Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.06.2012, Az. X ZR 131/09

10. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5742

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Gegenstand

Grenzen des Gebrauchsmusterschutzes für ein Arzneimittel: Beschränkung der Schutzwirkung gegenüber einem Benutzer; Eigenbesitz als Voraussetzung für den Erwerb eines Vorbenutzungsrechts; subjektive Komponente des Eigenbesitzes - Desmopressin


Leitsatz

Desmopressin

1. Die nach § 12 Abs. 1 PatG für den Erwerb eines Vorbenutzungsrechts erforderliche Benutzung oder Veranstaltung setzt voraus, dass der Handelnde selbständigen Erfindungsbesitz erlangt hat. Erfindungsbesitz ist gegeben, wenn die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv erkannt worden ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist.

2. Die für den Erfindungsbesitz erforderliche subjektive Erkenntnis liegt vor, wenn das Handeln planmäßig auf die Verwirklichung einer technischen Lehre gerichtet ist, die alle Merkmale des erfindungsgemäßen Gegenstandes verwirklicht (hier: eine bestimmte Rezeptur für eine pharmazeutische Zusammensetzung). Ob der Handelnde darüber hinaus Kenntnis von Wirkungen hat, die nach den Angaben in der Beschreibung mit der Verwirklichung des erfindungsgemäßen Gegenstandes verbunden sind (hier: eine mit der Beachtung einer Obergrenze für den Oxidationsmittelgehalt erreichte bessere Haltbarkeit), ist unerheblich.

Tenor

Die Revision gegen das am 12. November 2009 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 20 2006 004 746 ([X.]), das am 24. März 2006 unter Inanspruchnahme von [X.] vom 2. und 15. März 2006 angemeldet und dessen Eintragung am 3. August 2006 bekannt gemacht wurde. Das [X.] betrifft eine pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arzneiform, die Desmopressin als therapeutisch wirksamen Bestandteil umfasst.

2

Die Beklagte zu 2 hat beim [X.] ein Löschungsverfahren gegen das [X.] eingeleitet, in welchem die Klägerin den eingetragenen Schutzanspruch 1 beschränkt mit folgendem Wortlaut verteidigt (Beschränkung hervorgehoben):

„Pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arzneiform, die Desmopressin oder ein pharmazeutisch akzeptables Salz davon als therapeutisch wirksamen Bestandteil zusammen mit einem pharmazeutisch akzeptablen Exzipienten, Verdünnungsmittel oder Träger oder einer Mischung daraus umfasst, worin die pharmazeutische Zusammensetzung Kieselerde und Stärke umfasst und worin der Gehalt an Oxidationsmitteln gleich oder weniger als 15 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist.“

3

Die Gebrauchsmusterabteilung hat das [X.] gelöscht. Die gegen diese Entscheidung von der Klägerin eingelegte Beschwerde ist zurückgewiesen worden. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde nach § 18 Abs. 4 Satz 2 [X.] i.V.m. § 102 Abs. 1 [X.] ist noch nicht abgelaufen.

4

Die Beklagte zu 2 stellt in [X.] Tabletten mit einer Zusammensetzung gemäß Schutzanspruch 1 des [X.] her. Seit Juni 2006 lässt sie die Tabletten in der [X.] unter der Bezeichnung „N.   “ vertreiben, zunächst durch die Beklagte zu 1, später durch die [X.] (die Beklagte des [X.]/09).

5

Auf Grund der beschränkt verteidigten Fassung des Schutzanspruchs 1 hat die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Herausgabe zur Vernichtung und Feststellung der Verpflichtung zu Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beklagten haben sich demgegenüber auf ein Vorbenutzungsrecht berufen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. In der Berufung hat die Klägerin ihre Ansprüche in zwei Hilfsanträgen dahin weiter eingeschränkt, dass sich die Klage - bei ansonsten unverändertem Wortlaut - gegen eine pharmazeutische Zusammensetzung richtet, die Kieselerde und Stärke umfasst und darin der Gehalt an Oxidationsmittel weniger als 5 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist, und weiter hilfsweise gegen eine pharmazeutische Zusammensetzung richtet, die Siliciumdioxid, Stärke und Povidon umfasst und darin der Gehalt an Oxidationsmittel weniger als 5 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

6

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese ihr zweitinstanzliches Begehren weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat keinen Erfolg.

8

I. Nach den Angaben des [X.] wird der Wirkstoff Desmopressin zur Behandlung primärer Enuresis nocturna (Bettnässen bei Kindern), von Nykturie (nächtlichem Harndrang) und Diabetes insipidus (Wasserharnruhr) eingesetzt. Die seit dem [X.] erhältliche Tablettenformulierung werde durch Verpressen eines geeigneten Granulats hergestellt, welches neben dem Wirkstoff typischerweise Exzipienten (nicht aktive Trägerstoffe), Tablettensprengmittel, Schmiermittel und Bindemittel enthalte, wobei die gebräuchlichste Tablettenformulierung als Exzipienten Kartoffelstärke und Laktose aufweise.

9

Es sei bekannt, dass das [X.] empfindlich gegen Abbau sei. Dessen Stabilisierung sei daher ein über die Jahre angegangenes Problem. Zugelassene [X.] hätten typischerweise eine Haltbarkeit von nur 12 bis 24 Monaten. Hieraus ergebe sich das technische Problem, ein [X.]el zur Verbesserung der Haltbarkeit von Desmopressin in [X.] bereitzustellen. Nach Schutzanspruch 1 des [X.] in der von der Klägerin geltend gemachten Fassung soll dies mit folgender Merkmalskombination erreicht werden:

1. Pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arzneimittelform.

2. Die Zusammensetzung umfasst

a) als therapeutisch wirksamen Bestandteil Desmopressin oder ein pharmazeutisch akzeptables Salz davon,

b) zusammen mit einem pharmazeutisch akzeptablen Exzipienten, Verdünnungsmittel oder Träger oder einer Mischung daraus,

c) Kieselerde,

d) Stärke.

3. Der Gehalt an Oxidationsmittel ist gleich oder weniger als 15 Gewichtsteile pro Million (ppm) der pharmazeutischen Zusammensetzung.

Die Lehre des [X.] sieht damit insbesondere einen geringen [X.] von ≤ 15 ppm der pharmazeutischen Zusammensetzung vor. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Gegenwart von [X.] den [X.] während der Lagerung abbaut. Da bestimmte Tablettenbestandteile (z.B. Stärke) Oxidationsmittel enthalten, führt eine sorgfältige Kontrolle und Absenkung des [X.] zu einer verbesserten Haltbarkeit der [X.]formulierung.

II. Nach den insoweit unbeanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts weisen die mit der Klage angegriffenen „N.   “-Tabletten alle Merkmale des Schutzanspruchs 1 des [X.] in der geltend gemachten Fassung auf. Das Berufungsgericht ist dennoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Verbietungsrechte nicht begründet seien, weil der [X.]n zu 2 ein [X.] gemäß § 13 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 12 [X.] zustehe. Sie habe am [X.] [X.] gehabt und diesen durch Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der gewerblichen Benutzung auch betätigt.

Zwar lasse sich nicht feststellen, dass die [X.] zu 2 seinerzeit positiv gewusst habe, dass der [X.] in der Tablettenzusammensetzung einen Wert von 15 ppm oder 5 ppm nicht überschreiten dürfe, wenn eine gemäß dem vorbekannten Stand der Technik überlegene Lagerstabilität erhalten werden solle. Darauf komme es aber auch nicht an. Die [X.] zu 2 habe vielmehr bereits dann [X.] gehabt, wenn sie sich vor dem [X.] für eine Rezeptur ihrer Tablettenformulierung entschieden habe, die zwangsläufig und verlässlich zu einem erfindungsgemäßen [X.] führe. Unter solchen Umständen sei die [X.] zu 2 nämlich in der Lage gewesen, den vom Klagegebrauchsmuster geschützten Erfindungsgedanken (eine [X.]formulierung mit geringem [X.]) beliebig wiederholbar auszuführen und damit den erfindungsgemäßen Erfolg (eine erhöhte Lagerstabilität der pharmazeutischen Zusammensetzung) nicht nur zufällig, sondern planmäßig herbeizuführen.

Nach dem Inhalt der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass sich die [X.] zu 2 vor dem [X.] für eine Rezeptur entschieden habe, welche die technische Lehre des [X.] in sämtlichen von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsfassungen vorweggenommen habe. Aufgrund der Zeugenaussagen und der vorgelegten Unterlagen sei davon auszugehen, dass sich die [X.] zu 2 endgültig auf eine pharmazeutische Zusammensetzung aus Desmopressinacetat, Laktose, Kartoffelstärke, [X.] 25, Siliciumdioxid und Magnesiumstearat festgelegt habe. Aus den Unterlagen ergebe sich weiter, dass die [X.] zu 2 eine bestimmte Kartoffelstärke, nämlich eine des Herstellers [X.], endgültig in ihre Formulierung aufgenommen habe. Damit habe sich die [X.] zu 2 vor dem [X.] für eine Rezeptur ihrer Tablettenformulierung entschieden, die zwangsläufig und verlässlich zu einem erfindungsgemäßen [X.] von 3,8 ppm geführt habe.

Die [X.] zu 2 habe überdies zum [X.] ihren [X.] im Inland durch Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der gewerblichen Nutzung betätigt. Sie habe vor diesem Zeitpunkt hinsichtlich der erfindungsgemäßen „N.   “-Tablettenformulierung eine Arzneimittelzulassung für Öster-reich erwirkt und einen Zulassungsantrag für die [X.] gestellt, die [X.] zu 1 als [X.] Vertriebspartner gewonnen und vertraglich an sich gebunden sowie diese mit Hilfe von [X.], Etiketten, Gebrauchsinformationen und [X.] in die Lage versetzt, die Vertriebstätigkeit nach erfolgter Arzneimittelzulassung aufzunehmen. Dies habe für Dritte nur den Schluss zugelassen, dass am [X.] alle Vorbereitungen erfolgt seien, um die „N.   “-Tabletten alsbald auch im [X.] zu vertreiben.

Ob die [X.] zu 1 in ihrer Person ein eigenes [X.] erworben habe, bedürfe keiner Entscheidung. Die [X.] zu 1 könne sich als Vertriebsunternehmen der [X.]n zu 2 jedenfalls auf deren [X.] berufen. Dass die [X.] zu 2 nach dem [X.] ihren Vertriebspartner gewechselt habe, ändere hieran nichts; hierdurch habe diese ihr [X.] weiter ausgeübt.

III. Dies hält im Ergebnis und in der Begründung den Angriffen der Revision stand.

1. [X.], das Berufungsgericht verkenne den Begriff des [X.]es, indem es alleine die objektive Verwirklichung der technischen Lehre des [X.] für ausreichend angesehen habe, ohne dass es auf irgendeine Form der Kenntnis des Vorbenutzers von dieser Lehre ankomme, ist nicht begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] setzt die nach § 12 [X.] für den Erwerb eines [X.]s erforderliche Benutzungshandlung oder Veranstaltung voraus, dass der Handelnde selbständigen [X.] erlangt hat. [X.] ist gegeben, wenn die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv derart erkannt ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist ([X.], Urteil vom 10. September 2009 - [X.], Rn. 17, [X.], 47, 48 - Füllstoff; Urteil vom 30. Juni 1964 - [X.], [X.], 673, 674 - Kasten für [X.]; vgl. auch [X.], 58, 61; [X.], GRUR 1943, 286, 287; [X.], [X.], 10. Aufl., 2006, § 12 [X.], Rn. 5; Busse/[X.], 6. Aufl., 2003, § 12 [X.], Rn. 16; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., 2008, § 12 [X.], Rn. 9). An einer solchen Erkenntnis fehlt es, wenn das technische Handeln über das Stadium von Versuchen noch nicht hinausgegangen ist ([X.] [X.]. 1931, 72, 74) oder ein Gegenstand benutzt worden ist, der lediglich in einzelnen Exemplaren „zufällig“ die erfindungsgemäßen Eigenschaften aufgewiesen hat ([X.] 1936, 406, 407, [X.]). Denn in beiden Fällen ist das Handeln nicht von einer Erkenntnis getragen, die es jederzeit möglich macht, die technische Lehre wiederholbar auszuführen, so dass es auch nicht gerechtfertigt ist, daran eine Besitzstand vermittelnde Rechtsposition anzuknüpfen. Von derartigen Fällen eines unbewussten oder zumindest nicht hinreichend gefestigten Gebrauchs der technischen Lehre hebt sich ein Handeln ab, das planmäßig auf die Verwirklichung derselben gerichtet ist. Dieses ist als [X.] begründend anzusehen, weil ihm die gesicherte Erkenntnis zugrunde liegt, dass die Erfindung ausgeführt werden kann. Nur insoweit kann es auch auf die Kenntnis des Zusammenhangs von Ursache und Wirkung ankommen (vgl. [X.], [X.] 1931, 449, 450; GRUR 1939, 300, 302; GRUR 1940, 434, 436; [X.], GRUR 1993, 73, 80; [X.], aaO, Busse/[X.], aaO; [X.]/[X.], [X.] 1, 3. Aufl., 1971, § 7 [X.], Rn. 7). Hingegen ist es nicht erforderlich, dass der Handelnde über die Erkenntnis der gesicherten Ausführbarkeit der Erfindung hinausgehendes Wissen um vorteilhafte Wirkungen der Erfindung hat. Denn der [X.] kann nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die nicht Teil der technischen Lehre geworden sind, so wie diese im Patentanspruch definiert worden ist. Auf die Kenntnis von Wirkungen, die zwar nach den Angaben in der Beschreibung mit der Verwendung des erfindungsgemäßen Gegenstandes verbunden sein sollen, die aber nicht in den Patentanspruch aufgenommen worden sind, kann es daher für die Frage, ob [X.] begründet worden ist, nicht entscheidend ankommen.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die [X.] zu 2 bereits am [X.] des [X.] für ihre zum Vertrieb in der [X.] vorgesehene [X.]formulierung eine Rezeptur in Händen, wonach die Tablette „N.   0,1 mg“ 0,1 mg Desmopressinacetat, 60,0 mg Lactose, 38,2 mg Kartoffelstärke des Herstellers [X.], 1,0 mg [X.] ([X.] 25), 0,2 mg Siliciumdioxid und 0,5 mg Magnesiumstearat enthielt bzw. die Tablette „N.   0,2 mg“ die jeweils doppel-te Menge der vorgenannten Bestandteile. Mit dieser Rezeptur ging die gesicherte Erkenntnis bei der [X.]n zu 2 einher, dass es möglich war, eine Tablette in der genannten Zusammensetzung herzustellen. Derartige [X.] wiesen nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts einen [X.] von 3,8 ppm auf und entsprachen damit der Lehre aus Schutzanspruch 1 des [X.] sowohl in der Fassung des [X.] als auch in den Fassungen der beiden Hilfsanträge der Klägerin. Bei der [X.]n zu 2 war damit [X.] gegeben.

An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass das Berufungsgericht bei der [X.]n zu 2 keine positive Kenntnis davon hat feststellen können, dass der [X.] in der ansonsten erfindungsgemäßen Tablettenzusammensetzung einen Wert von 15 ppm oder 5 ppm nicht überschreiten darf, wenn eine gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik überlegene Lagerstabilität erhalten soll. Darauf kommt es für die gesicherte Erkenntnis, dass die objektiv erfindungsgemäße Tablettenzusammensetzung nach der vorgenannten Rezeptur hergestellt werden kann, nicht an. Die [X.] zu 2 befand sich nicht mehr in einem Stadium bloßer Versuche, sondern hatte sich hinsichtlich der für den Vertrieb vorgesehenen [X.] auf die genannte Formulierung festgelegt. Der [X.] von 3,8 ppm wurde auch nicht nur zufällig bei einzelnen Tabletten erzielt, sondern war planmäßig in der vorgenannten Rezeptur angelegt. Das Berufungsgericht hat insoweit festgestellt, dass der tatsächliche [X.] unter den von der [X.]n zu 2 beachteten Herstellungsbedingungen, wie sie sich aus den Produktionsdokumentationen (Anlagen 7 bis 10) ergeben, dem rechnerischen Gehalt an Oxidationsmitteln nach der Rezeptur der pharmazeutischen Zusammensetzung entspricht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt diese Erkenntnis, dass und wie eine Tablette mit einem [X.] von 3,8 ppm wiederholbar hergestellt werden kann, für den [X.]. Denn es handelt sich um die Erkenntnis einer technischen Lehre, die sich - wie ein Unteranspruch - als Anwendungsfall oder Ausführungsbeispiel der im Schutzanspruch des [X.] bezeichneten allgemeineren Lehre darstellt, dass die Zusammensetzung so zu wählen ist, dass eine bestimmte Obergrenze für den [X.] nicht überschritten wird. Die weitere Erkenntnis, dass es dieser [X.] ist, der sich auf die Haltbarkeit der Zusammensetzung vorteilhaft auswirkt, ist nicht Bestandteil der technischen Lehre und weder für die Erlangung des patent- oder gebrauchsmusterrechtlichen Erfindungsschutzes erforderlich noch Voraussetzung eines [X.]s.

Die Frage, wie weit ein [X.] reicht, das sich auf die Erkenntnis gründet, dass und wie eine bestimmte Ausführungsform der Erfindung erzeugt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht. Denn das Berufungsgericht hat, von der Revision unbeanstandet, nicht festgestellt, dass sich das Erzeugnis, das nach der Veröffentlichung der Gebrauchsmustereintragung von der [X.]n zu 2 hergestellt und von der [X.]n zu 1 vertrieben worden ist und nunmehr von der Klägerin als das Klagegebrauchsmuster verletzend angegriffen wird, von dem vorbenutzten unterscheidet.

2. Die Feststellungen des Berufungsgerichts halten den Verfahrensrügen der Revision stand.

a) Soweit die Revision sich gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, im Streitfall komme eine "zufällige" Benutzung der Erfindung nicht in Betracht, weil die [X.] sich schon vor dem Prioritätsdatum auf eine bestimmte qualitative und quantitative Zusammensetzung unter Benutzung konkreter Hilfsstoffe festgelegt habe, und darauf hinweist, dass die konkret ausgewählten Hilfsstoffe [X.] 25 und Kartoffelstärke des Herstellers [X.] jederzeit hätten ausgetauscht werden können, bleibt ihre Rüge ohne Erfolg. Zwar ist es zutreffend, dass das Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2009 noch selbst darauf hingewiesen hat, aus dem [X.] (Anlage [X.]) ergebe sich der schwankende [X.] von Kartoffelstärke (bis 20 ppm) und [X.] (bis 400 ppm). Es hat aber in seinem Urteil festgestellt, dass die [X.] zu 2 sich auf die Kartoffelstärke des Herstellers [X.] festgelegt hatte und dass der [X.] dieser von der [X.]n zu 2 verwendeten Stärke lediglich 9 ppm betrug. Insoweit hat das Berufungsgericht vor allem auf Qualitätskontrollen hingewiesen, die auf der Grundlage des zwischen den [X.]n am 15. November 2005 zustande gekommene Lizenz- und Vertriebsvereinbarung nach einer Anfrage der [X.]n zu 1 vom 3. November 2005 ab dem 25. November 2005 anhand von [X.] durchgeführt worden seien und die sich ausweislich der Herstellungsberichte jeweils auf N.   -[X.] mit den Bestandteilen Desmopressinacetat, Laktose, [X.] 25, Magnesiumstearat, hochdisperses Siliciumdioxid und Kartoffelstärke des Hersteller [X.] bezogen hätten. Entsprechendes gilt für den Hilfs-stoff [X.] 25. Soweit die Revision demgegenüber meint, dass auch der [X.]gehalt der Produkte [X.] 25 und Kartoffelstärke von [X.] Produktionsschwankungen unterliege und sich selbst bei sehr geringen Änderungen des Gehaltes an [X.] Werte deutlich über 5 ppm ergäben, setzt sie sich in Widerspruch zu den Feststellungen des Berufungsgerichts, ohne dass insoweit eine Verfahrensrüge erhoben und ordnungsgemäß ausgeführt wäre.

b) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Verwertung der Ergebnisse der vom [X.] durchgeführten Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht.

(1) Insoweit wird zunächst beanstandet, dass beide Vordergerichte ihre Beweiswürdigung unter anderem auf die Aussagen der [X.]und [X.]gestützt und diese als glaubhaft beurteilt haben. Schon dem [X.] sei die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen, welche der Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen denknotwendig vorausgehe, aber verwehrt gewesen, weil der mit der Beweisaufnahme beauftragte Richter vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung ausgeschieden sei. Dem [X.] habe es ohne Wiederholung der Zeugenvernehmung deshalb an einem persönlichen Eindruck von den Zeugen gefehlt; derartige Eindrücke des beauftragten [X.] seien auch nicht protokolliert worden. Das [X.] habe hierdurch die Grundsätze der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der freien Beweiswürdigung verletzt. Die Revision meint, jedenfalls das Berufungsgericht habe die Zeugenvernehmung deshalb gemäß § 398 Abs. 1 ZPO wiederholen müssen.

(2) Die Rüge greift nicht durch.

(a) Das Berufungsgericht hat eine erstinstanzliche Beweisaufnahme zu wiederholen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen, §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 398 Abs. 1 ZPO. Das Berufungsgericht muss daher einen in erster Instanz vernommenen Zeugen wiederholt vernehmen, wenn es protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder werten will ([X.], Beschluss vom 21. April 2010 - [X.], [X.], 1533 Rn. 5 mwN; [X.], Urteil vom 3. April 1984 - [X.], NJW 1984, 2629) oder wenn es die Glaubwürdigkeit eines in der ersten Instanz vernommenen Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will ([X.], Urteil vom 12. März 2004 - [X.], [X.]Z 158, 269, 275 mwN; Urteil vom 19. Juni 1991 - [X.], NJW 1991, 3285). Eine erneute Zeugenvernehmung durch das Berufungsgericht ist zudem dann notwendig, wenn bereits die Beweiswürdigung durch das erstinstanzliche Gericht gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO) verstößt (Musielak/[X.], ZPO, 9. Aufl., § 398 Rn. 4 und Musielak/Ball, aaO, § 529 Rn. 13, 16).

(b) Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

Entgegen der Revision ist es nicht als verfahrensfehlerhaft zu beanstanden, dass das [X.] seine Beweiswürdigung ohne wiederholte Vernehmung auf die protokollierten Aussagen der [X.]und [X.]gestützt hat, obwohl der mit der Zeugenvernehmung beauftragte Richter vor der Entscheidung ausgeschieden ist.

Das erkennende Gericht darf eine Beweiswürdigung grundsätzlich auch dann vornehmen, wenn es die Beweisaufnahme nicht selbst durchgeführt hat, wenn also die Zusammensetzung des Gerichts zwischen Beweisaufnahme und Entscheidung gewechselt hat. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Zivilprozessordnung die Beweisaufnahme durch den beauftragten und [X.] (§ 361 f. ZPO) vorsieht. Ein Richterwechsel nach einer Beweisaufnahme erfordert daher nicht in jedem Fall deren Wiederholung. Frühere Zeugenaussagen können durch Auswertung der Vernehmungsprotokolle im Wege des [X.] verwertet werden, sofern es auf einen persönlichen Eindruck von ihren Bekundungen nicht ankommt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur [X.], Urteil vom 4. Februar 1997 - [X.], NJW 1997, 1586, 1587 mwN). Ein Gericht verstößt erst dann gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn es sich auf Erwägungen zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen stützt, ohne dass [X.] - etwa wegen eines Richterwechsels - an dessen Vernehmung teilgenommen und so einen persönlichen Eindruck von dem Zeugen gewonnen haben oder auf eine aktenkundige und der Stellungnahme durch die Parteien zugängliche Beurteilung zurückgreifen können ([X.], Urteil vom 4. Februar 1997 - [X.], NJW 1997, 1586, 1587; Urteil vom 9. Januar 1997 - [X.], NJW-RR 1997, 506; Urteil vom 19. September 1994 - [X.], NJW-RR 1994, 1537; Urteil vom 4. Dezember 1990 - [X.], NJW 1991, 1180). Eine Verletzung des so verstandenen Gebots der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme liegt nicht vor. Das [X.] hat die persönliche Glaubwürdigkeit der [X.] und [X.]nicht in Zweifel gezogen, sondern nur den sachlichen Inhalt ihrer Aussagen anhand anderweitiger Umstände, insbesondere anhand von Zulassungsunterlagen und Schriftverkehr, gewürdigt. Das war trotz des Ausscheidens des mit der Zeugenvernehmung beauftragten [X.] zulässig.

Das Berufungsgericht hat die Aussagen der [X.]und [X.]auch nicht anders verstanden als das [X.]. Ebenso wie das [X.] hat das Berufungsgericht diese Aussagen als glaubhaft beurteilt, weil ihr Erklärungsgehalt durch anderweitige Umstände, insbesondere Zulassungsunterlagen und Schriftverkehr, bestätigt worden sei. Beide Gerichte beziehen sich ausschließlich auf die Sachdarstellung und damit die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen. Die Glaubwürdigkeit der Zeugen wird weder vom [X.] noch vom Berufungsgericht erörtert und ersichtlich von beiden Vorinstanzen im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen und mangels die Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehender Umstände stillschweigend bejaht.

3. Die Revision beanstandet schließlich die Annahme des Berufungsgerichts, dass die [X.] zu 1 sich als Vertriebsunternehmen auf ein von der [X.]n zu 2 abgeleitetes [X.] habe berufen können, obwohl die [X.] zu 2 zu einem späteren Zeitpunkt die [X.] zu 1 durch die [X.] (der [X.]n des [X.]/09) als Vertriebspartner ausgetauscht habe. Als Folge dieser Auffassung sei es der [X.]n zu 2 unbenommen, den Vertrieb in der [X.] parallel durch mehrere Vertriebsgesellschaften durchführen zu lassen, obwohl es sich bei der [X.]n zu 1 ursprünglich um den einzigen Vertriebspartner für die [X.] gehandelt habe. Ein solcher paralleler Vertrieb führe zu einer von § 12 [X.] nicht erlaubten Ausweitung des [X.]s im Inland.

Die von der Revision erhobenen Bedenken stellen sich im Streitfall bereits deshalb nicht, weil nach den von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts die [X.] zu 2 ihre Vertriebspartner für das Gebiet der [X.] lediglich ausgetauscht und nicht deren Anzahl erhöht hat.

Darüber hinaus ist allgemein anerkannt, dass das [X.] des Herstellers umfassend und mengenmäßig nicht beschränkt ist und den Wechsel der [X.] erlaubt ([X.]Z 153, 321, 326 - Gleichrichterröhren; [X.] GRUR 1938, 770, 771 - Eisenbahnpostwagen; [X.] GRUR 1940, 434, 436 - Massekerne; [X.], [X.], 10. Aufl., § 12 [X.] Rn. 23; Busse/[X.], [X.], 6. Aufl., § 12 Rn. 45; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., S. 825; [X.], [X.], 944, 945; jeweils mwN). Entsprechend umfasst das [X.] auch den Aufbau eines Vertriebssystems (Busche, GRUR 1999, 645, 648) und dessen Ausgestaltung mit mehreren Vertriebspartnern.

IV. [X.] beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck                                       [X.]                                                Mühlens

                          [X.]

Meta

X ZR 131/09

12.06.2012

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 12. November 2009, Az: I-2 U 88/08

§ 12 Abs 1 PatG, § 13 Abs 3 GebrMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.06.2012, Az. X ZR 131/09 (REWIS RS 2012, 5742)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5742

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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