Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.04.2020, Az. 1 WDS-VR 2/20

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2020, 3857

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Gegenstand

Versetzung; vorläufiger Rechtsschutz; Entfernungsfeststellung; schwerwiegender persönlicher Grund


Tenor

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (BVerwG 1 WB 7.20) gegen die Versetzungsverfügung Nr. ... des [X.] vom 23. Januar 2020 (i.d.F. der 2. Korrektur vom 25. Februar 2020) in Gestalt des [X.] des [X.] vom 9. März 2020 anzuordnen, wird abgelehnt.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Versetzung.

2

Der Antragsteller ist Soldat auf [X.] im Dienstgrad eines Oberstabsarztes; seine Dienstzeit endet am 30. Juni 2022. Er ist approbierter Zahnarzt und Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Er ist verheiratet und hat zwei am 19. Juni 2019 geborene Kinder; die Familienwohnung befindet sich in [X.]

3

Der Antragsteller wurde zuletzt auf einem nach Besoldungsgruppe [X.]/[X.] bewerteten Dienstposten als [X.] und Truppenzahnarzt beim ... [X.] mit abweichendem Dienstort [X.] eingesetzt. Im Hinblick auf eine qualifikationsgerechte und förderliche Weiterverwendung wurden mit ihm seit Mitte 2017 [X.] geführt. Mit Verfügung vom 16. April 2019 versetzte ihn das [X.] zunächst auf den Dienstposten eines [X.]s und [X.] Oralchirurgie beim ... A. in D. Diese Verfügung wurde im Dezember 2019 wieder aufgehoben, nachdem der Antragsteller ärztliche Unterlagen vorlegt hatte, aus denen eine Entwicklungsverzögerung der frühgeborenen Zwillinge und zusätzliche Gesundheitsstörungen mit erheblichem Betreuungsaufwand hervorgingen, die die Beratenden Ärztinnen des [X.] und des [X.] als schwerwiegende persönliche Gründe anerkannten. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen wurden die vom Antragsteller gegen diese Versetzung geführten Verfahren eingestellt.

4

Mit Verfügung Nr. ... vom 23. Januar 2020 versetzte das [X.] den Antragsteller auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim ... A. mit Dienstleistung in [X.] Der ursprünglich festgesetzte Dienstantritt wurde zuletzt auf den 16. März 2020 verschoben.

5

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 5. Februar 2020 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen seine Versetzung und beantragte, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen. Zur Begründung führte er aus, dass die Betreuung seiner beiden Kinder den Einsatz auf einem Dienstposten in direkter Wohnortnähe erfordere. Auch bestehe kein dienstliches Bedürfnis für die Versetzung. Am neuen Dienstort bestehe kein Personalbedarf; es fehle auch an einer sachgerechten Ausstattung des Dienstpostens. Jedenfalls sei der vorgesehene Dienstantritt deutlich zu verschieben.

6

Mit Stellungnahme vom 25. Februar 2020 erklärte die Beratende Ärztin beim [X.], dass gegen die Versetzung nach [X.] aus militärärztlicher Sicht derzeit keine durchgreifenden Bedenken bestünden. Dem schloss sich die Beratende Ärztin des [X.] unter dem 4. März 2020 an.

7

Mit Bescheid vom 9. März 2020 wies das [X.] die Beschwerde zurück. Das dienstliche Bedürfnis für die Versetzung nach [X.] sei gegeben, weil dort zwei zahnärztliche [X.] zur Verfügung stünden, von denen nur einer besetzt sei. Die bisherige Verwendung am Standort [X.] sei von Beginn an zeitlich befristet gewesen; der Einsatz dort sei ausschließlich als temporäre Hilfestellung zugunsten des Antragstellers erfolgt. Da der bisherige Dienstposten nunmehr personell nachbesetzt sei, sei die Wegversetzung auch aus personalorganisatorischen Gründen notwendig. Ferner seien in [X.] bereits drei kurativ tätige [X.]e bei insgesamt drei zahnärztlichen [X.]n tätig, so dass keine Notwendigkeit bestehe, dort einen vierten Behandler einzusetzen. Schwerwiegende persönliche Gründe stünden der Versetzung nicht entgegen. Weil der neue Standort weniger als 30 km vom Familienwohnort entfernt sei, seien auch keine Schutzfristen einzuhalten. Insgesamt werde mit der Verwendung in [X.] den persönlichen Lebensumständen ebenso wie der dienstlichen Bedarfslage hinreichend Rechnung getragen.

8

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 13. März 2020 die Entscheidung des [X.] beantragt; das Hauptsacheverfahren wird unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 7.20 geführt. Gleichzeitig hat er den hier gegenständlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, zu dessen Begründung er vorträgt:

9

Es bestehe ein dienstlicher Bedarf für seine Weiterverwendung in [X.] Dort seien eine Zahnärztin mit ca. einem Jahr Restdienstzeit in Teilzeit, ein frisch approbierter Zahnarzt, der durch verschiedene Lehrgänge gebunden sei, sowie der Leiter der [X.], der gleichzeitig die Funktion eines begutachtenden Zahnarztes wahrnehme und deshalb nur zur Hälfte kurativ zur Verfügung stehe, tätig. Es sei deshalb bereits in der Vergangenheit ein ziviler Zahnarzt beauftragt worden, als Vertragszahnarzt die Versorgung temporär sicherzustellen bzw. zu unterstützen; außerdem gebe es Überweisungen in den zivilen Gesundheitssektor zu unterschiedlichen Zahnärzten. Hinsichtlich der schwerwiegenden persönlichen Gründe habe sich die Situation seit dem militärärztlichen Gutachten vom 3. Dezember 2019 (zu der ursprünglichen, inzwischen aufgehobenen Versetzungsverfügung) nicht geändert. Dort sei festgestellt worden, dass schwerwiegende persönliche Gründe für den Verbleib am Standort [X.] für 24 Monate gegeben seien; eine Versetzung komme danach frühestens ab Dezember 2021 in Betracht. [X.] sei ferner die Sachverhaltsfeststellung zur Entfernung zwischen Familienwohnung und neuem Dienstort. Diese betrage nach dem Routenplaner [X.] mehr als 30 km. Nicht berücksichtigt worden sei schließlich, dass er sich unmittelbar vor der Versetzung in Elternzeit befunden habe und er bei einer Elternzeit von weniger als 12 Monaten Anspruch auf eine Verwendung auf dem bisherigen Dienstposten in der bisherigen Einheit am bisherigen Standort habe.

Der Antragsteller beantragt,

als Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung anzuordnen.

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Versetzung sei rechtmäßig. Am Standort [X.] bestehe kein Bedarf für eine Weiterverwendung des Antragstellers. Dort seien drei kurativ tätige Zahnärzte eingesetzt: eine Truppenzahnärztin mit einer Teilzeit in Höhe von 95 %, ein junger Zahnarzt in der sog. Einweisungsphase, in der gewährleistet sein müsse, dass ihm ein Behandlungsplatz zur Verfügung stehe, sowie der Leiter der zahnärztlichen Behandlungseinrichtung mit einem Umfang der kurativen Tätigkeit von 50 %. Die zeitweise Nutzung von [X.] auch bei nominell voll besetzten [X.]n sei üblich und keine Besonderheit. Am Standort [X.] werde dagegen wegen des geplanten [X.] der dort zu versorgenden Truppenteile zum 1. April 2020 ein zweiter Dienstposten [X.] Zahnarzt eingerichtet. Damit sei auch sollorganisatorisch der Bedarf an zwei kurativ tätigen Zahnärzten festgehalten. Es sei beabsichtigt, den Antragsteller ab 1. April 2020 auf diesem Dienstposten zu etatisieren. Die militärärztlichen Bewertungen stünden der Versetzung nicht entgegen; ein Einsatz im [X.] sei danach zulässig. Auch aus dem Umstand, dass sich der Antragsteller vom 19. November 2019 bis 18. Dezember 2019 und vom 19. Januar 2020 bis 19. Februar 2020 in Elternzeit befunden habe, ergebe sich kein Anspruch auf eine Weiterverwendung am Standort [X.] Die Verwendung in [X.] sei aufgrund einer elternzeitbedingten Vakanz und unter Zurückstellung vorrangiger dienstlicher Interessen im Sinne einer temporären Hilfestellung für den Antragsteller erfolgt. Gleiches gelte für den anschließenden Einsatz auf einem Dienstposten des ... [X.] mit abweichendem Dienstort [X.] Angesichts der Besetzungssituation beim ... [X.] bestehe kein dienstliches Interesse, den Antragsteller dort weiterhin auf einem Dienstposten, der grundsätzlich für den Dienstort [X.] eingerichtet und nur wegen der Situation des Antragstellers nach [X.] verlegt worden sei, zu verwenden. Da dem dienstlichen Interesse an einer Verwendung in [X.] kein dienstliches Interesse an einer weiteren Verwendung auf dem Dienstposten des ... [X.] gegenüberstehe, sei die Versetzung zwingend im Sinne von Fußnote 26 zu Nr. 4068 [X.]/6. Was die Entfernung zwischen Familienwohnung und neuem Dienstort betreffe, kämen auch andere Routenplaner zu einer Entfernung von weniger als 30 km; der vom Antragsteller genutzte Routenplaner [X.] weise exakt 30 km aus.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens, die Beschwerdeakten und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 [X.]O i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 [X.]O zulässig, aber unbegründet.

Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Soldaten eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 [X.]O). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, vgl. z.[X.] [X.], Beschluss vom 2. Februar 2015 - 1 [X.] 3.14 - juris Rn. 22 m.w.N.).

1. Bei summarischer Prüfung bestehen gegen die angefochtene Versetzungsverfügung keine rechtlichen Bedenken.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Soldat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Über die Verwendung eines Soldaten entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2002 - 1 [X.] 30.02 - [X.] 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 m.w.N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 [X.]O) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm bzw. ihr zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom [X.] im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind (vgl. z.[X.] [X.], Beschluss vom 27. Februar 2003 - 1 [X.] 57.02 - [X.]E 118, 25 <27>), wie sie sich insbesondere aus dem [X.]/46 "Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung" ergeben.

Nach diesen Maßstäben ist die Versetzung des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das gemäß Nr. 201 Punkt 1 [X.]46 erforderliche dienstliche Bedürfnis für die Versetzung ist gegeben.

aa) Dabei ist für die Frage, ob ein dienstliches Bedürfnis besteht, im Ausgangspunkt nicht die Einschätzung des Antragstellers, sondern diejenige des Dienstherrn bzw. der für ihn handelnden, den Haushalt bewirtschaftenden und das Personal führenden Stellen maßgeblich. Ebensowenig ist das Gericht befugt, sich über die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus an die Stelle der Personalführung zu setzen.

bb) [X.] verfügt am Standort [X.] (real) über zwei zahnärztliche [X.] und (haushaltsrechtlich) über zunächst einen und ab 1. April 2020 über einen zweiten Dienstposten [X.] Zahnarzt. Bis zur Zuversetzung des Antragstellers war in [X.] nur ein Zahnarzt, verwendet auf dem ursprünglich vorhandenen Dienstposten, tätig. Für die Versetzung des Antragstellers bestand damit ein dienstliches Bedürfnis, weil ein real vorhandener freier Behandlungsstuhl zunächst auf der Basis eines dienstpostenähnlichen Konstrukts besetzt werden konnte. Mit der Ausbringung eines zweiten Dienstpostens zum 1. April 2020 und der beabsichtigten Verfügung des Wechsels des Antragstellers auf diesen Dienstposten ist zugleich das Regelbeispiel der Nr. 202 Buchst. a [X.]46 erfüllt. Die haushaltsrechtliche Unterfütterung des zweiten [X.] indiziert, dass, wie vom [X.] geltend gemacht, am Standort [X.] auch ein entsprechender zahnärztlicher Behandlungsbedarf besteht.

Der Antragsteller ist als approbierter Zahnarzt für die vorgesehene Verwendung geeignet. Soweit er mit der Beschwerde Bedenken geäußert hat, am Dienstort [X.] angemessene Arbeitsbedingungen vorzufinden, hat er dies nicht weiter substantiiert; im Übrigen wird auf die Hinweise zur pflichtgemäßen Dienstausübung im Beschwerdebescheid verwiesen.

cc) Für die Rechtmäßigkeit der Versetzung an den Dienstort [X.] ist grundsätzlich unerheblich, ob auch am bisherigen Dienstort [X.] die Möglichkeit einer (Weiter-)Verwendung des Antragstellers besteht. Denn die Entscheidung darüber, welcher Soldat an welchem Dienstort eingesetzt wird, ist Sache des Dienstherrn. Unabhängig davon hat das [X.] plausibel dargelegt, dass ein dienstliches Bedürfnis für den dauerhaften Einsatz eines weiteren (vierten) Zahnarztes beim [X.] nicht besteht. Die dortige Behandlungseinrichtung ist mit drei kurativ tätigen [X.]en Zahnarzt (bei drei [X.]n und zwei sollorganisatorisch ausgebrachten Dienstposten) vollständig besetzt. Dass der Leiter der Einrichtung, neben der Wahrnehmung anderer Aufgaben, nur im Umfang von 50 % kurativ tätig ist, entspricht den organisatorischen Vorgaben. Ebenso begründet der Umstand, dass einer Truppenzahnärztin Teilzeit in Höhe von 95 % bewilligt ist, keinen Bedarf für eine weitere Vollzeitverwendung. Ein weiterer Dienstposten ist mit einem Truppenzahnarzt in der sog. Einweisungsphase, in der ihm auch faktisch ein Behandlungsplatz zur Verfügung stehen muss, besetzt.

Plausibel ist schließlich dargelegt, dass es auch bei nominell voll besetzten [X.] üblich ist, immer wieder auftretende kurzfristige Engpässe (etwa durch Urlaub, Krankheit, Lehrgang oder Einsatz) durch die Einbindung ziviler Vertragsärzte - und nicht durch die Schaffung weiterer Vollzeitdienstposten mit entsprechendem personellen und sachlichen Unterbau - abzudecken. Die allgemeinen (wie Urlaub und Krankheit) oder bundeswehrtypischen Abwesenheitszeiten (wie Lehrgang und Einsatz) sind grundsätzlich in dem jeweiligen organisatorischen Stellenschlüssel berücksichtigt. Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass die Beauftragung von [X.] strengen Formalien unterliegt, belegt dies, dass die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Versorgungsstruktur unter Beobachtung und Kontrolle steht; es ändert jedoch nichts daran, dass die Entscheidung darüber, ob, wann und an welcher Stelle ein neuer Dienstposten ausgebracht wird, den für den Haushalt und die Personalführung verantwortlichen Stellen zugewiesen ist.

b) Es liegen auch sonst keine Ermessensfehler bei der Entscheidung über die Versetzung vor.

aa) Insbesondere wurde den bereits vor der Versetzung anerkannten schwerwiegenden persönlichen Gründen wegen der Betreuung der frühgeborenen Zwillingskinder des Antragstellers (Nr. 204 Buchst. a [X.]46) hinreichend Rechnung getragen.

Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren (nur) das bereits in den Rechtsbehelfen gegen die inzwischen aufgehobene Versetzung nach D. angeführte Attest des Kinderarztes [X.] vom 27. November 2019 vorgelegt, der zusammenfassend feststellt, dass die tägliche, zumindest stundenweise Anwesenheit des [X.], also des Antragstellers, für die gesunde Entwicklung beider Kinder, aber auch für die mütterliche Gesundheit dringend erforderlich sei. Die Beratende Ärztin beim [X.] hat dies mit der Stellungnahme vom 3. Dezember 2019 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend umgesetzt, dass aus militärärztlicher Sicht für die Dauer von 24 Monaten eine Verwendung mit der Möglichkeit der täglichen Rückkehr an den Lebensmittelpunkt zu befürworten sei.

Übereinstimmend mit den Bewertungen der Beratenden Ärztinnen beim [X.] und [X.] vom 25. Februar bzw. 4. März 2020 ist die Versetzung des Antragstellers nach [X.] mit diesen Maßgaben vereinbar. Bei einer Fahrzeit von rund einer halben Stunde für die einfache Strecke zwischen Familienwohnung und Dienstort ist die Möglichkeit der täglichen Rückkehr und die "zumindest stundenweise Anwesenheit" des Antragstellers zur Entlastung seiner Ehefrau auch an Werktagen gewährleistet; Gleiches gilt für die Möglichkeit, bei Notfällen kurzfristig nach Hause zurückkehren zu können. Die Notwendigkeit eines Verbleibs am Standort [X.] oder einem Dienstposten "in direkter Wohnortnähe" ergibt sich dagegen weder aus dem Attest des Kinderarztes noch aus den militärärztlichen Stellungnahmen.

bb) Eine Weiterverwendung des Antragstellers am Standort [X.] war auch nicht wegen dessen vorangegangener Elternzeit von jeweils einem Monat (vom 19. November 2019 bis 18. Dezember 2019 und vom 19. Januar 2020 bis 19. Februar 2020) geboten.

Zwar wird gemäß Fußnote 26 zu Nr. 4068 [X.] bei einer Elternzeit von bis zu zwölf Monaten nach Beendigung der Elternzeit grundsätzlich wieder derselbe oder ein gleichwertiger Dienstposten innerhalb des Standorts zur Verfügung gestellt, soweit zwingende dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Zweck dieser Vorschrift ist ersichtlich, dem Soldaten bei einer kurzfristigen elternzeitbedingten Unterbrechung den Status quo so weit als möglich zu bewahren.

Das [X.] hat insoweit in dem Beschwerdebescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass die - durch eine anderweitige elternzeitbedingte Vakanz eines Dienstpostens ermöglichte - Verwendung in [X.] von vornherein bis Ende 2019 zeitlich befristet gewesen und dies dem Antragsteller auch stets so kommuniziert worden sei (siehe den Vermerk über das [X.] vom 22. November 2018); Gleiches gilt für die im [X.] daran erfolgte Versetzung des Antragstellers auf einen Dienstposten des ... [X.] mit abweichendem Dienstort [X.] Beide Maßnahmen dienten der temporären Überbrückung und Hilfestellung für den Antragsteller und konnten schon deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen auf eine Weiterbeschäftigung am Standort [X.] begründen, so dass jedenfalls gerechtfertigt ist, eine Ausnahme des Grundsatzes anzunehmen.

Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme zwingender dienstlicher Gründe (im Sinne von Fußnote 26 zu Nr. 4068 [X.]), die einer Weiterverwendung des Antragstellers in [X.] entgegenstehen. Hierzu hat das [X.] zu Recht darauf verwiesen, dass einerseits die zahnärztliche Behandlungseinrichtung beim [X.] vollständig besetzt ist (siehe oben 1. a) und der vom Antragsteller zuletzt innegehabte Dienstposten grundsätzlich für den Dienstort [X.] (und nicht für eine dauerhafte Verlagerung nach [X.]) eingerichtet ist, während andererseits am Standort [X.] ein Behandlungsplatz und ab 1. April 2020 auch ein entsprechender Dienstposten frei und zu besetzen ist.

cc) Keine Ermessensfehler ergeben sich aus der Anwendung der Weisung des [X.] vom 1. Dezember 2015, auf die sich der Antragsteller vorgerichtlich berufen hat. Die dort unter Nr. 6 vorgesehenen festen Veränderungstermine zum 1. April und 1. Oktober gelten ersichtlich nur für regelmäßige Versetzungen und ausdrücklich nicht für Versetzungen aus zwingenden persönlichen Gründen wie die hier gegenständliche, die zudem mit Billigung des zuständigen [X.] erfolgt ist (siehe Nr. 6 letzter Satz). Die beabsichtigte Etatisierung auf dem neu eingerichteten Dienstposten in [X.] wiederum soll - regulär - zum 1. April 2020 erfolgen.

c) Die sechsmonatige Schutzfrist bei Änderungen des [X.] (Nr. 602 Satz 1 [X.]46) - deren Verletzung nur den Zeitpunkt des Dienstantritts, nicht aber die Rechtmäßigkeit der Versetzung als solche berühren würde (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 26. November 2015 - 1 [X.] 34.15 - juris Rn. 30 m.w.N.) - gilt gemäß Nr. 602 Satz 5 Punkt 1 [X.]46 nicht bei der Versetzung zu einer neuen Einheit/Dienststelle, die auf einer üblicherweise befahrenen Strecke weniger als 30 Kilometer von der Wohnung der Soldatin bzw. des Soldaten entfernt ist (Einzugsgebiet). Das ist hier der Fall.

Das [X.] hat erklärt und mit entsprechenden Screenshots belegt, dass die Entfernung zwischen der Familienwohnung des Antragstellers (Wohnung des Soldaten; ...straße ..., [X.]) und seiner neuen Dienststelle (..., ... [X.]) nach dem [X.] 29,92 km und nach dem - beim [X.] bzw. Umzugskostenvergütung verwendeten - Routenplaner "reiseplanung.de" 27,6 km betrage. Eine Überprüfung durch das Gericht hat leicht abweichende Werte von 29,8 km bzw. 27,9 km ergeben, die aber ebenfalls unter der maßgeblichen Schwelle von 30 km liegen. Bei Anwendung des vom Antragsteller angeführten Routenplaners [X.] ergab sich - übereinstimmend mit dem Vortrag des [X.] - eine Entfernung von 30 km. Die Gründe für die je nach Routenplaner unterschiedlichen Ergebnisse, insbesondere soweit diese auf unterschiedlichen Messmethoden beruhen sollten, lassen sich durch das Gericht nicht verifizieren. Der weitaus überwiegende Teil der Fahrstrecke ist durch die Nutzung der [X.] ... festgelegt; geringfügige Variationen der Streckenführung kommen praktisch nur im Umfeld der Wohnung des Antragstellers in Betracht.

Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das [X.] bei dieser Sachlage eine Entfernung von weniger als 30 km angenommen hat. Der Antragsteller hat nach der [X.] keinen Anspruch darauf, dass ein bestimmter Routenplaner zur Verwendung kommt. Zu fordern ist lediglich, dass es sich um einen für solche Zwecke üblicherweise eingesetzten und hinreichend verbreiteten Routenplaner handelt, der ohne Manipulationen (wie etwa die Eingabe von Fixpunkten bei der Streckenführung oder die Vorgabe ungewöhnlicher Fahrzeiten) angewandt wird. Diese Voraussetzungen liegen bei der vom [X.] durchgeführten Entfernungsfeststellung mittels der Routenplaner [X.] und "reiseplanung.de" vor. Die Ergebnisse dieser Entfernungsfeststellung lassen sich nicht allein damit in Zweifel ziehen, dass die Entfernungsberechnung eines weiteren Routenplaners vorgelegt wird, nach der der Schwellenwert für die Schutzfrist gerade erreicht wird; denn für die Handhabung von Verwaltungsvorschriften kommt es auf eine dem Gleichheitssatz entsprechende Praxis der Behörde, nicht auf eine davon abweichende auch denkbare Berechnungspraxis, an.

d) Der für den Antragsteller zuständige Personalrat (§§ 59, 63 Abs. 1 und 2 [X.]) wurde zur Versetzung (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und im Beschwerdeverfahren (§ 31 Abs. 2 Satz 2 [X.]) ordnungsgemäß angehört. Seine Stellungnahme vom 20. Januar 2020 und die Erklärung vom 5. März 2020 wurden in die Personalentscheidung einbezogen (§ 24 Abs. 3 [X.]).

2. Für den Antragsteller entstehen aus der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Versetzung keine unzumutbaren, insbesondere nicht wiedergutzumachenden Nachteile, die - ungeachtet der nach summarischer Prüfung gegebenen Rechtmäßigkeit der Versetzung - seinen Verbleib auf dem bisherigen Dienstposten bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache gebieten würden.

Meta

1 WDS-VR 2/20

09.04.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 17 WBO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.04.2020, Az. 1 WDS-VR 2/20 (REWIS RS 2020, 3857)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3857

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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