebenfalls
§
32 ZPO
([X.], aaO
§
717
Rn.
46; [X.]/
Schütze/[X.], aaO
§
717
Rn.
33; [X.]/[X.], aaO
§
717
Rn.
22; [X.]/[X.], aaO
§
717
Rn.
13; Musielak/[X.], aaO §
717 Rn.
14; Prüt-ting/[X.]/[X.], aaO
§
717
Rn.
17; [X.],
aaO §
717 Rn.
13; [X.]Kindl, aaO
§
717 Rn.
10; [X.] in [X.]Gaul/
[X.]/[X.], Zwangsvollstreckungsrecht, 12.
Aufl.,
§
15 Rn.
23; [X.] in [X.]/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4.
Aufl.,
Rn.
21; [X.] in Kindl/[X.], Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, §
717
Rn.
14).
Nach §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO
ist der Kläger
zum Ersatz desjenigen
Schadens verpflichtet, welcher
dem Beklagten durch die Vollstreckung eines Urteils oder durch eine zur Ab[X.]dung der Voll-streckung gemachte Leistung entstanden ist, [X.]n ein für vorläufig vollstreck-bar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert wird. Die Regelung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass die Vollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil auf Gefahr des Gläubigers erfolgt. Hat der Beklagte aufgrund gerichtlicher Anordnung einen Eingriff in seinen Handlungs-
und [X.] dulden müssen, der sich nach weiterer Überprüfung als unbe-10
-
7
-
gründet herausstellt, entspricht es gebotener Risikoverteilung, dass den Scha-den aus solcher erlaubter, aber gefahrbeladener Ausübung derjenige trägt, der seine Interessen auf Kosten des anderen verfolgt.
Es handelt sich um einen Fall der Gefährdungshaftung, weil die Rechtsfolge an ein ausdrücklich von dem Gesetz erlaubtes Verhalten anknüpft ([X.]/[X.], aaO §
717 Rn.
7).
Ob der Kläger mit einem endgültigen Bestand seines Titels gerechnet hat und rechnen konnte oder nicht, ist unerheblich ([X.], Urteil vom 26.
Mai 1970 -
VI
ZR 199/68, [X.]Z 54, 76, 80
f; vom 4.
Dezember 1973 -
VI
ZR 213/71, [X.]Z 62, 7, 9; vom 25.
Oktober 1977 -
VI
ZR 166/75, [X.]Z 69, 373, 378; vom 5.
Oktober 1982 -
VI
ZR 31/81, [X.]Z 85, 110, 113; vom 23.
Mai 1985 -
IX
ZR 132/84, [X.]Z 95, 10, 14
f; vom 3.
Juli 1997 -
IX
ZR 122/96, [X.]Z 136, 199,
205; vom 26.
Oktober 2006 -
IX
ZR 147/04, [X.]Z 169, 308, 314; vom 20.
November 2008
-
IX
ZR 139/07, [X.], 273 Rn.
6).

c) Für §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO kann nichts anderes gelten.

aa) Nach §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO ist der Kläger auf Antrag des [X.] zur Erstattung des aufgrund eines aufgehobenen oder abgeänderten Beru-fungsurteils [X.] oder Geleisteten zu verurteilen. Bei diesem Anspruch handelt sich nicht um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne der §§
823
ff BGB
oder aus der widerrechtlichen Verletzung eines fremden Rechts. Der Kläger, der von
einem gemäß §
708 Nr.
10 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärten Berufungsurteil Gebrauch macht, handelt in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung, auch dann, [X.]n dieses Urteil im weiteren Verfahren keinen Bestand hat.

bb) Auf der anderen Seite stellt der
Anspruch aus §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO aber auch keinen Bereicherungsanspruch dar, für den der Gerichtsstand 11
12
13
-
8
-
der unerlaubten Handlung nicht eröffnet ist (so aber [X.], Lehrbuch des [X.] Zivilprozessrechts, 9.
Aufl., §
174 VI.
2.
d, S.
908; im Ergebnis ebenso [X.] in [X.]Gaul/[X.]/[X.], aaO
§
15
Rn.
40; [X.], aaO
§
717
Rn.
56; [X.], aaO §
32 Rn.
15; wohl auch [X.] 2005, 446, 448). Gemäß §
717 Abs.
3 Satz
3 ZPO bestimmt sich die Erstattungspflicht zwar nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung.
Hierbei handelt es sich jedoch um
eine
Rechtsfolgenverweisung. Das folgt nicht nur
aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch aus ihrem [X.]. Die Voraussetzungen des
Erstattungsanspruchs sind in §
717 Abs.
3 Satz
2
ZPO abschließend
geregelt. Der folgende Satz drei betrifft die Frage, wie weit die einmal entstandene Erstattungspflicht reicht ([X.], 17, 21 f;
BAGE 11, 202,
206; 12, 158, 167; [X.]
in [X.]Gaul/[X.]/[X.], aaO
§
15
Rn.
34; [X.]/Stürner/[X.], Zwangsvollstreckungsrecht, 13.
Aufl., Rn.
15.37). Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§
812
ff BGB) betrifft
die Rückgewähr von
Vorteilen, die dem [X.] nach dem Gesamturteil der Rechtsordnung nicht gebührt ([X.]/[X.], Lehrbuch des
Schuldrechts, Zweiter Band, 2.
Halbband, 13.
Aufl. §
67 I.
1.; [X.]/[X.], Schuldrecht, Band
II, Teilband
2,
8.
Aufl. §
47 S.
27, 34). Für den [X.] aus §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO spielt hingegen keine Rolle, ob der im später aufgehobenen Berufungsurteil titulierte Anspruch bestand oder nicht ([X.], 352, 353).
Er entsteht ebenso wie derjenige aus §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO allein infolge der Aufhebung oder Abänderung des bislang vorläufig voll-streckbaren
Urteils der Vorinstanz. Aus welchem Grund das Rechtsmittel er-folgreich war, ist unerheblich
([X.], Urteil vom 28.
Oktober 1958 -
VIII
ZR 431/56, [X.], 1507; [X.], 278, 281; [X.] 1926, 816, 817;
[X.], 158, 166
f; [X.]/Schütze/[X.], aaO §
717 Rn.
15; [X.]/[X.], aaO §
717 Rn.
16; Musielak/[X.], aaO §
717 Rn.
8). Beide Erstattungsan--
9
-
sprüche werden auch dann ausgelöst, [X.]n das vorläufig vollstreckbare Urteil nur aus [X.] aufgehoben wird. Auf das bessere materielle Recht kommt es nicht an.

cc)
Der Erstattungsanspruch
aus §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO
lässt sich vielmehr ebenso wie derjenige aus §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO auf den Grundsatz zurückführen, dass der Gläubiger, der von
einem noch nicht endgültig rechts-beständigen Vollstreckungstitel Gebrauch macht, dies auf eigene Gefahr unter-nimmt und die Folgen zu tragen hat, falls der Titel letztlich keinen Bestand hat
([X.], Urteil vom 25.
Oktober 1977 -
VI
ZR 166/75, [X.]Z 69, 373, 378;
vom 3.
Juli 1997 -
IX
ZR 122/96, [X.]Z 136, 199, 205;
BAGE 11, 202, 206; [X.], 158, 167
f). Es handelt sich um einen nach den Grundsätzen der Gefähr-dungshaftung begründeten, bereicherungsrechtlich ausgestalteten [X.] ([X.]/[X.], aaO §
717
Rn.
28). Der Senat hat die Vorschrift des §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO insoweit, als die Leistung zur Ab[X.]-dung der Zwangsvollstreckung zu ersetzen ist, als Instrument innerprozessualer Waffengleichheit angesehen ([X.], Urteil vom 3.
Juli 1997 -
IX
ZR 122/96, [X.]Z 136,
199, 207). Gleiches gilt für §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO. Erlaubt
die Rechtsordnung der
in zweiter Instanz obsiegenden Partei, die [X.] zu betreiben, bevor ihr Recht
endgültig festgestellt ist, fordert das Gebot der Gleichbehandlung
(Art.
3 Abs.
1 GG), die zunächst unterlegene [X.] ihrerseits nicht auf eine endgültige Entscheidung über den [X.] warten zu lassen, sondern im Falle einer teilweisen oder vollständigen [X.] der zweitinstanzlichen Verurteilung durch das Revisionsgericht die auf jenes Urteil
erbrachte Leistung umgehend zurück fordern zu dürfen.

dd) Die [X.]
spricht ebenfalls für eine verfahrens-rechtliche Gleichbehandlung der auf Erstattung geleisteter Zahlung gerichteten 14
15
-
10
-
Ansprüche aus §
717 Abs.
2 Satz
1
ZPO
und aus §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO. Nach §
655
Abs.
2
der Civilprozessordnung vom 30.
Januar 1877 ([X.]
I 83, 201) war der Kläger nach Aufhebung oder Abänderung eines für vorläufig voll-streckbar erklärten Urteils auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von [X.] aufgrund des Urteils [X.] oder Geleisteten verpflichtet. Diese Vor-schrift entsprach dem heutigen §
717 Abs.
3 ZPO, galt aber unabhängig davon, ob die Aufhebung oder Abänderung des Urteils in zweiter oder dritter Instanz erfolgte.
Sie sollte gewährleisten, dass derjenige, der aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils in Anspruch genommen worden war, seine zur Abwehr der Vollstreckung erbrachte Leistung alsbald zurück erhielt. Der
jetzt in §
717 Abs.
2 ZPO geregelte
verschuldensunabhängige
Schadensersatzanspruch
wurde im Jahre 1898 eingefügt ([X.]
I 369, 546). Er ersetzte zunächst den Erstattungsanspruch aus §
655 Abs.
2 [X.]. Dieser wurde jedoch -
beschränkt auf vorläufig vollstreckbare
Urteile der [X.]e
-
bereits im Jahre 1910 wieder eingeführt ([X.]
I 767, 770).
Dabei ging es mittelbar um eine Ent-lastung des [X.]. Um Revisionen zu vermeiden, die nur der [X.] dienten, sollten die vor dem [X.] erfolgreichen Kläger die Zwangsvollstreckung betreiben dürfen, ohne Schadensersatzan-sprüche der Beklagten befürchten zu müssen. Der Gesetzgeber beabsichtigte insoweit ausdrücklich eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustand ([X.]. Nr.
309, S.
21
f, [X.], II.
Session 1909/1910). Wie der Senat zur Frage der
Aufrechnung gegen den Schadensersatzanspruch aus §
717 Abs.
2 ZPO bereits ausgeführt hat ([X.], Urteil vom 3.
Juli 1997 -
IX
ZR 122/96, [X.]Z 136, 199
ff), regeln
§
717 Abs.
2 und Abs.
3 ZPO jeweils einen prozessualen Erstattungsanspruch, der Zahlungen oder andere Leistungen auf-grund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils betrifft und sogleich nach [X.] dieses Urteils durchgesetzt werden kann. §
717 Abs.
2 ZPO gewährt zu-sätzlich einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch. Sämtliche -
11
-
Ansprüche finden ihren Grund in der
Risikozuweisung
an den Gläubiger, inso-weit unabhängig von der materiellen Rechtslage. Liegt der Rechtsgrund auch des Rückerstattungsanspruchs aus §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO in der Verteilung des aus der vorläufigen Vollstreckbarkeit eines Urteils folgenden Risikos, kann er ebenso wie die Risikohaftung gemäß §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO und jede an-dere gesetzliche Gefährdungshaftung im Gerichtsstand der unerlaubten Hand-lung geltend gemacht werden ([X.]/Schütze/[X.], aaO §
717 Rn.
33 Fn.
155; [X.]/[X.], aaO §
717 Rn.
31, 22; Musielak/[X.], aaO §
717 Rn.
16, 14; Prütting/[X.]/[X.], aaO §
717 Rn.
21, 17; [X.]/Stürner, aaO Rn.
15.45; [X.] in Kindl/[X.], aaO §
717 Rn.
19, 14).

4.
Zur Begründung der Zuständigkeit genügt
es, dass der Kläger [X.] Tatsachen behauptet, aus denen sich eine im Gerichtsbezirk
-
oder dann, [X.] es, wie hier, um die internationale Zuständigkeit geht, im Inland
-
began-gene unerlaubte Handlung ergibt ([X.], Urteil vom 25.
November 1993 -
IX
ZR 32/93, [X.]Z 124, 237, 240
f; vom 2.
März 2010 -
VI
ZR 23/09, [X.]Z 184, 313 Rn.
8). Diese Voraussetzung ist
hier ebenfalls erfüllt.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin einen
Anspruch
aus
§
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO schlüssig dargelegt.
Insbesondere hat sie die streitgegenständlichen Zahlungen aufgrund des später aufgehobenen Urteils
des [X.]s vom 15.
Mai 2007 erbracht. §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO setzt nicht voraus, dass der Gläubiger vor der Zahlung oder Leistung be-reits das förmliche Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet und der Schuld-ner unter [X.] geleistet hat ([X.] in [X.]/Walker, aaO §
717 Rn.
21; vgl. auch BAG
ZTR 2003, 567, 568).

16
17
-
12
-

aa) Ihrem Wortlaut
nach
verlangt die Vorschrift des
§
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO keine Zahlung unter [X.]. Die Zahlung oder Leistung
muss lediglich
"auf Grund"
eines Berufungsurteils (§
708 Nr.
10 ZPO) erfolgt sein.
§
717 Abs.
3 Satz
1 ZPO erklärt
die Vorschrift
des
Absatzes
2, der
eine (verschuldensunabhängige) Verpflichtung des Gläubigers zum Ersatz des durch die Vollstreckung des Urteils oder eine Zahlung zur Ab[X.]dung der Voll-streckung entstandenen Schadens normiert, für unan[X.]dbar. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung lässt sich aus der [X.] nicht ableiten, dass die Vorschriften des §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO und des §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO sich nur in den Rechtsfolgen, nicht aber in den [X.] unterscheiden.
Wie gezeigt,
gab es zunächst nur den [X.] aus §
655 Abs.
2 [X.], der dem heutigen §
717 Abs.
3 ZPO entsprach,
also die Zahlung oder Leistung "aufgrund des [X.]"
genügen ließ,
aber nicht auf [X.] beschränkt war. Die
Vorschrift des [X.]) §
717 Abs.
2 ZPO
ist
nachträglich eingefügt worden. Der
Kommissionsbe-richt über die Novelle zur [X.] (Hahn/[X.], Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band
8, S.
171 = Nachdruck 1983 S.
391
f) lässt erkennen, dass nicht nur die unterschiedlichen
Rechtsfolgen
(Schadensersatz statt Rückerstattung), sondern auch
die Anspruchsvoraussetzungen (Zahlung oder Leistung zur Ab[X.]dung der Zwangsvollstreckung statt Zahlung auf Grund des Urteils)
erörtert wurden.
Mit der -
zunächst nur für Urteile der [X.] geltenden
-
Vorschrift des §
717 Abs.
3 ZPO beabsichtigte der historische Gesetzgeber die Wiederherstellung des Rechtszustands vor Inkraft-treten des
Schadensersatzanspruchs für [X.] nach §
717 Abs.
2 ZPO (damals §
655 Abs.
2 [X.]; [X.]. Nr.
309, S.
21
f, [X.], II.
Session 1909/10). Auch
[X.]n hier die jeweils angeordnete
Rechtsfolge der Norm (Erstattung oder Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens)
im Vordergrund gestanden haben mag, folgt daraus nicht, dass
der 18
-
13
-
Erstattungsanspruch
alten Rechts, der in Bezug auf [X.] der [X.] wieder eingeführt werden sollte, ebenso wie der [X.] nach §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO
von dem Beginn der [X.] oder einer Zahlung zur Ab[X.]dung der Zwangsvollstreckung abhän-gig gemacht werden sollte. §
655 Abs.
2
[X.] ließ wie §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO die Zahlung aufgrund eines Urteils genügen.

bb) Die eingangs erläuterte Übereinstimmung des [X.] der Haftung nach §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO einerseits und aus §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO andererseits zwingt nicht dazu, gleiche Anspruchsvoraussetzungen anzu-nehmen (so aber -
durchweg ohne Begründung
-
[X.]/Schütze/[X.], aaO §
717 Rn.
27; [X.], aaO §
717 Rn.
52; [X.]/[X.], aaO §
717 Rn.
29; [X.]/[X.], aaO §
717 Rn.
16; Musielak/
[X.], aaO §
717 Rn.
16; Prütting/[X.]/[X.], aaO §
717 Rn.
20; [X.]Kindl, aaO
§
717
Rn.
11; [X.]/[X.]/[X.], aaO §
717 Rn.
19). Näher liegt es, die weit reichenden Haftungsfolgen des §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO auch von strengeren Anspruchsvoraussetzungen abhängig zu ma-chen. Der Schadensersatzanspruch nach §
717 Abs.
2
Satz
1 ZPO umfasst alle Schäden, die dem Beklagten durch die vorzeitige Leistung entstanden sind
und die im Einzelfall
den Wert des Klagegegenstandes
weit
übersteigen
kön-nen. Entsprechend den Grundsätzen der Gefährdungshaftung (vgl. [X.], Urteil vom 6.
Juli 1976 -
VI
ZR 177/75, [X.]Z 67, 129, 130) wird diese Ausweitung des [X.] dem Kläger nur auferlegt, weil
er die -
rechtskonforme
-
Gefahr
eines solchen Schadens durch seine Entscheidung geschaffen hatte, den Beklagten zur vorzeitigen Erfüllung des [X.]s
zu zwingen.
Das von dem Erstattungsanspruch gemäß §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO ausgehende Haftungsrisiko ist demgegenüber deutlich geringer. Der Gläubiger braucht hier nicht zu befürchten, für unvorhersehbare Folgen
einstehen und Schadenser-19
-
14
-
satz
leisten zu müssen, der den Wert des Klagegegenstandes erheblich über-schreitet.

cc) Ob eine dem Titelgläubiger gegen oder ohne sein Wissen aufge-drängte Zahlung oder Leistung nach §
717 Abs.
3 Satz
2 ZPO zurückgefordert werden kann, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Der Beklagte hat auf die Frage der Klägerin, ob der Ausgang des [X.] abgewartet werden könne, erklärt, er wünsche
die
sofortige Zahlung der Urteilssumme. Dann kann er sich jetzt nicht darauf berufen, die Zahlung sei ihm aufgedrängt worden.

b) Der Tatort einer unerlaubten Handlung im Sinne von §
32 ZPO liegt überall, wo auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist, bis hin zu dem Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegrif-fen worden ist ([X.],
Urteil vom 25.
November 1993 -
IX
ZR
32/93, [X.]Z 124, 237, 245; vom 29.
März 2011 -
VI
ZR 111/10, Rn.
7, [X.]). Jedenfalls der Ort des [X.] liegt im Inland. Die Klägerin, die aufgrund des später aufgehobenen Urteils des [X.]s [X.] vom 15.
Mai 2007 eine Zahlung
an den Beklagten geleistet hat, ist in [X.] ansässig.

III.

Das angefochtene
Urteil erweist sich auch nicht aus
anderen Gründen als richtig (§
561 ZPO). Der Sachverhalt, den die Klägerin zur Begründung des Anspruchs aus §
717 Abs.
3 ZPO vorgetragen hat, ist unstreitig. Die Klage ist damit nicht nur zulässig, sondern auch begründet.

20
21
22
-
15
-
IV.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer Rechtsverlet-zung bei An[X.]dung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endent-scheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§
563 Abs.
3 ZPO). Die Klage hat Erfolg.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
[X.]
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 03.04.2009 -
324 O 783/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 14.09.2010 -
7 [X.] -

23

Meta

IX ZR 176/10

05.05.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2011, Az. IX ZR 176/10 (REWIS RS 2011, 6949)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6949

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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