Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.11.2020, Az. 6 StR 258/20

6. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1512

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Gegenstand

Erweiterte Einziehung: Taugliche Zugriffsobjekte


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Februar 2020 im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben, soweit gegen den Angeklagten die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von mehr als 172.300 Euro angeordnet worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Ferner hat es [X.] getroffen. Die auf Verfahrensrügen und die Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die auf § 73a Abs. 1, § 73c Abs. 1 StGB gestützte Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand, soweit sie über die Anordnung der Einziehung eines dem Wert der sichergestellten Geldscheine und der [X.] entsprechenden Betrages von 172.300 Euro hinausgeht.

3

a) Das [X.] hat einen Geldbetrag in Höhe von 518.290 Euro eingezogen. Der Betrag beruht auf der Addition der Werte des aufgefundenen Bargelds (143.300 Euro), der im Zeitraum Juni 2017 bis März 2019 geleisteten Miet- und Darlehenszahlungen (44.490 Euro) sowie der Kaufpreise für den Ankauf von drei Fahrzeugen (86.500 Euro), der [X.] (29.000 Euro) und 50 „[X.]n“ (215.000 Euro).

4

b) Die [X.] ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die ursprünglichen Geldmittel aus nicht konkret feststellbaren rechtswidrigen Taten stammen und nicht mehr vorhanden sind. Sie hat auch beachtet, dass § 73a StGB keine rechtliche Grundlage für die Einziehung von [X.] darstellt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. April 2019 – 5 [X.], [X.]R StGB § 73a nF Abs. 1 Anwendungsbereich 1; vom 4. Juli 2019 – 4 StR 590/18, Rn. 20), so dass hinsichtlich der sichergestellten [X.] nicht diese selbst, sondern in Bezug auf die für deren Kauf aufgewendete, aus rechtswidrigen Taten herrührende Geldsumme die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen war.

5

c) Rechtsfehlerhaft ist aber die erweiterte Einziehung des Wertes des zugleich als Tatmittel eingezogenen [X.]. Denn insoweit hat die Einziehung nach § 74 StGB Vorrang (vgl. zu § [X.] [X.], Beschluss vom 16. März 2010 – 4 [X.], [X.], 347, 348; zu § 73a nF LK-StGB/[X.], 13. Aufl., § 73a Rn. 20; [X.]/[X.]/Eser/[X.], StGB, 30. Aufl., § 73a Rn. 5).

6

d) Die [X.] hat ferner nicht erkennbar geprüft, ob alle Geldmittel beziehungsweise die damit erworbenen Surrogate bei der Begehung der [X.] (ab Sommer 2018) noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren. Den Urteilsgründen lässt sich nur entnehmen, dass Geldscheine im Wert von 143.300 Euro, die [X.] sowie das als Tatmittel eingezogene Fahrzeug aufgefunden wurden.

7

aa) [X.] Zugriffsobjekte der erweiterten Einziehung gemäß § 73a Abs. 1, § 73c Abs. 1 StGB sind „Gegenstände“ nur dann, wenn sie oder ihre Surrogate bei Begehung der die erweiterte Einziehung eröffnenden Anknüpfungstat noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren (vgl. zu § [X.] [X.], Urteil vom 9. Mai 2001 – 3 StR 541/00, [X.], 531; Beschluss vom 23. Mai 2012 – 4 [X.], [X.], 312, 313; BT-Drucks. 11/6623, S. 8; zu § 73a nF BayObLG, Beschluss vom 23. April 2020 – 207 [X.] 138/20; MüKo-StGB/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 73a Rn. 20).

8

bb) Soweit dies nicht der Fall war, was zumindest auf die vor Begehung der [X.] entrichteten Miet- und Darlehenszahlungen zutrifft, scheidet die erweiterte Einziehung aus.

9

e) Schließlich kann auf Basis der Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte die „[X.]“ und die zwei Pkw vom Typ [X.] [X.] jedenfalls teilweise wieder verkauft und mit etwaigen Erlösen die weiteren, durch die [X.] der erweiterten Einziehung unterworfenen Gegenstände bezahlt oder Verbindlichkeiten getilgt hat oder die Erlöse Teil des bei ihm aufgefundenen Bargeldes geworden sind. In all diesen Fällen hätte die [X.] diese Vermögenswerte doppelt erfasst.

2. Die Anordnung der Einziehung bedarf daher im Umfang ihrer Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Diese dürfen den bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen.

Sander     

        

Ri[X.] Prof. Dr. König
ist urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

        

Feilcke

                 

Sander

                 
        

Tiemann     

        

     von [X.]     

        

Meta

6 StR 258/20

03.11.2020

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 27. Februar 2020, Az: 46 KLs 29/19

§ 73a Abs 1 StGB, § 73c Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.11.2020, Az. 6 StR 258/20 (REWIS RS 2020, 1512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1512

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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