Bundessozialgericht, Urteil vom 12.02.2015, Az. B 10 ÜG 7/14 R

10. Senat | REWIS RS 2015, 15517

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Überlanges Gerichtsverfahren - Entschädigungsklage - richterliche Vorbereitungs- und Bedenkzeit - Zwölfmonatsregel - Abweichung bei gerichtlicher Feststellung außergewöhnlicher Umstände - unangemessene Verfahrensdauer in der ersten Instanz - jahrelange Untätigkeit - deutliche Verkürzung der Frist in der Berufungsinstanz - Bedeutung des Ausgangsverfahrens bei Erfolglosigkeit der Klage - Zeitraum der Überlänge - Monat der Ladung zum Termin - keine Wiedergutmachung auf andere Weise bei struktureller Überlastung der Justiz - sozialgerichtliches Verfahren


Leitsatz

1. Bei der Prüfung des Anspruchs auf gerichtlichen Rechtsschutz in angemessener Zeit kann es eine rund dreijährige gerichtliche Untätigkeit in der ersten Instanz des Ausgangsverfahrens rechtfertigen, die dem Berufungsgericht normalerweise zuzubilligende zwölfmonatige Vorbereitungs- und Überlegungsfrist auf ein Viertel zu kürzen.

2. Eine geringe Bedeutung des Ausgangsverfahrens und des Rechts auf dessen zügige Erledigung lässt sich nicht allein damit rechtfertigen, dass sich der Anspruch des Klägers nach gerichtlichen Ermittlungen nicht beweisen lässt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2014 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3400 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 13. Januar 2012 wegen unangemessener Dauer des [X.] bei dem [X.] sowie 3300 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 3. Dezember 2013 wegen unangemessener Dauer des Berufungsverfahrens L 5 U 50/09 bei dem [X.] zu zahlen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Beklagte 9/10 und der Kläger 1/10.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 7500 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Entschädigung von Nachteilen durch die überlange Dauer eines rund neunjährigen Gerichtsverfahrens bei dem [X.] ([X.]) und dem [X.] (L 5 U 50/09) über Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Im Januar 2003 beantragte der Kläger die Anerkennung einer Berufskrankheit "Lärmschwerhörigkeit" ([X.] Nr. 2301) wegen seiner letzten Tätigkeit als Produktionsleiter in einem Betonfertigteilwerk von 1995 bis 2002. Nach Ermittlungen lehnte die [X.] des Ausgangsverfahrens die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit ab, weil die Lärmexposition des [X.] in seiner letzten Tätigkeit den relevanten Grenzwert nicht erreicht habe (Bescheid vom 1.4.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.8.2004).

3

Am 15.9.2004 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit und Zahlung einer Verletztenrente. Er zog ua die Ermittlungen zur Lärmbelastung in Zweifel und forderte die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Daraufhin stellte der zuständige technische Aufsichtsdienst weitere Ermittlungen an. Die Beteiligten wechselten eine Reihe von Schriftsätzen zu den näheren Umständen der Lärmexposition des [X.]. Am 2.11.2005 verfügte das [X.] das Verfahren in das sogenannte [X.], nachdem es erfolglos eine Klagerücknahme angeregt hatte. Rund [X.], am 15.10.2009, wies das [X.] nach mündlicher Verhandlung die Klage mit Urteil als unbegründet ab, weil eine hinreichende Lärmbelastung des [X.] nicht bewiesen sei. Zur Begründung bezog es sich weitgehend auf die Gründe des angefochtenen Bescheids. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 29.10.2009 zugestellt.

4

Am 27.11.2009 erhob der Kläger Berufung, die er bereits mit der Berufungsschrift begründete. Nach mehrfachem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten verfügte der Berichterstatter das Verfahren am [X.] ebenfalls in das sogenannte [X.]. Am 30.12.2011 erhob der Prozessbevollmächtigte des [X.] Verzögerungsrüge. Im rund drei Jahre nach der Verfügung ins [X.] abgehaltenen Termin zur mündlichen Verhandlung am [X.] befragte das L[X.] den zuständigen Mitarbeiter des technischen Aufsichtsdienstes und den Kläger nochmals zu dessen Lärmbelastung ab 1995 und wies die Berufung mit Urteil vom selben Tag als unbegründet zurück.

5

Der Kläger hat am [X.] wegen der Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens erhoben. Das L[X.] hat dieses Verfahren bis zum Abschluss des in diesem Zeitpunkt noch anhängigen Ausgangsrechtsstreits nach § 201 Abs 3 [X.] ausgesetzt. Unter dem 27.11.2013 hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] die Fortsetzung des Verfahrens beantragt und die Entschädigungsforderung um 2400 Euro wegen der Dauer des Berufungsverfahrens erhöht.

6

Mit dem mit der Revision angegriffenen Urteil vom 22.7.2014 hat das L[X.] für das Klageverfahren eine unangemessene Dauer von 41 Monaten und für das nachfolgende Berufungsverfahren von 34 Monaten festgestellt. Es hat das beklagte Land deshalb zur Zahlung von 4100 Euro für die Verzögerungen beim [X.] bzw 3400 Euro für diejenigen beim L[X.] verurteilt und dem Kläger darüber hinaus Prozesszinsen jeweils ab Klageerhebung zugesprochen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der überlangen Verfahrensdauer sei im Sinne einer mathematischen Formel auszufüllen. Die Gesamtdauer des Verfahrens in der jeweiligen Instanz abzüglich der Zeiten aktiver Verfahrensförderung und solcher Zeiten der Inaktivität, die nicht dem Gericht zuzurechnen seien, ergebe die zu vermeidende Verfahrensdauer. Dabei sei nur eine Dauer von einem Jahr für [X.] pro Instanz unbedenklich und biete keinen Anlass, die Gründe für die Dauer des Verfahrens konkret zu überprüfen. Das Klageverfahren habe demnach um 41 Monate Liegezeit zu lang gedauert. Bis zur Verfügung in das [X.] seien Zeiten längerer Inaktivität des Gerichts nicht festzustellen gewesen. Für Ladung, Terminierung und Entscheidung des Rechtsstreits sei noch ein weiteres halbes Jahr zu veranschlagen. Bei angemessener Dauer habe das Verfahren daher im April 2006 und nicht erst im Oktober 2009 erledigt werden können und müssen. Das anschließende Berufungsverfahren sei bereits vor Ablauf von einem Jahr nach Berufungseinlegung für entscheidungsreif erachtet worden. Es habe deshalb bei angemessener Dauer bis Ende September 2010 erledigt werden können und müssen anstatt im August 2013. Aus Billigkeitsgründen von einer Entschädigung abzusehen sei nicht veranlasst, weil der Fall für den Kläger weder von ganz untergeordneter Bedeutung gewesen sei, noch er durch sein Verhalten zur Verfahrensdauer maßgeblich beigetragen habe. Wegen der durchschnittlichen Bedeutung des Falles habe es andererseits beim Regelsatz der Entschädigung zu verbleiben.

7

Mit seiner Revision macht der [X.] geltend, bei der Bewertung des Verfahrens sei nicht berücksichtigt worden, dass Klage und Berufung erkennbar unbegründet gewesen seien. Bei objektiver Betrachtung habe das Verfahren deshalb für den Kläger keine besondere Bedeutung gehabt (Hinweis auf [X.] Urteil vom 17.4.2013 - [X.] - [X.]E 240, 516). Ein über die Verzögerung hinausgehender immaterieller Schaden des [X.] sei nicht erkennbar, weshalb eine Entschädigung in Geld unverhältnismäßig sei. Die Feststellung der überlangen Verfahrensdauer reiche zur Wiedergutmachung aus. Schließlich entspreche die Berechnung des Zeitraums der überlangen Verfahrensdauer nicht den jüngst vom B[X.] entwickelten Maßstäben. Unter Berücksichtigung einer Vorbereitungs- und Überlegungszeit von 12 Monaten sei daher von einer überlangen Verfahrensdauer von 39 Monaten beim [X.] sowie von 29 Monaten beim L[X.] auszugehen.

8

Der [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2014 aufzuheben, soweit der [X.] zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von insgesamt 7500 Euro verurteilt worden ist.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat einer Auskunft des [X.]n zur allgemeinen Entwicklung der [X.] und des [X.] bei den [X.]en des [X.] in den Jahren 2005 bis 2013 eingeholt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.]n ist bis auf einen geringfügigen Teil unbegründet, weil die [X.] des [X.] mit ihrem zuletzt zur Entscheidung gestellten Inhalt zulässig und weitgehend begründet ist.

1. Die geänderte [X.] des [X.] wegen überlanger Dauer der [X.] beim [X.] und [X.]/09 beim [X.] ist ebenso zulässig (dazu [X.]) wie die zugrunde liegende Klageänderung (a).

a) Mit seiner ursprünglichen Klage zum [X.] als Entschädigungsgericht hat der Kläger nur Entschädigung wegen der Dauer des erstinstanzlichen [X.] [X.] beim [X.] geltend gemacht und damit nur eine Teilklage über den Entschädigungsanspruch erhoben (vgl Bub, [X.], 94, 97). Mit Schriftsatz vom 3.12.2013 hat er diese Klage um die Forderung nach Entschädigung wegen der Dauer des [X.] [X.]/09 beim [X.] erweitert. Diese geänderte Klage ist ebenso wie die Klageänderung zulässig. Die Erweiterung von [X.] hinsichtlich der Entschädigungshöhe und Klagegrund um die tatsächlichen Geschehnisse des [X.] in der Berufungsinstanz hat den Streitgegenstand geändert und damit eine Klageänderung iS von § 99 [X.]G bewirkt (vgl BVerwG [X.] 300 § 198 [X.] [X.]; Bayerisches [X.] Urteil vom 20.6.2013 - L 8 SF 134/12 EK - Juris für die nachträgliche Einbeziehung des Klageverfahrens in die [X.]; vgl allg B[X.] Urteil vom [X.] - B 4 RA 113/00 R - Juris). Die Zulässigkeit der Klageänderung ergibt sich wegen der Änderung des [X.] zwar nicht schon aus § 99 Abs 3 [X.]G. Diese folgt indes aus § 99 Abs 1 und Abs 4 [X.]G, und das [X.] von der Zulässigkeit der Klag[X.]rhebung ausgegangen ist (siehe [X.]) und das Rechtsmittelgericht hieran gebunden ist.

Infolge der demzufolge zulässigen Klageänderung hat der [X.] nur noch über die geänderte, nunmehr beide Instanzen des [X.] umfassende [X.] zu entscheiden (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], 11. Aufl 2014, § 99 Rd[X.]4).

b) Das [X.] war für die Entscheidung über die geänderte Klage funktional und örtlich zuständig. In den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (vgl § 51 [X.]G) ist gemäß § 201 Abs 1 S 1 [X.] iVm § 202 S 2 [X.]G für Klagen auf Entschädigung nach § 198 [X.] gegen ein Land das für dieses Land örtlich zuständige [X.] zuständig.

c) Der Kläger hat die geänderte [X.] am 3.12.2013 und damit, wie von § 198 Abs 5 S 1 [X.] verlangt, nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach Erhebung der [X.] am 30.12.2011 erhoben. Die Klag[X.]rhebung erfolgte auch gemäß § 198 Abs 5 S 2 [X.] innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der verfahrensb[X.]ndenden Entscheidung des [X.], die am [X.] eingetreten war.

d) Die [X.] ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs 5 [X.]G; hierzu B[X.] Urteile vom [X.] - [X.] ÜG 2/14 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]7 und - [X.] ÜG 12/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 20 mwN), ohne dass es zuvor einer außergerichtlichen Geltendmachung des Zahlungsanspruchs bedurft hätte.

e) [X.] ist im Verfahren wirksam durch die Präsidentin des [X.] Mecklenburg-​Vorpommern vertreten worden. Die fortbestehenden Bedenken des [X.]s gegen die zugrunde liegende Vertretungsregelung (vgl dazu [X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/14 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]8) ändern daran nichts.

2. Die zulässige geänderte [X.] ist ganz überwiegend begründet.

a) [X.] Mecklenburg-Vorpommern ist für die [X.] nach § 200 S 1 [X.] passiv legitimiert, weil es danach für Nachteile haftet, die aufgrund von Verzögerungen bei seinen Gerichten entstehen; solche Nachteile macht der Kläger aufgrund seines bei dem [X.] und beim [X.] über zwei Instanzen geführten [X.] geltend.

b) Das [X.] hat dem Grunde nach vollständig und der Höhe nach überwiegend zu Recht eine unangemessene Dauer des [X.] bejaht. Es hat dem Kläger für den dadurch erlittenen Nachteil zu Recht eine Entschädigung in Geld zugesprochen (dazu unter c).

Nach § 198 Abs 1 S 1 [X.] wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Ausführungen des [X.] zum zentralen Merkmal des von der Vorschrift geregelten Entschädigungsanspruchs, der unangemessenen Dauer des vom Kläger geführten [X.], halten revisionsrichterlicher Überprüfung mit geringfügigen Abstrichen stand.

Das [X.] hat den Gesamtzeitraum des Verfahrens zutreffend ermittelt und die für eine Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer bedeutsamen Gesichtspunkte beachtet (dazu allgemein aa); es hat zu Recht die Bedeutung ([X.]) und die Schwierigkeit (cc) des Verfahrens, das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und vor allem die Prozessleitung des Ausgangsgerichts in seine Bewertung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen ([X.]). Das [X.] ist zudem, soweit es um die Würdigung dieser Prozessleitung geht, im Grundsatz von einem zutreffenden richterlichen Überprüfungsmaßstab des Entschädigungsgerichts sowie dem Erfordernis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ausgegangen. Es hat dabei den Ausgangsgerichten im Ergebnis zu Recht eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit zugestanden. Lediglich bei der Anwendung dieser Maßstäbe im Einzelnen weicht das [X.] hinsichtlich der Dauer der festzustellenden Überlänge geringfügig von der Rechtsansicht des [X.]s ab ([X.]).

aa) Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs 1 S 2 [X.] nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (dazu unter [X.] bis [X.]). Der unbestimmte Rechtsbegriff "unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens" ist insbesondere unter Rückgriff auf diejenigen Grundsätze auszulegen, die der [X.] zu Art 6 Abs 1 S 1 [X.] und das [X.] zum Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) sowie zum Justizgewährleistungsanspruch (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) entwickelt haben ([X.]surteil vom 21.2.2013 - [X.] ÜG 1/[X.] - [X.], 75 = [X.] 4-1720 § 198 [X.], Rd[X.] 25).

Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die Feststellung der in § 198 Abs 6 [X.] [X.] definierten Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des [X.] relevante [X.]einheit ist hierbei der Monat. Das Ausgangsverfahren hatte seit Klag[X.]rhebung im September 2004 die erhebliche Gesamtdauer von 9 Jahren - rund fünf Jahre vor dem [X.] und anschließend etwa vier Jahre vor dem [X.] - erreicht, bis es im September 2013 durch Übersendung einer Ausfertigung des abschließenden Urteils durch das [X.] endete.

In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs 1 S 2 [X.] genannten Kriterien zu messen, die im Lichte der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] auszulegen und zu vervollständigen sind.

Bei der Feststellung der Tatsachen, die zur Ausfüllung der von § 198 Abs 1 S 2 [X.] genannten unbestimmten Rechtsbegriffe erforderlich sind, kommt dem Entschädigungsgericht ein erheblicher tatrichterlicher Beurteilungsspielraum zu (vgl im Einzelnen [X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 26 ff).

Auf dieser Grundlage ergibt erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände in einem dritten Schritt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener [X.] verletzt hat. Dabei geht der [X.] davon aus, dass vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls die Verfahrensdauer jeweils insgesamt noch als angemessen anzusehen ist, wenn eine Gesamtverfahrensdauer, die 12 Monate je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht ([X.], aaO, Rd[X.] 26, 38 ff).

[X.]) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das [X.] zunächst die Bedeutung der Ausgangsverfahren rechtsfehlerfrei in seine Bewertung der Angemessenheit eingestellt. Wie der [X.] ebenfalls bereits entschieden hat, folgt die von § 198 [X.] genannte Bedeutung eines Verfahrens zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und id[X.]llen Interessen der Beteiligten. Zur Bedeutung der Sache iS von § 198 Abs 1 S 2 [X.] trägt dabei im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Entscheidend ist deshalb, ob und wie sich der [X.]ablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des [X.] und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine weiteren geschützten Interessen auswirkt ([X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/13 R - aaO, Rd[X.] 29 mwN).

Insofern hat das [X.] ohne Rechtsfehler das Interesse des [X.] am Ausgang des Verfahrens als durchschnittlich eingestuft, da dieser die dauerhafte Anerkennung einer Berufskrankheit und eine zumindest kleine Teilverletztenrente angestrebt habe. Soweit der [X.] demgegenüber die Ansicht vertreten lässt, das Verfahren sei für den Kläger nicht von besonderer Bedeutung gewesen, weil die Klage erkennbar unbegründet gewesen sei, vermag der [X.] dem nicht zu folgen. Es ist gerade Ziel des gerichtlichen Verfahrens, unter rechtlich ausgeformter Mitwirkung der Beteiligten in geordneter und transparenter Weise zu überprüfen, ob ein streitiger Anspruch besteht. Die befriedende Wirkung der Entscheidung für die Beteiligten und ihre Überzeugungskraft ergibt sich wesentlich aus einem der Prozessordnung gehorchenden und daher insbesondere auch angemessen zügigen Verfahrensablauf. Der von den Gerichten bei ihrer Verfahrensgestaltung zu beachtende Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener [X.] soll [X.] eine lange Unsicherheit des Entschädigungsklägers über seine Ansprüche und die damit verbundenen nachteiligen, [X.] auch s[X.]lischen Folgen (vgl Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 [X.]) vermeiden. Dies verbietet es, im Nachhinein das Ergebnis des Verfahrens so zu behandeln, als hätte es von Anfang an festgestanden, und gestützt auf diese ex-post-Betrachtung seine Bedeutung für den Kläger von vornherein als gering anzusehen. Dies muss zumindest dann gelten, wenn das Ergebnis des Rechtsstreits von tatsächlichen Grundlagen abhängt, die nicht schon zu Beginn des Verfahrens objektiv völlig außer Zweifel standen.

So lag es hier. Der Kläger hat die Feststellungen des technischen Arbeitsdienstes zum Umfang der Lärmexposition an seinem Arbeitsplatz, die nach seiner Ansicht seine Hörschädigung verursacht hat, substantiiert infrage gestellt und [X.] mehrfache Nachermittlungen der zuständigen Berufsgenossenschaft erwirkt. Das [X.] hat sich deshalb im Ausgangsverfahren noch in der von ihm durchgeführten mündlichen Verhandlung gehalten gesehen, erneut den mit den Ermittlungen betrauten Bediensteten des technischen Aufsichtsdienstes sowie den Kläger zu den genauen Umständen von Inhalt und Lärmbelastung seiner Arbeit zu befragen. Schon dieser tatsächliche Ermittlungsbedarf schließt es aus, die Klage als von vornherein offensichtlich unbegründet und aus diesem Grund als von geringer Bedeutung einzustufen. Der [X.] braucht nicht zu entscheiden, ob - wie in dem vom [X.]n angeführten Urteil des [X.] - anders zu entscheiden wäre, wenn die Klage schon nach dem eigenen Tatsachenvorbringen des [X.] von Anfang an erkennbar unschlüssig gewesen wäre (vgl [X.] Urteil vom 17.4.2013 - [X.] - [X.]E 240, 516) oder eine sonst offensichtlich aussichtslose, etwa querulatorisch geprägte Klage vorgelegen hätte (vgl Roller, [X.], Beilage zum Heft 6, 1, 11).

cc) Ebenso wenig sind Rechtsfehler zu erkennen, soweit das [X.] der Sache nach einen zumindest durchschnittlichen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeitsgrad des [X.] angenommen hat, weil die Feststellung einer lärmbedingten Berufskrankheit und eine Verletztenrente im Streit standen. Eine dem Kläger zurechenbare Verlängerung des [X.] hat das [X.] nicht festgestellt.

[X.]) Das Entschädigungsgericht ([X.]) hat schließlich im Ausgangspunkt zutreffend die Prozessleitung des Ausgangsgerichts in seine Erwägungen einbezogen.

§ 198 Abs 1 S 2 [X.] nennt als Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit mit Blick auf die [X.] das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter nur beispielhaft. Darüber hinaus hängt eine Verletzung von Art 6 [X.] durch den Staat wesentlich davon ab, ob dem Staat zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind Verzögerungen, vgl § 200 [X.], also sachlich nicht gerechtfertigte [X.]en des Verfahrens (vgl Bub, [X.], 94), insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (vgl [X.] Nichtannahmebeschluss vom 13.8.2012 - 1 BvR 1098/11 - Juris). Keinen sachlichen Grund stellt von vornherein eine unzureichende sachliche oder personelle Ausstattung der Justiz generell oder speziell des Ausgangsgerichts dar. Beruht die Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener [X.] auf einer strukturellen Überlastung der Justiz und drückt sich darin eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs aus Art 6 [X.], Art 19 Abs 4 GG aus, wiegt der resultierende Grundrechtsverstoß vielmehr besonders schwer (vgl [X.] Stattgebender Kammerbeschluss vom 5.8.2013 - 1 BvR 2965/10 - Juris).

[X.]) Bei seiner Beurteilung der Prozessleitung des Ausgangsgerichts ist das Entschädigungsgericht ([X.]) im Grundsatz von einem zutreffenden Überprüfungsmaßstab ausgegangen und hat dem Ausgangsgericht ein weites Ermessen bei der Gestaltung und Leitung des Verfahrens eingeräumt (vgl zu diesem Maßstab im einzelnen [X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]6). Dabei hat es den Ausgangsgerichten auch im Ergebnis zu Recht eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit zugestanden, die sich nach der Rechtsprechung des [X.]s auf bis zu ein Jahr je Instanz belaufen kann (vgl [X.], aaO, Rd[X.]3 mwN).

Allerdings führt die Anwendung dieser zutreffenden Maßstäbe auf das Ausgangsverfahren vor dem [X.] zu einem geringfügig - um sieben Monate - abweichenden Ergebnis von 34 anstatt 41 Monaten entschädigungspflichtiger Untätigkeit des Ausgangsgerichts in der ersten Instanz. Nach den Feststellungen des [X.] sind von der Verfügung der Sache in das sogenannte [X.] durch das [X.] im November 2005 bis zur Entscheidung des Rechtsstreits im Oktober 2009 volle 46 Monate ohne verfahrensfördernde gerichtliche Aktivitäten verstrichen. Nicht zu dieser [X.]spanne gerichtlicher Inaktivität rechnet der [X.] allerdings entgegen der Ansicht des [X.] den Monat August 2009, in dem das [X.] den Termin anberaumt und die Sache geladen hat und damit das Verfahren substantiell gefördert hat. Das [X.] hat von der demnach anzusetzenden [X.]spanne gerichtlicher Inaktivität von 46 Monaten bei seiner Bestimmung der entschädigungspflichtigen Überlänge lediglich sechs Monate abgezogen. Nach Ansicht des [X.]s sind jedoch weitere sechs Monate in Abzug zu bringen, was zu einer Überlänge von 34 Monaten führt. Dieser Abzug weiterer sechs Monate ergibt sich aus der vom [X.] aus der Struktur und Gestaltung sozialgerichtlicher Verfahren abgeleiteten Regel, der zufolge vorbehaltlich besonderer Umstände je Instanz eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten noch hinzunehmen ist (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]5 ff). Das [X.] hat keine außergewöhnlichen Umstände festgestellt, die es für das Ausgangsverfahren vor dem [X.] gebieten würden, von dieser Regel abzuweichen.

Für das Ausgangsverfahren in der Berufungsinstanz hat das [X.] die zu entschädigende Überlänge lediglich um einen Monat zu hoch auf 34 anstatt zutreffend 33 Monate festgesetzt. Wie das [X.] festgestellt hat, hat das Berufungsgericht das Ausgangsverfahren von der Entscheidungsreife der Sache im Juli 2010 bis zur tatsächlichen Entscheidung im August 2013 - wiederum abgesehen von der Ladung im Juli 2013 - für drei Jahre überhaupt nicht betrieben. Von den deshalb anzusetzenden 36 Monaten fehlender gerichtlicher Aktivität hat das Entschädigungsgericht im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise nur noch 3 Monate Vorbereitungs- und Überlegungsfrist abgezogen (in seiner Rechnung von Juli bis September 2010). Eine Vorbereitungs- und Überlegungsfrist von vollen 12 Monaten je Instanz hat der [X.] lediglich für den Regelfall sozialgerichtlicher Verfahren angenommen, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalls, vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs 1 S 2 [X.], für eine kürzere Frist sprechen (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]5 ff). Aufgrund solcher von ihm festgestellten besonderen Einzelfallumstände hat das [X.] die Zwölfmonatsfrist daher im Ergebnis zu Recht nur zu einem Viertel ausgeschöpft. Das ergibt sich aus Folgendem: Zu Beginn der Berufungsinstanz des [X.] hatte das [X.] zur Entscheidung einer rechtlich und tatsächlich nur durchschnittlich schwierigen, für den Kläger nicht unbedeutenden Sache bereits rund fünf Jahre gebraucht und das Verfahren dabei nahezu drei Jahre überhaupt nicht betrieben. Daraus resultierte für das [X.] eine gesteigerte Pflicht, das Ausgangsverfahren nunmehr nachdrücklich und beschleunigt zu fördern, um die bereits eingetretene Verletzung des Gebots, Rechtsschutz in angemessener [X.] zu gewähren, nicht noch zu vertiefen (vgl [X.] Stattgebender Kammerbeschluss vom 8.10.2014 - 1 BvR 2186/14 - Juris zu 30-monatiger Liegezeit; vgl [X.]K 20, 33 bis 37 und [X.] [X.] 4-1100 Art 19 [X.]0). Denn Gerichte müssen bei ihrer Verfahrensführung stets auch die Gesamtdauer des Verfahrens berücksichtigen. Je länger das Verfahren insgesamt dauert, umso mehr verdichtet sich ihre aus dem Justizgewährleistungsanspruch resultierende Pflicht, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen B[X.]ndigung zu bemühen (zu dieser Prozessförderungspflicht wegen vorangegangener sachgrundloser Verzögerung vgl Stattgebende Kammerbeschlüsse des [X.] vom [X.] - 1 BvR 352/00 - NJW 2001, 214 = Juris Rd[X.]1 und vom [X.] - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630 = Juris Rd[X.]2 sowie [X.] Rechtssache Bock gegen [X.], Rd[X.]6; [X.] gegen [X.], Rd[X.]4). Im Verfahren des [X.] galt dies umso mehr, als streitentscheidend tatsächliche Umstände an seinem Arbeitsplatz in der [X.] zwischen 1995 und 2002 waren, wie etwa die räumliche Anordnung besonders lauter Maschinen zu seinem Büro, die Auslastung der Produktion sowie konkrete Arbeitsabläufe. Solche Details noch genau und zuverlässig festzustellen, drohte durch fortschreitenden [X.]ablauf immer schwieriger zu werden, zum Nachteil des objektiv beweisbelasteten [X.].

Insgesamt erachtet der [X.] selbst die dem Ausgangsgericht vom Entschädigungsgericht eingeräumte, sehr knappe Vorbereitungs- und Entscheidungsfrist von nur noch drei Monaten - auch angesichts des weiten, revisionsrechtlich nur eingeschränkt zu überprüfenden tatrichterlichen [X.] - im vom [X.] entschiedenen Einzelfall noch als vertretbar. Lediglich indem das [X.] auch den Monat der Terminsladung im Juli 2013 als inaktive [X.] gewertet hat, hat es die [X.] der entschädigungspflichtigen Überlänge um einen Monat zu lang auf 34 Monate bemessen. Dies hatte der [X.] auf 33 Monate zu korrigieren.

c) Das [X.] hat dem Kläger für den von ihm erlittenen Nachteil durch insgesamt 67 Monate gerichtlicher Inaktivität in beiden Instanzen des [X.] auch nach § 198 Abs 2 S 3 [X.] zu Recht eine Entschädigung in Geld von 100 Euro monatlich zugesprochen.

aa) Der Kläger hat für das bei Inkrafttreten des [X.] noch in der Berufungsinstanz anhängige Ausgangsverfahren, wie von Art 23 S 2 [X.] iVm § 198 Abs 3 S 1 [X.] für eine Entschädigungszahlung vorausgesetzt, unverzüglich eine [X.] angebracht. Denn für die unverzügliche Erhebung der [X.] in Verfahren, die bei Inkrafttreten des [X.] bereits anhängig waren, reicht es aus, wenn die Rüge spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des [X.] am 3.12.2011 erfolgt ([X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/14 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 26 mwN). Die vom Kläger am 30.12.2011 erhobene Rüge war daher rechtzeitig. Gemäß Art 23 S 3 [X.] hat diese [X.] den Anspruch des [X.] nach § 198 [X.] auch für den vorausgehenden [X.]raum gewahrt.

[X.]) Das [X.] hat zu Recht einen entschädigungsfähigen Nachteil des [X.] iS von § 198 Abs 1 S 1 [X.] bejaht. Nachteil iS des Abs 1 sind [X.] sämtliche immateriellen Folgen eines überlangen Verfahrens; dazu gehört nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere die s[X.]lische Unbill durch die lange Verfahrensdauer (Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 [X.]). Ein solcher Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs 2 S 1 [X.] vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Den Feststellungen des [X.] lassen sich keine speziellen Umstände entnehmen, die g[X.]ignet erscheinen, die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs 2 S 1 [X.] (vgl [X.]surteil vom 21.2.2013 - [X.] ÜG 1/[X.] - [X.], 75 = [X.] 4-1720 § 198 [X.], [X.] 4-1500 § 202 [X.]) zu widerlegen.

cc) Ebenso zutreffend hat das [X.] eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs 2 S 2 iVm Abs 4 [X.] nicht ausreichen lassen, insbesondere nicht gemäß § 198 Abs 4 S 1 [X.] durch Feststellung einer unangemessen langen Verfahrensdauer durch das Entschädigungsgericht. Wie der [X.] bereits entschieden hat (vgl [X.]surteil vom 21.2.2013 - [X.] ÜG 1/[X.] - [X.], 75 = [X.] 4-1720 § 198 [X.], [X.] 4-1500 § 202 [X.] mwN), kommt bei festgestellter Überlänge eines Gerichtsverfahrens eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens allenfalls ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verfahren beispielsweise für den Entschädigungskläger aus der Sicht eines verständigen Dritten in der Lage des [X.] keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat. Beides ist hier nicht der Fall. Vielmehr musste der Kläger ohne sein Verschulden viele Jahre auf eine endgültige Entscheidung über die Frage warten, ob seine Hörschädigung, die in zeitlichem Zusammenhang mit seiner jahrelangen Arbeit in leitender Stellung eines lärmintensiven Produktionsbetriebs zutage getreten war, eine Berufskrankheit darstellte und ihm dafür eine Verletztenrente zustand. Wie viele engagiert geführte Rechtsstreitigkeiten bei den [X.]en zeigen, verstehen Versicherte eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung regelmäßig nicht nur als materielle Entschädigung, sondern ebenso als Genugtuung und Anerkennung für ihren Einsatz im Arbeitsleben, den sie aus ihrer Sicht mit ihrer Gesundheit bezahlt haben.

Zudem soll § 198 [X.] auch mögliche nachteilige Entwicklungen der Prozesssit[X.]tion aufgrund der Verzögerung, wie sie auch im Fall des [X.] im Raum standen, pauschaliert als immateriellen Schaden ausgleichen (vgl [X.], [X.] 2012, 75, 76, 86).

Nicht zuletzt hat der [X.] Anlass zur Annahme, dass die Verletzung des Anspruchs des [X.] auf Rechtsschutz in angemessener [X.] auf einer strukturellen Überlastung der Justiz des beklagten [X.] beruhte und sich darin eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs aus Art 6 [X.], Art 19 Abs 4 GG ausdrückt. Dafür sprechen vor allem das vom [X.] zitierte Schreiben des Präsidenten des [X.] vom [X.] an den Kläger. Darin räumte dieser zwar eine bereits sehr lange Verfahrensdauer des Gerichts ohne weitere Aktivitäten ein, sah aber wegen Überlastung der Sozialgerichtsbarkeit [X.] gegen den zuständigen Kammervorsitzenden des [X.] nicht als geboten an. Dieses Schreiben erlaubt damit ebenso den Schluss auf eine erhebliche und dauernde Überlastung des [X.] im [X.]raum des [X.], wie die ergänzend vom [X.] eingeholte und in der mündlichen Revisionsverhandlung mit den Beteiligten erörterte Auskunft über die Entwicklung der Belastungs- und Personalsit[X.]tion in der Sozialgerichtsbarkeit des [X.] Mecklenburg-Vorpommern im [X.]raum des [X.]. Der aus einer solchen strukturellen und deshalb generellen Vernachlässigung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener [X.] resultierende individuelle Grundrechtsverstoß wiegt besonders schwer (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]4 mwN). Alle diese Gründe sprechen maßgeblich dagegen, eine bloße Feststellung der Überlänge ausreichen zu lassen, um das jahrelange Warten des [X.] auf eine endgültige Entscheidung über seine unfallversicherungsrechtlichen Ansprüche und die damit verbundenen Enttäuschungen wenigstens teilweise wieder gutzumachen.

[X.]) Auch die Entscheidung des Entschädigungsgerichts, von dem in § 198 Abs 2 S 3 [X.] vorgesehenen Regelbetrag von 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung eines Verfahrens nicht nach oben oder nach unten abzuweichen, begegnet vor diesem Hintergrund keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

[X.]) Auf dieser Grundlage war daher insgesamt die Höhe der dem Kläger zustehenden Entschädigung nur geringfügig, um 700 Euro für die erste und 100 Euro für die zweite Instanz des [X.], mithin insgesamt um 800 Euro, abzusenken. Nicht mehr zu entscheiden hatte der [X.] über die Rechtmäßigkeit der gesonderten monatsgenauen Feststellung der unangemessenen Dauer der Ausgangsverfahren im Tenor des angefochtenen Urteils, nachdem der Kläger insoweit auf seine Rechte aus dem angefochtenen Urteil verzichtet, der [X.] diesen Verzicht angenommen und seinen Revisionsantrag entsprechend beschränkt hat (zur Unzulässigkeit einer solchen Tenorierung vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]6 ff).

d) Den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Prozesszinsen jeweils ab Rechtshängigkeit (Klag[X.]rhebung § 94 [X.]G) hat das [X.] zutreffend in entsprechender Anwendung des § 288 Abs 1, § 291 S 1 BGB bejaht (ausführlich dazu [X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 2/14 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]4). Der unterschiedliche Beginn des [X.] ergibt sich, weil die ursprüngliche, auf die erste Instanz des [X.] beschränkte [X.] bereits am 13.1.2012, die Klag[X.]rweiterung um die Berufungsinstanz des [X.] dagegen erst am 3.12.2013 rechtshängig geworden sind.

3. a) [X.] überwiegend zu Lasten des [X.]n folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Alt 2 [X.]G iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Kostenteilung entspricht dem Maß des Unterliegens und Obsiegens der Beteiligten.

b) Der Streitwert für das Revisionsverfahren war nach § 52 Abs 3 S 1 GKG auf 7500 Euro festzusetzen, weil der [X.] die Entschädigungsforderung des [X.] in dieser Höhe zur Überprüfung des [X.] gestellt hat.

Meta

B 10 ÜG 7/14 R

12.02.2015

Bundessozialgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend SG Neubrandenburg, 15. Oktober 2009, Az: S 4 U 83/04, Urteil

§ 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 1 S 2 GVG, § 198 Abs 2 S 2 GVG, § 198 Abs 2 S 3 GVG, § 198 Abs 4 S 1 GVG, § 198 Abs 6 Nr 1 GVG, § 200 GVG, Art 23 S 2 ÜberlVfRSchG, Art 23 S 3 ÜberlVfRSchG, Art 19 Abs 4 GG, Art 6 MRK

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.02.2015, Az. B 10 ÜG 7/14 R (REWIS RS 2015, 15517)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15517

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