Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2014, Az. XII ZB 736/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7365

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 736/12

vom

5. März 2014

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 D
Zur Pflicht eines Rechtsanwalts, für eine Vertretung bei Erkrankung zu sorgen.

[X.], Beschluss vom 5. März 2014 -
XII [X.] 736/12 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
5.
März 2014
durch den
Vor-sitzenden
Richter
Dose und
die Richter
Schilling, Dr.
Günter,
Dr.
Nedden-Boeger
und Dr.
Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss des 1.
Zivilsenats des [X.] vom 14.
November 2012 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
Wert: 89.685

Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungs-frist, die sie wegen einer Erkrankung ihres Prozessbevollmächtigten versäumt habe.
Das überwiegend klageabweisende Urteil des [X.] ist dem
Pro-zessbevollmächtigten der Klägerin am 12.
Juli 2012 zugestellt worden. [X.] hat die Klägerin rechtzeitig Berufung eingelegt. Einen ersten Antrag zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat ihr Prozessbevollmächtigter
am 12.
September 2012 mit der Begründung der Arbeitsüberlastung gestellt. Das [X.] hat die Frist antragsgemäß bis zum 12.
Oktober 2012 verlängert. Am 12.
Oktober 2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die weitere
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.
Oktober 2012
beantragt, weil er
akut erkrankt sei. Auch diesem Antrag
hat das Oberlan-1
2
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3
-

desgericht stattgegeben. Einen Tag vor Ablauf der verlängerten
Frist, am 16.
Oktober 2012,
hat der
gegnerische
Prozessbevollmächtigte
dem Gericht sein Einverständnis mit einer weiteren Fristverlängerung für den Klägervertreter bis zum 22.
Oktober 2012 erklärt, da dessen Büro mitgeteilt habe, dass dieser noch
erkrankt sei. Einen Fristverlängerungsantrag hat der Klägervertreter bis zum Ablauf des
17.
Oktober 2012 nicht gestellt. Das [X.] hat am 19.
Oktober 2012 darauf hingewiesen, dass zwar der Gegner einer Fristverlän-gerung zugestimmt habe, jedoch
kein rechtzeitiger Fristverlängerungsantrag vorliege, so dass die Frist verstrichen und die Berufung als unzulässig zu ver-werfen sei. Die Berufungsbegründung ist schließlich am 22.
Oktober 2012 beim [X.] eingegangen.
Dort hat der Klägervertreter "formell [X.] gebeten, den Fristverlängerungsantrag bis heute anzunehmen", zumal die Gegenseite der Verlängerung zugestimmt habe. Weiter hat der Klägervertreter "äußerst vorsorglich"
Wiedereinsetzung "aus Gründen akuter unvorhergesehe-ner Krankheit"
beantragt.
Mit Schriftsatz vom 31.
Oktober 2012 hat der Klägervertreter nochmals
Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt und vorgetragen, seine Krankheit habe sich gerade im Lauf des letzten Tages der
Frist, dem 17.
Oktober 2012,
massiv verschlimmert. Eine Vertretung durch einen anderen Anwalt sei nicht möglich gewesen. Er sei als Einzelanwalt tätig. Rechtsan-walt
D.,
von dem er Büroräume am Ort seiner Zweigstelle angemietet habe, sei in der ganzen Woche ortsabwesend gewesen, auch bestehe keine allgemeine Vertretungsregelung mit ihm.
Das [X.] hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewie-sen und zugleich die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

3
4
-
4
-

II.
Die Rechtsbeschwerde hat
keinen Erfolg.
Sie
ist gemäß §§
574 Abs.
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 ZPO statthaft, aber nicht zulässig, weil die Klägerin nicht aufzuzeigen vermag, dass eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheit-lichen
Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich wäre, §
574 Abs.
2 ZPO.
Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin weder in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG). Danach darf einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten In-stanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom 11.
Juni 2008

XII
[X.]
184/07

FamRZ 2008, 1605 Rn.
6 mwN).
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt, die Versäumung der Frist beruhe auf einem Verschulden des
Prozess-bevollmächtigten der Klägerin, welches ihr gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzurech-nen sei. Ein Rechtsanwalt müsse durch geeignete organisatorische Maßnah-men vorausschauend Vorsorge für den Fall seiner vorhersehbaren oder unvor-hersehbaren Abwesenheit treffen, insbesondere durch Bestellung eines Vertre-ters. Ein Verschulden sei nur dann zu verneinen, wenn der krankheitsbedingte Ausfall für den Prozessbevollmächtigten nicht vorhersehbar gewesen sei und infolge der Erkrankung weder ein Verlängerungsantrag gestellt noch ein Vertre-ter habe
bestellt werden können. Es sei nicht ersichtlich, dass der
Prozessbe-5
6
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-

vollmächtigte der Klägerin seine krankheitsbedingte Verhinderung nicht habe vorhersehen können. Schon seinen Fristverlängerungsantrag vom 12.
Oktober 2012 habe er mit Erkrankung begründet. Ferner habe er am 16.
Oktober 2012 über sein Büro die Zustimmung der Gegenseite zu einer weiteren Fristverlänge-rung wegen Erkrankung eingeholt. Wenn aber der schon seit einigen Tagen erkrankte Anwalt bereits am 16.
Oktober 2012 habe absehen können, dass er krankheitsbedingt nicht in der Lage sein werde, bis zum Fristablauf am nächs-ten Tag die Berufungsbegründung einzureichen, hätte er Vorkehrungen treffen müssen, dass jedenfalls ein Fristverlängerungsantrag rechtzeitig bei Gericht gestellt werde. Dass er keine Vertretungsregelung mit Rechtsanwalt
D. getrof-fen habe, vermöge ihn nicht zu entlasten, da er grundsätzlich verpflichtet sei, eine Vertretung für Fälle seiner Abwesenheit zu organisieren. Es sei nicht er-sichtlich, dass es nicht möglich gewesen wäre, einen anderen Rechtsanwalt kurzfristig mit der Vertretung in dieser Einzelsache zu betrauen.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung und den Angriffen der Rechtsbe-schwerde stand.
a) Zutreffend ist
das [X.] davon ausgegangen, dass ein Rechtsanwalt im Rahmen seiner Organisationspflichten grundsätzlich auch [X.] Vorkehrungen zu treffen
hat, dass im Falle einer Erkrankung ein Vertreter die notwendigen Prozesshandlungen wahrnimmt
([X.] Beschluss vom 5.
April 2011

VIII
[X.]
81/10
NJW 2011, 1601 Rn.
18). Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er eine solche Situation vorhersehen kann. Wird er dagegen unvorherge-sehen krank, gereicht ihm eine unterbleibende Einschaltung eines Vertreters nicht zum Verschulden, wenn ihm diese weder möglich noch zumutbar war ([X.] Beschlüsse vom 5.
April 2011

VIII
[X.]
81/10
NJW 2011, 1601 Rn.
18; vom 6.
Juli 2009

II
[X.]
1/09

NJW 2009, 3037 Rn.
10 und vom 18.
September 2008

V
[X.]
32/08
mRZ 2008, 2271 Rn.
9).
8
9
-
6
-

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war bereits seit mehreren Ta-gen erkrankt, wie sein Fristverlängerungsantrag vom 12.
Oktober 2012 und die Mitteilung des gegnerischen Prozessbevollmächtigten vom 16.
Oktober 2012 belegen. Er wusste also mindestens seit dem 16.
Oktober 2012, dass er durch seine Erkrankung gehindert sein würde, die am nächsten Tag ablaufende Frist zur Berufungsbegründung einzuhalten. Warum es ihm in dieser Zeit nicht mög-lich gewesen sein soll, zumindest eine
Fristverlängerung zu beantragen, mit der der Gegner bereits einverstanden war, oder einen Kollegen damit zu [X.], trägt die Klägerin nicht vor. Insofern hilft dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin
der Vortrag, die Erkrankung habe sich im Lauf des 17.
Oktober 2012 massiv verschlimmert, nicht weiter, da er nicht erklärt, wieso er sich nicht um eine Vertretung
für einen solchen Verlängerungsantrag bemüht hat.
Die Rechtsbeschwerde führt erfolglos an, die Frist wäre
auch dann versäumt [X.], wenn mit Rechtsanwalt
D. eine allgemeine Vertretungsregelung bestanden hätte, da dieser in der Woche vom 12.
bis 18.
Oktober 2012 [X.] sei. Die Klägerin trägt nämlich nicht vor, dass diese
Ortsabwesenheit unvorhersehbar gewesen sei oder dass es ihrem
Prozessbevollmächtigten nicht möglich und zumutbar gewesen sei, einen anderen Vertreter zu beauftragen; dies insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Erkrankung nicht plötzlich und unvorhergesehen eintrat, sondern bereits seit einigen Tagen bestand.
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde musste das Beru-fungsgericht
den
Schriftsatz des gegnerischen Rechtsanwalts vom 16.
Oktober 2012, mit dem dieser sein Einverständnis mit einer nochmaligen Fristverlänge-rung erklärte, nicht dahin auslegen, dass er für den Klägervertreter, seinen Gegner,
Fristverlängerung beantragt.
Die Frage, ob der Prozessgegner [X.] für eine
Fristverlängerung zu Gunsten der Gegenpartei ist (vgl. [X.]/Stöber
ZPO 30.
Aufl. §
224
Rn.
6; Hk-ZPO/[X.] 4.
Aufl. §
224
Rn.
5; a.A.
MünchKommZPO/Gehrlein 4.
Aufl. §
225 Rn.
1), kann dahinstehen. 10
11
-
7
-

Denn jedenfalls hat der Gegner keinen Antrag auf
Fristverlängerung für die Klä-gerin gestellt. Die Erklärung, mit der Verlängerung
der Frist für den Gegner
ein-verstanden zu sein, kann
nicht als Antrag auf Fristverlängerung ausgelegt wer-den.
Auch wenn Prozesshandlungen grundsätzlich auslegungsfähig
sind, müs-sen
Anträge eindeutig als solche formuliert sein.
Die Einverständniserklärung mit einer Fristverlängerung für den Gegner gleichzeitig als [X.] auszulegen, wäre eine unzulässige Auslegung über den eindeutigen Wortlaut
der Erklärung hinaus.
c) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, dass das [X.] seinen Rechtsausführungen keinen Sachverhalt vorangestellt hat. Denn das Fehlen einer gesonderten Darstellung des Sachverhalts im Beschluss des [X.]s kann hier hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es ankommt, nämlich der für die Wiedereinsetzung und die Verwerfung der Berufung maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel, mit ausreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben (vgl. [X.] Beschlüsse
vom 16.
April 2013

VI
[X.]
50/12
NJW-RR 2013, 1077 Rn.
5 mwN und vom 12.
Juli 2004

II
[X.]
3/03

NJW-RR 2005, 78).
d) Die Rechtsbeschwerde irrt ebenfalls, wenn sie meint, das [X.] hätte gemäß §
139 ZPO vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin weiteren Vortrag verlangen müssen, welcher Art dessen Krankheit war, da eine Bettlägerigkeit die Fristversäumung entschuldigen würde.
Alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, sind innerhalb der zwei-wöchigen Antragsfrist (§§
234 Abs.
1,
236 Abs.
2 ZPO) vorzutragen. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach §
139 ZPO geboten gewesen wäre, dürfen nach Fristablauf erläutert oder ver-vollständigt werden (vgl. Senatsbeschluss vom
4.
Mai 1994

XII
[X.]
21/94

NJW 1994, 2097, 2098). Hat das Wiedereinsetzungsgesuch

wie im vorliegen-den Fall

bereits eine in sich geschlossene, an sich nicht ergänzungsbedürftig 12
13
-
8
-

erscheinende Sachdarstellung enthalten, besteht kein Anlass für eine weitere Aufklärung durch das Gericht nach §
139 ZPO. Es liegt vielmehr in der Verant-wortung des Rechtsanwalts, alle für die
Erfüllung seiner Sorgfaltspflicht spre-chenden Tatsachen vorzutragen. Dem ist der Prozessbevollmächtigte der Klä-gerin nicht nachgekommen. Dessen Verschulden hat das [X.]
der Klägerin zutreffend nach §
85 Abs.
2 ZPO zugerechnet.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.07.2012 -
1 O 330/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 14.11.2012 -
1 [X.] -

Meta

XII ZB 736/12

05.03.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2014, Az. XII ZB 736/12 (REWIS RS 2014, 7365)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7365

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