Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2010, Az. 3 StR 442/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 10068

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Gegenstand

Besonders schwere Brandstiftung: Voraussetzungen eines vollendeten Inbrandsetzens bei Feuerlegung in einem Imbisslokal im Erdgeschoss eines gemischt genutzten Gebäudes


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Juni 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten der besonders schweren [X.]stiftung schuldig gesprochen und sie jeweils zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen sie die Verletzung des materiellen Rechts und beanstanden das Verfahren. Die Rechtsmittel haben mit von beiden Angeklagten übereinstimmend erhobenen Verfahrensrügen Erfolg. Auf die Sachrügen kommt es deshalb nicht an.

I.

2

1. Zu Recht beanstanden die Angeklagten, dass das [X.] die Aussage der Zeugin B. im Ermittlungsverfahren, den vom Angeklagten M. als Grund seiner [X.]verletzungen behaupteten [X.] habe es nicht gegeben, sowie die betriebswirtschaftliche Auswertung 2008 für das durch den [X.] zerstörte Lokal zu ihrem Nachteil verwertet hat. Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Das Gericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten auch auf die Angaben der Zeugin B. gestützt. Dieser stand als Stieftochter des Angeklagten M. ([X.]) ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO zu, über das sie nach § 52 Abs. 3 StPO hätte belehrt werden müssen. Dies ist indes weder bei der polizeilichen Vernehmung noch bei der Vernehmung durch die Kammer erfolgt, was zu einem Verwertungsverbot ihrer Angaben führt ([X.], [X.]., § 52 Rdnr. 32 m. zahlr. [X.]). Ein Ausnahmefall - wenn etwa feststeht, dass der Zeuge seine Rechte gekannt hat und auch nach Belehrung ausgesagt hätte - ist ersichtlich nicht gegeben. An der Unverwertbarkeit ändert schließlich auch der Umstand nichts, dass sich die Zeugin selbst als 'mit den Angeklagten nicht verwandt oder verschwägert' bezeichnet hat, denn es kommt auf die objektive Sachlage an und die Zeugin hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass sie als Stieftochter eines Angeklagten mit diesem 'verschwägert' im Sinne des § 52 StPO ist ([X.], [X.]uss vom 3. Mai 2006, 4 [X.] = [X.], 647). …

Weiterhin rügt die Revision zu Recht, dass das Gericht seine Überzeugung - hinsichtlich der Motivlage - auch auf die 'Jahresbilanz 2008' gestützt hat, obwohl diese im Gegensatz zur 'Jahresbilanz 2007' nicht durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Dies ergibt sich aus dem Schweigen des Protokolls hierzu …

Diese Bilanz ist auch, wie von der Revision überzeugend dargelegt, nicht auf anderem Wege in die Hauptverhandlung eingeführt worden, zumal die Kammer ihr Urteil insoweit ausdrücklich auf die 'verlesene' ([X.]) Urkunde stützt."

3

Dem schließt sich der Senat an.

4

2. Begründet sind im Übrigen auch die [X.], das [X.] habe seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) dadurch verletzt, dass es weitere Ermittlungen zur Entwicklung der Konten des Angeklagten A. bei der [X.] und bei der [X.] bzw. des Kontos des Angeklagten M. bei der [X.] unterlassen hat. Hierzu hätte bereits der Umstand gedrängt, dass sich diese Bankverbindungen aus (verlesenen) Auskünften der [X.] ergeben, deren Einholung das [X.] zur Beweiserhebung über die Zahlungsfähigkeit der Angeklagten und zur Feststellung der von ihnen unterhaltenen Konten selbst angeordnet hat. Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil, denn da das [X.] festgestellt hat, dass "das Privatkonto" des Angeklagten A. bereits über einen längeren Zeitraum im Soll war, und hieraus auf finanzielle Schwierigkeiten schließt, die es als "deutliches Motiv für eine [X.]stiftung" wertet, ist es nicht auszuschließen, dass es zu einer abweichenden Würdigung der Motivlage gelangt wäre, wenn sich die oben angegebenen Konten in der von der Revision behaupteten Weise entwickelt hätten.

II.

5

Für die neue Hauptverhandlung geben die Urteilsgründe Anlass zu folgendem Hinweis:

6

1. Nach den Feststellungen legten die Angeklagten in dem von ihnen im Erdgeschoss des Gebäudes betriebenen Imbisslokal an mehreren Stellen Feuer, um die Versicherungssumme für das Inventar zu erlangen. Der [X.] zerstörte das Inventar fast vollständig, wurde aber von der Feuerwehr gelöscht, bevor er Gebäudeteile so erfasste, dass sie selbständig weiterbrennen konnten. [X.]schäden an der abgehängten [X.], [X.] und Löschwasser machten die Räume des Lokals unbenutzbar, eine Verpuffung des verwendeten [X.] riss zudem dessen Glasfront aus der Verankerung. Wäre das Feuer später entdeckt worden, hätte es sich über den Abluftschacht der Dunstabzugshaube auf das gesamte Gebäude und damit auch auf die im zweiten Obergeschoss gelegenen Wohnungen ausbreiten können.

7

2. Dies trägt nicht den Schuldspruch wegen (vollendeter) besonders schwerer [X.]stiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB, da die Angeklagten kein der Wohnung von Menschen dienendes Gebäude in [X.] gesetzt oder durch eine [X.]legung zerstört haben (§ 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB).

8

Allerdings genügt es für ein vollendetes Inbrandsetzen nach § 306 a Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. StGB, wenn in einem - wie hier - einheitlichen, teils gewerblich, teils zu Wohnzwecken genutzten Gebäude nur solche Gebäudeteile selbständig brennen, die für die gewerbliche Nutzung wesentlich sind, aber nicht auszuschließen ist, dass das Feuer auf Gebäudeteile übergreift, die für das Wohnen wesentlich sind ([X.], [X.]. vom 20. Oktober 2009 - 3 StR 392/09 m. w. N.). § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB stellt als abstraktes Gefährdungsdelikt ein Handeln unter Strafe, das typischerweise das Leben von Personen gefährdet, die sich in einem Gebäude aufhalten; eine solche abstrakte Gefahr besteht bereits dann, wenn "das Gebäude" brennt und der [X.] sich ausweiten kann ([X.]St 34, 115, 118; 35, 283, 285 f.).

9

Besteht der durch die [X.]legung bewirkte Erfolg indes nicht darin, dass wesentliche Gebäudeteile der gewerblich genutzten Räume selbständig brennen, sondern allein in der ganzen oder teilweisen Zerstörung dieser Räume durch die [X.]legung, so führt dies auch dann nicht zu einer vollendeten schweren [X.]stiftung nach § 306 a Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB, wenn die Gefahr bestand, dass das Feuer auf den Wohnzwecken dienenden Teil des Gebäudes übergreift. Eine (teilweise) Zerstörung kann auf vielfältigen durch die [X.]legung ausgelösten Umständen beruhen, etwa wie hier auf einer Rußentwicklung oder auf der Einwirkung von [X.] (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 306 Rdn. 15). Sie ist deshalb, wenn sie die gewerblichen Räume betrifft, nicht typischerweise auch mit einer Gefährdung der Personen verbunden, die sich in dem zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil aufhalten. Auf diesen Gebäudeteil bezogen liegt der Sachverhalt nicht anders als bei einer [X.]legung, deren Erfolg ausgeblieben ist.

[X.]                               Sost-Scheible                            Hubert

                    Schäfer                                        [X.]

Meta

3 StR 442/09

26.01.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 8. Juni 2009, Az: 731 Js 59455/08 - 4 KLs 27/09, Urteil

§ 22 StGB, § 23 StGB, § 306a Abs 1 Nr 1 Alt 1 StGB, § 306a Abs 1 Nr 1 Alt 2 StGB, § 306b Abs 2 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2010, Az. 3 StR 442/09 (REWIS RS 2010, 10068)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10068

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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