Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.01.2021, Az. 30 W (pat) 804/19

30. Senat | REWIS RS 2021, 9115

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Gegenstand

(Designnichtigkeitsverfahren - Beschwerde gegen Kostengrundentscheidung – übereinstimmende Erledigungserklärungen – Kostenentscheidung nach billigem Ermessen – Unterliegensprinzip – Berücksichtigung des § 93 ZPO – "sofortiges Anerkenntnis" des Nichtigkeitsantrags - Verhalten der Antragsgegnerin hat keinen Anlass zur Stellung des Nichtigkeitsantrags gegeben - keine Veranlassung, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen)


Tenor

In der [X.]

…   

betreffend das Design 499 07 975-0002

(hier: [X.] 9/18)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 28. Januar 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

[X.] Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

I[X.] Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin war Inhaberin des eingetragenen Designs 499 07 975-0002.

2

Gegen dieses eingetragene Design hat die Antragstellerin mit einem am 2. März 2018 beim [X.] ([X.]) eingegangenen [X.] Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 34a [X.] gestellt.

3

Zeitgleich hat sie die weiteren für die Antragsgegnerin eingetragenen Designs 499 07 975-0001, 499 07 975-0008 und 499 07 975-0009 mit entsprechenden Anträgen angegriffen. Die angegriffenen Designs betrafen Schleifwerkzeuge (Schleifscheiben).

4

Den Nichtigkeitsanträgen vorausgegangen war eine [X.] der Antragsgegnerin gegenüber einer [X.] vom 8. Januar 2018 betreffend das ebenfalls für die Antragsgegnerin eingetragene Design 40 207 102-0002. In diesem Zusammenhang hat eine Kundin der Antragstellerin und Lieferantin der [X.] mit einer an die Antragstellerin gerichteten E-Mail vom 20. Februar 2018 unter Hinweis darauf, dass „einer unserer Kunden… wegen angeblicher Verletzung des [X.] Designs 40 207 102-0002 angeschrieben“ worden sei, die Abnahme weiterer Schleifscheiben von einer Freistellungsvereinbarung abhängig gemacht, welche neben dem vorgenannten Design 40 207 102-0002 auch das verfahrensgegenständliche eingetragene Design 499 07 975-0002 betraf.

5

Der [X.] ist der Designinhaberin und Antragsgegnerin am 28. März 2018 zugestellt worden. Mit [X.] vom 16. April 2018 hat die Antragsgegnerin erklärt, sie erkenne den [X.] an und willige in die Löschung des angegriffenen Designs ein.Daraufhin hat die Antragstellerin mit [X.] vom 27. Juni 2018 das [X.] für erledigt erklärt und beantragt, der Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.Die Antragsgegnerin hat sich der Erledigungserklärung mit [X.] vom 29. August 2018 angeschlossen und widerstreitenden [X.] gestellt. Die Kosten seien abweichend von der Bestimmung des § 91 Abs. 1 ZPO entsprechend § 93 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen, da sie den [X.] sofort anerkannt und auch keine Veranlassung zur Stellung des [X.]s gegeben habe. Denn die Antragstellerin habe sie zuvor nicht zum Verzicht bzw. zur Löschung des Designs aufgefordert. Eine solche Aufforderung sei aber erforderlich gewesen, da sie die Antragstellerin aus dem verfahrensgegenständlichen Design nicht in Anspruch genommen habe.

6

Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass die Antragsgegnerin durch ihr Verhalten Anlass zu einer sofortigen Stellung des [X.]s gegeben habe, da die [X.] aus dem eingetragenen Design 40 207 102-0002 und die daraufhin seitens der [X.] mit E-Mail vom 20.02.2018 geforderte und auch das verfahrensgegenständliche Design betreffende Freistellungsvereinbarung faktisch zu einem nicht unerheblichen Druck auf die Antragstellerin geführt habe, gegen den sie sich nur mit einem [X.] habe wehren können.

7

Die Designabteilung 3.5 des [X.]s hat mit Beschluss vom 21. Mai 2019 das [X.] eingestellt und der Antragstellerin die Kosten des [X.]s auferlegt.

8

Das [X.] sei gemäß § 34a Abs. 2 Satz 3, 1. Halbs. [X.] wegen übereinstimmender Erledigungserklärung in der Hauptsache einzustellen. Die Kosten des [X.]s seien nach § 34a Abs. 5 Satz 1 und 4 [X.] i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] i.V.m. § 91a, § 93 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen.

9

Gemäß § 34a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbs. [X.] i.V.m. §§ 62 Abs. 2, 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] seien die Kostenregelungen der ZPO sinngemäß anzuwenden, so dass im Grundsatz das in §§ 91, 92 ZPO zum Ausdruck kommende Unterliegensprinzip gelte. Allerdings sei auch § 93 ZPO zu berücksichtigen, wonach im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen seien, sofern der Antragsgegner durch sein Verhalten keinen Anlass zur Stellung des [X.]s gegeben habe. Davon sei vorliegend auszugehen.

Die Antragsgegnerin habe mit [X.] vom 16. April 2018 unmittelbar auf den ihr am 28. März 2018 zugestellten [X.] das „sofortige Anerkenntnis“ des [X.]s erklärt und in die Löschung des angegriffenen Designs eingewilligt und dadurch den Erfolg des [X.]s herbeigeführt.

Die Antragsgegnerin habe auch keinen Anlass zur Stellung des [X.]s gegeben. Weder habe die Antragstellerin die Antragsgegnerin vor Stellung des [X.]s zum Verzicht auf das angegriffene Design aufgefordert noch sei die Antragsgegnerin aus dem verfahrensgegenständlichen Design gegen die Antragstellerin und/oder deren Vertragspartner vorgegangen. Auch ihre [X.] an die [X.] habe keine Veranlassung zur sofortigen Stellung des [X.]s geboten, zumal diese sich auf das eingetragene Design 40 207 102-0002, nicht jedoch auf das verfahrensgegenständliche Design bezogen habe. Die seitens der [X.]von der Antragstellerin geforderte und auch das verfahrensgegenständliche Design umfassende Freistellungserklärung könne der Antragsgegnerin nicht zugerechnet werden, da die Antragsgegnerin sie weder verfasst oder veranlasst noch von ihr gewusst habe. Sie habe sie auch nicht provoziert, da sich ihre [X.] gegenüber der [X.] ausschließlich auf das Design 40 207 102-0002 bezogen habe.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die sie beschwerende Kostenentscheidung. Sie macht weiterhin geltend, dass die Antragsgegnerin Veranlassung zur sofortigen Stellung des [X.]s ohne vorherige Verzichtsaufforderung gegeben habe. Denn sie habe einen Verhinderungswettbewerb gegen die Antragstellerin betrieben, indem sie deren Abnehmer wie die [X.]veranlasst habe, vor der Lieferung weiterer Schleifteller durch die Antragstellerin eine Freistellungserklärung von dieser zu verlangen. Die Antragstellerin sei daher in die Enge getrieben worden, so dass keine andere Wahl geblieben sei, als das verfahrensgegenständliche Design anzugreifen. Aufgrund des bisherigen Verhaltens der Antragsgegnerin habe die Antragstellerin auch davon ausgehen dürfen, dass jene allein durch vorherige schriftliche Argumente und Verwarnungen nicht zu einem Einlenken bereit gewesen wäre.

Hinzu komme, dass das verfahrensgegenständliche Design seitens der Antragsgegnerin bösgläubig angemeldet worden sei. Denn Gegenstand des Designs sei ein von der Antragstellerin neu entwickelter Schleifteller gewesen, den die Antragsgegnerin unmittelbar im [X.] an eine ihr gegenüber erfolgte Präsentation durch die Antragstellerin als Design angemeldet habe.

Zudem habe die Antragstellerin der Antragsgegnerin hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Designs einen [X.] angedroht. Unerheblich sei, dass die [X.] formal lediglich das (nicht verfahrensgegenständliche) Design 40 207 102-0002 zum Gegenstand gehabt habe, da aufgrund der in der [X.] genannten Merkmale für den Fachmann klar gewesen sei, dass sich die [X.] inhaltlich auf das verfahrensgegenständliche sowie die weiteren mit Nichtigkeitsanträgen angegriffenen Designs der Antragsgegnerin bezogen habe.

Eine „Gegenabmahnung“ sei auch deshalb entbehrlich gewesen, weil die Antragsgegnerin auf „die Antwort des Abnehmers kein Nachgeben und kein Einlenken gezeigt“ habe.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.]s vom 21. Mai 2019 im Kostenpunkt aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass die Kosten des [X.]s der Antragsgegnerin auferlegt werden.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht weiterhin geltend, dass sie iS von § 93 ZPO keine Veranlassung zur Stellung eines [X.]s gegeben habe, da die Antragstellerin ihr vor Stellung des [X.]s weder die Löschung des verfahrensgegenständlichen Designs angedroht noch sie zum Verzicht auf das Design aufgefordert habe. Eine solche Aufforderung sei entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht entbehrlich gewesen. Denn sie habe entgegen der Behauptung der Antragstellerin weder die [X.] veranlasst, vor der Lieferung weiterer Schleifteller durch die Antragstellerin eine Freistellungserklärung von dieser zu verlangen noch sonst gegenüber der Antragstellerin oder deren Abnehmern Ansprüche aus dem verfahrensgegenständlichen Design geltend gemacht, sondern lediglich eine [X.] gegenüber der [X.] veranlasst, die sich zudem auf ein anderes Design bezogen habe.

Eine von der Antragstellerin erstmalig im Beschwerdeverfahren geltend gemachte bösgläubige Anmeldung des verfahrensgegenständlichen Designs liege nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 23 Abs. 4 Satz 1 und 5, 34 a Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz [X.] i.V.m § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 91 a Abs. 2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen die sie beschwerende Kostengrundentscheidung im Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.]s vom 21. Mai 2019 hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nachdem die Parteien das [X.] übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§§34 a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbs. [X.], 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies führt im Falle der einem Anerkenntnis gleichzustellenden Einwilligung in die Löschung eines mit dem [X.] angegriffenen Designs (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Designgesetz/Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, 6. Aufl., § 33 [X.]. 38) entsprechend dem auch im [X.] grundsätzlich geltenden Unterliegensprinzip gemäß §§ 34a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbs. [X.], 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO regelmäßig zu einer Auferlegung der Kosten auf den Inhaber des angegriffenen Designs als Unterlegenem.

Allerdings ist bei dieser Entscheidung die auch im [X.] aufgrund der Verweisung in § 34a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbs. [X.] auf § 84 Abs. 2 S. 2 [X.] sinngemäß anzuwendende Regelung des § 93 ZPO zu berücksichtigen (vgl. B[X.] Beschluss v. 18. Mai 2017 – 30 W (pat) 811/16 – Innensohle, GRUR-Prax 2017, 468; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 34a [X.]. 36). Dies bedeutet, dass die Kosten des Verfahrens abweichend vom Unterliegensprinzip dem Antragsteller aufzuerlegen sind, wenn der Antragsgegner keine Veranlassung zur Antragstellung gegeben und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt hat.

2. Dies ist vorliegend der Fall, so dass die Designabteilung in dem angefochtenen Beschluss zu Recht die Kosten des Verfahrens abweichend vom Unterliegensprinzip der Antragstellerin auferlegt hat.

a. Die Antragsgegnerin hat den auf relative Nichtigkeitsgründe nach § 33 Abs. 2 [X.] gestützten [X.] „sofort anerkannt“ iS von § 93 ZPO.

Im [X.] kommt zwar ebenso wenig wie im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ein Anerkenntnis im zivilprozessualen Sinn in Betracht, weil ein Anerkenntnisurteil (§§ 307, 313b ZPO) in diesen Verfahren nicht ergehen kann. Die entsprechende Anwendung von § 93 ZPO ist jedoch dann möglich und geboten, wenn der Designinhaber/Antragsgegner dem Antragsteller in einer einem Anerkenntnis vergleichbaren Weise einen Erfolg des Löschungsbegehrens sichert.

Dies ist bei einem auf die absoluten und/oder relativen Nichtigkeitsgründe des § 33 Abs. 1, 2 [X.] gestützten [X.] der Fall, wenn der Designinhaber wie vorliegend in die Löschung des eingetragenen Designs einwilligt (§ 33 Abs. 6 Satz 1 [X.]) mit der Folge, dass die Schutzwirkungen des Designs als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 33 Abs. 6 Satz 2 [X.]).

Die Antragsgegnerin hat in die Löschung des Designs zudem unmittelbar nach Zustellung des [X.]s innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 2 [X.] und damit „sofort“ iS des § 93 ZPO eingewilligt (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 34a [X.]. 40).

b. Mit der Designabteilung ist ferner davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin durch ihr Verhalten der Antragstellerin keinen Anlass zur Stellung des [X.]s gegeben hat.

Eine Veranlassung zur Erhebung einer (Patent-)Nichtigkeitsklage bzw. eines Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit/Löschung eines Gebrauchsmusters bzw. Designs ergibt sich grundsätzlich dann, wenn das Verhalten des Schutzrechtsinhabers vor Prozess- bzw. Verfahrensbeginn gegenüber dem Antragsteller so gestaltet war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage bzw. – vorliegend – einen [X.] nicht zu seinem Recht kommen. Im [X.] ist dies ebenso wie im Patentnichtigkeits- und Gebrauchsmusterlöschungsverfahren grundsätzlich erst dann der Fall, wenn der Antragsteller den Designinhaber unter substantiierter Angabe der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe und mit angemessener Fristsetzung erfolglos zum Verzicht auf das Schutzrecht bzw. zur Einwilligung in die Löschung aufgefordert hat (vgl. B[X.], Beschluss vom 24. November 2016 – 30 W (pat) 801/15 Glasmagnetboard; [X.]/ [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 34a [X.]. 37 sowie für die Patentnichtigkeitsklage B[X.], [X.], 325, 326 – Kostenauferlegung bei Verzicht auf das Streitpatent sowie Benkard/Hall/[X.], [X.], 11. Aufl., § 84 Rn. 31; zum Gebrauchsmusterlöschungsverfahren: B[X.] GRUR 1984, 654 – Abdeckleiste; ferner [X.], [X.], 8. Aufl., § 17 Rn. 25). Der Inhaber eines eingetragenen Designs darf daher grundsätzlich davon ausgehen, dass er nicht ohne entsprechende Vorwarnung mit einem [X.] überzogen wird.

aa. An einer solchen Aufforderung vor Stellung des [X.]s fehlt es vorliegend jedoch. Soweit die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vorträgt, dass sie der Antragsgegnerin auch hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Designs einen [X.] angedroht habe, entspricht dies nicht den Tatsachen. [X.] ist allein das von der Antragstellerin zur Akte gereichte Schreiben an die Antragsgegnerin vom 6. April 2018, in welchem die Rede davon ist, dass der Verfahrensbevollmächtigte beauftragt sei „entsprechende Nichtigkeitsanträge beim [X.]“ einzureichen. Diesem Schreiben kommt jedoch bereits deshalb keine Bedeutung zu, weil es der Antragsgegnerin erst am 6. April 2018 und damit nach Einreichung des [X.]s am 2. März 2018 übermittelt wurde. Zudem betraf es nicht das verfahrensgegenständliche Design, sondern das ebenfalls für die Antragsgegnerin eingetragene Design 40 207 102-0002.

bb. Eine vorherige Aufforderung zum Verzicht bzw. zur Einwilligung in die Löschung war entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht entbehrlich.

aaa. Insbesondere durfte die Antragstellerin von einer solchen Aufforderung nicht allein deshalb absehen, weil sie sich aufgrund der seitens der Antragsgegnerin an die Fa. P… gerichteten [X.] vom 8. Januar 2018 und der daraufhin seitens der Fa. F… von der Antragstellerin mit E-Mail vom 20. Februar 2018 geforderten und auch das verfahrensgegenständliche Design betreffenden Freistellungsvereinbarung „unter Druck“ gesetzt sah.

Eine Verzichtsaufforderung bzw. eine Aufforderung zur Einwilligung in die Löschung des betreffenden Designs ist allenfalls dann entbehrlich, wenn nach der objektiven Sachlage davon auszugehen ist, dass der Inhaber des eingetragenen Designs auch bei einer solchen Aufforderung zum Verzicht bzw. zur Einwilligung in die Löschung unter substantiierter Darlegung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe an dem betreffenden Design festgehalten hätte, eine entsprechende Aufforderung zum Verzicht bzw. zur Einwilligung in die Löschung daher von vornherein fruchtlos geblieben wäre (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 34a [X.]. 37).

Eine bloße [X.] erlaubt jedoch keine Rückschlüsse darauf, ob der Inhaber des eingetragenen Designs bei Darlegung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe verbunden mit einer Aufforderung zum Verzicht bzw. zur Einwilligung in die Löschung des entsprechenden Designs an dem betreffenden Design festgehalten hätte (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 34a [X.]. 37). Daher ist es auch in diesen Fällen grundsätzlich erforderlich, dass ein Antragsteller den Inhaber des Schutzrechts zuvor unter substantiierter Angabe der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe und mit angemessener Fristsetzung erfolglos zum Verzicht bzw. zur Einwilligung in die Löschung aufgefordert hat. Erst dann kann von einer Veranlassung zur Klage ausgegangen werden. Die Antragsgegnerin musste daher allein wegen der [X.] nicht damit rechnen, ohne entsprechende Vorwarnung mit einem [X.] überzogen zu werden.

Dies vorliegend umso weniger, als die seitens der Antragsgegnerin an die [X.] gerichtete [X.] vom 8. Januar 2018 noch nicht einmal das verfahrensgegenständliche Design betraf, sondern sich auf das ebenfalls für die Antragsgegnerin eingetragene Design 40 207 102-0002 bezog und ein Bezug zu dem verfahrensgegenständlichen Design allenfalls nach Durchführung einer entsprechenden Recherche hergestellt werden konnte.

Dies gilt gleichermaßen für die aufgrund der vorgenannten [X.] seitens der [X.] von der Antragstellerin mit E-Mail vom 20. Februar 2018 geforderte und auch das verfahrensgegenständliche Design betreffende Freistellungsvereinbarung, welche ebenfalls keinerlei Rückschlüsse darauf erlaubt, ob sich die Antragsgegnerin einer begründeten Aufforderung zum Verzicht bzw. zur Einwilligung in die Löschung unter Benennung der Nichtigkeitsgründe widersetzt hätte, zumal der Antragsgegnerin diese Freistellungserklärung bis zur Stellung des [X.]s nicht bekannt war.

Dementsprechend durfte die Antragstellerin nicht allein aufgrund der seitens Antragsgegnerin an die [X.] gerichteten [X.] vom 8. Januar 2018 sowie der daraufhin von der [X.] von der Antragstellerin geforderten Freistellungsvereinbarung davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin auch bei einer Verzichtsaufforderung unter Hinweis darauf, dass das verfahrensgegenständliche Design in den Schutzumfang des im [X.] genannten prioritätsälteren Designs der Antragstellerin fällt (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 [X.]), an dem verfahrensgegenständlichen Design festhalten würde, eine entsprechende Aufforderung bzw. „Abmahnung“ daher von vornherein aussichtslos war.

bbb. Soweit die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen in der Beschwerdebegründung, eine „Gegenabmahnung“ (gemeint ist wohl: Aufforderung zum Verzicht auf das angegriffene Design) sei auch deshalb entbehrlich gewesen, weil die Antragsgegnerin auf „die Antwort des Abnehmers kein Nachgeben und kein Einlenken gezeigt“ habe, zum Ausdruck bringen will, dass die Antragsgegnerin sich vor Stellung des [X.]s einem Verzicht bzw. einer Einwilligung die Löschung widersetzt habe, entbehrt dies jeder Grundlage. Denn dieses nicht näher konkretisierte Vorbringen in der Beschwerdebegründung bezieht sich offenbar auf das bereits erwähnte und von der Antragstellerin auch bereits in ihrem [X.] vom 27. Juni 2018 auf Seite 2 in Bezug genommene und als „Abmahnung“ bezeichnete Schreiben der Antragstellerin vom 6. April 2018, welches aber – wie bereits dargelegt – erst nach Stellung des [X.]s an die Antragsgegnerin gerichtet wurde und daher bereits aus diesem Grunde keine Prognose über ein „fehlendes Nachgeben und Einlenken“ der Antragsgegnerin betreffend die Löschung des verfahrensgegenständlichen Designs ermöglicht.

Vielmehr ist nach der Aktenlage davon auszugehen, dass zwischen den Verfahrensbeteiligten vor Stellung des [X.]s keinerlei Kontakt bestand. Dementsprechend hat die Antragstellerin vor Stellung des [X.]s gegenüber der Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des eingetragenen Designs geäußert, sondern die Antragsgegnerin erstmalig mit dem mit dem am 02. März 2018 beim [X.] ([X.]) eingegangenen [X.] mit den der Rechtsbeständigkeit des verfahrensgegenständlichen Designs entgegenstehenden prioritätsälteren eingetragenen Designs der Antragstellerin konfrontiert. Dem mit dem Antrag verfolgten Ziel einer rückwirkenden Löschung des verfahrensgegenständlichen Designs ist die Antragsgegnerin aber unverzüglich mit ihrer Einwilligung in die Löschung nachgekommen, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine vor Stellung eines [X.]s erfolgte Aufforderung zum Verzicht bzw. zur Einwilligung in die Löschung erfolglos geblieben wäre.

ccc. Eine seitens der Antragstellerin erstmalig im Beschwerdeverfahren pauschal ohne jegliche Begründung geltend gemachte Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin bei Anmeldung iS von § 9 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist vorliegend bereits deshalb ohne Belang, da es sich dabei nicht um einen [X.] nach § 33 [X.] handelt und dementsprechend auch keine Veranlassung zur Stellung eines [X.]s geben kann.

3. Es verbleibt daher bei der Kostenfolge nach §§ 34a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbs. [X.], 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] i. V. m. §§ 91 a Abs. 1, 93 ZPO zu Lasten der Antragstellerin, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

III.

Auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nach §§ 23 Abs. 4 Satz 5 [X.], 84 Abs. 2 Satz 2 [X.], 97 Abs. 1 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen.

Meta

30 W (pat) 804/19

28.01.2021

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 34a Abs 5 S 1 GeschmMG 2004, § 84 Abs 2 PatG, § 91 ZPO, § 91a Abs 1 S 1 ZPO, § 93 ZPO, § 33 Abs 2 GeschmMG 2004, § 33 Abs 4 GeschmMG 2004, § 33 Abs 5 GeschmMG 2004, § 2 Abs 1 GeschmMG 2004

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.01.2021, Az. 30 W (pat) 804/19 (REWIS RS 2021, 9115)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9115

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