Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 1 StR 227/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9388

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Gegenstand

Strafurteil wegen Betäubungsmitteldelikts: Erforderlichkeit der konkreten Feststellung der Wirkstoffmenge


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] - auswärtige [X.] [X.] - vom 13. Januar 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) soweit der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe verurteilt wurde,

b) im [X.],

c) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln und wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Weiter wurde der Verfall von [X.] in Höhe von 2.200 Euro angeordnet.

2

Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 22. Mai 2017 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall [X.] der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil die [X.] den Wirkstoffgehalt des abgegebenen Betäubungsmittels nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat.

4

Es unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das [X.] den Wirkstoffgehalt des sichergestellten Betäubungsmittels mit 5 % THC geschätzt hat ([X.]). Wegen der Bedeutung der Wirkstoffmenge für eine sachgerechte, schuldangemessene Festsetzung der Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht kann auf eine nach den Umständen des Falles mögliche genaue Feststellung des [X.] nicht verzichtet werden ([X.], Beschluss vom 14. Juni 1996 - 3 [X.], [X.], 498 mwN). Da nach den Feststellungen des [X.]s bei einer Kontrolle des Abnehmers des Angeklagten Marihuana aufgefunden wurde ([X.]), wäre ohne weiteres eine exakte Feststellung des [X.] durch das Gutachten einer Untersuchungsstelle möglich gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass das sichergestellte Marihuana für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung gestanden haben könnte, bestehen nicht.

5

Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verurteilung in diesem Fall auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Da das [X.] nur von einem relativ geringen Überschreiten der nicht geringen Menge ausgegangen ist, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine exakte Feststellung des [X.] zu einer geringeren Wirkstoffmenge und damit auch zu einem anderen Schuldspruch des Angeklagten sowie niedrigeren Freiheitsstrafen geführt hätte.

6

2. Die Aufhebung der Verurteilung in Bezug auf Fall [X.] der Urteilsgründe bedingt auch die Aufhebung der vom [X.] gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe.

7

3. Auch die Entscheidung über die Anordnung des Verfalls von [X.] zu Fall [X.] der Urteilsgründe kann schon auf Grund des Wegfalls der Verurteilung keinen Bestand haben. Die Entscheidung begegnet aber auch deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das [X.] den Regelungsgehalt des § 73c StGB nicht bedacht hat. Diese Vorschrift ist auf Grund der nach Artikel 2 Ziffer 2 des [X.] vom 13. April 2017 ([X.] I 2017, 872, 878) geltenden Übergangsvorschrift des Art. 316h [X.] für das vorliegende Verfahren in der bisherigen Fassung auch weiter anwendbar. Die Härtevorschrift des § 73c Satz 1 StGB bildet im Einzelfall das notwendige Korrektiv zum Bruttoprinzip und eröffnet dem Tatrichter die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen ganz oder teilweise vom Verfall abzusehen (vgl. nur [X.], Beschluss vom 14. Januar 2016 - 1 [X.], [X.], 108 mwN). Ob dieses Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt wurde, vermag der Senat jedoch nicht zu beurteilen, da sich den Urteilsgründen keinerlei Ausführungen dazu entnehmen lassen. Angesichts der vom [X.] festgestellten Schulden des Angeklagten ([X.]) kann eine Anwendung der Härtevorschrift auch nicht ausgeschlossen werden.

8

4. Die zu Grunde liegenden Feststellungen zu Fall [X.] der Urteilsgründe und zum Verfall von [X.] werden mit aufgehoben, weil diese auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung getroffen wurden.

Graf     

       

Jäger     

       

Radtke

       

Fischer     

       

Bär     

       

Meta

1 StR 227/17

20.06.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Karlsruhe, 13. Januar 2017, Az: 93 Js 1733/15 - 16 KLs

§ 261 StPO, § 267 StPO, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 1 StR 227/17 (REWIS RS 2017, 9388)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9388

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