Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2006, Az. 2 StR 557/05

2. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2662

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 [X.] vom 12. Juli 2006 in der Strafsache gegen wegen Bestechlichkeit - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 12. Juli 2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am [X.] Dr. [X.] [X.]in am [X.] Dr. [X.], [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], [X.], Staatsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Rechtsanwältin , Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. September 2005 mit den Feststellungen [X.]. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in Tatein-heit mit Beihilfe zur Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und einen Geldbetrag von 15.000 Euro für verfallen er-klärt; überdies hat es angeordnet, die in einem anderen Verfahren erlittene Un-tersuchungshaft auf die Strafe anzurechnen. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils. 1 1. a) Nach den Feststellungen des [X.] war der Angeklagte von 1994 bis zum Frühjahr 2000 Mitglied im Rat der Stadt und dort seit 1998 Fraktionsvorsitzender der Fraktion der [X.]; von 1991 bis 2000 war er auch Fraktionsgeschäftsführer. Im [X.] 1999 fanden in [X.] Kommunalwahlen statt, bei denen für die Stadt erstmals nach der Reform des [X.] ein hauptamtlicher Oberbürgermeister statt der bis dahin bestehenden "Doppelspitze" aus ehrenamtlichem Oberbürgermeister und 2 - 4 - stehenden "Doppelspitze" aus ehrenamtlichem Oberbürgermeister und [X.] Oberstadtdirektor zu wählen war. Für das Amt des [X.] bewarb sich für die [X.] der damalige Oberstadtdirektor [X.] , der ein enger Vertrauter und politischer Förderer des Angeklagten war. Zu den innerparteilichen Aufgaben des Angeklagten zählte insbesondere auch die Akquisition von Spenden. Bereits ab 1997 bemühte er sich im Hinblick auf den bevorstehenden Wahlkampf verstärkt auch um die Einwerbung von Spenden, die nach den Vorschriften des [X.]engesetzes unzulässig waren oder nicht im Rechenschaftsbericht der [X.] aufgeführt wurden; diese in er-heblicher Höhe eingeworbenen Mittel wurden über so genannte "schwarze Kassen" verwaltet, über welche der Angeklagte verfügungsberechtigt war. Zu den Spendern zählte unter anderem auch der Unternehmer [X.], dessen Firmengruppe im Bereich der Abfallwirtschaft tätig und an einigen [X.] der Stadt beteiligt war. Er strebte eine Beteiligung an der Müll-abfuhr der Stadt oder deren vollständige Übernahme an. Eine solche Privati-sierung der Müllentsorgung war kommunalpolitisch umstritten. Die Mehrheit der Fraktion des Angeklagten befürwortete eine Aufgabenerledigung durch eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung. Am 26. Juni 1997 beschloss der Rat der Stadt , die Müllentsorgung für die Dauer von vorerst drei Jahren in eine [X.] Einrichtung zu überführen, um dann nach einer öffentli-chen Ausschreibung im [X.] zu entscheiden, ob eine vollständige Privati-sierung durchgeführt werden solle. 3 Anfang 1999 zeichnete sich ab, dass weitere Mittel für den Wahlkampf des Kandidaten [X.]fehlten. Dieser und der Angeklagte entschlossen sich daher, noch einmal gezielt an den Unternehmer [X.]heranzutreten. [X.] bat den Angeklagten, dies zu tun, da er selbst als beamteter [X.] Amtsträger sei und sich strafbar machen würde. Der Angeklagte 4 - 5 - nahm daraufhin im März 1999 Kontakt zu [X.]auf und bat ihn um eine Spende in Höhe von 150.000 DM für den Wahlkampf der [X.]. Diesen Betrag leistete [X.]in zwei Barzahlungen Ende April/Anfang Mai sowie am 31. Mai 1999 an den Angeklagten. Eine verbindliche Zweckbestimmung für die Zahlung wurde nicht getrof-fen. Der Unternehmer [X.]
verband mit ihr die Erwartung, dass [X.]

in seiner Funktion als Oberstadtdirektor und nach seiner möglichen Wahl als Oberbürgermeister und der Angeklagte als Ratsherr und [X.] sein Anliegen unterstützen und die [X.]-Fraktion "auf Linie" bringen würden. Er erwartete auch, dass [X.] und der Angeklagte im Hinblick auf die Zuwendung bei weiteren Abstimmungen über eine Privatisierung und eine Übertragung an ein Unternehmen der Firmengruppe [X.]in seinem Sinn ab-stimmen würden. Der Angeklagte und [X.]

erkannten diese Erwartung; sie wussten auch, dass der Zeuge [X.] die Zahlungsbitte und die Annah-me des Geldes dahin verstand, dass sie bereit seien, im Sinne seiner Erwar-tungen zu handeln. 5 Ob der Angeklagte tatsächlich beabsichtigte, entsprechend den Erwar-tungen des Zeugen [X.] zu handeln, hat das [X.] nicht [X.]. Neben der von ihm angestrebten Unterstützung des Kandidaten [X.]

wollte er durch Akquisition der Spende auch der [X.] zum Wahlerfolg ver-helfen und hierdurch als Fraktionsvorsitzender seine Position und seinen politi-schen Einfluss stärken. Eine Verwendung des Geldbetrages auch für persönli-che Zwecke ist nicht festgestellt. 6 b) Das [X.] hat angenommen, der Angeklagte sei als Mitglied des [X.]Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gewe-sen und habe sich daher im Hinblick auf die für ihn selbst vorteilhafte [X.] - 6 - dung der Bestechlichkeit gemäß § 332 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 StGB schuldig gemacht. Soweit er irrtümlich angenommen habe, dass Gemeinderatsmitglieder keine Amtsträger seien und von den Vorschriften der §§ 331 ff. daher nicht er-fasst würden, habe es sich um einen Verbotsirrtum gehandelt, der vermeidbar gewesen sei. [X.] hierzu habe sich der Angeklagte der Beihilfe zur Bestechlichkeit des damaligen Oberstadtdirektors [X.] schuldig [X.]. Von einer möglichen Strafverfolgung wegen tateinheitlicher Abgeordne-tenbestechung gemäß § 108 e Abs. 1, [X.]. StGB hat das [X.] gemäß § 154 a Abs. 2 StPO abgesehen. 2. Die Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt. 8 a) Die Verurteilung wegen täterschaftlicher Bestechlichkeit hält rechtli-cher Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte war als Ratsmitglied, Fraktions-vorsitzender im [X.]und Fraktionsgeschäftsführer nicht Amtsträ-ger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, so dass die Strafvorschrift des § 332 StGB auf ihn nicht anwendbar ist. Der [X.] folgt insoweit im Ergebnis der vom 5. Strafsenat des [X.] im Urteil vom 9. Mai 2006 - 5 StR 453/05 - vertretenen Rechtsauffassung. Danach sind kommunale Mandatsträger keine Amtsträger, wenn sie nicht mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut sind, die über die Ausübung ihres freien Mandats in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen. Die vom [X.] umfas-send erörterten Gründe für die Gegenansicht (so auch [X.] 1950, 629; [X.] Die Justiz 1989, 679; [X.] NJW 1994, 2036; [X.] StV 2003, 507), die auch in der Literatur vertreten wird (vgl. zu-letzt etwa Rübenstahl [X.] 2006, [X.]), haben Gewicht, dringen aber nach Abwägung der vom 5. Strafsenat in der genannten Entscheidung vom 9. Mai 2006 aufgeführten Argumente, die so oder ähnlich auch von der überwiegenden 9 - 7 - Literaturmeinung geteilt werden (vgl. u. a. [X.] in [X.]. § 11 Rdn. 37; [X.] in [X.]; § 11 Rdn. 21; [X.] NStZ 2003, 453; [X.] 2003, 259; [X.]/[X.] NStZ 2006, 191; differenzierend auch [X.] in [X.]/[X.] StGB 27. Aufl. § 11 Rdn. 23; [X.] in [X.]. 48), im Ergebnis nicht durch. Kommunale Mandatsträger sind weder Be-amte im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB noch stehen sie in einem sonstigen Amtsverhältnis im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) StGB. Auch eine Bestellung, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentli-chen Verwaltung wahrzunehmen, gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB liegt jedenfalls insoweit nicht vor, als es um die Ausübung des freien Mandats in der kommunalen Volksvertretung geht, denn es fehlt an der hierfür erforderli-chen organisatorischen Einordnung in ein der Amtsträgereigenschaft eigenes Dienst- oder Auftragsverhältnis. An dieser Bewertung ändert auch nichts, dass der Angeklagte [X.]Fraktionsführer und Fraktionsgeschäftsführer war, da auch diese Aufgaben Ausfluss seines freien Mandats waren. Es kann daher letztlich dahinstehen, ob der Gesetzgeber des § 108 e StGB auch im Hinblick auf kommunale Mandatsträger eine abschließende Sonderregelung treffen und eine Anwendung der §§ 331, 332 StGB von vornherein ausschließen wollte, wie der 5. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 vertreten hat. Vorliegend bezog sich die Übereinkunft, welche der Angeklagte mit dem Unternehmer [X.]über die für die Geldzuwendung zu erbringende Gegen-leistung traf, nicht auf eine im Rahmen eines Dienst- oder Amtsverhältnisses zu treffende Ermessensentscheidung, sondern allein auf die Ausübung des [X.]; hierzu zählen auch Entscheidungen, Einflussnahmen und sonstige originär politische Tätigkeiten in den Fraktionen sowie die Tätigkeit als Mitglied von Ausschüssen. 10 - 8 - b) Die Aufhebung der Verurteilung wegen täterschaftlicher Bestechlich-keit erfasst auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit, soweit der Angeklagte dem damaligen Oberstadtdi-rektor [X.] Hilfe zu dessen Bestechlichkeit geleistet hat. Der Zeuge [X.] war Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB und daher tauglicher Täter des § 332 StGB. Hieran ändert nichts, dass er sich im Tatzeitraum um ein kommunales Wahlamt bewarb und dass die Geldzuwen-dung des Zeugen [X.] der Finanzierung des Wahlkampfs um dieses Amt diente. Die Grundsätze, welche der 3. Strafsenat des [X.] im Urteil vom 28. Oktober 2004 - 3 [X.] (BGHSt 49, 275 = NJW 2004, 3569) für eine einschränkende Auslegung der §§ 331, 333 StGB bei Einwer-bung von Wahlkampfspenden für einen Amtsträger aufgestellt hat, sind hier schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich vorliegend nicht um eine grund-sätzlich zulässige Spende mit dem Ziel allgemeiner politischer "Klimapflege" handelte, sondern um eine unzulässige Einflussspende mit dem Ziel, ein be-stimmtes, dem Spender wirtschaftlich vorteiliges dienstliches Verhalten des Amtsträgers als Gegenleistung zu erlangen (vgl. BGHSt 49, 275, 286 f.). 11 3. Die Aufhebung umfasst auch die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu umfassenden neuen Feststellungen zu geben. Dieser wird auch die Wiedereinbeziehung der gemäß § 154 a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Strafverfolgung wegen Abgeordneten-bestechung gemäß § 108 e Abs. 1 StGB zu prüfen haben, da nach den [X.] Feststellungen eine Vollendung dieses Tatbestands durch den Angeklagten in Betracht kommt; insoweit wären nähere Feststellungen zur Konkretisierung der [X.] erforderlich (vgl. [X.]/[X.] StGB 53. Aufl. § 108 e Rdn. 6 f.). Der [X.] geht davon aus, dass in der neuen [X.] eine Wiedereinbeziehung dieses rechtlichen Gesichtspunkts erfolgen wird. 12 - 9 - 4. Der [X.] weist darauf hin, dass gegen die Anrechnung der [X.] Untersuchungshaft, die der Angeklagte in dem Verfahren

des [X.] erlitten hat, Bedenken bestehen. Eine für die Anrechnung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB hinreichende funktionale Verfah-renseinheit (vgl. BGHSt 43, 112, 116 ff.; [X.]/[X.] aaO § 51 Rdn. 6 a m.w.N.) ist bislang nicht belegt. 13 [X.] [X.] [X.] Appl

Meta

2 StR 557/05

12.07.2006

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2006, Az. 2 StR 557/05 (REWIS RS 2006, 2662)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2662

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