Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2012, Az. VIII ZR 226/11

8. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2210

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) VERBRAUCHERSCHUTZ KAUFRECHT BAUMÄNGEL

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Gegenstand

Kaufvertrag: Richtlinienkonforme Auslegung des Nacherfüllungsanspruchs bei Mängeln der Kaufsache; Beschränkung auf den Verbrauchsgüterkauf


Leitsatz

1. § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" neben dem Ausbau und Abtransport der mangelhaften Kaufsache auch den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache erfasst (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011, Rechtssachen C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, VIII ZR 70/08, NJW 2012, 1073).

2. Diese richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist auf den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) beschränkt und erstreckt sich nicht auf Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 8. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens sowie des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die im Sportplatzbau tätige Klägerin kaufte in den Jahren 2006 und 2007 bei der Beklagten [X.]Granulat eines [X.] Produzenten als Material zur Herstellung von Kunstrasenplätzen in [X.]           und für ein Gymnasium in [X.]     ; Auftraggeber der Klägerin waren die jeweiligen Gemeinden. Nach dem Einbau durch die Klägerin stellte sich heraus, dass das von der Beklagten gelieferte Granulat mangelhaft war. Für den erforderlichen Austausch des Materials stellte die Beklagte kostenlos [X.] zur Verfügung. Sie lehnte es aber ab, das mangelhafte Material auszubauen und das Ersatzgranulat einzubauen. Daraufhin wurden diese Arbeiten auf Veranlassung der Klägerin durch ein anderes Unternehmen vorgenommen.

2

Die Klägerin hat von der Beklagten Zahlung von 72.126,05 € nebst Zinsen und Rechtsanwaltsgebühren begehrt. Die Klageforderung setzt sich zusammen aus den Aus- und Einbaukosten (25.424,65 €), Entsorgungskosten für das mangelhafte Material (4.541,40 €) sowie der behaupteten Preisdifferenz zwischen dem [X.] und dem ursprünglich gelieferten [X.]Granulat (42.160 €). Das [X.] hat der Klage in Höhe von 4.379,27 € (Entsorgungskosten unter Abzug von Skonto) nebst Zinsen und Rechtsanwaltsgebühren stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre weitergehenden Ansprüche unter Abzug von [X.] weiterverfolgt hat, zurückgewiesen.

3

Mit der teilweise vom Berufungsgericht und teilweise vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Granulats (15.249,28 €) und für den Einbau des Ersatzgranulats (9.660,17 €) weiter. Hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Preisdifferenz zwischen dem [X.] und dem [X.] hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 280, 281 [X.] auf Ersatz der Ausbaukosten für das mangelhafte [X.] sowie der Einbaukosten für das Ersatzgranulat. Zwar stelle die Lieferung des mangelhaften Materials eine Pflichtverletzung dar. Hieraus folge jedoch kein Schadensersatzanspruch der Klägerin, weil die Beklagte als Zwischenhändlerin die Mangelhaftigkeit des Granulats nicht habe erkennen können; ein Verschulden des Herstellers habe sie nicht zu vertreten, weil dieser nicht ihr Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 [X.] sei.

7

Die Klägerin könne die ihr entstandenen Kosten auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des [X.]s der [X.] (§ 439 Abs. 1 [X.]) geltend machen. Denn der Verkäufer schulde im Rahmen der Nacherfüllung weder den Ausbau der von ihm zuvor gelieferten und vom Käufer selbst eingebauten mangelhaften Sache noch den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache.

8

Ein Ersatzanspruch wegen der Einbaukosten scheide, wie das [X.] zu Recht erkannt habe, nach der Rechtsprechung des [X.] aus ([X.], Urteil vom 15. Juli 2008 - [X.]; Beschlüsse vom 21. Oktober 2008 - [X.] und [X.]). Aus der Richtlinie 1999/44/[X.] und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des [X.] und der Garantien für Verbrauchsgüter ergebe sich nach der Auffassung des [X.] nichts anderes.

9

Auch ein Anspruch auf Ersatz der Ausbaukosten bestehe nicht. Nach den Ausführungen des [X.] im vorgenannten Urteil decke sich der [X.] hinsichtlich der geschuldeten Leistungen inhaltlich mit dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Der Verkäufer schulde eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen er sich nach § 433 Abs. 1 [X.] verpflichtet habe, also die nochmalige Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums an einer mangelfreien Sache, nicht aber mehr. Dieser restriktiven, den Ausbau der mangelhaften Sache vom Nachlieferungsanspruch ausschließenden Auffassung sei zu folgen.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand; die Revision ist daher zurückzuweisen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Kosten für den Ausbau des mangelhaften [X.]s und den Einbau des als Ersatz gelieferten [X.]s.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz statt der Leistung unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte ihre Vertragspflicht zur Beschaffung mangelfreien [X.]s verletzt hat (§ 437 Nr. 3, §§ 280, 281 [X.] i.V.m. § 433 Abs. 1 Satz 2 [X.]), verneint. Zwar sind die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Satz 1 [X.] für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin insoweit erfüllt, als das von der [X.] verkaufte [X.] mangelhaft war (§ 434 [X.]). Die Beklagte hat jedoch die sich daraus ergebende Pflichtverletzung (§ 433 Abs. 1 Satz 2 [X.]) nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht zu vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Dies nimmt die Revision hin.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3, §§ 280, 281 [X.]) auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 [X.]) verneint. Denn die Beklagte hat diese Pflicht nicht verletzt.

Die Voraussetzungen für einen [X.] der Klägerin nach § 437 Nr. 1, § 439 [X.] sind erfüllt, weil das von der [X.] gelieferte [X.] mangelhaft war. Nach § 439 Abs. 1 [X.] kann der Käufer nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Die Klägerin hat die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt. Dieser Aufforderung ist die Beklagte nachgekommen, indem sie kostenlos [X.] zur Verfügung gestellt hat, das von der Klägerin als Ersatzmaterial akzeptiert worden ist. Damit hat die Beklagte ihre Pflicht zur Nacherfüllung erfüllt.

Die Beklagte war nicht darüber hinaus verpflichtet, das mangelhafte [X.] auszubauen und das [X.] einzubauen. Denn diese Leistungen werden vom [X.] auf Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.]) nicht umfasst, wenn es sich bei dem Vertrag nicht um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 [X.] handelt, sondern um einen Kaufvertrag im geschäftlichen Verkehr zwischen Unternehmern oder im privaten Bereich zwischen Verbrauchern. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Parteien sind Unternehmer (§ 14 [X.]).

a) § 439 Abs. 1 [X.] dient der Umsetzung von Art. 3 der Richtlinie 1999/44/[X.] und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des [X.] und der Garantien für Verbrauchsgüter ([X.]. EG Nr. L 171 S. 12, im Folgenden: Richtlinie). Auf den Vorlagebeschluss des [X.]s vom 14. Januar 2009 ([X.], [X.], 1660) hat der [X.] (im Folgenden: Gerichtshof) durch Urteil vom 16. Juni 2011 ([X.]/09, [X.]/09 - [X.] GmbH/[X.]; [X.]/[X.] GmbH, NJW 2011, 2269) über die Auslegung der Richtlinie wie folgt entschieden:

"Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie […] ist dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen [X.]s, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses [X.]s aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte [X.] in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten [X.]s notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte [X.] einzubauen."

In der abschließenden Entscheidung über den dem Gerichtshof vorgelegten Fall des [X.] hat der [X.] daraufhin § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] richtlinienkonform dahin ausgelegt, dass die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften [X.] umfasst (Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.], zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen, NJW 2012, 1073 Rn. 25 ff.). Für den Einbau der als Ersatz gelieferten [X.] kann aufgrund des Urteils des Gerichtshofs nichts anderes gelten; auch insoweit ist eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] für den Verbrauchsgüterkauf geboten. Soweit der [X.] zuvor in seinem ebenfalls einen Verbrauchsgüterkauf betreffenden Urteil vom 15. Juli 2008 ([X.], [X.]Z 177, 224 Rn. 25) die Auffassung vertreten hat, eine so weitgehende Ausdehnung der [X.] lasse sich aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie nicht herleiten, hält er daran nicht fest.

b) Nicht entschieden hat der [X.] bislang über die Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] außerhalb des [X.]. Das Berufungsgericht hat für den hier vorliegenden Fall eines Kaufvertrags zwischen Unternehmern mit Recht angenommen, dass die Nachlieferung im Sinne des § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] weder den Ausbau der mangelhaften [X.] noch den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache umfasst (ebenso [X.], NJW 2011, 2241, 2244; [X.] in Prütting/Wegen/Weinreich, [X.], 7. Aufl., § 439 Rn. 13; [X.], [X.], 321439 unter 3b; [X.], [X.], 502, 505; Förster, [X.], 1493, 1500; [X.]/Schnell, [X.] 2011, 1938, 1939; [X.]/[X.], [X.] 2011, 489, 493 f.; [X.], [X.] 2011, 253, 257; [X.]/Appenzeller/[X.], [X.], 680, 681, 684; [X.], [X.], 717, 718; [X.]/[X.], [X.] 2011, 1736, 1742 f.; [X.], [X.] 2011, 2634, 2637; [X.], [X.], 744, 748; [X.], [X.], 473 f., 474; Kroll-Schlüter, [X.] 2011, 463, 466; [X.], [X.], 604, 608; Rodemann/[X.], [X.] 2011, 634, 639; [X.], [X.] 2011, 346, 352).

aa) Das aus dem Umsetzungsgebot des Art. 288 Abs. 3 A[X.]V und dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 [X.] folgende Gebot richtlinienkonformer Auslegung greift hier nicht ein. Es beschränkt sich auf den Anwendungsbereich der Richtlinie. Die Vorgaben der Richtlinie und das Urteil des Gerichtshofs beziehen sich nur auf den Verbrauchsgüterkauf und nicht auf andere Kaufverträge.

Auch die vom [X.] im Urteil vom 21. Dezember 2011 ([X.], aaO) vorgenommene richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] geht nicht weiter als die Richtlinie selbst, beschränkt sich also ebenfalls auf den Verbrauchsgüterkauf. Der [X.] hat entschieden, dass eine richtlinienkonforme Auslegung im Sinne des Urteils des Gerichtshofs noch vom Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] gedeckt ist (aaO Rn. 26). Er hat nicht ausgesprochen, dass eine solche Auslegung auch über den Verbrauchsgüterkauf hinaus geboten oder sachgerecht wäre.

bb) Allerdings kann eine richtlinienkonforme Auslegung für das nationale Recht auch über den Geltungsbereich einer Richtlinie hinaus Bedeutung erlangen, wenn eine überschießende Umsetzung einer Richtlinie in das nationale Recht erfolgt ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. April 2002 - [X.], [X.]Z 150, 248, 260 f.). Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung richtlinienfreien Rechts ergibt sich bei einer solchen richtlinienüberschießenden Umsetzung zwar nicht aus dem Gemeinschaftsrecht. Sie kann sich aber aus nationalem Recht, das heißt aus einem entsprechenden Willen des nationalen Gesetzgebers, ergeben.

Eine richtlinienüberschießende Umsetzung der Richtlinie liegt hier vor. Denn der Gesetzgeber hat die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Nacherfüllung bei deren Umsetzung in das [X.] Recht nicht in die Sonderregelungen für den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. [X.]), sondern in die für alle Kaufverträge geltenden Bestimmungen der §§ 433 ff. [X.] eingefügt.

Voraussetzung für eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] über den Verbrauchsgüterkauf hinaus ist nach dem oben Gesagten aber weiter, dass eine Ausdehnung der Nachlieferungspflicht im Sinne des Urteils des Gerichtshofs dem Willen des [X.]n Gesetzgebers entspricht (vgl. [X.]surteile vom 26. November 2008 - [X.], [X.]Z 179, 27 Rn. 28 zur teleologischen Reduktion des § 439 Abs. 4 [X.]; vom 13. April 2011 - [X.], [X.]Z 189, 196 Rn. 47 zu § 269 Abs. 1 [X.]). Davon kann nicht ausgegangen werden. Denn der Gesetzgeber ist bei der richtlinienüberschießenden Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Nacherfüllung von einem anderen Verständnis der Richtlinie ausgegangen als der Gerichtshof. Aus den Gesetzesmaterialien der Schuldrechtsreform ist zu entnehmen, dass dem Gesetzgeber eine so weitgehende Ausdehnung der Nachlieferungspflicht, wie sie der Gerichtshof vorgenommen hat, nicht vor Augen gestanden und er sie deshalb jedenfalls nicht für das gesamte Kaufrecht gewollt haben würde. Dies rechtfertigt es, die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] - ebenso wie die teleologische Reduktion des § 439 Abs. 4 [X.] (dazu [X.]surteil vom 26. November 2008 - [X.], aaO Rn. 26 ff.) - auf den Verbrauchsgüterkauf zu beschränken und nicht auf andere, der Richtlinie nicht unterfallende Kaufverträge auszudehnen.

Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zum Urteil des [X.] vom 9. April 2002 ([X.], aaO), in dem eine richtlinienkonforme Auslegung von § 5 Abs. 2 [X.] im Interesse umfassenden Verbraucherschutzes auch auf den marginalen Bereich der [X.] ausgedehnt wurde, die mit Rücksicht auf die richtlinienüberschießende Umsetzung der [X.] im [X.]n Recht zwar die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts nach § 1 [X.] aF erfüllen, nicht aber den Tatbestand der [X.]. Eine Ausdehnung der richtlinienkonformen Auslegung über den Bereich der [X.] hinaus auf den großen Bereich der Verträge zwischen Unternehmern und zwischen Verbrauchern, über die hier zu entscheiden ist, wurde auch in jener Entscheidung nicht vorgenommen.

(1) Bei dem [X.] aus § 439 Abs. 1 [X.] handelt es sich nach der gesetzgeberischen Konzeption der Schuldrechtsreform um eine Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs aus § 433 Abs. 1 [X.] (BT-Drucks. 14/6040, [X.]). Bei der in § 439 Abs. 1 [X.] als eine der beiden Alternativen der Nacherfüllung vorgesehenen Lieferung einer mangelfreien Sache decken sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers, wie schon aus der gesetzlichen Formulierung hervorgeht, der [X.] und der ursprüngliche Erfüllungsanspruch hinsichtlich der vom Verkäufer geschuldeten Leistungen; es ist lediglich anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften [X.] nunmehr eine mangelfreie - im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige - Sache zu liefern. Die Ersatzlieferung erfordert daher eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] verpflichtet ist; der Verkäufer schuldet nochmals die Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums einer mangelfreien Sache - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Denn mit der Nacherfüllung soll nach der gesetzgeberischen Konzeption der Schuldrechtsreform lediglich eine nachträgliche Erfüllung der Verkäuferpflichten aus § 433 Abs. 1 Satz 2 [X.] durchgesetzt werden; der Käufer soll mit der Nacherfüllung das erhalten, was er vertraglich zu beanspruchen hat (BT-Drucks. aaO; [X.]surteile vom 15. Juli 2008 - [X.], aaO Rn. 18 mwN; vom 13. April 2011 - [X.], aaO Rn. 49).

Ist demnach die Nacherfüllung darauf beschränkt, die nach § 433 Abs. 1 Satz 2 [X.] vom Verkäufer geschuldete Erfüllung im zweiten Anlauf zu bewerkstelligen, bewahrt sie den Käufer einer mangelhaften Sache nicht ohne Weiteres vor jedweden Vermögensnachteilen. Denn nach dem kaufrechtlichen Gewährleistungssystem der §§ 434 ff. [X.] sind über das Erfüllungsinteresse hinausgehende Vermögensnachteile, die beim Käufer dadurch entstehen, dass dem Verkäufer die Erfüllung nicht schon beim ersten, sondern erst beim zweiten Versuch gelingt, nach der Vorstellung des [X.]n Gesetzgebers - soweit nicht die besondere Kostenregelung des § 439 Abs. 2 [X.] eingreift - nur nach den allgemeinen Regeln über den Schadens- oder Aufwendungsersatz auszugleichen (BT-Drucks. 14/6040, [X.] f.; [X.]surteil vom 15. Juli 2008 - [X.], aaO Rn. 22; vgl. auch [X.]sbeschlüsse vom 21. Oktober 2008 - [X.] und [X.], beide juris). Insofern gehören der Ausbau der mangelhaften [X.] und der Einbau der als Ersatz gelieferten Sache nach nationalem [X.]m Recht grundsätzlich nicht zu der vom Verkäufer geschuldeten Nacherfüllung ([X.]surteil vom 15. Juli 2008 - [X.], aaO Rn. 19 zu den Einbaukosten; [X.]sbeschluss vom 14. Januar 2009 - [X.], aaO Rn. 19 ff. zu den Aus- und Einbaukosten), sondern nur insoweit, als sich aus Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie etwas anderes ergibt und dies im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] zu berücksichtigen ist ([X.]sbeschluss vom 14. Januar 2009 - [X.], aaO Rn. 22).

(2) Diese Vorstellungen des [X.]n Gesetzgebers über Inhalt und Umfang der Nachlieferungspflicht gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] stimmen nicht mit dem Verständnis des Gerichtshofs über den Umfang der Nachlieferungspflicht gemäß Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie überein. Es kann daher nicht angenommen werden, dass es dem Willen des [X.]n Gesetzgeber entspräche, eine so weitgehende Ausdehnung der Nachlieferungspflicht, wie sie der Gerichtshof für den Verbrauchsgüterkauf verbindlich vorgenommen hat, im Wege richtlinienkonformer Auslegung über den Verbrauchsgüterkauf hinaus auch auf andere Kaufverträge zu erstrecken.

Zwar hat der Gesetzgeber mit der Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie für die Nacherfüllung in § 439 [X.] eine einheitliche Regelung für alle Kaufverträge angestrebt. Dies beruhte jedoch auf dem dargelegten Fehlverständnis über den von der Richtlinie für den Verbrauchsgüterkauf vorgegebenen Umfang der [X.] bei der Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache. Deshalb spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber die Nachlieferungspflicht gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] einheitlich für alle Kaufverträge geregelt hätte, wenn ihm die spätere Auslegung der Richtlinie durch den Gerichtshof bekannt gewesen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie für die Nachlieferungspflicht auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt hätte, wenn ihm damals bereits bekannt gewesen wäre, dass der Gerichtshof der Nachlieferung einen über die Wiederholung der Verkäuferpflichten hinausgehenden, in den Werkvertrag hineinreichenden Inhalt zuweist (vgl. [X.]surteil vom 15. Juli 2008 - [X.], aaO Rn. 25; [X.]sbeschluss vom 14. Januar 2009 - [X.], aaO). Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 [X.] über den Verbrauchsgüterkauf hinaus auf den großen Bereich der Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern ist daher abzulehnen.

Insoweit gilt nichts anderes als hinsichtlich der Regelung in § 439 Abs. 4 [X.], deren richtlinienkonforme Reduktion der [X.] ebenfalls nicht auf alle Kaufverträge erstreckt, sondern unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt hat ([X.]surteil vom 26. November 2008 - [X.], aaO). Diese Entscheidung des [X.]s hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung in § 474 Abs. 2 [X.], welche die richtlinienkonforme Einschränkung des § 439 Abs. 4 [X.] auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt, bestätigt.

[X.]                                                Dr. Frellesen                                                Dr. Hessel

                      Dr. [X.]                                               Dr. Schneider

Meta

VIII ZR 226/11

17.10.2012

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 8. Juni 2011, Az: 4 U 34/11

§ 439 Abs 1 Alt 2 BGB, § 474 BGB, Art 3 Abs 2 EGRL 44/1999, Art 3 Abs 3 EGRL 44/1999

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2012, Az. VIII ZR 226/11 (REWIS RS 2012, 2210)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2210

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