Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.04.2019, Az. 30 W (pat) 547/17

30. Senat | REWIS RS 2019, 8227

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 017 031.6

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 11. April 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 8. Juni 2017 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

I[X.]

3

ist am 14. Juni 2016 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] geführte Register angemeldet worden für folgende Waren und Dienstleistungen:

4

„Klasse 9: Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Batterien; elektrische Batterien für Fahrzeuge; Batterieladegeräte; Ladegeräte für elektrische Akkumulatoren; Navigationsgeräte für Fahrzeuge

5

Klasse 12: Fahrzeuge; Landfahrzeuge; Personenkraftwagen; Elektrofahrzeuge; Elektro-Motoren für Landfahrzeuge; Teile und Bestandteile für Landfahrzeuge soweit in dieser Klasse enthalten; führerlose Fahrzeuge [autonome Fahrzeuge]; gewerbliche Fahrzeuge [Nutzfahrzeuge]

6

Klasse 37: [X.] der in Klasse 9 und 12 vorgenannten Waren; Instandhaltung von Fahrzeugen; Aufladen von Autobatterien; Installations-, Reinigungs-, Reparatur- und Wartungsarbeiten für Fahrzeuge; Fahrzeugservice, -Reparatur, [X.] und -Betankung“.

7

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s hat die Anmeldung mit Beschluss vom 8. Juni 2017 wegen [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angesprochenen Verkehrskreise würden innerhalb der Marke das Element „[X.]“ erkennen und somit auch den Buchstaben „I“ im Sinne von „[X.]“ bzw „internetfähig“. In seiner Gesamtheit erschließe sich das Anmeldezeichen damit als Sachhinweis auf eine Verbindung von Motoren, deren Zubehörteilen und den zugehörigen Dienstleistungen mit dem [X.]. Mit dieser Bedeutung sei das Anmeldezeichen für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen beschreibend.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

9

Sie trägt vor, das Anmeldezeichen enthalte keine beschreibende Sachangabe und weise zudem die erforderliche Unterscheidungskraft auf. Die Markenstelle habe verfehlt ein zergliederndes Verständnis zugrunde gelegt. Selbst wenn man aber – wie nicht – das Zeichen in die Bestandteile „I“ und [X.]“ zergliedere, könne schon nicht festgestellt werden, dass der vorangestellte [X.] „I“ eine im betroffenen [X.] gebräuchliche oder aus sich heraus verständliche Abkürzung für „[X.]“ oder „internetfähig“ sein solle (unter Hinweis auf [X.] 30 W (pat) 514/14 – [X.]; 25 W (pat) 28/07528/12 – „i.demo“; 27 W (pat) 553/13 – [X.]). So gebe es auf dem vorliegend betroffenen Sektor der Fahrzeuge und Mobilität allenfalls den Begriff der „e-Mobility“, aber eben nicht der „[X.]“. Die von der Markenstelle unterstellte Bedeutung im Sinne eines „internetfähigen [X.]“ existiere nicht und gehe auch nicht aus den amtsseitigen Fundstellen hervor. Ergänzend sei auf eine Reihe von Voreintragungen mit dem Bestandteil „I“ für vergleichbare Waren und Dienstleistungen zu verweisen.

Die Markeninhaberin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]es vom 8. Juni 2017 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

I[X.] in Bezug auf die beanspruchten Waren jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entbehrt oder als beschreibende Angabe einem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterliegt.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.], 610 ([X.]) – [X.]; GRUR 2008, 608 ([X.]) – [X.]; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; [X.], 173 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) – [X.]; 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; GRUR 2008, 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.], 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 934 ([X.]) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; BGH [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.], 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] 2017, 186 (Nr. 29) – [X.]; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 ([X.]) – [X.]; [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) - [X.]; [X.], 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] GRUR 2013, 519 (Nr. 46) – [X.]; [X.], 674 ([X.]) – Postkantoor; [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) – [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 11) – Link economy; [X.], 952 (Nr. 10) – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2017, 186 (Nr. 32) – [X.]; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 ([X.]) – [X.]; GRUR 2010, 1100 (Nr. 23) – [X.]!; [X.], 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).

2. Im vorliegenden Fall sind keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Buchstaben- und Zeichenfolge I[X.] in ihrer Gesamtheit auf dem betreffenden [X.] entweder selbst eine beschreibende Sachangabe darstellt oder als Abkürzung einer solchen beschreibenden Sachangabe üblicherweise verwendet und verstanden wird.

Die Markenstelle ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine Kombination des [X.]ns „I“ mit dem – als solchem glatt beschreibenden – Wort „[X.]“ handelt.

Es ist jedoch entgegen der Annahme der Markenstelle nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, dass es sich bei dem im Anmeldezeichen dem Wort „[X.]“ vorangestellten [X.]n „I“ um eine im betroffenen [X.] gebräuchliche oder aus sich heraus verständliche Abkürzung für „[X.]“ bzw. „internetfähig“ handelt.

Der Buchstabe „i“ ist sowohl im [X.] als auch im [X.] lexikalisch nachvollziehbar mit einer Vielzahl von Bedeutungen belegt und steht dabei unter anderem auch als Kürzel für „[X.]“ (vgl. hierzu schon [X.] [X.] PROMA, 30 W (pat) 514/14 – [X.], unter Hinweis auf: [X.], [X.], 6. Aufl. 2011; [X.], 3. Aufl. 2005; [X.], [X.] - Lexikon der Akronyme, Kurzbefehle und Abkürzungen).

Ausgehend hiervon unterliegt die Annahme der Markenstelle, dass es sich bei dem Vokal „i“ um eine im [X.]zeitalter üblich gewordene und allgemein geläufige Abkürzung für das „[X.]“ handele, zwar für den EDV-/IT-Sektor und den hierauf bezogenen Waren- und Dienstleistungszusammenhang keinen Bedenken. Für die Beurteilung der vorliegenden Markenanmeldung nimmt die Argumentation jedoch nicht hinreichend in den Blick, dass es für die Annahme eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in erster Linie auf die Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren ankommt. Ausgehend hiervon lässt sich auch die amtsseitig zitierte Rechtsprechung (EuG, Urt. v. 16. Dezember 2010, [X.] – „[X.]“, juris; vgl. ähnlich auch [X.] [X.] PROMA, Beschluss vom 11. Januar 2011, 33 W (pat) 130/09 – „iFINANCE“; [X.] [X.] PROMA, Beschluss vom 26. Januar 2011, 26 W (pat) 508/10 – „i.store“; EUIPO [X.] PROMA R 1173/12-2, 14. Mai 2013 – „i-area“) nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall – und die hier betroffenen Waren der Klassen 9 und 12 sowie die Dienstleistungen der Klasse 37 – übertragen. Auch lässt sich nicht – wie auf Seite 2 des angefochtenen Beschlusses – pauschal argumentieren, angesichts der „raschen Veränderungen auf den Gebieten der Informatik und Telekommunikation sowie der parallelen Entwicklung der einschlägigen Terminologie“ seien die Erwägungen des [X.] zu „[X.]“ ([X.], 30 W (pat) 521/12) und „[X.]“ ([X.], 33 W (pat) 110/07) überholt.

I[X.] im Sinne von „internetfähige Motoren“ nicht nahe.

I[X.] (vgl die Anlage zum Beanstandungsbescheid vom 19. Oktober 2016, [X.], „[X.] entwickelt einen neuen I[X.] für Fernwirksysteme“, „[X.]-Compact direct drive“, angesteuert durch „[X.]“) betrifft eine markenmäßige Verwendung sowie im Übrigen auch nicht den Warensektor Batterien/Elektrofahrzeuge (sondern den Bereich „effiziente Gestaltung für Stromnetze“). Auch der Senat konnte im Rahmen einer ergänzenden Recherche lediglich eine markenmäßige Verwendung von „I[X.]“ bzw. „[X.]“ ermitteln („etz Heft 4/2011“, „Kompakter Antrieb zum Fernschalten von [X.]“, „[X.] Compact“ in der Schaltanlage eines Windparks).

Im Übrigen hat die Markenstelle lediglich Nachweise über aktuelle Trends zum „selbstfahrenden Kraftfahrzeug“ bzw. zur Nutzung des Smartphones als „Bordcomputer“ gesammelt, nicht jedoch belegt, dass der Buchstabe „i“ (bzw. als Majuskel „I“) in diesem Zusammenhang eine gebräuchliche oder aus sich heraus verständliche Abkürzung darstellt. Hiervon ist auch nach den ergänzenden Rechercheergebnissen des Senats nicht auszugehen.

Der Buchstabe „i“ wird demnach auf dem [X.] zwar verwendet, so insbesondere von dem Autohersteller [X.] für die Fahrzeugreihe und „Submarke“ „[X.] i“. Es handelt sich hierbei jedoch wiederum um eine markenmäßige Verwendung. Hinzu tritt, dass nach den weiteren Rechercheergebnissen des Senats unklar verbleibt – und selbst interessierte Verkehrskreise nicht ohne weiteres nachvollziehen können –, wofür das „i“ konkret steht. Exemplarisch kann auf die folgenden Rechercheergebnisse verwiesen werden:

- „Forum: Wofür steht das „i“ bei [X.]": (…) „Bei [X.] sagt man [X.], es steht nicht für injection, wofür steht es dann?“

- www.ziopionierin.de/Elektromobilität im Alltag: [X.] i - Das „i“ steht für Innovation“

- „www.autohaus-michael-schmidt.com“, „Was bedeutet [X.] M und [X.] i“: „Das „i“ in [X.] lässt sich nicht direkt einem Wort zuordnen. Es handelt sich vielmehr um eine Submarke von [X.] sowie ein Konzept für nachhaltige und zukunftsweisende Mobilität und inspirierendes Design. Man könnte also Begriffe wie „innovativ, intelligent, inspirierend“ als durchaus passend ansehen.

- www.focus.de: „Die [X.] verlassen den Konzern“ (20.4.2016): Der [X.] Auto-Riese [X.] verliert wichtige Mitarbeiter seiner Sparte für Elektrofahrzeuge (…).“

Diese Fundstellen offenbaren in ihrer Gesamtheit, dass selbst interessierte Verkehrskreise sowie auch der KfZ-Fachhandel dem Buchstaben „i“ nicht ohne weiteres eine konkrete Bedeutung zumessen können. Vielmehr regt der Buchstabe i“ ganz offensichtlich, wie aus den zitierten Erörterungen hervorgeht, zum Nachdenken an und führt zu regen Diskussionen. Wenngleich der Verkehr einen allgemeinen Bezug zur Elektrofahrzeug-Reihe von [X.] bzw. zur Sparte „Elektrofahrzeuge“, allerdings immer im Hinblick auf die Submarke „[X.] i“, erkennt, erschließt sich ihm keinesfalls auf Anhieb, wofür der Buchstabe „i“ steht bzw. welche konkrete Bedeutung ihm zukommt.

I[X.] als solche gebräuchlich oder aus sich heraus verständlich sind.

I[X.] sind ebenso wenig erkennbar geworden.

3. Da – wie ausgeführt – eine beschreibende Bedeutung von I[X.] nicht feststellbar ist, scheitert die Anmeldung auch nicht an dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Die Beschwerde hat daher Erfolg.

Meta

30 W (pat) 547/17

11.04.2019

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.04.2019, Az. 30 W (pat) 547/17 (REWIS RS 2019, 8227)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8227

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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