Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2008, Az. II ZR 38/07

II. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 4130

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 5. Mai 2008 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja § 64 Abs. 2 GmbHG Der Geschäftsführer einer GmbH verletzt seine [X.] aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG auch dann, wenn er mit [X.], die von anderen [X.] auf das Geschäftskonto der GmbH gezahlt worden sind, Schulden [X.]r Gesellschaften begleicht; seine Haftung ist aber nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ausgeschlossen, weil er bei den Auszahlungen angesichts des Zusammentreffens der [X.] mit der - durch § 266 StGB strafbewehrten - Pflicht zur weisungsgemäßen Verwendung der fremden Gelder mit der Sorgfalt eines [X.] Geschäftsmanns gehandelt hat. [X.], Urteil vom 5. Mai 2008 - [X.]/07 - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 5. Mai 2008 durch [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 28. Juni 2006 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des [X.] vom 8. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden dem Kläger auferlegt. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger ist Insolvenzverwalter der L.

GmbH Gesellschaft für Baubetreuung und Projektentwicklung (im Folgenden: Schuldnerin). Er nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer auf Rückzahlung von nach [X.] der Insolvenzreife veranlassten Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen in Anspruch. 1 - 3 - Die Schuldnerin ist Teil eines Konzerns. Nachdem eine wirtschaftliche Schieflage entstanden war, leiteten die Muttergesellschaft v.

GmbH und verschiedene Schwestergesellschaften ab Februar 2002 - z.T. durch Abtretungen, z.T. durch Überweisungen - eingehende [X.]. mehr als 504.000,00 • auf das Geschäftskonto der Schuldnerin, um eine Vereinnahmung des Geldes durch ihre Hausbanken zu verhindern. Von diesem Geld überwies der Beklagte am 15. Mai 2002 insgesamt 329.980,44 • an Gläubiger der anderen Konzerngesellschaften. An demselben Tage stellte er als Geschäftsführer (auch) der anderen Gesellschaften Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Für die Schuldnerin stellte er den [X.] am 5. Juni 2002. 2 Nach Klageabweisung im ersten Rechtszug hat das Berufungsgericht der Klage teilweise, nämlich i.H.v. 320.980,44 • stattgegeben. Der Beklagte verfolgt mit der von dem erkennenden [X.]at zugelassenen Revision seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur vollständigen Abweisung der Klage. 4 I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klage sei gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG in dem ausgeurteilten Umfang begründet. Der Beklagte habe nach [X.] der Insolvenzreife der Schuldnerin die in Rede stehenden Zahlungen der Schuldnerin bewirkt, die zu einer Masseverkürzung geführt hätten. Daran [X.] - 4 - re der Umstand nichts, dass die Schulden der anderen Konzerngesellschaften mit deren Geld beglichen worden seien. Es habe nicht lediglich ein Aktiven-tausch stattgefunden. Vielmehr sei das Geld auf das Geschäftskonto der Schuldnerin geflossen und hätte daher zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger der Schuldnerin zur Verfügung gestanden. Ob bei Vorliegen eines Treuhand-verhältnisses - ggf. in Form einer Cash-Pool-Abrede - etwas anderes gelten würde, könne offen bleiben. Denn ein Cash-Pool sei hier mangels einer schrift-lichen Abrede und der Einrichtung eines [X.] nicht gebildet worden. [X.] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in einem we-sentlichen Punkt nicht stand. 6 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Schuldnerin am 15. Mai 2002, als der Beklagte die Zahlungen in Höhe der noch im Streit befindlichen 320.980,44 • veranlasst hat, überschuldet war. Die Revision wehrt sich gegen diese tatrichterliche Feststellung nicht; sie ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden. Damit ist der objektive Tatbestand des § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG erfüllt. Auf eine positive "Feststellung" der Überschuldung kommt es nicht an ([X.] 143, 184, 185). 7 2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts scheitert eine Ersatz-pflicht des Beklagten aber an § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Danach wird vermu-tet, dass die nach Insolvenzreife erfolgten Zahlungen mit der Sorgfalt eines or-dentlichen Geschäftsmanns nicht vereinbar sind. Der Geschäftsführer kann [X.] Vermutung jedoch widerlegen, was dem Beklagten hier gelungen ist. 8 - 5 - a) Dazu macht die Revision allerdings zu Unrecht geltend, die Zahlungen hätten eine Masseverkürzung nicht zur Folge gehabt (vgl. [X.] 146, 264, 274 f.). 9 10 Die Regelung des § 64 Abs. 2 GmbHG hat den Zweck, Masseverkür-zungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern bzw. für den Fall, dass der Geschäftsführer dieser [X.] nicht nachkommt, si-cherzustellen, dass das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt wird, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht (st.Rspr. s. etwa [X.]at, [X.] 143, 184, 186; Urt. v. 14. Mai 2007 - [X.], [X.], 1265, 1266). Wie der [X.]at bereits in seinem Urteil vom 31. März 2003 ([X.], [X.], 1005, 1006) ausgeführt hat, widerspricht es dieser Zielsetzung, eine [X.] nur deshalb zu verneinen, weil die Gesellschaft vor der Zahlung gleich hohe Zahlungen anderer ([X.] erhalten hat, durch welche diese ihre Pflicht zum Aufwendungsersatz vorab haben erfüllen wollen (a.A. [X.] in [X.], GmbHG 8. Aufl. § 64 Rdn. 40; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG 18. Aufl. § 64 Rdn. 79; [X.], [X.] 168 [2004], 637, 646 ff.). Unabhängig davon, ob mit der Zahlung eine im Außenverhältnis eigene Schuld der Gesellschaft - wie in dem der zitierten [X.]atsentscheidung zugrunde liegenden Fall - oder lediglich Schulden der anderen Gesellschaften beglichen werden sollen, wird die Insolvenzmasse der auf die Schulden zahlen-den Gesellschaft durch diese Zahlung verkürzt. Unterbleibt die Zahlung, stehen die von den anderen Gesellschaften zugeführten Gelder nämlich den [X.] zur Verfügung, wobei die anderen Gesellschaften mit ihren eventuellen Ansprüchen wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB) ebenfalls an dem Insolvenzverfahren teilnehmen. Die von der Gegenmeinung befürwortete teleologische Reduktion des § 64 Abs. 2 - 6 - GmbHG ([X.], [X.], aaO) würde es dagegen in das freie Belie-ben des Geschäftsführers stellen, die Zahlung zu leisten und damit die Mittel dem Insolvenzverfahren zu entziehen oder auf die Zahlung zu verzichten und damit die Mittel für eine Verteilung an die Insolvenzgläubiger zu sichern. Das würde dem Erfordernis einer klaren, einfach handhabbaren Regelung im [X.] des Insolvenzverfahrens widersprechen und dem Geschäftsführer einen Einfluss auf den Bestand der Insolvenzmasse geben, der ihm nach § 64 Abs. 2 GmbHG gerade nicht zukommen soll. Die Schuldnerin war auch nicht "nach Art einer Bank" in die Zahlungs-vorgänge eingeschaltet worden ([X.].Urt. v. 31. März 2003 aaO). Eine Masse-neutralität in diesem Sinne könnte allenfalls dann vorliegen, wenn die Gesell-schaft die eingehenden Gelder auf Treuhandkonten verbuchen lässt und auf-grund dessen für die Treugeber Aussonderungsrechte nach § 47 [X.] begrün-det (vgl. [X.], Urt. v. 19. November 1992 - [X.], [X.], 213). Der Beklagte hat die Gelder jedoch auf das allgemeine Geschäftskonto der Schuld-nerin fließen lassen. Damit fehlte es an der für ein Aussonderungsrecht erfor-derlichen "Verdinglichung" der Rechtsstellung der Treugeber. Sollten auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin zu jener [X.] keine eigenen Gelder gebucht gewesen sein, kann das entgegen der Auffassung der Revision nicht ausrei-chen, um das Geschäftskonto als abgesondertes Treuhandkonto erscheinen zu lassen. 11 b) Die Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG sind aber [X.] erfüllt, weil der Beklagte bei den Zahlungen den Anforderungen entspro-chen hat, die nach dieser Norm an einen Geschäftsführer in der Lage des [X.] zu stellen sind. 12 - 7 - Wie der [X.]at bereits in seinem Urteil vom 14. Mai 2007 ([X.], [X.]. 12, [X.], 1265) ausgeführt hat, kann es einem Geschäftsführer nicht angesonnen werden, die [X.] aus § 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und Zahlungen nicht zu leisten, wenn er sich dadurch strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde. In jenem Fall ging es um die Strafvorschrift des § 266 a StGB, nach der sich strafbar macht, wer fällige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abführt. Angesichts dieser Strafandrohung kann - so hat der [X.]at angenommen - ein Vorrang der [X.] nicht [X.] werden. Vielmehr muss das dem strafbewehrten Gebot entsprechende Verhalten des Geschäftsführers als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden. Ebenso hat der [X.]at die Abführung von Lohnsteuern beurteilt. 13 Auch der Beklagte war in einer vergleichbaren Lage, als er die Entschei-dung zu treffen hatte, entweder die eingegangenen Zahlungen der anderen Konzerngesellschaften absprachegemäß zur Befriedigung von deren Gläubi-gern zu verwenden oder sie für das bevorstehende Insolvenzverfahren der Schuldnerin zurückzuhalten. [X.] des [X.] zu den anderen Ge-sellschaften, das aufgrund der einverständlichen Weiterleitung von allein diesen zustehenden [X.] begründet worden war, oblag ihm die Pflicht, fremde, nämlich die Vermögensinteressen der anderen Gesellschaften wahrzunehmen. Diese Pflicht hätte er verletzt, wenn er die Zahlungen unterlassen und so die Gelder für die Insolvenzmasse der Schuldnerin gesichert hätte. In dieser Lage hatte die [X.] nicht Vorrang vor den - auch durch § 266 StGB geschützten - Interessen der anderen Konzerngesellschaften. Das [X.] des Beklagten entsprach vielmehr der Sorgfalt eines ordentlichen Ge-schäftsmanns. Dass er sich als Geschäftsführer der anderen Gesellschaften 14 - 8 - nach § 64 Abs. 2 GmbHG ersatzpflichtig gemacht haben mag, spielt im [X.] zu der Schuldnerin keine Rolle. [X.][X.]

Strohn

[X.] Reichart Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 08.12.2005 - 3 O 379/05 - [X.], Entscheidung vom 28.06.2006 - 12 U 81/06 -

Meta

II ZR 38/07

05.05.2008

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2008, Az. II ZR 38/07 (REWIS RS 2008, 4130)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 4130

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