Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2005, Az. 1 StR 396/04

1. Strafsenat | REWIS RS 2005, 5263

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[X.]/04
vom 27. Januar 2005 in der Strafsache gegen

wegen Vergewaltigung u.a.
- 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 27. Januar 2005 beschlos-sen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. Mai 2004 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat
(§ 349 Abs. 2 StPO). Die Urteilsformel des genannten Urteils wird jedoch dahingehend ergänzt, daß in Nr. 2 das Wort "Freiheitsstrafe" durch das Wort "Gesamtfreiheitsstrafe" ersetzt wird. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendi-gen Auslagen zu tragen.

Ergänzend zu den Darlegungen des [X.] in [X.] Antragsschrift vom 6. Dezember 2004 bemerkt der Senat:
Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des Rechts auf kontradiktori-sche Befragung gemäß Art. 6 Abs. 3 d MRK bestehen bereits Zwei-fel an deren Zulässigkeit. Denn in der Revisionsbegründung wird der entscheidungsrelevante Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt nicht vollständig vorgetragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). - 3 -
[X.] ist jedenfalls unbegründet: Ein Verstoß gegen das Recht des Angeklagten, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen (Art. 6 Abs. 3 d MRK) liegt nicht vor. Es war hier auch nicht geboten, dem Angeklagten zur Gewährleistung dieses Rechts einen Pflichtverteidiger zur Teilnahme an der [X.]ichen Vernehmung der [X.] während des [X.] zu bestellen (vgl. BGHSt 46, 93).

[X.]
Der Angeklagte wurde vom [X.] wegen sexuellen Miß-brauchs von Kindern in fünf Fällen, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit schwerem sexuellen Mißbrauch von Schutzbefohlenen, sowie we-gen zweier Fälle der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen und mit Beischlaf zwischen Ver-wandten verurteilt. Der weitgehend geständige Angeklagte bestritt in den letzten beiden Fällen, den Beischlaf mit seiner Tochter voll-zogen zu haben. Er habe mit seinem Penis deren Scheide - so [X.] Angaben im Ermittlungsverfahren - beziehungsweise ihre [X.] - so seine Einlassung in der [X.]uptverhandlung - lediglich berührt.

In der [X.]uptverhandlung verweigerte die Geschädigte als Tochter des Angeklagten das Zeugnis (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Die [X.] legte ihren Feststellungen, soweit sie der Darstellung des - 4 - Angeklagten entgegenstehen, im [X.] die Aussage der Zeugin bei ihrer [X.]ichen Vernehmung am 15. Mai 2003, zu deren Inhalt der Ermittlungsrichter in der [X.]uptverhandlung vernommen wurde, zugrunde. Der Vernehmungstermin wurde dem Angeklagten - er-sichtlich aus den in § 163c Abs. 3 StPO genannten Gründen - nicht mitgeteilt. Ein Verteidiger nahm an ihm ebenfalls nicht teil.

I[X.]
Der Beschwerdeführer bemängelt zu Recht, daß eine Entscheidung des [X.] über den Ausschluß des damaligen Be-schuldigten von der Vernehmung gemäß § 168c Abs. 3 StPO nicht erging. Darauf bzw. auf die fehlende Terminsmitteilung gemäß § 168c Abs. 5 StPO wird die Revision allerdings letztlich nicht ge-stützt. Dies wäre schon deshalb ohne Aussicht auf Erfolg, da der Vernehmung des [X.] über die Angaben der [X.] bei ihm in der [X.]uptverhandlung gegen den Angeklag-ten nicht widersprochen worden war.

II[X.]
1. Die Revision meint aber, der von der Vernehmung faktisch aus-geschlossene Angeklagte sei in seinem Recht auf Befragung der Belastungszeugin gemäß Art. 6 Abs. 3 d MRK verletzt worden (nachdem die Zeugin in der [X.]uptverhandlung von ihrem [X.] Gebrauch machte). Zum Zeitpunkt der [X.]ichen Vernehmung der Zeugin sei der Angeklagte noch ohne Verteidiger, der das [X.] für den Angeklagten während dieser Vernehmung hätte wahrnehmen können, gewe-sen. Das Mandatsverhältnis habe sich erst im Zustand der An-bahnung befunden, der Verteidiger sei noch nicht gewählt ge-wesen. Dazu wird in der Revisionsbegründung folgendes vorgetragen: "Der Angeklagte wurde am 15.05.2003 vorläufig festge-nommen. Ihm wurde um 9.30 Uhr Gelegenheit gegeben mit der Rechtsanwaltskanzlei [X.]und [X.] zu telefonieren. Rechtsanwalt [X.], den der Angeklagte mit seiner Vertei-digung beauftragen wollte, war nicht anwesend. Sein [X.] Rechtsanwalt [X.] bat darum, dass die Kanzlei von der Vorführung verständigt wird (vgl. [X.]. 59 d.A.).

Staatsanwalt [X.]informierte Rechtsanwalt [X.] gegen 13.45 Uhr über dessen Kanzlei, dass am selben Tag die Zeugin [X.]. ermittlungs[X.]ich vernommen wird. Rechtsanwalt [X.]informierte den Staatsanwalt um 13.50 Uhr darüber, dass er nicht teilnehmen wird. (vgl.
[X.]. 62 d.A.) Eine Benachrichtigung des Angeklagten über
die beabsichtigte Zeugenvernehmung erfolgte nicht und wurde ihm auch nicht anderweitig bekannt.

Am 15.05.2003 wurde um 15.20 Uhr mit der [X.]ichen Vernehmung der Zeugin [X.]. begonnen und diese wurde um 16.30 Uhr beendet. Weder ein Verteidiger noch der Angeklagte waren bei der Vernehmung anwesend (vgl.
[X.]. [X.]).

Am 16.05.2003 um 10.55 Uhr wurde dem Angeklagten der
[X.]ftbefehl vom selben Tag eröffnet. (vgl. [X.]. 67 d.A.). Rechtsanwalt [X.] war bei der [X.]ftbefehlseröffnung anwe-send und übergab eine vom Angeklagten am 16.05.2003 - 6 - unterzeichnete [X.] (vgl. [X.]. [X.]). Der erste [X.] zwischen Verteidiger Rechtsanwalt [X.] und dem [X.] fand nach der ermittlungs[X.]ichen Verneh-mung der Zeugin statt."
2. Diese Darstellung ist insbesondere in zwei wesentlichen Punkten nicht vollständig, wobei die Bezugnahme auf [X.] den [X.] Vortrag im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in der Revisionsbegründung nicht zu ersetzen vermag.

Innerhalb der vom Angeklagten und dem Ermittlungsbeamten un-terzeichneten Niederschrift über die Beschuldigtenvernehmung vom 15. Mai 2003 ([X.]. 59 d.A.) findet sich folgender Vermerk: "Herr [X.]. erhält um 9.30 Uhr Gelegenheit mit dem Rechtsanwalt seiner Wahl, Herrn RA [X.] , vom [X.] [X.] und [X.] ,

, Rücksprache zu [X.]. Herr [X.] erklärt, dass sein Kollege [X.] derzeit bei Gericht ist und keine Zeit hat, bei einer Vernehmung mit anwesend zu sein. Herr [X.] bittet darum, vom Termin der Vorführung verständigt zu werden. Ob sein Mandant Angaben zur Sache machen will oder nicht stellt er ihm frei."
Daraus wird deutlich, daß die Rechtsanwälte [X.]und [X.] die Vertretung des Angeklagten in diesem gegen ihn gerichteten [X.] sofort übernommen haben, wobei Rechtsanwalt [X.]federführend sein sollte. Hierzu bedarf es weder einer schrift-lichen [X.]serteilung noch eines persönlichen Zusammentref-fens. Es genügt insbesondere, daß der Rechtsanwalt als [X.] tatsächlich tätig wird, wie Rechtsanwalt [X.] mit seiner Bera-tung des Angeklagten zu dessen [X.] und seiner Bit-te um Mitteilung des Termins zur Vorführung des Angeklagten vor den [X.]ftrichter. Insbesondere die Beratung des Angeklagten wird in der Revisionsbegründung nicht genannt. Sie erwähnt auch nicht den für die Bewertung des Ablaufs nicht unwesentlichen Punkt, daß die schriftliche [X.] vom 16. Mai 2003 ([X.]. [X.]) auf beide Rechtsanwälte lautet.

3. [X.] ist jedenfalls unbegründet:

Zur Benachrichtigung des Verteidigers über den Termin zur richter-lichen Vernehmung der Geschädigten machte der [X.] Staatsanwalt folgendes aktenkundig ([X.]. 62 d. A.):
"Vermerk: RA [X.] wurde gegen 13h45 über seine Kanzlei der Termin der [X.]. [X.] am heutigen [X.]. Um 13h50 wurde zurückgerufen und mitgeteilt, dass RA [X.]nicht teilnehmen wird."

Weshalb der Verteidiger nicht an der [X.]ichen Vernehmung teilnahm, bleibt im Vermerk offen. Nicht erwähnt wird jedoch eine Verhinderung der Verteidiger zum genannten Termin. Auch die [X.] trägt nicht vor, daß Rechtsanwalt [X.] oder Rechtsanwalt [X.] etwa wegen einer Terminsüberschneidung an der [X.] gehindert gewesen wären, einen [X.] gestellt [X.] darum gebeten hätten, zuzuwarten, bis sie sich mittels [X.] 8 - einsicht oder durch ein Gespräch mit dem Angeklagten auf die Vernehmung vorbereitet haben. Auch jetzt wurde nicht darauf [X.], dass noch gar kein Mandatsverhältnis bestehe. Auf die Teilnahme und damit auf die Ausübung des [X.]s ge-mäß Art. 6 Abs. 3 d MRK wurde für diese Vernehmung, ohne daß triftige Hinderungsgründe ersichtlich sind, verzichtet. Damit schei-det ein Konventionsverstoß und eine Verletzung des Gebots der Gewährung eines fairen Verfahrens wegen der fehlenden [X.] eines Verteidigers an der [X.]ichen Vernehmung der [X.] im Ermittlungsverfahren aus, auch wenn aufgrund von deren Zeugnisverweigerung der Belastungszeugin in der [X.]upt-verhandlung deren Befragung dann nicht mehr nachgeholt werden konnte.

Der Bestellung eines Pflichtverteidigers zusätzlich zum nicht [X.] Wahlverteidiger bedurfte es unter diesen Voraussetzun-gen selbstverständlich nicht.

[X.]

Schließlich genügte die sorgfältige Auseinandersetzung des Land-gerichts mit den Angaben der Geschädigten beim Ermittlungsrichter sogar den besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung im Falle der - hier nicht gegebenen - Verletzung des Rechts des [X.] auf Gelegenheit, die Belastungszeugin zu befragen oder - 9 - befragen zu lassen (Art. 6 Abs. 3 d MRK). Die Strafkammer stützte die Verurteilung auch auf wichtige, außerhalb der Aussage der [X.] liegende Gesichtspunkte. So wurden deren Angaben schon durch das Geständnis des Angeklagten weitgehend bestä-tigt. Hinsichtlich des Vorwurfs der Vergewaltigung - den Vollzug des Geschlechtsverkehrs bestritt der Angeklagte bis zuletzt - findet sich ein zusätzliches gewichtiges Indiz in der Mitteilung der Frauenärztin der Geschädigten gegenüber der Polizei über die Verletzung des Hymens vor dem Hintergrund der Angaben der Stiefschwestern zu fehlenden anderen intimen Beziehungen der damals vierzehnjähri-gen Geschädigten bis nach dem tatrelevanten Zeitraum. [X.]Kolz Hebenstreit

Elf

Graf

Meta

1 StR 396/04

27.01.2005

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2005, Az. 1 StR 396/04 (REWIS RS 2005, 5263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5263

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