Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.11.2011, Az. I ZR 212/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 965

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I
ZR
212/10
Verkündet am:
30.
November 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:

nein
[X.]R:

ja

Blühende Landschaften

[X.] § 51
Satz 2 Nr. 2; GG Art. 5 Abs. 3 Satz 1

a)
Das Zitatrecht gemäß §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] hat im Hinblick auf Kunstwerke einen weiteren Anwendungsbereich als bei nichtkünstlerischen Sprachwerken. Die durch Art.
5 Abs.
3 Satz
1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung verlangt, bei der Auslegung und Anwendung des §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] die innere Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des [X.] über die [X.] hinaus auch als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstleri-scher Gestaltung anzuerkennen ([X.], [X.], 149, 151
Germania
3).

b)
Für die Annahme eines Kunstwerks ist es nicht ausreichend, dass der Verfasser ei-nes Berichts über sein berufliches Wirken eigene einleitende Betrachtungen und Tagebucheinträge mit Artikeln aus Zeitungen, Urkunden und Lichtbildern kombiniert. Allein der Umstand, dass eine solche Kombination auch als künstlerische Technik, namentlich als literarische Collage oder Montage, in Betracht kommt, reicht nicht zur Annahme eines Kunstwerks im Sinne von Art.
5 Abs.
3 Satz
1 GG aus. Erforderlich ist vielmehr, dass das Werk auch die der Kunst eigenen materiellen Strukturmerk-male aufweist, also insbesondere Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung ist.

[X.], Urteil vom 30. November 2011

I ZR 212/10 -
OLG [X.]

[X.]
-
2
-

Der I.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 30. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Born-kamm und [X.], Dr.
Schaffert, Dr.
Koch
und Dr.
Löffler
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 9.
November 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision,
an das Berufungsgericht [X.].
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin gibt die insbesondere im östlichen [X.] gelesene Märkische Oderzeitung

heraus. Der [X.] war von 1991 bis zu seiner Pen-sionierung 2003 Direktor des [X.].
Im Jahre 2009 erschien das vom [X.] verfasste Buch Blühende Landschaften, in dem er seine im Gerichtsbezirk [X.] gemachten Erfahrungen beschreibt. Dieses Buch enthält mehrere in der [X.] erschienene Artikel und Lichtbilder, an denen der Klägerin ausschließli-che Nutzungsrechte
zustehen. Solche
Artikel und Lichtbilder finden sich zum einen
im vorderen Buchteil, und zwar kombiniert mit eigenen Betrachtungen und Tagebucheinträgen des [X.] sowie
mit weiteren Zeitungsartikeln, Lichtbildern und Urkunden. Zum anderen sind Artikel und Lichtbilder aus der 1
2
-
3
-

Zeitung der Klägerin in einem
mit

Dokumentation

überschriebenen hinteren Buchteil ab Seite
232 abgedruckt. Diese Dokumentation

besteht aus einer
Sammlung von
-
teilweise bebilderten
-
Zeitungsartikeln
in Faksimile-Form so-wie
anderen
Dokumenten
wie Gesetzestexten
und Schreiben ohne eigene Tex-te des [X.].
Die Klägerin hat die Darstellung der Artikel und Lichtbilder im Buch des [X.] als [X.]sverletzung beanstandet. Nachdem der [X.] [X.]
durch den Rechtsanwalt der Klägerin erhobenen Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht nachgekommen war, hat die Klägerin beantragt, es dem [X.] unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen,
1.
in der Märkischen Oderzeitung

erschienene Artikel ohne ihre Erlaubnis zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, insbesondere wenn dies wie
in dem Buch Blühende Landschaften

geschieht wie
a)
auf Seite
37 mit dem Artikel [X.] gibt den Stab weiter;
b)
auf Seite 49 mit dem Artikel Staatsanwalt ermittelt gegen 522
Asylbe-werber;
c)
auf den Seiten
65 und 234 mit dem Artikel Einen Jungen mit dem ge-
;
d)
auf den Seiten
84 und 237 mit dem Artikel Jugendkriminalität -
nur eine Frage der Selektion?;
e)
auf Seite
203 mit dem Artikel [X.] gingen der Polizei ins Netz;
f)

auf Seite
235 mit dem Artikel Angeklagt der räuberischen Erpressung mit Todesfolge;
g)
auf Seite 239 mit dem Artikel Überlebende Opfer sind dem Zufall zu ver-danken;
h)
auf Seite
241 mit dem Artikel Alles nur saufende Ungeheuer?;
i)

auf den Seiten
247 bis 248 mit dem Artikel Sitzung geriet zur Farce;
j)

auf Seite
257 mit dem Artikel Langfinger machen inzwischen schon einen Bogen um [X.];
k)
auf Seite
260 mit dem Artikel Mutieren Schulhöfe zu Drogenumschlags-plätzen?;
l)

auf Seite
261 mit dem Artikel Haftanstalt kurz und klein geschlagen;
m)
auf Seite
271 mit dem Artikel [X.] winkte als Ansporn;
n)
auf den Seiten
272 bis 275 mit dem Artikel Sonnenschein mit Schattensei-ten;
3
-
4
-

o)
auf den Seiten
276 bis 277 mit dem Artikel Sonnenschein
auf Tauchstati-on; sowie
2.
in der Märkischen Oderzeitung

erschienene Lichtbilder ohne ihre Erlaubnis zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, insbesondere wenn dies wie in dem Buch Blühende Landschaften

14, 37, 39 bzw. 232, 81, 126, 142, 182 bzw. 274 und 277.
Weiter hat die Klägerin beantragt, den [X.] zur Auskunftserteilung, hilfsweise zur Versicherung der Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides Statt, zur Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und zur Freistellung von den Kosten zu verurteilen, die durch die vorgerichtliche anwaltliche Abmahnung entstanden sind.
Der [X.] ist der Klage entgegengetreten. Er habe mit seinem Buch eine kritische Auseinandersetzung des Lesers mit dem Zeitgeschehen [X.]. Hierauf habe
auch das Belegen und Illustrieren der im Buch referierten und bewerteten Vorgänge mit Zeitungsartikeln und Bildern abgezielt. Die [X.] insbesondere der Zeitungsartikel
sei als Berichterstattung über [X.] nach §
50 [X.] zulässig und vom Zitatrecht im Sinne von §
51 [X.] gedeckt.
Das [X.] hat den [X.] -
mit Ausnahme des auf die Versi-cherung der Richtigkeit der Auskunft gerichteten Antrags
-
im Wege des [X.] antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] die Klage insgesamt abgewiesen (OLG [X.], [X.], 141 = [X.], 106). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der [X.] beantragt, erstrebt die Klägerin die Wieder-herstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
4
5
6
7
-
5
-

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Eingriff des [X.] in urheberrechtlich geschützte Positionen der Klägerin sei durch §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] gedeckt. Dazu hat es ausgeführt:
Der [X.] könne sich auf einen im Lichte des Art.
5 Abs.
3 GG erwei-terten Schutzbereich des Zitatrechts nach §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] berufen. Das Buch Blühende Landschaften

stelle ein selbständiges
Sprachwerk im Sinne dieser Vorschrift dar. Es handele sich zudem um ein Werk der Kunst. Für die Herstellung des Werks habe sich der [X.] einer künstlerischen Technik be-dient, nämlich der literarischen Collage oder Montage. Er habe teils mit, teils ohne erkennbaren Bezug zueinander in [X.] und Sprachstil unter-schiedliche Texte
-
einleitende Betrachtungen, Tagebucheinträge, Artikel aus mehreren Zeitungen, Urkunden
-
sowie Lichtbilder miteinander kombiniert. Das durch diese [X.] geschaffene künstlerische Ergebnis erfasse den Buchinhalt im Ganzen, so dass eine isolierte Betrachtung einzelner Teile des Buches, namentlich des Dokumentationsteils

ab Buchseite
232,
nicht ge-eignet sei, den dargestellten Gesamteindruck für sich maßgebend zu prägen.
Im Rahmen
der
danach bei der Auslegung des §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] gebotenen kunstspezifischen Betrachtung müsse berücksichtigt werden, dass den Artikeln und Lichtbildern keine bloße Belegfunktion zukomme; vielmehr seien sie
als künstlerisches Ausdrucks-
und Gestaltungsmittel anzuerkennen. Demgegenüber komme dem Eingriff in das [X.] der Klägerin nur sehr geringes Gewicht zu. Die Artikel und Lichtbilder beträfen durchweg [X.], ihr Wert sei zum ganz überwiegenden Teil durch die ursprüngliche [X.] erschöpft. Eine Zweitverwertung in Jahrbüchern sei durch das [X.] des [X.] nicht erschwert worden. Der [X.] habe auf andere Weise als geschehen das Agieren der Presse und damit den atmosphärischen Hintergrund nicht adäquat darstellen können.
8
9
-
6
-

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie
führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur
Zurück-verweisung
der Sache
an das Berufungsgericht.
Die Revision wendet sich
mit
Erfolg gegen die Annahme des Berufungs-gerichts, die Vervielfältigung und Verbreitung der urheberrechtlich geschützten Presseartikel und Lichtbilder seien
nach §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] zulässig.

1. Nach der genannten Bestimmung sind
die Vervielfältigung,
die Ver-breitung und
die
öffentliche Wiedergabe zulässig, wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang Stellen eines Werkes nach seiner Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden. Für den [X.] ist es erforderlich, dass eine
innere Verbindung zwischen den verwendeten fremden Werken oder Werkteilen und den eigenen Gedanken des [X.] hergestellt wird. Zitate sollen als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des [X.] der Erleichterung der geistigen Auseinanderset-zung dienen. Es genügt daher nicht, wenn die Verwendung des fremden Wer-kes nur zum Ziel hat, dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen oder
sich selbst eigene Ausführungen zu ersparen ([X.], Urteil vom 29.
April 2010
-
I
ZR
69/08, [X.]Z 185, 291 Rn.
26
-
Vorschaubilder
I, [X.]).
2. Das Berufungsgericht hat zu diesen Voraussetzungen keine Feststel-lungen getroffen. Es hat vielmehr angenommen, dass der Eingriff des [X.] in urheberrechtlich geschützte Positionen der Klägerin bei einem durch Art.
5 Abs.
3 GG vorgegebenen Verständnis der Vorschrift durch §
51
Satz
2
Nr.
2 [X.] gedeckt sei.
Dies ist nicht frei von [X.].
a) Das Berufungsgericht ist allerdings im rechtlichen Ausgangspunkt
zu-treffend davon ausgegangen, dass
das Zitatrecht gemäß
§
51
Satz
2
Nr.
2 [X.] im Hinblick auf Kunstwerke einen weiteren Anwendungsbereich hat als 10
11
12
13
14
-
7
-

bei nichtkünstlerischen Sprachwerken. Die durch Art.
5 Abs.
3 Satz
1 GG ge-forderte kunstspezifische Betrachtung verlangt, bei der Auslegung und Anwen-dung des §
51
Satz
2
Nr.
2 [X.] die innere
Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des [X.] über die bloße Belegfunktion hinaus auch als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen ([X.], [X.], 149, 151
= NJW 2001, 598
-
Germania
3).
b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch nicht die An-nahme, es handele sich bei dem Buch des [X.], insbesondere bei der [X.] der eigenen Texte des [X.] mit fremden, häufig bebilderten Zeitungsartikeln,
um ein Werk der Kunst und die angegriffenen Zitate seien ein Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung.
aa) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung
darauf gestützt, dass der [X.] sich für die Herstellung des Buches einer künstlerischen Technik be-dient
habe, nämlich der literarischen Collage oder Montage. Er habe teils mit, teils ohne erkennbaren Bezug zueinander in [X.] und Sprachstil un-terschiedliche Texte
-
einleitende Betrachtungen, Tagebucheinträge, Artikel aus mehreren Zeitungen, Urkunden
-
sowie Lichtbilder miteinander kombiniert. Der [X.] habe mit dieser Technik
-
anders als bei einer Dokumentensammlung
-
ein künstlerisches Werk geschaffen, bei dem die einzelnen Teile der Montage miteinander in Wechselwirkung träten und der durch die Verschränkung unter-schiedlicher Elemente erzielte literarische Effekt über die in den einzelnen Tex-ten enthaltenen Aussagen hinausgehe. Dies gelte insbesondere für die aufge-nommenen Zeitungsartikel und dazugehörigen Lichtbilder, die
den Standpunkt der lokalen Presse nicht bloß wiedergäben und illustrierten, sondern gerade in ihrer konkreten Aufmachung in Zusammenschau mit den Tagebuchaufzeich-nungen und sonstigen Texten die im beschriebenen Zeitraum vor Ort [X.] öffentliche

Atmosphäre mit Farbe versähen und daher erfahrbar machten.

15
16
-
8
-

bb)
Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpfe-rische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und
Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer An-schauung gebracht werden
([X.]E 30, 173, 188
f.
-
Mephisto; [X.]E 67, 213, 226
-
Anachronistischer Zug; [X.]E 75, 369, 377
-
Strauß-Karikatur; [X.]E 83, 130, 138
-
Josefine Mutzenbacher; [X.]E 119, 1, 20
f.
-
Esra).
Jede
künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck,
und zwar unmittelbarster Ausdruck der [X.] Persönlichkeit des Künstlers ([X.]E 30, 173, 189
-
Mephisto).
Ob das ur-heberrechtlich geschützte Werk Gegenstand und Gestaltungsmittel einer eige-nen künstlerischen Aussage ist oder bloß der Anreicherung des Werks durch fremdes geistiges Eigentum dient, ist auf Grund einer umfassenden Würdigung des gesamten Werkes zu ermitteln ([X.], [X.], 149, 152
-
Germa-nia
3).
cc) Den Feststellungen des Berufungsgerichts lassen sich diese an ein Kunstwerk zu stellenden Voraussetzungen,
insbesondere das Vorliegen einer
freien
schöpferischen
Gestaltung,
nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat es im [X.] ausreichen lassen, dass der [X.] eigene einleitende Betrach-tungen und Tagebucheinträge mit Artikeln aus Zeitungen, Urkunden und Licht-bildern kombiniert hat. Eine solche Kombination mag
-
wie das Berufungsge-richt angenommen hat
-
auch als künstlerische Technik
in Betracht kommen, namentlich in Form einer
literarische Collage oder Montage. Der Einsatz einer grundsätzlich
als künstlerische Technik gebräuchlichen
Form allein reicht je-doch
zur Annahme eines Kunstwerks im Sinne von Art.
5 Abs.
3 Satz
1 GG nicht aus (vgl. [X.]E 81, 278, 291

Bundesflagge; [X.]E 83,
130, 138

-
Josefine Mutzenbacher; [X.] in [X.]/[X.], Grundgesetz, 62.
Ergän-zungslieferung, Art.
5 Abs.
3 Rn.
30). Erforderlich ist vielmehr, dass das Werk 17
18
-
9
-

auch die der Kunst eigenen materiellen Strukturmerkmale aufweist, also insbe-sondere Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung ist, in der Eindrücke, Erfah-rungen und Phantasien des Autors zum Ausdruck kommen, wobei als Elemente schöpferischer Gestaltung der Einsatz und die verfremdende Verknüpfung von verschiedenen Stilmitteln in Betracht kommen, die Interpretationen zulassen und so auf eine künstlerische Absicht schließen lassen
([X.]E 81, 278, 291

-
Bundesflagge; [X.]E 83, 130, 138
-
Josefine Mutzenbacher). Hierzu hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen.

Soweit es angenommen hat, die miteinander kombinierten Texte seien in [X.] und Sprachstil unterschiedlich, lässt dies
eine schöpferische Ge-staltung nicht erkennen, sondern beschreibt lediglich den technischen Umstand der Kombination verschiedenartiger Texte. Dass diese Zusammenstellung nicht eine bloße Mitteilung, sondern primär unmittelbarer Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des [X.] ist, bei der seine Intuition, seine Phantasie und sein Kunstverstand zusammenwirken, lässt sich den Feststellungen des ange-griffenen Urteils
nicht entnehmen. Dasselbe
gilt für die Annahme
des [X.]s, die einzelnen Teile der Montage
träten
miteinander in Wechsel-wirkung
und führten so zu einem Effekt, der über die in den einzelnen Texten
enthaltenen Aussagen hinausgehe. Auch ein solcher Effekt kann allein auf dem formalen Akt der Kombination von Texten mit unterschiedlichen Aussagen und der Hinzufügung von Lichtbildern beruhen, ohne dass darin auch eine persönli-che schöpferische Gestaltung liegen muss, die
die Kombination erst zu einem
nach Art.
5 Abs.
3 Satz
1 GG geschützten Kunstwerk macht.
Ein [X.] ergibt sich auch nicht aus den übrigen Feststellungen des Berufungsgerichts. Seine Annahme, die konkrete Aufmachung der [X.] und der
dazugehörigen Lichtbilder versähen die im beschriebenen Zeitraum vor Ort herrschende öffentliche Atmosphäre in Zusammenschau mit den Tagebuchaufzeichnungen und sonstigen Texten mit Farbe und machten sie 19
20
-
10
-

erfahrbar, spricht vielmehr
dafür, dass die Kombination
von eigenen Texten mit den Zeitungsartikeln und Lichtbildern aus der Zeitung der Klägerin
vorwiegend
einer möglichst anschaulichen und facettenreichen Mitteilung historischer [X.] und deren Bewertung durch den [X.] dient und gerade nicht pri-mär schöpferischer Ausdruck seiner individuellen Persönlichkeit ist.

c) Das Berufungsgericht hat sich
-
anders als das [X.]
-
bei [X.] Erörterung des Zitatrechts nach §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] nicht mit den in den [X.] im Einzelnen aufgeführten Zeitungsartikeln und Licht-bildern konkret befasst, sondern angenommen, das durch die Bearbeitungs-technik geschaffene künstlerische Ergebnis erfasse den Buchinhalt im Ganzen, so dass eine isolierte Betrachtung einzelner Teile des Buches, namentlich des Dokumentationsteils

ab Buchseite
232, nicht geeignet sei, den [X.] für sich maßgeblich zu prägen. Auch diese Beurteilung ist nicht frei von [X.].
Wird
durch ein Kunstwerk in mehrere urheberrechtlich geschützte Werke eingegriffen, entbindet die durch Art.
5 Abs.
3 Satz
1 GG geforderte kunstspezi-fische Betrachtung nicht von der konkreten Prüfung der Voraussetzungen des §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] im Hinblick auf jeden einzelnen Eingriff. Denn die Quali-fizierung des zitierenden Sprachwerks im
Sinne des §
51
Satz
2
Nr.
2 [X.] als Kunstwerk allein reicht für die Annahme dieser
Schutzschranke nicht aus. Zu prüfen bleibt ferner
das Erfordernis der inneren Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des
[X.]. Denn die durch eine ver-fassungskonforme Auslegung geforderte Erweiterung des Zitatrechts besteht [X.] darin, dass
die für den [X.] erforderliche
innere Verbindung nicht auf die Funktion als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Aus-führungen des [X.] zum Zwecke der Erleichterung der geistigen Ausei-nandersetzung begrenzt
ist, sondern darüber hinaus auch die Eigenschaft als Mittel des künstlerischen Ausdrucks und der künstlerischen Gestaltung aner-21
22
-
11
-

kannt werden muss
([X.], [X.], 149, 151
-
Germania
3). Ob eine solche innere Verbindung vorliegt, kann nur konkret bezogen auf jeden einzel-nen Eingriff in urheberrechtliche Verwertungsrechte
beantwortet werden.
[X.] Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§
561 ZPO). Insbesondere greift die Schutzschranke des §
50 [X.] nicht ein. Das Berufungsgericht hat dazu
-
von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig
-
keine
eigenen
Feststellungen getroffen. Das
[X.], auf [X.] Feststellungen das Berufungsgericht verweist, hat indessen festgestellt, dass der [X.] in seinem Buch nicht über aktuelle Tagesereignisse berichtet
und keine Tagesinteressen befriedigt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und ist vom [X.] weder in der Berufungs-
noch in der Revisionsinstanz beanstandet worden.
[X.] Der Senat vermag nach alledem nicht in der Sache selbst zu [X.], weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Die Sache bedarf einer er-neuten Beurteilung
der Voraussetzungen des
§
51 Satz
2 Nr.
2 [X.]
durch den Tatrichter. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen

563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
V. Für
die neue Verhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:
1. Die [X.] richten sich abstrakt gegen die Vervielfälti-gung und Verbreitung von in der Märkischen Oderzeitung

erschienenen
Arti-keln und Lichtbildern ohne Erlaubnis der Klägerin. Sie erfassen damit auch [X.], in denen solche Artikel oder Lichtbilder vom [X.] als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen zitiert werden und damit der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen. In solchen Fällen können die Voraussetzungen des §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] erfüllt sein. Der Klä-23
24
25
26
-
12
-

gerin ist nach §
139 Abs.
1 ZPO Gelegenheit zu geben, ihre Anträge insoweit gegebenenfalls neu zu fassen und
diese
auf die
-
bislang lediglich in Gestalt ei-nes mit insbesondere

eingeleiteten Teils zum Gegenstand der Anträge ge-machte
-
konkrete Verletzungsform zu beziehen.
2. Im Hinblick auf die im Dokumentationsteil
ab Buchseite
232 aufgeführ-ten Artikel und Lichtbilder scheidet die Zulässigkeit des Eingriffs in die der Klä-gerin zustehenden urheberrechtlichen Befugnisse der Klägerin gemäß §
51 Satz
2 Nr.
2 [X.] unabhängig davon aus, ob das Berufungsgericht im wieder-eröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem Buch des [X.] aufgrund der Collagetechnik um ein Kunstwerk handelt. Denn die Dokumentation
enthält nach den [X.] Feststel-lungen des [X.]s keine eigenen Ausführungen des [X.], die sich mit den Zeitungsartikeln oder bildlichen Darstellungen geistig auseinanderset-zen. Deshalb kann sich der [X.] insoweit weder auf eine innere Verbindung eigener Gedanken mit den fremden Werken im Sinne einer Belegfunktion noch
auf
eine Zulässigkeit der Veröffentlichung
der fremden Werke unter dem Ge-sichtspunkt des künstlerischen Ausdrucks im Rahmen einer Collage berufen.

3. Bei der Beurteilung, ob die angegriffene Verwendung der Artikel und Fotos im Buch des [X.] nach §
51 [X.] zulässig sind, kommt es in jedem Einzelfall
maßgeblich
darauf an, ob dies zum Zweck des Zitats geschieht. Die Zitatfreiheit soll die geistige Auseinandersetzung mit fremden Werken erleich-tern
([X.], Urteil vom 5.
Oktober 2010
-
I
ZR
127/09, [X.], 415 Rn.
22

-
Kunstausstellung im Online-Archiv; Urteil vom 7.
April 2011
-
I
ZR
56/09, [X.], 1312 Rn.
45 = [X.], 1463
-
ICE). Die Zitierfreiheit gestattet es nicht, ein
fremdes
Werk nur um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allge-meinheit zu bringen. Ebenso wenig reicht es aus, dass ein solches Werk in [X.] bloß äußerlichen zusammenhanglosen Weise eingefügt und angehängt 27
28
-
13
-

wird. Die Verfolgung des [X.]s im Sinne des §
51 [X.] erfordert viel-mehr, dass der [X.] eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellt und das Zitat als Belegstelle oder
Erörte-rungsgrundlage für selbständige Ausführungen des [X.] erscheint ([X.], Urteil vom 20.
Dezember 2007
-
I
ZR
42/05, [X.]Z 175, 135 Rn.
42
-
TV Total; [X.],
[X.], 1312 Rn.
46
-
ICE). An einer solchen inneren Verbindung fehlt es regelmäßig, wenn sich das zitierende Werk nicht näher mit dem einge-fügten fremden Werk auseinandersetzt, sondern es nur zur Illustration verwen-det ([X.],
[X.], 415 Rn.
22
-
Kunstausstellung im Online-Archiv, [X.]), es in einer bloß äußerlichen, zusammenhanglosen Weise
einfügt oder anhängt ([X.], Urteil vom 23.
Mai 1985
-
I
ZR
28/83, [X.], 59, 60 = NJW 1986, 131
-
Geistchristentum)
oder das Zitat ausschließlich eine informierende Be-richterstattung bezweckt ([X.], Urteil vom 1.
Juli 1982
-
I
ZR
118/80, [X.]Z 85, 1, 10
f.
-
Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe). In diesem Zu-sammenhang
ist zu berücksichtigen, dass die auf der Sozialbindung des geisti-gen Eigentums beruhenden Schrankenbestimmungen der §§
45
ff. [X.] gene-rell eng auszulegen sind ([X.]Z 185, 291 Rn.
27
-
Vorschaubilder
I).

Nach dem [X.] bestimmt sich auch, in welchem Umfang ein Zitat erlaubt ist (vgl. [X.], [X.], 59
f.
-
Geistchristentum; [X.]/[X.] in [X.]/Loewenheim, [X.], 4.
Aufl., §
51 [X.]
Rn.
19; Dustmann in [X.]/[X.], [X.], 10.
Aufl., §
51
[X.]
Rn.
18; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
51 [X.] Rn.
14). Ist der [X.] überschritten, so ist
-
wie das [X.] zutreffend angenommen hat
-
nicht nur der überschießende Teil, sondern das ganze Zitat unzulässig (vgl. [X.]/[X.] aaO §
51
[X.]
Rn.
19;
Dustmann aaO §
51 [X.] Rn.
47; [X.]
aaO §
51 [X.] Rn.
6).
Bornkamm
Pokrant
Schaffert
29
-
14
-

Koch
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.01.2010 -
2 O 266/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 09.11.2010 -
6 U 14/10 -

Meta

I ZR 212/10

30.11.2011

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.11.2011, Az. I ZR 212/10 (REWIS RS 2011, 965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 965

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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