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PDF anzeigen5 StR 395/03BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSvom 20. Januar 2004in der Strafsachegegenwegen Totschlags- 2 -Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2004beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Hamburg vom 14. April 2003 nach § 349 Abs. 4StPO im Strafausspruch aufgehoben.Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO alsunbegründet verworfen.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-handlung und Entscheidung, auch über die Kosten desRechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer desLandgerichts zurückverwiesen.G r ü n d eDas Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einerFreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revisiondes Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittelhat Erfolg, soweit es den Strafausspruch betrifft, ist im übrigen jedoch unbe-gründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.I.1. Nach den Feststellungen mißhandelte der Angeklagte die 41-jährige V , zu der er eine intime Beziehung unterhielt, über einen Zeit-raum von etwa eineinhalb Stunden durch Schläge, Tritte und andere Ge-walttätigkeiten derart, daß sie kurze Zeit später an den Folgen der erlittenen- 3 -schweren Verletzungen verstarb. Er tötete Frau V aus Wut darüber, daßsie ihn zuvor in einer Gaststätte —vor allen Leutenfi ohne eine Erklärung hattestehen lassen und anschließend über Stunden nicht auffindbar war. BeiAusführung der Tat war der Angeklagte hochgradig alkoholisiert; seineSteuerungsfähigkeit war erheblich eingeschränkt, aber nicht aufgehoben.2. Das Landgericht bewertet die Tat als Totschlag, da Mordmerkmalejedenfalls aus subjektiven Gründen nicht gegeben seien. Der Angeklagtehabe zwar objektiv aus niedrigen Beweggründen gehandelt; dies könne ihmjedoch subjektiv nicht angelastet werden, da nicht ausgeschlossen werdenkönne, daß er aufgrund der erheblichen Alkoholisierung und der damit ver-bundenen Enthemmung die Niedrigkeit seiner Beweggründe nicht erkennenund in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewußtsein habe aufneh-men können. Das Vorliegen des Mordmerkmals —grausamfi nimmt die Straf-kammer deshalb nicht an, weil nicht auszuschließen sei, daß der Angeklagteerst zum Ende des Tatgeschehens den zumindest bedingten Tötungsvorsatzgefaßt habe und damit die vorangegangenen brutalen und grausamen Miß-handlungen des Opfers von dem Tötungsvorsatz nicht umfaßt gewesen sei-en.3. Im Rahmen der Strafzumessung lehnt die Strafkammer einen be-sonders schweren Fall des Totschlags im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB abund führt dazu aus, daß die Tat zwar Œ objektiv gesehen Œ in der Nähe vonzwei Mordmerkmalen liege, daß diese schulderhöhenden Momente aberaufgrund der erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten anGewicht verlören. Zudem sei die Wut des Angeklagten, in die er sich übermehrere Stunden hineingesteigert habe, und seine damit verbundene be-sondere psychische Situation zur Tatzeit auf das für ihn in der konkreten Si-tuation nicht nachvollziehbare Verhalten der Geschädigten zurückzuführen.Diese Umstände stellten ein erhebliches Gegengewicht zu dem besondersschulderhöhenden Faktor der Nähe zu zwei Mordmerkmalen dar und führtenzur Verneinung eines besonders schweren Fall des Totschlags. Es sei somit- 4 -der Regelstrafrahmen des § 212 Abs.1 StGB zugrunde zu legen. Dieser kön-ne nicht noch einmal nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB gemildert werden, dadie Annahme des § 21 StGB schon zum Ausschluß der Anwendung des§ 212 Abs. 2 StGB geführt habe und damit im Sinne von § 50 StGB bereitsverbraucht sei.II.Diese Erwägungen des Landgerichts begegnen durchgreifenden Be-denken.1. Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, daß dasin der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhn-lich groß ist. Es muß ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Hierfürgenügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeich-nenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehrschulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtigsind (BGH NJW 1982, 2264, 2265; StV 2000, 309; BGHR StGB § 212 Abs. 2Umstände, schulderhöhende 1, 3, 4). Ob dies der Fall ist, kann nur unter Be-rücksichtigung der Gesamtheit der äußeren und inneren Seite der Tat be-antwortet werden.Danach ist schon fraglich, ob allein die vom Landgericht angenomme-ne Nähe zu zwei Mordmerkmalen ausreicht, um einen besonders schwerenFall des Totschlags in Betracht zu ziehen. Dies wird grundsätzlich dann zuverneinen sein, wenn Œ wie hier Œ die erheblich eingeschränkte Schuldfähig-keit des Täters zur Ablehnung der subjektiven Voraussetzungen der Mord-merkmale führt. Denn die Umstände, welche die Verneinung von Mordmerk-malen zur Folge haben, können es nahelegen, auch die Nähe zu Mord-merkmalen zu verneinen. Ansonsten käme man unter Verstoß gegen dasSchuldprinzip auf dem Umweg über die Bejahung der Voraussetzungen des- 5 -§ 212 Abs. 2 StGB zu einem dem Mörder zugedachten Strafrahmen (BGHNStZ 1981, 258; BGH, Beschluß vom 11. September 2003 Œ 2 StR 230/03).2. Darüber hinaus erscheint zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall über-haupt an die Nähe zu zwei Mordmerkmalen gedacht werden kann, da nachden Urteilsausführungen die dem Mordmerkmal —grausamfi nahen Tatele-mente vom Tötungsvorsatz nicht umfaßt waren. Hinzu kommt, daß Hand-lungsmodalitäten Œ wie besondere Brutalität Œ, die Anzeichen für die Stärkeeiner seelischen Beeinträchtigung sind oder sein können, einem vermindertschuldfähigen Angeklagten nicht voll angelastet werden dürfen; keinesfallsdarf sie der Tatrichter als besondere Strafschärfungsgründe bewerten (vgl.BGHR StGB § 21 Strafzumessung 7, 14, 15).3. Besondere (zusätzlich) schulderhöhende Umstände, welche die Tatdes Angeklagten zurechenbar mit Mord auf eine Stufe heben, sind wedervom Landgericht dargetan noch ersichtlich. Vielmehr hat die Strafkammereine Reihe von Milderungsgründen aufgeführt, welche die Strafwürdigkeit derTat nicht unerheblich vermindern. So hat sie als ein deutliches Gegengewichtzu dem von ihr angenommenen schulderhöhenden Faktor der Nähe zu zweiMordmerkmalen unter anderem auf die Œ unabhängig von der alkoholbe-dingten Beeinträchtigung Œ psychische Situation des Angeklagten zur Tatzeitabgestellt, welche auf das für ihn nicht nachvollziehbare und kränkende Ver-halten der später Getöteten zurückzuführen war. Darüber hinaus ist dem An-geklagten zugute gehalten worden, daß er (nur) mit bedingtem Tötungsvor-satz gehandelt habe, die Tat nicht geplant gewesen sei und er Reue gezeigthabe. Demgegenüber hat das Landgericht ihm neben seiner Vorstrafe wegenKörperverletzung die Dauer des Tatgeschehens angelastet und den Um-stand, daß er die Tat in der eigenen Wohnung des ihm vertrauenden Opfersbegangen habe.4. Nach allem lag die Annahme eines besonders schweren Falls desTotschlags eher fern und es bedurfte nicht der Berufung auf den vertypten- 6 -Milderungsgrund des § 21 StGB, um den besonders schweren Fall auszu-schließen. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob dessen Vernei-nung unter Heranziehung eines vertypten Milderungsgrundes die Anwen-dung des § 50 StGB ohne weiteres nach sich zieht (vgl. dazu unter anderemBGH NJW 1986, 1699, 1700; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer FallŒ Gesamtwürdigung, unvollständige 11; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 50Rdn. 2; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 50 Rdn. 14 ff.).5. Da es sich um einen Wertungsfehler handelt, bedarf es keiner Auf-hebung von Feststellungen. Der neue Tatrichter darf ergänzende, den bishe-rigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.Harms Häger BasdorfGerhardt Raum
Meta
20.01.2004
Bundesgerichtshof 5. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2004, Az. 5 StR 395/03 (REWIS RS 2004, 4973)
Papierfundstellen: REWIS RS 2004, 4973
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
2 StR 230/03 (Bundesgerichtshof)
4 StR 95/21 (Bundesgerichtshof)
Totschlag: Besondere Verwerflichkeit als Voraussetzung eines besonders schweren Falls
3 StR 47/18 (Bundesgerichtshof)
Totschlag: Prüfungsmaßstab für das Vorliegen eines besonders schweren Falles
1 StR 234/05 (Bundesgerichtshof)
1 StR 174/01 (Bundesgerichtshof)
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