Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2005, Az. 4 StR 491/04

4. Strafsenat | REWIS RS 2005, 5386

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 491/04
vom 20. Januar 2005 in der Strafsache gegen

wegen Totschlags
- 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 20. Januar 2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.],

[X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], [X.], [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] [X.]

als beisitzende [X.],

[X.] in der Verhandlung, [X.] bei der Verkündung

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwältin

als Verteidigerin, Rechtsanwältin

als Vertreterin des [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
- 3 - [X.] Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2004 mit den [X.] aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum Tatvor- und -nachgeschehen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zustän-dige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision des [X.] wird [X.]. I[X.] Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendi-gen Auslagen zu tragen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision beantragt der Nebenkläger, daß der Angeklagte wegen Mordes (Mordmerkmale: Heimtücke und niedrige Beweggründe) verur-teilt werden soll, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den - 4 - Feststellungen und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Angeklagte rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel des [X.] hat weitgehend Erfolg; die Revision des Angeklagten ist dagegen unbegründet. [X.] Revision des [X.] 1. Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte lernte sein späteres Tatopfer, die damals 35jährige [X.], im Jahr 2001 kennen. Beide waren verheiratet. Als sich zwischen ihnen eine enge intime Freundschaft entwickelte, verließ der Angeklagte seine Ehefrau und zog zu der von ihrem Ehemann getrennt lebenden Frau [X.]. Die Beziehung war jedoch nicht konfliktfrei; es kam immer wieder zu [X.]. Frau [X.] fühlte sich vom Angeklagten ausgenutzt und hintergangen. Sie machte ihm Vorhaltungen, weil sie meinte, daß er sie weder finanziell noch bei der Arbeit im Haushalt genügend unterstütze; außerdem warf sie ihm vor, daß er sich entgegen seiner gegenteiligen Beteuerung immer noch mit seiner früheren Ehefrau treffe. Im Juli 2003 erklärte sie ihm, daß sie die Beziehung als beendet betrachte, weil sie seine Lügen nicht mehr ertragen könne und sie au-ßerdem [X.] kennengelernt habe. Der Angeklagte bemühte sich intensiv darum, sich mit ihr wieder auszusöhnen; sie bestand jedoch auf der Trennung. Als er schließlich erkannte, daß sie nicht bereit war, weiter mit ihm zusammenzuleben, zog er aus der Wohnung aus. Beide trafen sich [X.] aber weiter, wobei es auch zu intimen Kontakten kam. Am Tattag (24. August 2003) stritten beide wieder. Der Angeklagte "[X.]" sie mit dem Eingeständnis, er sehe ein, daß er Fehler gemacht habe, erneut an, ihm zu verzeihen und es noch einmal mit ihm zu versuchen. Frau [X.] - 5 - war dazu aber nicht mehr bereit. Der Angeklagte lenkte schließlich ein und bat sie, ihm zum Andenken einen String-Tanga zu schenken. Obwohl Frau [X.]dies ablehnte, nahm er [X.] an sich. Mit dem Bemerken, daß sie ihre Unterwäsche bereits für [X.] trage, sie außerdem in der [X.] nur noch aus Lust und nicht aus Liebe mit ihm geschlafen habe, zumal er ohnehin eine Niete im Bett sei, und sie ihn in den letzten Wochen ebenso betrogen habe wie er sie zuvor, versuchte Frau [X.], dem Angeklagten den String-Tanga wieder abzunehmen. Bei der sich anschließenden Rangelei schlug sie auf ihn ein, ohne ihn jedoch zu verletzen, und schrie ihn an. Um das weitere Schreien zu verhindern, hielt ihr der Angeklagte den Mund zu. Als sie daraufhin ruhiger wurde und er den Griff lockerte, erklärte sie ihm, daß ihr neu-er Partner im Bett viel besser sei als er. Er solle zu seiner früheren Ehefrau zurückkehren; vielleicht sei die bereit, sich so betrügen zu lassen, wie er es mit ihr getan habe. Als sich Frau [X.]dann in die Küche und ins Wohnzimmer zu-rückzog, folgte ihr der Angeklagte; sie versuchte, dies zu verhindern, indem sie ihn mit Geschirr bewarf, auf ihn einschlug, eintrat und ihn beschimpfte. Spätestens jetzt faßte der Angeklagte den Entschluß, Frau [X.] zu tö-ten, "um sie für immer zum Schweigen zu bringen". Aufgrund ihres Verhaltens befürchtete er, daß sie ihn bei allen Bekannten schlecht machen würde, indem sie davon berichtete, daß er durch sein treuloses, verlogenes Verhalten ihre Beziehung zerstört und sie - Frau [X.]- '"kaputt gemacht"' habe. Er hatte Angst, daß sich alle Freunde und Bekannten von ihm abwenden würden und er dann allein dastünde. Außerdem befürchtete er einen Racheakt des Ehemanns von Frau [X.]. In Ausführung seines Entschlusses trat er von hinten an sie heran, legte ihr seinen Arm um den Hals und drückte, wobei er den [X.] in der Armbeuge hatte, mehrere Minuten lang kräftig zu, bis sie sich nicht mehr wehrte und ihr Körper erschlaffte. Dabei schleifte er sie zu einer im [X.] 6 - mer stehenden Couch. Als er feststellte, daß die regungslos auf dem Sofa lie-gende Frau [X.] noch lebte, stülpte er ihr in Fortsetzung seines [X.] eine Plastiktüte über den Kopf und hielt diese so lange zu, bis er sicher war, daß Frau [X.] erstickt war. Danach versuchte er, die Tat zu vertuschen. Er fuhr die Leiche zu einem Parkplatz, wo er sie auf dem Grünstreifen mit [X.] übergoß und anzündete. 2. Das Schwurgericht hat den Angeklagten des Totschlags und nicht des Mordes für schuldig befunden, weil kein Mordmerkmal erfüllt sei. Der [X.] habe nicht zur Verdeckung einer anderen Straftat gehandelt, weil, selbst wenn er sein Opfer auch deshalb getötet habe, um den ersten Teilakt der Tat - das Würgen - zu verdecken, zu der ursprünglichen Motivation, sein Opfer zum Schweigen zu bringen, die Verdeckungsabsicht im Verlauf der einheitlichen Tötungshandlung nur als zusätzliches Tötungsmotiv hinzugetreten sei. Somit habe es sich bei der zu verdeckenden Tat nicht um eine andere, sondern um dieselbe Tat, d.h. die Tat, die er gerade begangen habe, gehandelt. "Andere Mordmerkmale, wie etwa Heimtücke oder niedrige Beweggründe (schieden) nach den getroffenen Feststellungen aus. Der Angeklagte (habe) weder die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers zur Tatbegehung ausgenutzt noch ([X.]) seine Motive als im besonderen Maße verachtenswert anzusehen" ([X.]). 3. Diese Würdigung hält [X.] jedenfalls im Hinblick auf das Verneinen von Heimtücke - rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Soweit das [X.] dieses Mordmerkmal abgelehnt hat, genügt [X.] nicht weiter erörterte Begründung, der Angeklagte habe die Arg- und [X.] von Frau [X.]zur Tatbegehung nicht ausgenutzt, nicht den rechtli-chen Anforderungen. Wie die Revision und der [X.] zu Recht ausgeführt haben, legen die getroffenen Feststellungen ein heimtückisches - 7 - Handeln des Angeklagten so nahe, daß das Schwurgericht sich damit hätte näher auseinandersetzen müssen: a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des [X.] bewußt zur Tötung ausnutzt. [X.] ist ein Tatopfer, wenn es bei [X.] des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs weder mit einem lebens-bedrohlichen noch mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichte-ten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet (vgl. [X.]St 20, 301, 302; 39, 353, 368; 48, 207, 210; [X.], 368; [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13, 17, 27). Arg- und Wehrlosigkeit können auch gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Tatopfer aber nicht mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche [X.] rechnet (vgl. [X.], 234, 235; [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13, 21; [X.] in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 126 f.). [X.] kann sich aus dem eigenen vorausgegangenen Verhalten des Opfers ergeben, daß es einen (erheblichen) tätlichen Angriff in Rechnung gestellt hat und daher nicht mehr arglos war (vgl. [X.]St 48, 207, 210; [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13). Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist weiter, daß der [X.] die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewußt zur Tatbe-gehung ausnutzt. Dafür genügt es, wenn er die Umstände, die die Tötung zu einer heimtückischen machen, nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrge-nommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfaßt hat, daß ihm bewußt geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegen-über dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2, 9, 17, 25, 26; [X.], Urteil vom 10. November 2004 - 2 - 8 - [X.]). Dabei kann die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammen-hang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des [X.] ein Beweisanzeichen dafür sein, daß ihm das Ausnutzungsbewußtsein fehlte ([X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26). Andererseits hindert nicht jede af-fektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeu-tung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen; dies ist vielmehr Tatfrage (vgl. [X.] NStZ-RR 2000, 166, 167; [X.], Urteil vom 25. No-vember 2004 - 5 StR 401/04). b) Nach den Feststellungen ging dem Tötungsgeschehen zwar ein Streit voraus, der Angeklagte verhielt sich dabei jedoch zurückhaltend und nur ab-wehrend. Er hielt Frau [X.] lediglich für kurze Zeit den Mund zu, um ihr wei-teres aggressives Schreien zu verhindern. Verletzt hat er sie [X.] soweit aus dem Urteil ersichtlich, auch bei früheren Auseinandersetzungen - nicht. Mit einem erheblichen körperlichen Angriff des Angeklagten, der ja die Versöhnung mit ihr angestrebt hatte, mußte Frau [X.] nicht rechnen, auch wenn sie aggressiv gegen den Angeklagten vorgegangen war. Dafür, daß sie sich tatsächlich kei-nes Angriffs versah, spricht, daß sie dem Angeklagten ihren Rücken zuwandte, bevor er sie mit Tötungsvorsatz würgte. Zu diesem Zeitpunkt - bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs - war Frau [X.]nach den [X.] arg- und wehrlos. Es liegt auch nahe, daß der Angeklagte, der sich zur Tatzeit lediglich in einem leichten affektiven Erregungszustand befand ([X.]), die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers erkannt und bewußt zur [X.] ausgenutzt hat, wozu allerdings Feststellungen fehlen. Daß er die Tat in einer anderen Situation ebenfalls begangen hätte, schließt Heimtücke nicht aus (vgl. [X.], 139, 140; [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heim-tücke 25, 31). - 9 - 4. Das Urteil muß daher auf die Revision des [X.] aufgehoben werden. Die Feststellungen zum Tatvor- und -nachgeschehen (Ziffern [X.] und 3 [bis [X.], 1. Absatz: fi... allerdings transportfähig [X.]] der Urteilsgründe) können jedoch aufrechterhalten bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende, den aufrechterhaltenen nicht widersprechende Feststellungen sind zulässig. Der neue Tatrichter wird, falls er im Hinblick auf das Tötungsmotiv des Angeklagten zu denselben Feststellungen wie in dem angefochtenen Urteil kommt, eingehender als bisher zu erörtern haben, ob der Angeklagte aus "sonst niedrigen Beweggründen" gehandelt hat. Dieses Mordmerkmal liegt zwar im Hinblick auf die Gesamtumstände der Tat - insbesondere die festge-stellten ehrverletzenden Äußerungen des [X.] direkt vor der Tat - eher fern (vgl. [X.], 368); nach den bisherigen Feststellungen waren jedoch die Ehrverletzungen für die Tat nicht ursächlich. Als Motiv des Ange-klagten für die Tötung hat das [X.] allein seine Befürchtung, Frau [X.]könne seinen Ruf in seiner Heimatstadt schädigen, festgestellt ([X.]). Dieser Beweggrund könnte "niedrig" im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB sein (vgl. [X.]R StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 35 [Tötung zur Wahrung des "sozia-len Ansehens"], 37; [X.] aaO § 211 Rdn. 69, 78, 88 ff.). Dazu - und zur subjektiven Seite des genannten Mordmerkmals [X.] verhält sich das [X.] jedoch nicht. - 10 - I[X.] Revision des Angeklagten Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Seine Revision hat daher keinen Erfolg. Tepperwien [X.] [X.]

[X.]

Ernemann

Meta

4 StR 491/04

20.01.2005

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2005, Az. 4 StR 491/04 (REWIS RS 2005, 5386)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5386

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 248/04 (Bundesgerichtshof)


2 StR 470/08 (Bundesgerichtshof)


5 StR 189/08 (Bundesgerichtshof)


3 StR 77/20 (Bundesgerichtshof)

Mordmerkmal der Heimtücke: Arglosigkeit des Tatopfers trotz vorangegangener körperlicher Auseinandersetzung


1 StR 336/12 (Bundesgerichtshof)

Heimtückischer Mord: Ausnutzungsbewusstsein des Täters hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.