Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.11.2018, Az. 2 StR 262/18

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 1433

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Gegenstand

Einziehung von Taterträgen bei Mittäterschaft: Rechtsfehlerhaftes Unterlassen einer Einziehungsentscheidung


Tenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.]vom 1. März 2018 dahingehend ergänzt, dass gegen die Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 500 € angeordnet wird, für die sie gesamtschuldnerisch haften, und gegen die Angeklagten Ba.          und T.        die weitere Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 4.300 €, für die diese als Gesamtschuldner haften.

Die Angeklagten haben die Kosten der Rechtsmittel zu tragen. Es wird davon abgesehen, der Angeklagten B.      die Kosten und Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.]hat die Angeklagte B.      wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Urteile des [X.]zu einer [X.]von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Angeklagten Ba.       und T.      hat es wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten Ba.       unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des [X.]vom 3. Juni 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und einem Monat, den Angeklagten T.        zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren.

2

Die auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf die unterlassenen Anordnungen der Einziehung von [X.]beschränkten, vom [X.]vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.

I.

3

Nach den Feststellungen des [X.]entschlossen sich die zur Tatzeit 20 Jahre und sieben Monate alte Angeklagte B.     und die Mitangeklagten, den Zeugen G.    , den sie im Besitz einer größeren Menge Bargeld wähnten, nachts in dessen Wohnung durch den Einsatz körperlicher Gewalt zur Herausgabe des Bargeldes zu zwingen und dieses zu gleichen Teilen unter sich aufzuteilen. Dem [X.]entsprechend fuhren die Angeklagten in der Nacht auf den 7. August 2015 gemeinsam zur Wohnung des Zeugen G.     in L.     . Nachdem dieser auf das Klopfen der ihm bekannten Angeklagten B.     die Wohnungstüre öffnete, drangen die Angeklagten Ba.      und T.      in die Wohnung, während die Angeklagte B.     in Erwartung der erfolgreichen Tatausführung zurück zum Pkw ging. T.     forderte den Zeugen G.     unter Anwendung körperlicher Gewalt zur Herausgabe von Bargeld auf. Ba.     stürmte mit einem rund 30 cm langen Küchenmesser auf die von den Geräuschen aufgeschreckte Lebensgefährtin des Zeugen G.    , die Zeugin K.   , zu und hielt ihr das Messer mit der Spitze in kurzem Abstand vor den Hals. So begaben sich die Angeklagten Ba.     und T.    mit den Zeugen in deren Schlafzimmer, wo G.    aus einer Jacke 4.800 € Bargeld in Scheinen holte und es aus Angst vor weiteren Repressalien einem der Angeklagten gab. Nachdem Ba.     und T.    , die wechselseitig mit dem Würgen und dem Vorhalten des Messers als Mittel, die Bargeldherausgabe zu erzwingen, einverstanden waren, die Wohnung verlassen hatten, erhielt die Angeklagte B.    vom erbeuteten Bargeld 500 €. Das Geld erhielt G.    nicht zurück.

II.

4

Eine Einziehungsentscheidung hat das [X.]nicht getroffen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft zu Recht.

5

1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf die [X.]der Einziehung von [X.]beschränkt (§ 344 Abs. 1 StPO BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 - 3 StR 560/17, NJW 2018, 2141 Rn. 4 mwN). Eine Rechtsmittelbeschränkung ist nach den allgemeinen Grundsätzen wirksam, wenn der angefochtene Teil der Entscheidung losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104). Dies ist vorliegend auch im Hinblick auf die gegen die Angeklagte B.     verhängte [X.]zu bejahen.

6

2. Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung richtet sich vorliegend gemäß Art. 316h Satz 1 [X.]nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 ([X.]I 2017, 872) eingeführten und am 1. Juli 2017 in [X.]getretenen neuen Regelungen der §§ 73 ff. StGB. Danach ist zwingend das einzuziehen, was der Täter durch oder für die Tat erlangt hat (§ 73 StGB nF) oder, sofern die Einziehung des erlangten Gegenstands nicht möglich ist, die Einziehung eines Geldbetrags auszusprechen, der dem Wert des [X.]entspricht (§ 73c StGB nF). Es stellt daher einen Rechtsfehler dar, wenn sich das Tatgericht, das keine Entscheidung nach § 421 StPO getroffen hat, in den Urteilsgründen nicht mit der Frage einer Einziehungsanordnung befasst, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass deren Voraussetzungen gegeben sind (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2017 - 1 StR 231/16, NStZ 2017, 401, 403).

7

So verhält es sich hier. Nach den Feststellungen des [X.]haben die Angeklagten Ba.     und T.    durch die Tat Mitverfügungsgewalt (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 3 StR 50/08, NStZ 2008, 623; Urteil vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18; Urteil vom 18. Juli 2018 - 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278) an Bargeld in Höhe von 4.800 € erlangt, die Angeklagte B.    sodann an 500 € hiervon. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten ist ausreichend aber auch erforderlich, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben, was der Fall ist, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können. Unerheblich ist dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch [X.]gemindert wurde (BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623/17 Rn. 8). Mehrere Tatbeteiligte, die - wie hier - an denselben Gegenständen Mitverfügungsgewalt erlangt haben, haften als Gesamtschuldner (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 2 StR 12/18 mwN). Die Vorschriften der §§ 73 ff. [X.]sind über die Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG auch im Jugendstrafrecht anwendbar (vgl. zu §§ 73 ff. [X.]aF BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 175 Rn. 7 ff.).

8

3. Der Senat kann auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Wert des von dem Angeklagten [X.]selbst bestimmen und insoweit die Anordnung der Einziehung und die gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten nachholen. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist davon auszugehen, dass sich das erlangte Bargeld mit anderem Bargeld der Angeklagten vermischt hat und ausgegeben wurde, so dass es aus anderen Gründen im Sinne von § 73c Satz 1 StGB nicht mehr gegenständlich eingezogen werden kann. Der Anspruch, der dem oder den Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des [X.]oder auf Ersatz des Wertes des [X.]erwachsen ist, ist hier auch nicht, insbesondere nicht durch Rückgewähr des erlangten Geldes oder eines entsprechenden Geldbetrages erloschen (§ 73e StGB).

Franke     

        

Eschelbach     

        

Meyberg

        

Grube     

        

Schmidt     

        

Meta

2 StR 262/18

21.11.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 1. März 2018, Az: 82 Ss 45/18

§ 267 StPO, § 421 StPO, § 25 Abs 2 StGB, § 73 StGB, § 73c StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.11.2018, Az. 2 StR 262/18 (REWIS RS 2018, 1433)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1433

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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