Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.10.2011, Az. 3 StR 206/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2046

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Gegenstand

Untreue: Psychische Beihilfe und Strafmilderung für den Gehilfen; Höhe der Entschädigung im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2011, soweit es ihn betrifft, aufgehoben

a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen [X.]) Fall 30 ([X.]) und [X.]) Fall 32 (Fallakte 87) der Urteilsgründe;

b) im Ausspruch über die jeweilige Einzelstrafe in den Fällen [X.]) Fall 2 (Fallakte 6), [X.]) Fall 29 (Fallakte 84) und [X.]) Fall 34 (Fallakte 94 bzw. 95) der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen und Beihilfe zur Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt sowie bestimmt, dass von dieser acht Monate wegen "überlanger Verfahrensdauer" als vollstreckt gelten. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. [X.] in den Fällen [X.]) Fall 30 ([X.]) und [X.]) Fall 32 ([X.]) der Urteilsgründe hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen belegen in diesen Fällen kein [X.] des Angeklagten im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB zu den von dem Mitangeklagten [X.]    begangenen [X.]upttaten.

3

Nach ständiger Rechtsprechung ist als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB grundsätzlich jede [X.]ndlung anzusehen, welche die Herbeiführung des [X.] durch den [X.]upttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich ([X.], Urteil vom 16. November 2006 - 3 [X.], [X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 27). Eine solche Unterstützung kann auch in der Form der psychischen Beihilfe geleistet werden. Voraussetzung ist dann allerdings ein konkreter Tatbeitrag des Gehilfen, durch den der [X.]upttäter in seinem [X.] bestärkt wird. Die Annahme allein psychischer Beihilfe bedarf genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion sowie zur entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen sowie gegebenenfalls zu einer konkludenten Verständigung zwischen [X.]upttäter und diesem. Zudem ist eine Beihilfe nach Beendigung der [X.]upttat ausgeschlossen; möglich sind dann allenfalls Anschlussdelikte nach den §§ 257 ff. StGB (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 27 Rn. 6, 10 jeweils mwN). Gemessen hieran tragen die Urteilsgründe die Annahme einer Beihilfe nicht.

4

a) Im Fall [X.]) Fall 30 ([X.]) der Urteilsgründe war die ursprüngliche [X.]upttat im Jahr 2004 vollendet und beendet; denn mit der Auszahlung bzw. Überweisung des Darlehensbetrages auf das Konto des als Darlehensnehmer vorgeschobenen B.        sowie an den Notar [X.]war bei der geschädigten [X.] ein endgültiger Vermögensverlust eingetreten. Der Angeklagte erstellte erst nach diesem Zeitpunkt eine unrichtige Verdienstbescheinigung für B.    . Die [X.]ndlung des Angeklagten könnte sich deshalb allenfalls fördernd im Sinne einer Beihilfe auf die Erhöhung des Darlehensbetrages von 200.000 € auf 215.000 € Mitte des Jahres 2005 ausgewirkt haben; Näheres zu dieser möglichen [X.]upttat sowie dem Einfluss der unzutreffenden Verdienstbescheinigung hierauf lässt sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen.

5

b) Soweit die [X.] in beiden genannten Fällen im Übrigen darauf abstellt, der Angeklagte habe den [X.]upttäter [X.]    psychisch unterstützt, belegen die Feststellungen ein tatbestandsmäßiges [X.] gemäß § 27 Abs. 1 StGB ebenfalls nicht. Danach handelte der [X.]upttäter [X.]    bei der Beschaffung der Kredite, die letztlich der [X.] zukommen sollten, "in Absprache" mit dem Angeklagten sowie dem Mitangeklagten [X.].    . Der Inhalt dieser "Absprache" bleibt allerdings im Dunkeln. Die Feststellungen lassen deshalb - entgegen der von der [X.] im Rahmen der rechtlichen Würdigung vorgenommenen Wertung - nicht erkennen, auf welche konkrete Weise gerade der Angeklagte den [X.] des [X.]    bestärkte, den Finanzbedarf der [X.] auf unlautere Weise zu decken. Allein die Einbindung des Angeklagten in das von [X.]    errichtete Firmengeflecht reicht hierfür nicht aus.

6

2. In den Fällen [X.]) Fall 2 (Fallakte 6), [X.]) Fall 29 (Fallakte 84) und [X.]) Fall 34 (Fallakte 94 bzw. 95) der Urteilsgründe, in denen das [X.] den Angeklagten ebenfalls wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt hat, begegnet der Strafausspruch durchgreifenden materiellrechtlichen Bedenken. In diesen Fällen ist die [X.] - rechtsfehlerfrei - jeweils von einem besonders schweren Fall nach § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 StGB ausgegangen. Sie hat den sich hieraus ergebenden Strafrahmen sodann gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Jedoch hat sie rechtsfehlerhaft eine weitere Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gezogen.

7

a) [X.] im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist ein [X.] besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB. Bei einem Gehilfen, der - wie der Angeklagte - im Zeitpunkt der Unterstützungshandlung nicht selbst in einem Treueverhältnis zu der Geschädigten steht, ist eine Strafmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu erörtern, es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen des Fehlens des [X.] statt Täterschaft angenommen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 22. April 1988 - 2 [X.], [X.]R StGB § 28 Abs. 1 Merkmal 2; Beschluss vom 1. März 2005 - 2 [X.], [X.], 109; Beschluss vom 26. November 2008 - 5 [X.], [X.], 102).

8

b) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob das [X.] den Tatbeitrag des Angeklagten an sich nur als den eines Gehilfen gewertet oder ob es den Angeklagten nur deshalb als Gehilfen angesehen hat, weil er nicht in einem Treueverhältnis zu der Geschädigten stand. § 28 Abs. 1 StGB findet in den Entscheidungsgründen keine Erwähnung.

9

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die in den genannten Fällen verhängten Einzelstrafen auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruhen. Er hält eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO nicht für angezeigt. Aufgrund der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs sowie der Einzelstrafen hat auch die Gesamtstrafe keinen Bestand. Die [X.], die das [X.] festgestellt hat, werden allerdings von den dargelegten [X.] nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind zulässig.

3. Die Kompensationsentscheidung wird von der [X.] nicht erfasst ([X.], Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, [X.]St 54, 135). Der Angeklagte ist durch die rechtsfehlerhaft überhöhte Entschädigung - acht Monate Freiheitsstrafe bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von zwei Jahren und drei Monaten - nicht beschwert. Mit Blick auf die Ausführungen der Revision und des [X.] weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Höhe der im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu gewährenden Entschädigung sich nicht nach der Höhe der Strafe richtet, auf die das Tatgericht erkannt hat. Die im Wege des sog. [X.] vorzunehmende Kompensation koppelt den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht vielmehr von vornherein von Fragen des Tatunrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt eine rein am [X.] orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. schon [X.], Beschluss vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.]St 52, 124, 138; s. auch [X.], Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, aaO, 138).

Becker                              von [X.]                              Hubert

                   Schäfer                                  Menges

Meta

3 StR 206/11

25.10.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Duisburg, 31. Januar 2011, Az: 34 KLs 7/08 - 131 Js 92/05

§ 27 Abs 1 StGB, § 27 Abs 2 StGB, § 28 Abs 1 StGB, § 266 Abs 1 StGB, Art 6 Abs 1 S 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.10.2011, Az. 3 StR 206/11 (REWIS RS 2011, 2046)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2046

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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