Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2014, Az. 5 StR 168/14

5. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5855

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Gegenstand

Anforderungen an die Begründung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Tenor

1. Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 7. November 2013 gewährt.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das genannte Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Nach den Feststellungen suchte der zum Tatzeitpunkt 39 Jahre alte, vielfach auch wegen Körperverletzungsdelikten vorbestrafte Angeklagte am 27. Dezember 2011 die Wohnung seiner Eltern auf und forderte von seiner Mutter u.a. die sofortige Herausgabe von 50 Euro. Als seine Mutter ihm daraufhin mitteilte, dass sie den geforderten Betrag nicht im Hause habe, schlug er unvermittelt mit der Faust auf sie ein und trieb sie unter weiteren heftigen Faustschlägen durch die Wohnung. Dabei wiederholte er mehrfach seine Geldforderung. Als der schwerbehinderte Vater des Angeklagten versuchte, seiner Ehefrau zu helfen, schlug der Angeklagte ihm mehrfach auf den Kopf. Die Mutter des Angeklagten erlitt durch die Gewaltanwendungen erhebliche Verletzungen, u.a. ein subdurales Hämatom, eine Nasenbein- und eine Rippenfraktur, während sein Vater keine behandlungsbedürftigen Verletzungen davontrug.

3

Das sachverständig beratene [X.] ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte an einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen narzisstischen Anteilen ([X.]: [X.]) sowie multiplem Substanzgebrauch ([X.]: [X.])" leidet und zum Zeitpunkt der Taten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Es hat die Prognose gestellt, dass der Angeklagte ohne Therapie aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung auch künftig „gewalttätige Straftaten von erheblichem Umfang" ([X.]) begehen werde, und ihn deshalb nach § 63 StGB untergebracht.

4

2. Der Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

5

a) Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

6

Die Annahme des [X.]s, dass der Angeklagte an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leide, findet in den Urteilsgründen keine Stütze. Das Urteil teilt schon nicht mit, ob es damit der Diagnose des eher beiläufig erwähnten Sachverständigen folgt. Es werden auch keinerlei Anknüpfungs- und Befundtatsachen des Sachverständigen wiedergegeben, die es dem Senat ermöglichen würden, die gestellte Diagnose nachzuvollziehen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 5 [X.], [X.], 45; Urteil vom 19. Februar 2008 - 5 StR 599/07). Daran ändert der Umstand nichts, dass der Angeklagte mit ähnlichen Diagnosen bereits mehrfach stationär psychiatrisch behandelt wurde. Schließlich ist auch zu besorgen, dass das [X.] in rechtsfehlerhafter Weise davon ausgegangen ist, bereits die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung gemäß [X.]: [X.] führe ohne weiteres zur Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB. Denn das Urteil nimmt insoweit keinerlei wertende Betrachtung des Schweregrads der Störung und ihrer Tatrelevanz vor (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, [X.]R StGB § 20 seelische Abartigkeit 6 Rn. 9 mwN).

7

b) Der Senat hebt auch die Strafen einschließlich der diesen und der Maßregelentscheidung zugrundeliegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen. Eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten vermag der Senat auszuschließen.

8

3. Der Senat weist darauf hin, dass das neue Tatgericht auch zu prüfen haben wird, ob mit der am 15. Februar 2013 durch das [X.] verhängten Geldstrafe nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ist; hierbei kommt es gegebenenfalls auf den [X.] zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils an. Bei der [X.] wird die gebotene Prüfungsreihenfolge (vgl. [X.], Urteil vom 28. Februar 2013 - 4 [X.], [X.], 168; Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 449/07, [X.], 105) einzuhalten sein.

[X.]

                König                            [X.]

Meta

5 StR 168/14

06.05.2014

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Cottbus, 7. November 2013, Az: 23 KLs 3/13

§ 261 StPO, § 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2014, Az. 5 StR 168/14 (REWIS RS 2014, 5855)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5855

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