Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.08.2018, Az. 1 BGs 324/18

Ermittlungsrichter | REWIS RS 2018, 5221

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafrechtliches Ermittlungsverfahren: Beschlagnahme DNA-fähigen Materials bei Zeugnisverweigerungsberechtigten


Tenor

1. Gemäß §§ 103, 105, 162, 169 Abs. 1 Satz 2 [X.] wird die

Durchsuchung

der Person der Betroffenen

...

sowie der von ihr genutzten Wohn- und Nebenräume in der

...

zur Sicherstellung von Gegenständen mit [X.] Material, wie Schmutzwäsche, Haar- oder Zahnbürsten, der Betroffenen ...

angeordnet.

2. Gemäß §§ 94, 98 [X.] wird

a) die

Beschlagnahme

des aufgefundenen [X.] Materials der Betroffenen,

b) gemäß §§ 81e, 81f [X.] die molekulargenetische Untersuchung des bei der Durchsuchung aufgefundenen [X.] Materials der Betroffenen,

c) der Abgleich des so gewonnenen [X.] mit dem in den Wohnungen der Beschuldigten [X.]  und [X.]in der ... aufgefundenen Spurenmaterial sowie

d) die Durchführung dieser Untersuchung durch den Sachverständigen [X.]oder einen seiner Vertreter von der zuständigen Fachdienststelle des [X.], ...

angeordnet.

Die Betroffene kann die Durchsuchung abwenden, indem sie freiwillig eine Speichelprobe abgibt.

Gründe

I.

1

Der [X.] beim [X.] führt gegen den Beschuldigten [X.]  ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Herstellung von biologischen Waffen in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, der versuchten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in zwei Fällen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. 2 KrWaffKontrG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG Teil A II 3. Buchst. b) 3.1 Buchst. d) Ziff. 4., §§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 1 und 3, Abs. 2a in Verbindung mit Abs. 1, Abs. 2 [X.], 129a, 129b, 22, 23 Abs. 1, 52, 53 StGB.

2

Gegen die Ehefrau des Beschuldigten, die Beschuldigte [X.]  , wird ein Verfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2a, Abs. 2 Nr. 1 StGB in zwei Fällen und zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB in Tateinheit mit Beihilfe zur vorsätzlichen Herstellung von biologischen Waffen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. 2 KrWaffKontrG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG Teil A II 3. Buchst. b) 3.1 Buchst. d) Ziff. 4., §§ 27, 52, 53 StGB geführt.

3

...

III.

Die Durchsuchungsanordnung beruht auf §§ 103, 105, 162, 169 Abs. 1 Satz 2, § 33 Abs. 4 [X.].

1. Die Betroffene ist an der genannten Anschrift wohnhaft.

...

3. Schutzvorschriften der Strafprozessordnung zur Wahrung des Zweckes des Zeugnisverweigerungsrechts der Betroffenen als Tochter bzw. Stieftochter der Beschuldigten (§ 52 As. 1 Nr. 3 [X.]) stehen einer Beschlagnahme [X.] Materials bei der Betroffenen nicht entgegen.

a) Zweck des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 [X.] ist es den Zeugen, der einerseits zur Wahrheit verpflichtet ist, anderseits befürchten muss, dadurch einem Angehörigen zu schaden, vor dem Entstehen einer Zwangslage zu bewahren ([X.]/[X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 52 Rn. 1). Der Gesetzgeber billigt dem Zeugen aus diesem Grund die Möglichkeit zu, durch die Verweigerung des Aussage selbst nicht aktiv zur Überführung eines Angehörigen beitragen zu müssen. Ergänzt wird dieses Recht durch die Bestimmungen des § 97 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und § 81c Abs. 3 [X.] (vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO, Rn. 1).

Mit der Regelung des Untersuchungsverweigerungsrechts des § 81c Abs. 3 [X.], wonach körperliche Untersuchungen durch [X.], die ein Zeugnisverweigerungsrecht für sich in Anspruch nehmen können, verweigert werden können, stellt der Gesetzgeber sicher, dass Betroffene nicht gezwungen werden können, aktiv durch die Zur-Verfügung-Stellung für eine Untersuchung dazu beitragen zu müssen, einen der in § 52 Abs. 1 [X.] aufgeführten nahen Angehörigen einer Straftat zu überführen [X.] in: Löwe/[X.], [X.], 27. Aufl. § 81c Rn. 31).

Der Grundsatz, dass durch das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 [X.] der Betroffene nur davor geschützt werden soll, nicht aktiv zur Überführung eines Angehörigen beizutragen, ist lediglich in § 97 Abs. 1 [X.], wonach schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten nicht der Beschlagnahme unterliegen, durchbrochen. Ein allgemeines Beschlagnahmeverbot beim Zeugnisverweigerungsberechtigten sieht die Strafprozessordnung nicht vor.

b) § 97 Abs. 1 [X.] findet vorliegend keine Anwendung, da nicht die Beschlagnahme von schriftlichen Mitteilungen der Betroffenen mit den Beschuldigten in mitten steht.

Auch das in § 81c Abs. 3 Satz 1 [X.] geregelten Untersuchungsverweigerungsrechts der Betroffenen steht einer Beschlagnahme nicht entgegen. Die Betroffene ist durch die richterliche Anordnung nicht verpflichtet aktiv zur Aufklärung des Sachverhaltes und ggf. zur Überführung der Beschuldigten beizutragen, sodass die Zwangslage, die durch das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 [X.] vermieden werden soll, nicht eintreten kann (vgl. dazu auch [X.], [X.] 1974, 1036). Wie vorstehend ausgeführt, hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, nur schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten beschlagnahmefrei zu stellen.

4. Angesichts der Schwere des [X.] ist die Anordnung verhältnismäßig. Ein milderes Mittel ist nicht vorhanden. Auf Nachfrage erklärte sich die Betroffene nicht zu einer freiwilligen Abgabe einer DNA-Probe bereit, was als Ausübung des ihr nach § 81c Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zustehenden Untersuchungsverweigerungsrechts zu verstehen ist.

IV.

...

Wimmer

Richterin am [X.]

Meta

1 BGs 324/18

01.08.2018

Bundesgerichtshof Ermittlungsrichter

Beschluss

Sachgebiet: BGs

§ 52 StPO, § 81c Abs 3 S 1 StPO, § 81e StPO, § 81f StPO, § 94 StPO, § 97 Abs 1 StPO, § 98 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.08.2018, Az. 1 BGs 324/18 (REWIS RS 2018, 5221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5221

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AK 58/17 (Bundesgerichtshof)

Aufhebung eines Haftbefehls durch den Staatsschutzsenat: Wegfall des dringenden Tatverdachts für die Vorbereitung einer schweren …


1 BGs 107/16 (Bundesgerichtshof)


7 St ObWs 1/18 (1) (OLG München)

Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat - Sich-Unterweisen-Lassen - Besondere Vorrichtungen


2 BvR 1405/17, 2 BvR 1780/17 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Durchsuchung von Kanzleiräumen und Sicherstellung von Unterlagen bzgl des "VW-Dieselskandals" - keine Grundrechtsverletzung des …


StB 14/17 (Bundesgerichtshof)

Beteiligung an der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat: Voraussetzungen der Mittäterschaft und der Beihilfe


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.