Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2010, Az. XII ZR 124/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1289

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] [X.]/09 Verkündet am: 17. November 2010 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 556 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3, 578, 242 Be, [X.] Zur Abrechnungsfrist von Nebenkosten bei Mietverträgen über Geschäfts-räume (im [X.] an das Senatsurteil vom 27. Januar 2010 - [X.] - [X.], 240). [X.], Versäumnisurteil vom 17. November 2010 - [X.]/09 - [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2010 durch [X.], die Richterin [X.] und [X.] Klinkhammer, Schilling und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 18. Juni 2009 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Kläger verlangen von dem Beklagten nach Beendigung eines [X.] über Gewerberäume und eines damit verbundenen Mietvertrages über eine Dienstwohnung vom 23. März 1998 Rückzahlung für die Wohnräume geleisteter [X.] in Höhe von 2.944,96 • und einer für die Gewerberäume gezahlten Kaution in Höhe von 5.215,18 •. Der Beklagte hat mit Gegenforderungen aufgerechnet, u.a. mit einer Forderung auf Zahlung von Nebenkosten für die Gewerberäume für die [X.] von 2005 bis 2007 in Höhe von insgesamt 6.245,23 •. Diese Nebenkosten hat der Beklagte erstmals mit der Klageerwiderung vom 7. Juli 2008, die den Klägervertretern am 9. Juli 2008 zugestellt worden ist, abgerechnet. 1 - 3 - Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch über die Begrün-detheit dieser von dem Beklagten zur Aufrechnung gestellten auf § 3 des Pachtvertrages gestützten Nebenkostenforderungen. 2 3 Nach § 3 des Pachtvertrages waren die Kläger verpflichtet, die im [X.] genannten Nebenkosten an den Beklagten zu bezahlen, sobald er sie in Rechnung stellt oder, soweit der Pächter des im selben Anwesen betriebenen Lokals die Nebenkosten bezahlt hatte, an diesen davon ein Drittel zu bezahlen. Für die Jahre 2002 bis 2004 hat der Beklagte keine Nebenkostenabrechnung für die Gewerberäume erstellt. Das [X.] hat der Klage in Höhe von 2.755,54 • stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision verfolgen die Kläger den abgewiesenen Zahlungsanspruch weiter. 4 Entscheidungsgründe: Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Be-kanntgabe des Termins nicht vertreten war, ist über die Revision der Kläger antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden §§ 557, 331 ZPO. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.] 37, 79, 81 f.). 5 Die Revision hat keinen Erfolg. 6 - 4 - [X.] 7 Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die den Klägern zustehenden [X.] auf Rückzahlung der geleisteten Kaution und auf Erstattung der für die Wohnung geleisteten [X.] in Höhe von [X.] 8.160,14 • seien in Höhe von 5.404,60 • durch die von den Beklagten erklärte Aufrechnung mit Forderungen auf Nachzahlung von Nebenkosten für die Gewerberäume für die Jahre 2005 bis 2007 erloschen. Zwar sei die den Klägern erst mit der Klageerwiderung am 9. Juli 2008 übersandte Abrechnung dieser Kosten teilweise verspätet erfolgt. Denn die als angemessen anzuse-hende Abrechnungsfrist betrage ein Jahr ab Ende des Abrechnungszeitraums. Insoweit sei die für die Wohnraummiete geltende Bestimmung des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB, die eine Abrechnungsfrist von einem Jahr bestimme, auf die [X.] entsprechend anwendbar. Die teilweise Überschreitung der Abrechnungsfrist um mehr als einein-halb Jahre habe aber nicht zur Folge, dass der Beklagte seinen Anspruch auf Ausgleich der Abrechnung verloren habe. § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB sei auf die Gewerberaummiete nicht entsprechend anwendbar. Es fehle bereits an dem Erfordernis einer unbeabsichtigten Regelungslücke, da kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich sei, dass der Gesetzgeber die allein für das Wohnraummietrecht konzipierte Regelung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB lediglich versehentlich nicht in den Verweisungskanon des § 578 BGB aufgenommen habe. 8 Die geltend gemachten Nebenkosten seien auch nicht verwirkt. Das Zu-warten mit der Abrechnung über einen [X.]raum von mehr als eineinhalb Jahren habe bei den Klägern schon nicht das berechtigte Vertrauen darauf begründen können, der Beklagte werde keine Forderungen auf Zahlung der Nebenkosten mehr erheben. Das gelte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er 9 - 5 - schon seit dem Jahre 2002 keine Nebenkostenabrechnungen mehr erstellt ha-be. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Kläger im Hinblick auf ein derartiges Vertrauen bestimmte Dispositionen getroffen hätten, die der beanspruchten Nachzahlung entgegenstünden. I[X.] Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtli-chen Prüfung stand. 10 Der Beklagte hat gemäß § 581 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m § 3 des [X.] vom 23. März 1998 gegen die Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Nebenkosten für die Gewerberäume für die Jahre 2005 bis 2007 in der zu-erkannten Höhe von 5.404,60 •. Die Umlage dieser Nebenkosten ist unstreitig vereinbart worden. 11 1. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, der für die [X.] den Ausschluss von [X.] anordnet, die der [X.] zwölf Monate nach Ablauf des [X.] verlangt, auf die [X.] nicht analog anwendbar ist. Dieser in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Meinung ([X.] ZMR 2008, 206; Grundeigentum 2006, 847; [X.], 449; [X.] ZMR 2007, 115; [X.] ZMR 2008, 800; [X.]/[X.] Miete 3. Aufl. § 556 Rn. 1; [X.]t-Futterer/Langenberg Mietrecht 9. Aufl. § 556 BGB Rn. 6 und 458; Soergel/[X.] 13. Aufl. § 556 BGB Rn. 21; [X.]/[X.] [2006] § 556 BGB Rn. 106; aA MünchKomm/[X.] 5. Aufl. § 556 BGB Rn. 1) 12 - 6 - hat sich der Senat mit Urteil vom 27. Januar 2010 ([X.] - [X.], 240 Rn. 18 ff.) angeschlossen. 13 Es fehlt bereits an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Ge-setzeslücke. Mit dem am 1. September 2001 in [X.] getretenen [X.] (BGBl. [X.] 1149) hat der Gesetzgeber die als Ausschlussfrist ges-taltete Abrechnungsfrist für die Betriebskosten von zwölf Monaten nach dem Ende des Abrechnungszeitraums in § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB auch für frei finanzierten Wohnraum übernommen (BT-Drucks. 14/4553 S. 51). In § 578 BGB, der gemäß § 581 Abs. 2 BGB auf Pachtverträge anwendbar ist und der konkret aufzählt, welche von den für die Wohnraummiete geltenden Vorschrif-ten auf die Mietverhältnisse über Räume, die keine Wohnräume sind, entspre-chend anwendbar sind, wird § 556 BGB nicht genannt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber es versehentlich unterlassen hat, in § 578 BGB auf § 556 BGB zu verweisen, bestehen nicht. Insbesondere kann nicht daraus, dass die Gesetzesmaterialien keine Begründung dafür enthalten, warum der [X.] von einem Verweis auf § 556 BGB abgesehen hat, auf eine planwidrige Gesetzeslücke geschlossen werden. Denn der Gesetzgeber hat durch die ge-zielte Auswahl der auf die [X.] anwendbaren Vorschriften in § 578 BGB deutlich zum Ausdruck gebracht, dass § 556 BGB für die Geschäfts-raummiete nicht gelten soll. Über diesen gesetzgeberischen Willen kann nicht im Wege der Analogie hinweggegangen werden. 2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Nebenkosten auch nicht verwirkt. 14 Der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchli-chen Verhaltens. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es [X.] - 7 - re [X.] hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf einge-richtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrich-ten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft geltend machen werde. Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem [X.]ablauf das Vorliegen besonderer ein solches Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (Senatsurteil vom 27. Januar 2010 - [X.] - [X.], 240 Rn. 32 mwN). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles. a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die Bestimmung des [X.]moments auf den [X.]punkt der Fälligkeit der Abrechnun-gen für die jeweilige Abrechnungsperiode abzustellen ist. Denn nur wenn zwi-schen dem [X.]punkt, zu dem der Beklagte die Abrechnung hätte vornehmen müssen und dem Zugang der Abrechnung bei den Klägern ein längerer [X.]-raum liegt, kann das [X.]moment erfüllt sein. 16 Die Parteien haben weder eine Abrechnungsperiode noch eine [X.] vertraglich vereinbart. Ausgehend von den üblichen [X.] konnte der Beklagte die Nebenkosten jährlich oder kalenderjährlich ab-rechnen. Über die in dem jeweiligen Abrechnungszeitraum angefallenen [X.] musste er sodann innerhalb angemessener Frist abrechnen. 17 Eine Frist, innerhalb derer die Abrechnung der Nebenkosten erteilt wer-den muss, ist für die [X.] nicht gesetzlich geregelt. Lediglich für die Wohnraummiete bestimmt der durch das Mietrechtsreformgesetz (BGBl. [X.] 1149) eingefügte § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB, dass der Vermieter dem Mieter die Abrechnung spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach dem [X.] des Abrechnungszeitraums mitzuteilen hat. 18 - 8 - Der Senat hat sich der in Rechtsprechung und Literatur schon in der Vergangenheit überwiegend vertretenen Ansicht, dass auch für die Geschäfts-raummiete eine solche Frist angemessen ist, angeschlossen (Senatsurteil vom 27. Januar 2010 - [X.] - [X.], 240 Rn. 36 ff.). 19 20 Danach war die Abrechnung der im Jahr 2007 angefallenen Nebenkos-ten zum [X.]punkt des Zugangs der Abrechnung am 9. Juli 2008 noch nicht [X.]. Deshalb fehlt es insoweit schon an dem für die Verwirkung erforderlichen [X.]ablauf. Die den Klägern ebenfalls am 9. Juli 2008 zugegangenen [X.] und 2006 sind demgegenüber für das [X.] mehr als eineinhalb Jahre und für das [X.] mehr als ein halbes Jahr nach Ablauf der Abrechnungsfrist erfolgt. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch diese Fristüberschreitung das [X.]moment erfüllt ist. Es fehlt jedenfalls an Umständen, die geeignet sind, ein Vertrauen der Kläger darauf zu begründen, der Beklagte werde diese Kosten nicht mehr abrechnen. Hierfür reicht der bloße [X.]ablauf nicht aus. Denn allein daraus, dass der Beklagte eineinhalb Jahre bzw. ein halbes Jahr lang Nebenkosten für die Abrechnungsperioden 2005 bzw. 2006 nicht abgerechnet hatte, konnten die Kläger nicht schließen, der Beklagte wolle auf die Geltendmachung dieser ihm vertraglich zustehenden Nebenkosten verzichten. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, aus denen sich ein sol-cher Wille des Beklagten ergibt, konnten die Kläger nicht auf einen Verzicht des Beklagten auf diese Forderungen vertrauen. Ein solcher Wille des Beklagten kann nicht daraus hergeleitet werden, dass er in den Jahren 2002 bis 2004 [X.] Nebenkosten abgerechnet hat. Daraus konnten die Kläger nicht schließen, der Beklagte wolle auch in Zukunft die jährlich neu entstehenden [X.] nicht verlangen. Im Hinblick darauf, dass die Kläger keine Voraus-zahlungen auf die Nebenkosten für die Gewerberäume zahlten und die [X.] - 9 - kosten darüber hinaus zumindest teilweise vom Verbrauch der Kläger abhin-gen, lag es vielmehr nahe, davon auszugehen, dass der Beklagte versehentlich oder aus Nachlässigkeit die Abrechnungen unterlassen hat. 22 Insgesamt sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich ergibt, dass der Beklagte auf sein vertraglich begründetes Recht, Nebenkosten zu [X.], verzichtet hat. Dose [X.]: [X.], Entscheidung vom 07.11.2008 - 2/27 O 151/08 - O[X.], Entscheidung vom 18.06.2009 - 2 U 18/09 -

Meta

XII ZR 124/09

17.11.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2010, Az. XII ZR 124/09 (REWIS RS 2010, 1289)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1289

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