Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.04.2016, Az. 1 WB 27/15

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2016, 12038

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Gegenstand

Auswahlverfahren; Fortsetzung nach Fehlerbehebung; Bewerberkreis


Leitsatz

Wird ein Auswahlverfahren zur Besetzung eines höherwertigen militärischen Dienstpostens fortgesetzt, nachdem eine fehlerhafte erste Auswahlentscheidung aufgehoben wurde, so ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der zu treffenden neuen Auswahlentscheidung maßgeblich. Die Auswahl nach dem Leistungsprinzip ist dabei grundsätzlich nicht auf den bei der ersten Auswahlentscheidung betrachteten Bewerberkreis begrenzt.

Tatbestand

1

[X.]er ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Zuletzt wurde er am ... 2009 zum Oberst befördert und mit Wirkung vom ... 2009 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe [X.] eingewiesen.

2

Mit Schreiben vom 2. März 2015 beantragte der Antragsteller seine Versetzung auf den neu geschaffenen, nach Besoldungsgruppe [X.] dotierten [X.]ienstposten des Abteilungsleiters ... im ....

3

Am 14. April 2015 wählte der Abteilungsleiter Personal im [X.] für diesen [X.]ienstposten ... aus. Neben dem ausgewählten Bewerber waren der Antragsteller sowie ein weiterer Offizier im [X.]ienstgrad Oberst in die engere Wahl gezogen worden.

4

Mit Schreiben vom 27. April 2015 legte der Antragsteller gegen seine [X.] „Beschwerde“ ein.

5

Aufgrund einer Entscheidung des Abteilungsleiters Personal vom 10. Mai 2015 wurde die Auswahlentscheidung zugunsten von ... am 12. Mai 2015 aufgehoben und angeordnet, dass das Auswahlverfahren zur Besetzung des [X.]ienstpostens erneut aufgenommen werde. Grund für die Aufhebung war, dass es an einer hinreichenden Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen der betrachteten Bewerber fehle. [X.]er strittige [X.]ienstposten war zum Zeitpunkt der Aufhebung der Auswahlentscheidung noch nicht besetzt; der zunächst ausgewählte Bewerber ... wurde auch nicht mit der kommissarischen Wahrnehmung der Aufgaben des [X.]ienstpostens betraut.

6

Nachdem in der Folgezeit keine Einigkeit zwischen dem Antragsteller und dem [X.] - [X.] 2 - erzielt wurde, wie die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertete „Beschwerde“ vom 27. April 2015 nach Aufhebung der ursprünglich angegriffenen Auswahlentscheidung zu behandeln sei, legte das [X.] den Antrag - auf Wunsch des Antragstellers - mit einer Stellungnahme vom 6. Juli 2015 dem Senat vor.

7

Im gerichtlichen Verfahren beantragte der Antragsteller, das [X.] zu verpflichten, das noch nicht beendete Auswahlverfahren zur Besetzung des nach Besoldungsgruppe [X.] dotierten [X.]ienstpostens Abteilungsleiter ... im ... zum Abschluss zu bringen und ihn, den Antragsteller, für diesen [X.]ienstposten auszuwählen und auf den [X.]ienstposten zu versetzen. Zur Begründung verwies der Antragsteller darauf, dass er aus dem ursprünglichen Bewerberfeld der einzig verbliebene Kandidat sei; die beiden anderen Bewerber seien inzwischen anderweitig versetzt. Ungeachtet dessen habe er von Beginn an ausgewählt werden müssen, weil er der am besten geeignete Bewerber sei.

8

[X.]as [X.] trat dem unter Hinweis auf seine - dem Antragsteller bereits vorgerichtlich mit Schreiben vom 13. Mai 2015 mitgeteilte - Auffassung entgegen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Aufhebung der ursprünglichen Auswahlentscheidung mangels Beschwer unzulässig sei. Es stehe dem Antragsteller frei, im Falle einer erneuten [X.] wiederum die gerichtliche Entscheidung zu beantragen.

9

Am 23. Februar 2016 entschied der Abteilungsleiter Personal im [X.], den strittigen [X.]ienstposten nunmehr mit dem Antragsteller zu besetzen. Bei der Auswahl waren neben dem Antragsteller weitere Mitbewerber, die nicht bereits zum [X.] bei der ursprünglichen Auswahlentscheidung gezählt hatten, mitbetrachtet worden.

Im Hinblick auf seine Auswahl und seine anschließende Versetzung auf den [X.]ienstposten hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. April 2016 den vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten dem [X.] aufzuerlegen. [X.]as [X.] - [X.] 2 - hat der Erledigungserklärung bereits vorab mit Schreiben vom 24. Februar 2016 zugestimmt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. [X.]ie Beschwerdeakte des [X.]esministeriums der Verteidigung - [X.] 2 - Az.: 487/15 -, die Gerichtsakte des noch offenen parallelen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes BVerwG 1 [X.] 8.15 und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis [X.], haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 [X.] nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 [X.], § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. April 2008 - 1 [X.] 4.08 - Rn. 8 m.w.N.).

Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, den Antrag, die Kosten des Verfahrens dem [X.] aufzuerlegen, abzulehnen, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung keinen Erfolg gehabt hätte.

1. Soweit sich die vom [X.]esministerium der Verteidigung zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertete "Beschwerde" vom 27. April 2015 auf die erste Auswahlentscheidung vom 14. April 2015 bezog, war der Antragsteller seit der Aufhebung dieser Entscheidung am 10./12. Mai 2015 nicht mehr beschwert. Auch für das Verpflichtungsbegehren, auf den strittigen Dienstposten versetzt zu werden, fehlt seitdem das Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Abteilungsleiter Personal im [X.]esministerium der Verteidigung hat gleichzeitig mit der Aufhebung der ersten Auswahlentscheidung verfügt, das Auswahlverfahren zur Besetzung des Dienstpostens erneut aufzunehmen und auf der Grundlage vergleichbarer - zum Teil erst noch zu erstellender - dienstlicher Beurteilungen einer neuen Auswahlentscheidung zuzuführen. Mehr konnte der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht beanspruchen.

2. Der Antragsteller musste den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27. April 2015 auch nicht im Hinblick auf die ausstehende zweite Auswahlentscheidung - von der [X.] nicht absehbar war, dass sie zu seinen Gunsten ausfallen würde - aufrechterhalten.

Wird während eines laufenden [X.] um einen höherwertigen militärischen Dienstposten die angefochtene Auswahlentscheidung aufgehoben und eine neue Auswahlentscheidung getroffen, erstreckt sich der gegen die erste Auswahlentscheidung eingelegte Rechtsbehelf nicht auf die zweite Auswahlentscheidung (BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - 1 [X.] 1.15 - NVwZ-RR 2016, 60 = [X.], 31, jeweils [X.] und Rn. 32 f.). Der Antragsteller hätte deshalb in dem (nicht eingetretenen) Fall, dass der Abteilungsleiter Personal wiederum einem anderen Bewerber den Vorzug eingeräumt hätte, die zweite Auswahlentscheidung mit einem gesonderten Rechtsbehelf anfechten müssen.

3. Die Aufrechterhaltung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 27. April 2015 war schließlich nicht geeignet, die Zahl der für die Dienstpostenbesetzung in Betracht kommenden Offiziere auf den der Auswahlentscheidung vom 14. April 2015 zugrundeliegenden [X.] "festzuschreiben".

a) Maßgeblich nach Wiederaufnahme des Auswahlverfahrens ist nicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ersten (aufgehobenen), sondern der zweiten (noch zu treffenden) Auswahlentscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 [X.] 44.11 - juris Rn. 27 m.w.N.; ebenso für das Dienstrecht der Beamten und Richter BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 58). Dies bedeutet auch, dass ggf. ein neues Bewerberfeld und das jeweils aktuelle Beurteilungsbild der zu betrachtenden Bewerber für die neue Auswahlentscheidung in den Blick zu nehmen sind (BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - 1 [X.] 1.15 - NVwZ-RR 2016, 60 = [X.], 31, jeweils Rn. 33).

b) Soweit der 2. Revisionssenat gebilligt hat, dass ein neu hinzutretender Kandidat - ausnahmsweise - vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden kann, wenn er sich erst lange nach Ablauf einer Bewerbungsfrist beworben hat und das Auswahlverfahren bereits so weit fortgeschritten ist, dass alle Voraussetzungen für die Auswahlentscheidung vorliegen (BVerwG, Beschluss vom 30. April 2012 - 2 VR 6.11 - juris Rn. 3 ff.), ist eine solche Sachverhaltsgestaltung hier nicht gegeben. Nach Aufhebung der ersten Auswahlentscheidung vom 14. April 2015 stand die Vorbereitung der neuen Auswahlentscheidung wegen der Notwendigkeit, aktuelle dienstliche Beurteilungen einzuholen, vielmehr erst in den Anfängen.

c) Der Antragsteller kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des [X.] berufen, wonach ein Bewerber im Falle des unberechtigten Abbruchs eines Auswahlverfahrens dessen zeitnahe Fortführung mit dem bestehenden [X.] verlangen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 21 ff.).

Es liegt hier bereits kein Fall des Abbruchs eines Auswahlverfahrens vor. Der Dienstherr kann ein Auswahlverfahren etwa dann abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann oder wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 19 und Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 1 [X.] 56.14 - juris Rn. 31, jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier indes nicht. Die erste Auswahlentscheidung vom 14. April 2015 wurde nicht deshalb aufgehoben, weil der Dienstherr das Auswahlverfahren für gescheitert und ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hielt; es ging vielmehr lediglich darum, das begonnene Auswahlverfahren unter Behebung eines Fehlers fort- und zu Ende zu führen.

Meta

1 WB 27/15

29.04.2016

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 3 Abs 1 SG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.04.2016, Az. 1 WB 27/15 (REWIS RS 2016, 12038)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12038

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