Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 11.01.2017, Az. 13 U 248/15

13. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17585

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 10. November 2015 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 22 O 218/15 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

                                                  Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der seitens der Beklagten im Jahr 2014 erklärten Kündigung eines von den Parteien im Jahr 1990 abgeschlossenen Bausparvertrages. Der Vertrag mit einer Bausparsumme von 13.293,59 € wurde am 1. Oktober 2002 zuteilungsreif. Der Kläger nahm die Zuteilung nicht an und entrichtete seit spätestens 2003 keine Sparleistungen auf den Bausparvertrag mehr. Die Beklagte kündigte den Vertrag unter dem 18. Dezember 2014 zum 1. Juli 2015. Das Sparguthaben betrug zu diesem Zeitpunkt 9.747,81 €. Über die angesparte Summe wurde dem Kläger unter dem 1. Juli 2015 ein Scheck ausgestellt, den dieser am 7. Juli 2015 verbunden mit der Erklärung, der Einlösung des Schecks komme nicht einem Anerkenntnis der Beendigung des Vertragsverhältnisses gleich, einlöste.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die auf Feststellung, dass der Bausparvertrag mit der Nr. 4 211 111 2 01 über den 30. Juni 2015 hinaus fortbesteht, gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe den Vertrag wirksam gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gekündigt.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB sei auf die Kündigung der Bausparkasse schon nicht anwendbar, jedenfalls solange die Bausparsumme nicht erreicht sei. Die Bausparkasse sei nicht berechtigt, dem Kunden den Anspruch auf das Bauspardarlehen einseitig zu entziehen. Sie sei bereits in der Ansparphase als Darlehensgeberin anzusehen, weil sie sich schon mit Abschluss des Vertrages verpflichte, dem Bausparer künftig ein Bauspardarlehen zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen liege die Tatbestandsvoraussetzung des vollständigen Empfangs des Darlehens nicht vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 10. November 2015 – 22 O 218/15 abzuändern und festzustellen, dass der Bausparvertrag mit der Nummer 4 211 111 2 01 über den 30. Juni 2015 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat – wie der Senat bereits in vergleichbaren Fällen entschieden hat (vgl. etwa Beschluss vom 11. Januar 2016 – 13 U 151/15) -  in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe die Bausparverträge wirksam gekündigt.

Gemäß Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB ist auf den im Jahr 1990 abgeschlossenen Bausparvertrag seit dem 1. Januar 2003 das Bürgerliche Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden. Gemäß Art. 229 § 22 EGBGB findet § 489 BGB in der Fassung vom 2. Januar 2002 (im Folgenden: a.F.) Anwendung.

Gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 3 S.1 BGB a.F. (jetzt § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit festem Zinssatz in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.

Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift und die Kündigungsvoraussetzungen sind vorliegend gegeben.

1. Die Beklagte ist Darlehensnehmerin. Der Senat teilt die Beurteilung des Landgerichts, dass der Bausparvertrag einen Vertrag mit zwei Stufen darstellt und der Bausparer erst mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens vom Darlehensgeber zum Darlehensnehmer wird (so auch OLG Celle, Urteil vom 14. September 2016 – 3 U 230/15, juris Rdn. 38; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Oktober 2011 – 9 U 151/11, juris Rdn. 12; OLG Bamberg, Urteil vom 10. August 2016 – 8 U 24/16, juris Rdn. 50; Senat, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 13 U 151/15). Dass die Bausparkasse sich bereits mit Abschluss des Bausparvertrages verpflichtet, dem Bausparer bei Erfüllung der vertraglichen Voraussetzungen dem Bausparer künftig – auf der zweiten Stufe - ein Bauspardarlehen zu gewähren, macht sie – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht schon auf der ersten Stufe zur Darlehensgeberin. Nachdem das Bauspardarlehen vom Kläger nicht abgefordert worden ist, ist die Beklagte noch als Darlehensnehmerin zu qualifizieren.

2. Die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 3 S.1 BGB a.F ist auch auf die beklagte Bausparkasse als Darlehensnehmerin anwendbar und nicht auf Verbraucher beschränkt. Der Wortlaut bietet für eine einschränkende Auslegung keinen Anhaltspunkt, sondern stellt nur auf die Stellung des Kündigenden als Darlehensnehmer ab. Gegen ein einschränkendes Verständnis von § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. spricht auch, dass § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. eine besondere Regelung für ein einem Verbraucher gewährtes Darlehen enthielt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers eines Verbraucherkreditvertrages, der systematischen Stellung entsprechend, nunmehr im Kapitel 2 (Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge) neu geregelt (§ 500 BGB). Dabei hat der Gesetzgeber eine Beschränkung des Kündigungsrechts gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nicht vorgenommen (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2016 - 13 U 151/15, juris  Rdn. 10; OLG Celle, Urteil vom 14. September 2016 - 3 U 230/15, juris Rdn. 39; Herresthal, ZIP 2016, 1257, 1260 f.).

Der Auffassung des OLG Stuttgart (Urteil vom 4. Mai 2016 – 9 U 230/15, juris Rdn. 44 ff.), dass die Vorschrift unter Berücksichtigung der Gesetzesgeschichte Fälle wie den vorliegenden nicht erfasse, weil der Gesetzgeber mit der Kündigungsvorschrift nur Gelddarlehensverträge im engeren Sinne, insbesondere diejenigen von Kreditinstituten als Darlehensgeber habe erfassen wollen, nicht jedoch Sparverträge, auch wenn und soweit sie von der herrschenden Meinung als Darlehensverträge qualifiziert würden, vermag der Senat nicht zu folgen. Es ist zwar richtig, dass das Kündigungsrecht des Schuldners bei Verträgen mit einem Zinssatz von mehr als 6 % p.a. von einem Ausnahmebehelf zu einem voraussetzungslosen allgemeinen Kündigungsrecht geworden war, so dass langfristige Darlehensverträge der Kreditinstitute und professionellen Darlehensgeber, wie Versicherungen, gekündigt werden konnten und der Kreditwirtschaft und den Versicherungen dadurch ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden (BT-Drucks. 10/4741, S. 20) entstanden war. Zudem wurde dieses Kündigungsrecht faktisch ausgehöhlt durch privilegierte Kreditinstitute, die es gemäß § 247 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. ausschließen konnten, wenn das Darlehen zu einer auf Grund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Deckungsmasse für Schuldverschreibungen gehörte oder gehören sollte. Diese Feststellung trägt die Annahme, dass der Gesetzgeber ausschließlich das Aktivgeschäft der Kreditinstitute habe regeln wollen und das Bausparkassengeschäft in der Ansparphase nicht vom beabsichtigten Schutzzweck der Norm umfasst sei, dennoch nicht (a.A. neben der erwähnten Entscheidung des OLG Stuttgart auch Tröger/Kelm, NJW 2016, 2839, 2841 [2843]). Dem steht schon die Formulierung der Einzelbegründung zu § 609 a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. entgegen („Abs. 1 Nr. 3 gewährt dem Schuldner bei allen festverzinslichen Darlehen („in jedem Falle") nach Ablauf von 10 Jahren nach der Auszahlung ein gesetzliches Kündigungsrecht. Die Regelung hat nur für Darlehen mit einer Laufzeit von über 10 Jahren praktische Bedeutung. Spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums soll der Schuldner die Möglichkeit haben, sich durch Kündigung vom Darlehensvertrag zu lösen. Eine inhaltlich gleichartige Regelung gilt seit langem gemäß § 18 des Hypothekenbankgesetzes für die von den Hypothekenbanken gewährten hypothekarischen Darlehen. Da das Anliegen dieser Regelung, den Schuldner nach Ablauf einer längeren Zeit vor der Bindung an einen nicht mehr zeitgemäßen Zinssatz zu bewahren, für alle festverzinslichen Darlehen gleichermaßen Bedeutung hat, wird sie im Entwurf (§ 609 a Abs. 1 Nr. 3) aufgegriffen und auf alle festverzinslichen Darlehen ausgedehnt. Der Schuldner kann die Kündigung frühestens nach Ablauf von 10 Jahren nach der Auszahlung des Darlehens und danach in jedem Zeitpunkt erklären. Um die technische Abwicklung des Vertrags und die Vorbereitung eines neuen Geschäfts zu erleichtern, hat der Schuldner eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einzuhalten. Mithin muss zwischen Zugang der Kündigungserklärung und dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten liegen“). Das steht dem oben dargestellten, einschränkenden Verständnis entgegen (so auch Herresthal, ZIP 2016, 1257, 1260 m.w.N. in Fn. 45).

Dem Senat erschließt sich auch nicht, warum eine Bausparkasse in der gegebenen Situation nicht schutzwürdig sein sollte. Die gegenteilige Auffassung steht ferner in Widerspruch zu § 489 Abs. 4 S. 2 BGB a.F.. Danach gilt das Verbot des § 489 Abs. 4 S. 1 BGB a.F., das Kündigungsrecht auszuschließen oder zu erschweren nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband. Die Regelung setzt damit voraus, dass Darlehensnehmer nicht nur Verbraucher, sondern grundsätzlich auch sonstige Institutionen - u.a. die in der Vorschrift genannten Körperschaften des öffentlichen Rechts - sein können. Eine entsprechende Regelung wäre nicht notwendig gewesen, wenn der Gesetzgeber den Schutz des § 489 Abs. 4 S. 2 BGB grundsätzlich nur "schwächeren" und "schutzwürdigen" Verbrauchern hätte zukommen lassen wollen. Ein Anwendungsbereich des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB hätte für die aufgeführten Institutionen von Anfang an nicht bestanden.

3. Der streitgegenständliche Vertrag mit der in § 6 der zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge Tarif D (im folgenden: ABB) geregelten Verzinsung, nach der das Bausparguthaben nach Wahl des Bausparers mit 3 % oder 4 % jährlich verzinst wird und der Bausparer durch schriftliche Anzeige bis zur ersten Auszahlung aus der zugeteilten Bausparsumme auf die 4 %-Guthabenverzinsung wechseln kann, ist auch als Darlehen mit festem Zinssatz im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 3 S.1 BGB a.F. anzusehen (so schon Hinweisbeschluss des Senats vom 2. März 2016 - 13 U 11/16). Dagegen wendet sich auch die Berufung nicht.

4. Auch sind seit dem vollständigen Empfang des Darlehens durch die Beklagte mehr als zehn Jahre verstrichen. Der vollständige Empfang des Darlehens durch eine Bausparkasse ist – wie das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen hat - mit Erreichen der Zuteilungsreife gegeben, die im Zeitpunkt der Kündigung unstreitig seit mehr als 10 Jahren vorlag.

Zwar bestimmt § 5 Abs. 1 ABB, dass der Bausparer den Regelsparbeitrag bis zur ersten Auszahlung aus der zugeteilten Bausparsumme erbringen muss. Soweit obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Bamberg, Urteil vom 10. August 2016 - 8 U 24/16, juris Rdn. 56 ff, 60) sowie Stimmen in der Literatur (etwa Buhl/Münder NJW 2016, 1991, 1993; Mass/Kammerer/Specht, VuR 2016, 297, 300) hieraus folgern, dass von einem vollständigen Empfang des Darlehens mit Erreichen der Zuteilungsreife nicht ausgegangen werden könne, weil es dem Wortsinn widerspreche, einen vollständigen Empfang des Darlehens anzunehmen, wenn der Darlehensgeber verpflichtet sei, mehr an die Bausparkasse zu erbringen und, da der Wortsinn die äußere Grenze der Auslegung markiere, ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB ausscheide, folgt der Senat dem nicht. Ebensowenig vermag der Senat sich der Argumentation des OLG Karlsruhe (Urteil vom 8. November 2016 – 17 U 185/15, juris Rdn. 48) anzuschließen, wonach sich aus der Fortsetzung des Vertrages bei Nichtannahme der Zuteilung und der Möglichkeit eines Widerrufs der angenommenen Zuteilung ergeben soll, dass das Stadium der Zuteilungsreife für den vollständigen Empfang des Darlehens ohne Bedeutung ist.

Bei dem vollständigen Empfang handelt es sich um ein normatives Tatbestandsmerkmal. Wann das Darlehen vollständig empfangen ist, ist durch Auslegung der Allgemeinen Bausparbedingungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Bausparvertrages zu bestimmen.

Nach der Präambel der ABB ist Zweck des Bausparvertrages die Erlangung eines unkündbaren, in der Regel zweitstellig zu sichernden Tilgungsdarlehens (Bauspardarlehen) aufgrund planmäßiger Sparleistungen. Dies steht im Einklang mit § 1 Abs. 2 S. 1 BauSparkG, wonach Bausparer ist, wer mit einer Bausparkasse einen Vertrag schließt, durch den er nach Leistung von Bauspareinlagen einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens erwirbt (Bausparvertrag). Dieser Rechtsanspruch ist mit Zuteilungsreife erlangt, so dass dieser Zeitpunkt als maßgeblich für den Fristlauf anzusehen ist (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 30. Dezember 2015 - 31 U 191/15, juris Rdn. 24; OLG Koblenz, Beschluss vom 18. Januar 2016 - 8 U 1064/15, S. 5 - 6; Senat, Beschluss vom 11. Januar 2016 - 13 U 151/15, S. 2 - 3, Freise/Bonke, ZBB 196, 204; Herresthal/Mülbert, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, § 488 Rdn. 550, § 489 Rdn. 51; Rohe, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand 1. August 2015, § 489 Rdn. 10; Edelmann/Suchowerskyj, BB 2015, 1800, 1803; a. A. Yilderim, VuR 2015, 258 ff.; Buhl/Münder, NJW 2016,1993; 1991). Mit Eintritt der Zuteilungsreife ist die Zweckverwirklichung im Sinne der ABB nur von der Mitwirkung des Bausparers durch Annahme der Zuteilung bzw. Antrag auf Neuzuteilung gemäß § 13, § 14 Abs. 2 ABB abhängig. Dass der Bausparvertrag bei Nichtannahme der Zuteilung nach § 14 Abs. 1 ABB fortgesetzt wird und die Bausparbeiträge weiter zu entrichten sind, steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Es ist zu berücksichtigen, dass auf diese Weise den Bedürfnissen des Bausparers hinsichtlich der zweckgebundenen Verwendung des Bauspardarlehens, die zeitlich nicht immer mit dem Zeitpunkt der Zuteilungsreife nach den ABB korrelieren werden, Rechnung getragen werden soll (so auch Freise/Bonke, ZBB 2016, 196, 204 m.w.N. in Fn. 73).

Soweit die Auffassung vertreten wird, ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. vor Vollbesparung verschiebe das gegenseitig übernommene Zinsrisiko einseitig zu Lasten des Bausparers, teilt der Senat diese Auffassung nicht, denn die Vollbesparung kennzeichnet nur den Zeitpunkt, zu dem der Zweck des Bausparvertrages, ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen zu können, endgültig verfehlt wird. Eine Gleichsetzung der Zweckverfehlung  und des vollständigen Darlehensempfangs ist weder geboten noch sinnvoll. Den berechtigten Interessen des Bausparers an der Verzinsung seines Bausparguthabens und an der Option auf die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens - ggf. in der Erwartung am Markt steigender Darlehenszinsen - trägt der Umstand, dass die Kündigung erst 10 Jahre nach Erreichen der Zuteilungsreife möglich ist, hinreichend Rechnung. Die Gegenauffassung lässt demgegenüber die Interessen des Kollektivs der Bausparer, dem der Bausparer mit Abschluss des Bausparvertrages beitritt, wie mit der in § 1 BausparG neu eigefügten Formulierung „Jeder Bausparer einer Bausparkasse ist Mitglied einer Zweckspargemeinschaft (Kollektiv)“ (§ 1 BauSparkG in der Fassung vom 21.12.2015) klargestellt worden ist, außer Acht. Sie stellt es vielmehr ins Belieben des einzelnen Bausparers, entgegen der in § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers das für einen begrenzten Zeitraum wechselseitig übernommene Zinsrisiko einseitig zu Lasten des Kollektivs zu verschieben (vgl. eingehend hierzu Freise/Bonke, ZBB 2016, 196 ff; auch Herresthal, ZIP 1257, 1262).

Angesichts der vorstehend aufgezeigten Umstände erscheint es dem Senat zutreffend und interessengerecht, für den vollständigen Empfang des Darlehns auf den Eintritt der Zuteilungsreife abzustellen, mit dem das für den Bausparvertrag prägende Ziel der Parteien, der Erwerb eines Rechtsanspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens, erreicht wird.

5. Die Beklagte hat schließlich gemäß § 489 Abs. 3 BGB den geschuldeten Betrag binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückgezahlt, indem sie dem Kläger unter dem 1. Juli 2015 einen am 7. Juli 2015 eingelösten Scheck über die angesparte Summe ausgestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO im Hinblick auf die abweichende Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Stuttgart, Bamberg und Karlsruhe zu den Fragen der Anwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 BGB a.F. und zur Annahme eines vollständigen Empfangs des Darlehens mit erstmaliger Zuteilungsreife geboten. Die abweichend entschiedenen Rechtsfragen sind entscheidungserheblich. Die Berufung ist – entgegen der Auffassung der Beklagten - insbesondere nicht unabhängig von der Beantwortung dieser Rechtsfragen schon deshalb unbegründet, weil unter Berücksichtigung des ausgezahlten Sparguthabens der Kläger, hätte er die Sparbeträge weiter gezahlt, aufgrund dieser Zahlung sowie aufgrund der Zinsgutschriften und Gutschriften von Bonuszinsen zwischenzeitlich die volle Bausparsumme erreicht hätte. Die entsprechende Argumentation der Beklagten kann im vorliegenden Fall schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die dem Vertrag zugrunde liegenden Bausparbedingungen in § 5 Abs. 3 ABB die Möglichkeit der Kündigung der Bausparkasse im Falle einer Rückständigkeit des Bausparers mit Bausparbeiträgen regeln und ein Kündigungsrecht ausdrücklich nur für den – hier nicht vorliegenden – Fall vorsehen, dass das Bausparguthaben 1.000,00 DM unterschreitet.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und – insoweit in Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG – für das Verfahren erster Instanz auf 1.395,83 € festgesetzt. Dieser Betrag entspricht dem 3,5fachen Wert der einjährigen Zinserwartung (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 13. April 2016 – 13 W 24/16).

Meta

13 U 248/15

11.01.2017

Oberlandesgericht Köln 13. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 11.01.2017, Az. 13 U 248/15 (REWIS RS 2017, 17585)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17585

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 116/17

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