Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2017, Az. 29 W (pat) 528/16

29. Senat | REWIS RS 2017, 7373

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "VORSPRUNGatwork (Wort-Bildmarke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltebedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 043 019.6

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 26. Juli 2017 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin Seyfarth

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 17. März 2016 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wort-/Bildzeichen

Abbildung

2

ist am 16. Mai 2015 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für die Dienstleistungen der

3

Klasse 35: Hilfe in Geschäftsangelegenheiten; Geschäftsführung; Beratung auf dem Gebiet des Personalwesens; Unternehmensberatung

4

angemeldet worden.

5

Mit Beschluss vom 17. März 2016 hat die Markenstelle für Klasse 35 des [X.] die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die erkennbar aus dem [X.] Wort „Vorsprung“ und dem zum einfachsten [X.] Grundwortschatz gehörenden, allgemein geläufigen [X.] Ausdruck „at work“ zusammengesetzte Wortfolge werde von breiten inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres und unmittelbar nächstliegend im Sinne von „Vorsprung bei der Arbeit“ verstanden. Das Erreichen eines Vorsprungs (bei der Arbeit) sei ein grundsätzlich angestrebtes Ziel in der Gesellschaft, insbesondere in der Wirtschaft. Die Wortfolge verspreche, dass durch die Inanspruchnahme der angebotenen Dienstleistungen ein Vorsprung im Arbeitsbereich gegenüber Konkurrenzunternehmen erzielt werde und enthalte damit ausschließlich eine positive werbende Botschaft. Diese anpreisende allgemeine Werbeaussage stehe im Vordergrund und werde von den maßgeblichen Verkehrskreisen nur so und nicht als Herkunftshinweis verstanden. Auch die grafische Ausgestaltung sei nicht geeignet, dem Zeichen das notwendige Maß an Unterscheidungskraft zu vermitteln, da es sich lediglich um einfache werbeübliche Gestaltungselemente handele.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt

7

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.]es vom 17. März 2016 aufzuheben.

8

Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, der angemeldeten Marke könne die Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden. Die Bezeichnung habe keinen eindeutigen Bedeutungsgehalt im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen. Es sei ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand und ein Denkprozess bei den angesprochenen Verkehrskreisen erforderlich, um eine irgendwie geartete Bedeutung zu erfassen. Bei dem Zeichen handele es sich um ein künstliches, aus zwei [X.] und einem [X.] Begriff zusammengesetztes Wortgebilde, das in dieser Form lexikalisch nicht existiere. Es seien mehrere Übersetzungs- und [X.] denkbar. Selbst wenn man von der Bedeutung „Vorsprung bei der Arbeit“ ausgehen wollte, ergebe sich daraus kein klarer und unmissverständlicher Sinngehalt in Bezug auf die umfassten Dienstleistungen. Insbesondere sei nicht klar, was ein „Vorsprung bei der Arbeit“ überhaupt sein sollte. Es sei daher davon auszugehen, dass das angemeldete Zeichen einen herkunftshinweisenden Gesamteindruck vermittle.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Dem angemeldeten Zeichen fehlt nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] 2008, 608 Rn. 66 f. – [X.]; [X.] [X.] 2016, 934 Rn. 9 – [X.]; [X.] 2015, 173 Rn. 15 – for you; [X.] 2013, 731 Rn. 11 – [X.]; [X.] 2012, 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. [X.] – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes – zusammengesetztes - Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.] 2004, 428 Rn. 53 – [X.] ; [X.] a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – for you; [X.] [X.] 2001, 1151 – marktfrisch; [X.] 2000, 420 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] [X.] 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.] 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] 2004, 943 Rn. 24 – SAT 2; [X.] WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.] 2004, 674, Rn. 86 - Postkantoor; [X.] [X.] 2012, 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.] 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder die Zeichen sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] [X.] 2014, 1204 Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 23 – [X.]!). Ferner kommt die Eignung, Waren oder Dienstleistungen ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] [X.] 2016, 934 Rn. 12 – [X.]; [X.] 2014, 872 Rn. 21 – [X.]; [X.] 2014, 569 Rn. 26 – [X.]; [X.] 2012, 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.] 2012, 270 Rn. 11 - Link economy; [X.] 2010, 640 Rn. 13 – hey!; [X.] 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard).

An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen ([X.] [X.] Int. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/[X.] [[X.] DAS [X.]]; a. a. [X.] Rdnr. 36 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] 2004, 1027, Rn. 33 und 34 – [X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; [X.] a. a. [X.] Rn. 17 – for you). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer kürzeren Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen ([X.] a. a. [X.] Rn. 14 – [X.]). Der anpreisende Sinn einer angemeldeten Wortfolge schließt allerdings deren Eignung als Herkunftshinweis nur dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht ([X.] a. a. [X.] Rn. 23 – [X.]).

b) Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen noch über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

aa) Die für die Beurteilung der Unterscheidungskraft maßgeblichen angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich im Wesentlichen um Führungskräfte der mittleren und oberen Führungsebene, Geschäftsführer und Unternehmenschefs, handelt, werden die angemeldete Zeichenfolge als „Vorsprung bei der Arbeit“ verstehen.

bb) Die angemeldete Wortfolge setzt sich aus dem [X.] Wort „Vorsprung“ und den trotz Zusammenschreibung ohne weiteres erkennbaren [X.] Wörtern „at“ und „work“ zusammen. Unter „Vorsprung“ versteht man gegenständlich einen vorspringenden Teil (z. B. einen Absatz, Erker oder Vorbau) bzw. im übertragenen Sinn einen „Abstand, um den jemand jemandem (räumlich, zeitlich, in einer Wertung) voraus ist (im Sinne eines Vorteils) (vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Vorsprung). „at work“ bedeutet „bei der Arbeit, auf der Arbeit, in der Arbeit, in Betrieb, in Gang“ (http://dict.leo.org/german-english/at%20work; http://www.dict.cc/englisch-deutsch/at+work.html). Dem angesprochenen Publikum ist die Begriffskombination „at work“ in diesem Sinne aufgrund seiner vielfältigen Verwendung in der Alltags- und Werbesprache geläufig (vgl. [X.], Beschluss vom 14.06.2017, 29 W (pat) 535/15 – Safe@work; Beschluss vom 14.04.2015, 29 W (pat) 2/13 – positive [X.]; Beschluss vom 11.08.2010, 29 W (pat) 52/10 – consulting@work; Beschluss vom 22.03.2011, 27 W (pat) 528/10 – [X.]; Beschluss vom 23.10.2006, 30 W (pat) 74/04 – safe@work; Beschluss vom 19.06.2002, 32 W (pat) 152/01 – success@work). Das [X.] „Vorsprung at work“ wird daher von den hier angesprochenen inländischen Verkehrskreisen im Sinne von „Vorsprung bei der Arbeit“ verstanden werden, obwohl ein [X.] mit zwei [X.] Wörtern kombiniert wird. Denn der Verkehr ist an schlagwortartige [X.] Wortkombinationen in der Werbesprache gewöhnt (vgl. [X.], Beschluss vom 20.01.2015, 29 W (pat) 122/12 – akku-net; Beschluss vom 24.03.2011, 30 W (pat) 37/10 – Sunlight Batterien).

cc) Trotzdem vermittelt die Wortfolge den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen aber – ohne einen gedanklichen Zwischenschritt – keinen erkennbaren beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen. Im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist eine derartige analysierende Betrachtungsweise aber unzulässig, weil sich aus ihr keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung der Dienstleistungen ergibt (vgl. [X.] [X.] 2014, 565 Rn. 24 – [X.]; [X.] 2012, 270 Rn. 12 – Link economy). Das Zeichen ist daher durchaus geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen.

durch Arbeit“, der eine klare Aussage dahingehend beinhaltet, dass man einen irgendwie gearteten (technischen, betriebswirtschaftlichen usw.) Vorsprung (gegenüber anderen) hat oder sich verschafft, wenn man arbeitet. In der Alltags- und Werbesprache wird der Begriff „Vorsprung“ immer in Bezug gesetzt zu einem zweiten Begriff, der beinhaltet, wodurch ein Vorsprung entstehen kann. Folgende [X.] lassen sich zahlreich finden:

- „Vorsprung durch gesunde Arbeit“ ([X.]/; Bezeichnung eines Projekts zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von Fachkräften;

- „Vorsprung durch Wissen, Erfahrung, Kompetenz etc.“ (http://www.econ-tel.de/vorsprung/);

- „Vorsprung durch Qualität“ (http://www.malteser-rettungsdienst.de/qualitaet-rettet-leben/vorsprung-durch-qualitaet.html);

- “Ein hartes Stück Arbeit" lässt den Vorsprung wachsen“ (https://www.freiepresse.de/SPORT/LOKALSPORT/ERZGEBIRGE/Ein-hartes-Stueck-Arbeit-laesst-den-Vorsprung-wachsen-artikel9878711.php#);

- „Vorsprung durch Innovation“; „Vorsprung durch Wissen“; „Vorsprung durch Nachhaltigkeit“; „Vorsprung durch Ideen“ (www.slogans.de, Stichwort „Vorsprung durch“).

wodurch man einen Vorsprung erreichen kann, nämlich durch Wissen, Erfahrung, Kompetenz, Innovation, Nachhaltigkeit, Ideen etc.

Ein vergleichbar konkretisierbarer Sinngehalt ergibt sich bei der angemeldeten Wortfolge jedoch nicht.

2. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen ebenfalls nicht gegeben. Ausreichende Anhaltspunkte für eine im Anmeldezeitpunkt vernünftigerweise zu erwartende zukünftige beschreibende Verwendung sind nicht erkennbar.

Meta

29 W (pat) 528/16

26.07.2017

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2017, Az. 29 W (pat) 528/16 (REWIS RS 2017, 7373)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7373

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

26 W (pat) 509/17 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Werte besitzen" – keine Unterscheidungskraft


29 W (pat) 16/17 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "WIR BEWEGEN DAS HANDWERK" – keine Unterscheidungskraft


29 W (pat) 2/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – „positive way at work“ – Unterscheidungskraft, betrieblicher Herkunftshinweis - kein Freihaltungsbedürfnis


29 W (pat) 539/19 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – „Wir wirken.“ – Unterscheidungskraft- kein Freihaltungsbedürfnis


26 W (pat) 503/14 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "FACEYOURMUSIC" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltebedürfnis


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.