Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2011, Az. VI R 84/10

6. Senat | REWIS RS 2011, 4841

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Gegenstand

Lohnsteuerprivileg des Arbeitgebers in der Schifffahrt - Verweildauer von 183 Tagen auf einem Schiff desselben Arbeitgebers - Bestimmung des "Arbeitgebers" und der an einem Heuerverhältnis Beteiligten


Leitsatz

1. Arbeitgeber i.S. des § 41a Abs. 4 EStG ist der zum Lohnsteuereinbehalt nach § 38 Abs. 3 EStG Verpflichtete. Dies ist regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag .

2. § 41a Abs. 4 EStG setzt voraus, dass die Arbeitnehmer zusammenhängend 183 Tage auf eigenen oder gecharterten Schiffen des Arbeitgebers tätig sind. Einsatzzeiten auf Schiffen Dritter bleiben hierbei unberücksichtigt .

Tatbestand

1

I. Streitig sind die Voraussetzungen des § 41a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Einschiffsgesellschaft in der Rechtsform einer KG und betreibt das im [X.] Schiffsregister eingetragene Frachtmotorschiff [X.] unter [X.] Flagge. [X.] ist der Komplementär der Klägerin. In dieser Eigenschaft war er bis zum 31. Dezember 2001 für die [X.] der [X.] zuständig.

3

Mit [X.]irkung zum 1. Januar 2002 übertrug die Klägerin die Aufgaben der [X.] einer neu gegründeten Gesellschaft, der [X.]. [X.] ist Kommanditist und zugleich Geschäftsführer der Komplementärin der [X.], der [X.] Die [X.] erwarb von [X.] einen Anteil an der Klägerin in Höhe von nominal 1.000 DM. Nach dem [X.]svertrag war die [X.] als Vertragsreeder u.a. für die Bemannung der [X.] zuständig. Dabei konnte sie ihre Aufgaben entweder in eigenem Namen oder im Namen der Klägerin wahrnehmen. Für ihre Tätigkeit erhielt die [X.] eine Vergütung seitens der Klägerin. Zudem war in dem Vertrag vereinbart, dass die Kosten für die Heuerabrechnungen zu Lasten der Klägerin gehen sollten.

4

Die [X.] schloss mit weiteren Einschiffsgesellschaften, jeweils in der Rechtsform einer KG, entsprechende [X.]sverträge ab. Danach war sie auch für die Bemannung der [X.], [X.] sowie der [X.] zuständig. Auch an diesen von ihr bereederten drei Gesellschaften beteiligte sich die [X.] in geringem Umfang als Komplementärin neben [X.], der jeweils der Hauptkomplementär war.

5

Die Klägerin meldete beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) Lohnsteuer für die beschäftigten Seeleute an. Dabei verwendete sie auch nach dem 1. Januar 2002 weiterhin die ihr zugeteilte Steuernummer. Auch die Meldungen zur Sozialversicherung wurden unter dem Namen der Klägerin abgegeben. Die anderen Schiffsgesellschaften meldeten die Sozialversicherungsbeiträge der bei ihnen tätigen Arbeitnehmer ebenfalls unter eigenem Namen bei der Sozialversicherung an. In den Heuerabrechnungen der beschäftigten Arbeitnehmer war anhand eines Zusatzes zur Personalnummer die betreffende Einschiffsgesellschaft erkennbar. Die [X.]e waren mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen und arbeitgeberseitig vom Komplementär [X.] oder einer anderen vertretungsbefugten Person unterzeichnet.

6

Die Klägerin kürzte den abzuführenden Lohnsteuerbetrag um 40 % nach § 41a Abs. 4 EStG. Die Kürzung hatte die Klägerin auch für die Lohnsteuer der Seeleute vorgenommen, die zwar zum Abrechnungszeitpunkt auf dem Schiff der Klägerin, der [X.], tätig waren, aber dort nicht zusammenhängend an 183 Tagen. Einige der Arbeitnehmer, die auf der [X.] tätig waren, wurden auch an Bord der [X.], der [X.] sowie der [X.] eingesetzt. Die Seeleute erhielten für diese Einsätze außerhalb der [X.] ihre Heuer von der jeweiligen Einschiffsgesellschaft. Nach den Einsätzen erbrachten die Seeleute ihre Arbeitsleistung wieder auf dem Schiff der Klägerin. Ein neuer [X.] wurde für keinen der Schiffswechsel ausgestellt.

7

Nachdem dieser Sachverhalt während einer Lohnsteuer-Außenprüfung festgestellt wurde, nahm das [X.] die Klägerin als Arbeitgeberin für ausstehende Lohnsteuer in Höhe von 56.341,54 € in Haftung. Es begründete dies im [X.]esentlichen damit, dass die Voraussetzungen für eine Kürzung nach § 41a Abs. 4 EStG nicht vorgelegen hätten. Die nach dieser Norm erforderliche Verweildauer der Arbeitnehmer von 183 Tagen auf einem Schiff desselben Arbeitgebers liege nicht vor. Die Zeiten auf den anderen Schiffen der anderen Einschiffsgesellschaften seien nicht zu berücksichtigen. Der dagegen eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2011, 530 veröffentlichten Gründen ab.

9

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 41a Abs. 4 Satz 1 EStG).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.] vom 30. September 2010  11 K 84/08 sowie die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 29. Januar 2008 aufzuheben und den Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 9. Mai 2005 dahingehend zu ändern, dass der Haftungsbetrag für die Lohnsteuer auf 14.770,06 € herabgesetzt wird.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene Haftungsbescheid des [X.] rechtmäßig ist. Denn die Klägerin hat die ihr als Arbeitgeberin obliegende Pflicht zur --vollständigen-- Abführung der Lohnsteuer (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) verletzt (§ 42d EStG). Sie hat die korrekt einbehaltene Lohnsteuer zu Unrecht um 40 % gekürzt, bevor sie diese an das [X.] abgeführt hat. Denn die Voraussetzungen für eine Kürzung der Lohnsteuer nach § 41a Abs. 4 EStG lagen nicht vor.

Nach § 41a Abs. 4 Satz 1 EStG können Arbeitgeber, die eigene oder gecharterte Handelsschiffe betreiben, vom Gesamtbetrag der anzumeldenden und abzuführenden Lohnsteuer einen Betrag von 40 % der Lohnsteuer der auf solchen Schiffen in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen beschäftigten Besatzungsmitglieder abziehen und einbehalten. Vorliegend war die Klägerin zwar anspruchsberechtigte --einzige-- Arbeitgeberin [X.] des § 41a Abs. 4 EStG (a). Allerdings hat sie zu Unrecht den Kürzungsbetrag auch für Arbeitnehmer in Anspruch genommen, die nicht mehr als 183 Tage zusammenhängend auf der [X.] eingesetzt waren (b).

a) Die Klägerin war [X.]e Arbeitgeberin der auf ihrem Schiff tätigen Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber [X.] des § 41a Abs. 4 EStG ist identisch mit dem zum Einbehalt der Lohnsteuer nach § 38 Abs. 3 EStG Verpflichteten (Trzaskalik, in: [X.][X.], EStG, § 41a Rz [X.]). Denn der systematische Zusammenhang des § 41a Abs. 4 EStG mit den Vorschriften über die Steuererhebung lässt keinen anderen, abweichenden Arbeitgeberbegriff zu. Nur der tatsächlich zum Lohnsteuereinbehalt verpflichtete Arbeitgeber kann die Begünstigungsnorm in Anspruch nehmen. Arbeitgeber [X.] des § 38 Abs. 3 EStG ist derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen [X.]eisung er zu befolgen hat (Umkehrschluss aus § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung). Dies ist regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag (Urteil des [X.] --BFH-- vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, [X.], 216, BStBl II 2004, 620). Die Beteiligten an einem Heuerverhältnis ergeben sich aus dem [X.], weil dieser gemäß § 24 des Seemannsgesetzes alle wesentlichen Inhalte des Vertragsverhältnisses enthält (Urteil des [X.] vom 21. Dezember 1972  5 [X.], Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht, § 164 BGB Nr. 1). Bei Arbeitnehmerüberlassung oder sonstigen Formen des drittbezogenen Arbeitseinsatzes, in denen der Arbeitnehmer nicht mehr unter der [X.]eisung seines Vertragspartners steht, ist [X.] jedoch derjenige Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt (BFH-Urteile in [X.], 216, BStBl II 2004, 620; vom 24. März 1999 [X.], [X.], 74, [X.], 41). Ist dies der Entleiher, so kann davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitgeberwechsel im [X.]en Sinne stattgefunden hat (BFH-Urteil in [X.], 74, [X.], 41).

Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass allein die Klägerin und nicht (auch) [X.] Arbeitgeber [X.] des § 41a Abs. 4 EStG der auf ihrem Schiff tätigen Seeleute war. Dies gilt sowohl für die [X.] bis zum 31. Dezember 2001 ([X.]) als auch für die [X.] ab 1. Januar 2002 (bb).

[X.]) Die [X.]ürdigung des [X.], dass die Klägerin [X.] durch ihren Komplementär [X.] selbst die [X.] mit den auf der [X.] beschäftigten Arbeitnehmern abgeschlossen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] hat insoweit zutreffend berücksichtigt, dass die [X.]e mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen und von [X.] oder einer anderen unstreitig vertretungsbefugten Person unterschrieben worden sind. In einem solchen Fall ist ein weiterer erläuternder Hinweis, in welcher Funktion der Unterzeichner gehandelt hat, entbehrlich (vgl. Beschluss des [X.] vom 28. April 2005  1 [X.] 10/05, Monatsschrift für Deutsches Recht 2006, 145).

bb) Die Klägerin hat ihre Stellung als Arbeitgeberin [X.] des § 41a Abs. 4 EStG auch nicht durch die Gründung der [X.] verloren. Die dahingehende [X.]ürdigung des [X.] ist ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist nicht nur möglich, sondern auch naheliegend.

Denn nach den Feststellungen des [X.] ist auch nach Gründung der [X.] ausschließlich die Klägerin [X.] mit den auf der [X.] beschäftigten Arbeitnehmern eingegangen. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass allein die vertragliche Übertragung der Zuständigkeit der [X.] für die Bemannung nicht genügt, um Arbeitgeber nach den o.g. Grundsätzen zu sein. Vielmehr muss sich die Arbeitgeberstellung aus dem Vertragsverhältnis selbst ergeben. Indizien, die für die [X.] als Arbeitgeberin sprechen könnten, hat das [X.] jedoch nicht festgestellt. Insbesondere kann aus der persönlichen Mitwirkung des [X.] am Abschluss der [X.] nicht geschlossen werden, dass die [X.] den Vertrag abgeschlossen hat. Denn [X.] war sowohl Geschäftsführer der [X.] als auch vertretungsberechtigtes Organ der Klägerin. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass das [X.] formale Anhaltspunkte wie den Stempel der Klägerin für die Arbeitgeberstellung der Klägerin herangezogen hat.

b) Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass die Klägerin die Begünstigung des § 41a Abs. 4 EStG zu Unrecht auch für Arbeitnehmer in Anspruch genommen hat, die nicht zusammenhängend 183 Tage auf der [X.] eingesetzt waren. Die Vorschrift setzt nach Auffassung des erkennenden Senats voraus, dass ein Arbeitnehmer zusammenhängend 183 Tage auf eigenen oder gecharterten Handelsschiffen des Arbeitgebers tätig ist (so auch Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 18. März 2004  11 K 38/03, E[X.] 2004, 1456). [X.]echselt der Arbeitnehmer auf das Schiff eines Dritten --im Streitfall einer anderen Einschiffsgesellschaft des [X.], beendet dies den erforderlichen Beschäftigungszusammenhang. Ein Zusammenrechnen von Beschäftigungszeiten auf Schiffen verschiedener Eigentümer kommt entgegen der Auffassung der Klägerin wegen des eindeutigen [X.]ortlauts der Vorschrift nicht in Betracht.

c) Zu Recht streiten die Beteiligten nicht über die weiteren Voraussetzungen des Lohnsteuerhaftungsbescheids. Das [X.] hat den Haftungsbetrag in dem Haftungsbescheid zutreffend festgestellt.

Meta

VI R 84/10

13.07.2011

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 30. September 2010, Az: 11 K 84/08, Urteil

§ 41a Abs 1 EStG 1997, § 41a Abs 4 EStG 1997, § 38 Abs 3 EStG 1997, § 42d EStG 1997, § 24 SeemG, § 41a Abs 1 EStG 2002, § 41a Abs 4 EStG 2002, § 38 Abs 3 EStG 2002, § 42d EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2011, Az. VI R 84/10 (REWIS RS 2011, 4841)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4841

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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(Zuschüsse zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn - Erholungsbeihilfen - Mindestmaß an Vergewisserung über den Verwendungszweck - …


Referenzen
Wird zitiert von

L 7 BA 80/22

1 StR 74/22

Zitiert

1 W 10/05

Zitieren mit Quelle:
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